LIBRARY KNOX COLLEGE L'BRARY )X COLLEGE, TohONir.. Digitized by the Internet Archive in 2011 with funding from University of Toronto http://www.archive.org/details/schpfungundchaOOgunk Verlag von Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen. Soeben erscheinen: Acta apostolorum sive Lu'eae ad Theophilum über alter. Editio philologica apparatu critico, commentario perpetuo, indice verborum illustrata auctore F. Blass, Phil. Dr. et Professor Halensis. Etwa 20 Bogen. Lex.-8. Preis etwa 9 Mk. Die Literatur des alten Testaments nach der Zeitfolge ihrer Entstehung. Von G. Wildeboer, Theol. Doet. and ord. Professor der Theol. in Groningen. Unter Mitwirkung des Verf. a. d. Holländischen übersetzt von Pfarrer Risch. 30 Bogen, gr. 8. Preis 9 Mk.; in Halblederband 10 Mk. 60 Pf. Die Einheitlichkeit der paulimschen Briefe an der Hand der bisher mit bezug auf sie aufgestellten Interpolations- und Compilationshypothesen geprüft von Lie, Dr. Carl Clemen, Privatdocent an der Universität Halle- Wittenberg. 12 Bogen, gr. 8. 4 Mk. 80 Pf. Früher ist erschienen: Zur Geschichte und Litteratur des Urchristentums. Von Prof. D. Friedrich Spitta, o. Prof. d. Theol. an der Univ. Strassburg i. E. I. Band. VIII, 340 S. gr. 8. 1893. Preis 8 Mk. Inhalt: Die zweimalige römische Gefangenschaft des Paulus. — Der ziceite Brief an die Thessalonicher. — Unordnungen im Texte des 4. Evangeliums. — Die urchristlichen Traditionen über Ursprung und Sinn des Abendmahls. Verlag von Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen. Soeben ist erschienen als X. Abtheilunff (5. u. 6 Auflage) des kritisch -exegetischen Kommentars über das Nene Testament, begründet von H. A. W. Meyer Die Thessalonieherbriefe bearb. von Prof. Lic. W. Bornemann. 45 Bogen, gr. 8. Preis, geh. 9 Mk , geb. 10 Mk. 50 Pf. Bestrebt den von A. H. W. Meyer begründeten kritisch -exegetischen Kommentar zum neuen Testament auf die bestmögliche Weise fortzuführen, hat die Verlagshandlung Herrn Prof. Bornemann auf seinen Wunsch in der Be- arbeitung dieser Abtheilung vollständige Freiheit auch hinsichtlich der Anlage gelassen. Der Preis des wider Erwarten auf den dreifachen Umfang der letzten Bearbeitung angewachsenen Bandes ist im Interesse der Verbreitung des Gesammtkommentars überaus niedrig angesetzt. Soeben ist erschienen : Winer's Grammatik des Neutestamentliehen Spraehidioms, 8. A-uflag-e. Neu bearbeitet von Prof. D. P. Schmiedet. 1. Theil: Formenlehre und Einleitung. 10 Bogen, gr. 8. Preis 2 Mk. 60 Pf. Lit. Centralblatt 1894, Nr. 29: „Selten ist eine Publication einem so grossen und so allg. empfundenen Bedürfniss ent- gegengekommen wie diese Neubearbeitung" .... „Die Aufgabe des Be- arbeiters war keine leichte. Wenn man bedenkt, dass in den 36 Jahren, welche Beit Winer's Tode verflossen sind, die griech. Sprachwissenschaft eine völlige Bevolution durchgemacht hat und speciell die historische Betrachtung durch Veröffentlichung zahlloser mittelgriechischer Texte und durch eine method. Untersuchung des Neugriechischen eig. erst begründet worden ist, so wird man ermessen können, welche Schwierigkeiten hier zu überwinden waren. Schm. hat die Unsumme grosser und kleiner Literatur so gewissenhaft und vollständig beigezogen, dass ein neues Buch entstanden ist, und man muss ihm für die Selbstverleugnung dankbar sein, die er durch Beibehaltung des alten lieb^ewordenen Titels bewiesen hat.:; . . . „Uebrigens darf man zur richtigen Wertschätzung des Bearbeiters nicht aus dem Auge verlieren, dass er nicht eine linguistische Untersuchung, sondei"n ein in erster Linie für Theologen bestimmtes Repertorium aller für das Studium des Neuen Test, wichtigen sprachlichen Thatsachen geben wollte, und dieses Ziel ist trefflich erreich t." . Soeben ist ferner erschienen: Das antike Mysterienwesen in seinem Einfluss auf das Christentum. Von Lic. Gustav Anrieh, Privatdoz. in Strassburg i.E. VIII, 237 S. gr. 8. Preis 5 Mk. 60 Pf. Im Literar. Centralblatt 1894, Nr. 29 heisst es: „Das Verhältnis des Christentums zu dem antiken Mysterienwesen ist jetzt ein Lieblingsgegenstand sowohl theologischer als philologischer Arbeiten. Vorliegende Untersuchung zeichnet sich .vor anderen aus durch weise Besonnenheit und grosse Zurück- haltuno-, die ein hohes Mass wissenschaftlicher Schulung verräth. Bekannt mit dem ganzen philologischen Material weiss der Verf. als Theologe doch auch die anderen die Gesammtentwicklung bestimmende Factoren richtig zu schätzen und durch musterhafte Handhabung derselben sich vor der so nahe liegenden Gefahr einseitiger Construction zu bewahren." S;NOX COLLEGE, TOtiONT\ Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung über Gen 1 und Ap Joh 12 Hermann Gunkel ao. Professor der Theologie in Berlin. Mit Beiträgen von Heinrich Zimmern ao. Professor der Assyriologie in Leipzig. <5öttingen Dan&enfyoecf unb Supred)t 1 895. Das Eecht der Übersetzung wird vorbehalten. iSov notaä t« fo/ara tu? tcc nginru. Ep Barn 613. Albert Eichhorn in Freundschaft und Dankbarkeit vom Verfasser. Vorwort. Der Leser findet auf den folgenden Blättern Untersuchungen über eine Reihe biblischer Stellen, vom ersten Capitel der Genesis an bis zu den letzten der Offenbarung. Doch haben alle diese Einzeluntersuchungen im letzten Grunde denselben Gegenstand im Auge. Der Verfasser hat versucht, die einzelnen Abhand- lungen, aus denen diese Schrift besteht, auch der Form nach zu einem Ganzen zu gestalten; so setzt die Beweisführung des zweiten Teils den ersten voraus. Da der Verfasser zuweilen den herrschenden Meinungen entgegentreten musste, so mag es ihm erlaubt sein, an die Vor- urteilslosigkeit der Leser zu appellieren; da er hie und da un- betretene Wege Avandelt, so hat er die Pflicht, um Entschuldigung zu bitten, wenn sich grössere oder kleinere Fehler eingeschlichen haben sollten. Für Belehrung und für begründeten Widerspruch wird man ihn dankbar finden. Einzelne, auf Weiteres hinweisende Andeutungen hat der Verfasser nicht ganz vermeiden können. Doch bitte ich, über dies Weitere das Urteil einstweilen in Schwebe zu halten. Über die hebräischen Verse verspreche ich, in kurzem einen Beweis zu erbringen. Eine urkundliche Bestätigung der von uns ent- deckten babylonischen Verse (ZA VIII 121 ff) ist inzwischen von Heinrich Zimmern gefunden (cf im Folgenden p 401 A 1) und wird demnächst von ihm besprochen werden. Eine Auseinander- setzung über die Composition der Apokalypse im Zusammen- hange der Geschichte der Apokalyptik soll in nicht zu langer Zeit folgen. Es ist nicht Sitte, in einer historischen Untersuchung die VI letzten Principien der Forschung zu entwickeln. Doch habe ich die Pflicht, einen — wie mir versichert wird — der Misdeutung ausgesetzten Punkt ausdrücklich zu erörtern. Ich halte es für methodisch verwerflich, nur die Anfänge der Dinge zu untersuchen und die weitere, oft wichtigere und wertvollere Geschichte derselben zu ignorieren. Demnach habe ich mich nicht begnügt, den babylonischen Ursprung eines bi- blischen Stoffes zu behaupten, sondern überall daneben erörtert, in welcher eigentümlichen Weise der übernommene Stoff in Israel aufgefasst und umgebildet sei. Es liegt am Tage und ist im Folgenden ausführlich behandelt, dass der Schöpfungsbericht, obwol babylonischer Herkunft, doch seinen eigentümlichen "Wert erst in Israel erhalten hat. So glaubt der Verfasser gegen das Misverständnis geschützt zu sein, als ob etwa durch den Nach- weis, dass Israel nicht unberührt von der Weltcultur geblieben sei, das Eigentümliche der israelitischen Religion geleugnet und damit der Glauben, dass sich in dieser Geschichte Gott in besonderer Weise offenbare, zerstört werden solle. Auf Widerspruch von anderer Seite muss sich der Verfasser gefasst machen wegen seiner Stellung zur herrschenden Literar- kritik und wegen seiner religionsgeschichtlichen Forschungs- methode. Die Methode der Reconstruction, wenn auch der gegenwärtigen biblischen Theologie natürlich nicht unbekannt, so doch in dieser Ausdehnung und Consequenz in derselben nicht üblich, wird, so fürchte ich, Befremden hervorrufen; man wird die Behauptungen des Verfassers vielleicht für überkühne Hypothesen erklären. Auf dem Gebiete der Literar- kritik reconstruiert jedermann; und auf dem der Religions- geschichte sollte das verboten sein? Und man beachte, dass es auch für diese Arbeit feste Gesetze und Normen giebt — der Verfasser hat sich vielfach bemüht, sie im Folgenden auch theoretisch zu entwickeln; ferner, dass eine Reihe der so ge- wonnenen Resultate durch die Urkunden bestätigt werden. Vielmehr, wenn die religionsgeschichtliche Methode nur mit wissenschaftlicher Strenge, mit Vorsicht und Sachkunde ange- wandt wird, so sehe ich nicht ein, warum nicht auf diesem Gebiete ebenso sichere Resultate erzielt werden könnten, wie auf dem der Philologie. VII Im Übrigen ist dies Buch nicht für oder gegen eine kirch- liche oder wissenschaftliche Partei geschrieben. Auch hat der Verfasser die Beobachtungen, die es enthält, nicht gesucht; sondern sie haben sich ihm dargeboten. Ob sie richtig sind, mögen andere beurteilen; das aber kann der Verfasser ehrlich versichern, dass er bemüht gewesen ist, in demütiger Unter- ordnung unter den Gegenstand seiner Untersuchungen den Dingen ihr Geheimnis abzulauschen und ihre eigentümliche Natur zu erkennen; auch die Überzeugung darf er aussprechen, dass das Wort wahr ist, man erkenne so viel, als man Kraft habe, zu lieben und zu verehren. Dank ist der Verfasser schuldig, zumeist dem Manne, dessen Name dies Buch schmückt. Seine Zustimmung hat mich vor Jahren, als ich durch unerwarteten Widerspruch im Gewissen bedrängt war, in den Principien und der Forschungsmethode befestigt. Aus dem reichen Borne seiner Fragen und Antworten schöpfend, habe ich mir durch ihn Auge und Ohr schärfen lassen. Ihm habe ich die Resultate dieser Schrift, sobald sie gefunden waren, fast regelmässig mitgeteilt; sein Rat, sein Beifall und sein Widerspruch sind mir bei der Ausarbeitung überall gleich wertvoll gewesen. Heinrich Zimmern hat dem Buche die babylonischen Texte hinzugefügt und meine Auseinandersetzungen mehrfach durch Bemerkungen ergänzt. Dieselben sind durch eckige Klammern und Z bezeichnet. Doch ist Zimmerns geistiges Eigentum damit noch nicht begrenzt. Wir haben mehrere Jahre lang in täg- lichem Verkehre die Gedanken ausgetauscht, so dass wir nun das gemeinsam Erworbene nicht mehr scheiden können und wollen. Doch bemerke ich, dass ich den ersten Hinweis auf die Apokalypse dem Freunde verdanke, dem die Ähnlichkeit der Rettung durch den grossen Adler Ap Joh 12 und der Etana- Jegende aufgefallen war (cf p 386 A 6). Im Allgemeinen ist die Art unsrer gemeinsamen Arbeit durch die Form der fol- genden Untersuchungen gekennzeichnet: der Theologe erkannte, von innertheologischen Beobachtungen ausgehend, den fremd- artigen Charakter eines Stoffes, postulierte aus allgemeineren Gründen seine babylonische Herkunft, versuchte, seine ursprüng- liche Gestalt zu reconstruieren und legte dann dem Assyriologen Till die Resultate zur Bestätigung vor. So wird man vielleicht auch denjenigen Resultaten Glauben schenken, die mit derselben Methode gefunden sind, aber einstweilen aus dem erhaltenen Material noch nicht belegt werden können. Das internationale Thema, das ich behandle, wollte mich manchmal auf Gebiete verlocken, auf denen ich nicht zu Hause bin. Ich habe dieser Versuchung widerstanden und mich be- gnügt, auf solche Punkte nur hinzuweisen. Dass ich im Talmud nicht Fachmann bin, habe ich durch die Form meiner Citate angedeutet. Hie und da habe ich die Hülfe von Fachgelehrten in Anspruch genommen. Herr Professor Praetorius hatte die Güte, einige Henochstellen im äthiopischen Texte mit mir durch- zunehmen. Mehrfach hat mich Herr Professor Ed. Meyer mit gütigem Beirat unterstützt. Herr Professor Petersen in Rom war so gütig, mir eine Photographie des Titusreliefs und eine Beschrei- bung der Tiere auf dem Postamente des Leuchters zu senden; seine Mitteilung, dass diese Wesen ,ganz den Stempel griechisch- römischer Kunst zeigen5, konnte ich leider im Texte dieses Werkes (cfp 165 ff) nicht mehr verwerten. Einige Notizen verdanke ich Herrn Privatdocenten Dr. Wernicke sowie Herrn Dr. Stube. Bei der Correctur haben mir geholfen für die ersten Bogen Herr cand. theol. Schüler aus Marburg und Herr stud. theol. G. Schmidt aus Hannover, dem ich auch eine vorzügliche Con- jektur verdanke (cf p 59 A 1); für die mittleren mein lieber Schwiegervater, Herr Domprediger Beelitz in Halle, der mir auch sonst mit seinem wertvollen Beirat zur Seite gestanden hat: die letzten Bogen haben die treuen Augen meines guten Vaters durchgesehen. Bei den Citaten, die ich — ganz wenige, die mir im Augenblicke nicht zugänglich waren, ausgenommen — bei der Correctur noch einmal verglichen habe, hat mir noch jemand geholfen, der nicht genannt sein will Allen diesen, besonders meinen treuen und aufopfernden Freunden, meinen herzlichen Dank. Auf die mitgeteilten Übersetzungen aus dem Babylonischen und Hebräischen haben wir besondere Mühe verwandt. Wir haben nicht nur wortgetreu übersetzen, sondern zugleich, so- weit wir vermochten, den Eindruck des Textes wiedergeben wollen. Wir haben daher auch im Drucke die Structur der IX Verse hervortreten lassen: von der Gleichartigkeit der hebräischen und der babyionischen Verse kann sich der Leser nunmehr durch den Augenschein überzeugen Wo sich auch im Deutschen eine poetische — oder sagen wir bescheidener: eine der poeti- schen ähnliche — Form ergab, haben wir sie nicht verschmäht, aber ohne sie zu suchen. Die Munificenz der Verlagsbuch- handlung, der wir auch sonst zu Dank verpflichtet sind, hat uns für die Texte Cursiv zur Verfügung gestellt, während Con- jekturen und unsichere Übersetzungen in Antiqua gedruckt werden konnten. Wir machen besonders den der Sprachen unkundigen Leser auf diesen Wechsel im Druck aufmerksam. Auch sonst habe ich mich bestrebt, die verschiedenen Grade der Sicherheit, mit der die Thesen aufgestellt werden können, möglichst deutlich von einander abzugrenzen. Der wolwollende Leser wird diese Nuancen nicht übersehen. Der Verfasser hat versucht, für die einzelnen Behauptungen seine Vorgänger aufzusuchen. Sollte ich einen oder den andern Namen nicht genannt haben, so geschah es, weil ich ihn nicht kannte. Mehrfach habe ich mich mit andern Anschauungen auseinandersetzen müssen; doch war ich weit davon entfernt, hierin etwa Vollständigkeit erstreben zu wollen. Gewiss habe ich in der weitschieb tigen Literatur, die für dies Werk in Be- tracht kommt, auch Manches übersehen, wovon ich hätte lernen können. Für solche Nachweise würde ich sehr dankbar sein. Der letzte Abschluss des Werkes erfolgte unter Umständen. die ich zu ändern nicht im stände war, in einer Eile, der man einige Ungleichheiten in der Form zu Gute halten möge. Von Abkürzungen nenne ich: HW Riehms .Handwörterbuch des biblischen Altertums', JRAS Journal of the Royal Asiatic Society. KAT Schraders ,Keiliu Schriften und das AT', KB Schraders ,Keilinschriftliche Bibliothek-, Rawl The Cuneiform Inscriptions of Western Asia edited by Sir H Rawlinson, SBAW Sitzungsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften, ThT Theologisch Tijdschrift, ZA Zeitschrift für Assyriologie, ZDMG Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. X Ton Berichtigungen weiss ich einstweilen nur anzuführen: p 87 Z 18 von oben lies IV Esra 652 für IV Esra 4.52; p 100 Z 22 von oben ist ,wird', p 145 (A 2 zu p 144) Z 8 von unten ist ,Masseben und' zu streichen ; p266 (A 1 zu p 265) Z 6 von unten lies ,Sprache< für Sprachen'; p 310 A 6 Z 2 von unten ist ,als' vor ,spätere' einzusetzen; p 364 A 1 Z 14 von unten sind die Worte: ,et' om Maz in Klammern zu setzen. Die beiden p 127 erschlossenen Aufzählungen der Planeten findet der Leser aus griechischer Tradition Dieterich Abraxas p 41. Wiederum ein Zusammentreffen babylonischer, israelitischer und griechischer Tradition. So übergebe ich dies Werk der Öffentlichkeit. Was darin Irrtum ist, möge der Wind verwehen. Ist aber darin etwas Wahres, so möge es nicht ganz unwert sein, an seinem be- scheidenen Teile mitzuhelfen, die Erkenntnis der Wege Gottes zu fördern und dadurch an seinem Reiche zu bauen. Halle, Oktober 1894. Hermann Gunkel. Inhalt. Geil 1, die Schöpfung in der Urzeit p 3—170. 1. Literatur (den babylonischen Ursprung von Gen 1 betreffend) p3f. 2. Gen 1 ist nicht eine freie Construction des Verfassers, p 4 — 16. Die in Gen 1 überlieferten uralten Züge (Chaos p 7. Gottesgeist p 7f, Finsternis p 8. Ursprung der Pflanzen p 8f. Sterne p 9, Mensehen- schöpfung p 9—12. .Gut" p 12, Speisegebot p 12f, Sabbath p 13f) be- weisen, dass Gen 1 auf uralte Tradition zurückgeht, p 6 — 14. Einige Züge (Chaos, Sterne) weisen auf babylonischen Ursprung der Tradition hin, p 15f. 3. Die babylonische Kosmogonie p 16—29. Griechische Berichte bei Damascius p 17 und Berossus p 17 — 21. Der keilinschriftliche Bericht, paraphrasiert und in Hauptzügen erklärt p 21 — 27. Alter des Mythus in Babylonien p 27f. Varianten p 28f. 4. Anspielungen an den Mythus vom Kampfe Marduks gegen Tiämat im AT abgesehen von Gen 1 p 29—114. I. Die Drachentraditionen p 29 — 90. Eahab p 30—40: Jes 51 9f p 30-33, */' 89io-i5 p 33-36, Job 26iaf p 36f, Job 9 13 p 38, 874 p 38, Jes 30 t p 38-40. */' 40 5 p 40. Leviathan p 41-61: 1' 74i2-i9 p 41—45. Jes 27 1 p 45— 48, Job 4025—4126 p 48-57, 1' 10425f p 57f, Job 3s p 59-61. Behemoth p 61-69: Job 40i9-24 p 61-65, Henoch 60t— 9 p 63f, IVEsra 649—52 p 64. Jes 30e p 66, «P 6831 p 66-69. Der Drache im Meere p 69 — 81: Job 7 12 p 70, ¥'' 4420 p 70f. Ez 293—6 322— s p 71—77, Jer 5134 36 42 p 78, Psalm Sal 228—34 p 79-81. Die Schlange p 81f: Arnos 92f p Slf. (Die Untersuchung wird auf p 314 ff fortgesetzt.) Zusammenstellung des gefundenen mythologischen Materials p 82—86. Varianten p 86—88. Anwendungen p 88—90. IE. Die Traditionen vom Urmeer p 91—111. Die Überwindung des Meeres in der Urzeit p 91 — 99: *P 1045—9 Job 388—ii Prov 822—31 Jer 5 22 3135 tf' 33ö 65 7f Jes Sir 43(25)23 Or Manasse 2—4 p 91 98. Jes 50 2f p 98f ; auf die Endzeit angewandt oder in Nachklängen p 99 — 110: 9* 4*1 p 100, Jes 17i2-i4 p lOOf, Hab 3s Nah 14 !P 18i6— 18 p 102-106, XII *P 93 sf p 106 f, 9 77 n p 107 f, 1' 106 g Ex 15 7 p 108, Jes 59 15—20 p 108-110. Zusammenfassung p llOf. III. Vergleich der alttestamentlichen Drachen- und Urmeer-Traditionen mit der babylonischen Tiämatüberlieferung p 111—114. 5. Babylonischer Ursprung der Schöpfungsgeschichte von Gen 1, ihr Charakter und die Zeit ihrer Einwanderung in Israel p 114—170. I. Babylonischer Ursprung von Gen 1 p 114 — 117. II. Charakter der Kecension von Gen 1 p 118—120. III. Zeit und Art der Übernahme des Mythus p 121— 170. Der im und nach dem Exile übernommene Stoff (im Sacharia p 122 — 131, im Ezechiel p 131f, Lilith, Sedim p 132, Helal ben §ahar p 132—134 etc) p 122—134, der Charakter von Gen 1 selbst p 135f und die An- spielungen bei Deuterojesaias. Ezechiel und Jeremias p 136 —139 lehren, dass der Mythus nicht im Exil übernommen ist, p 121—139. Die Ansetzung in prophetischer Zeit ist für die Schöpfungsge- schichte wie für die Sagen vom Paradiese, von Noah, Xiinrod und vom Turmbau unmöglich, p 141 — 149. Der Schöpfungsmythus ist in ältester Zeit in Kanaan eingewandert, p 149—168. (Babylonischer Einüuss in jener Zeit p 149 — 155. Alter des Schöpfungsglaubens in Israel p 156 — 163. Positive Beweisführung p 163-168.) Schlu ss: Geschichte der Einwanderung des babylonischen Schöpfungs- mythus in Israel p 169f. Ap Joh 12, die Schöpfung in der Eudzeitp 171—398. 1. Ap Joh 12 ist nicht christlichen Ursprungs, p 171—201. Der Christus des Capitels kann nicht auf Jesus gedeutet werden, p 173—181. (Die Schwierigkeiten dieser Exegese p 173 — 175. Die her- kömmlichen Auskünfte p 175 — 181.) Das Weib kann nicht christlich verstanden werden, p 181 — 186. (Die Person des Weibes p 181—183. Ihre Flucht p 183-186.) Der Zweck des Capitels kann bei christlicher Abfassung nicht ver- standen werden, p 186 — 192. (Hat eine Schilderung vergangener Dinge in einer Apokalypse Platz ? p 186 — 189. Anwendung des Kesultats auf die Ap Joh p 190-192.) Die christlichen Stücke des Capitels p 192 f. Beweisführung aus der Disposition der Apokalypse p 193 — 197. Widerlegung der Einwände gegen jüdische Deutung des Capitels p 197f. Die Paralleltradition Jer Berachot 5i p 198—200. Hebräische Abfassung des Capitels p 200. Eesultat p 201. XIII 2. Die zeitgeschichtliche Deutung von Ap Joh 12, als ein Beispiel der zeitgeschichtlichen Deutung der Ap Joh p 202—235. Die zeitgeschichtliche Erklärung der Ap Joh p 202 — 234. Methodisches p 202 — 210. (Die zeitgeschichtliche' Erklärung ura- fasst in Wirklichkeit zwei verschiedene Erklärungsarten, p 202—206. Die .traditionsgeschichtliche' Erklärung p 206 — 210.) Einzelne zeitgeschichtliche Erklärungen p 210— 232. (Klassi- fikation p 210— 212. Die 5 Klassen: 1) Die heiden Zeugen, das höllische Loch, l-lnoUiwv, der weisse Stein, die Schlangenschwänze p 212—216; 2) das Keiterheer, die Heuschrecken, die Frösche p 216—219; 3) die Märtyrer, das Asyl, die grosse Menge p 219 f; der avouoq und der xaxi- /oiv p221 — 225; 4) die vier Reiter, die sieben-Schalen-Vision p225 — 229, 5) das sechste Siegel etc p229f. Anhang: über cap 13 und 17 p 230— 232. Resultat: Bankerott der zeitgeschichtlichen Erklärung p 233 f. Anwendung auf Ap Joh 12 p 234 f. 3. Ap Joh 12 ist nicht jüdischen Ursprungs, p 235—282. I. Negativer Beweis: die Erklärung des Capitels vom jüdischen Standpunkt ist gescheitert, p 236 — 255. Methode dieser Erklärung, die ,Anknüpfungs'-Methode p 236—239. Beispiele dieser Erklärung für cap 12 (die Wehen, das Herunterwerfen der Sterne, Geburt und Flüchtling des Christus, Drachenkampf, Weibes- flucht) p 240—249. Die organisierenden Gedanken p 249—251. Die phantastische' Schriftstellerei des Apokalyptikers p 251 — 255. Resultat p 255. IL Positiver Beweis: das Capitel ist die Codifikation einer Tradition, p 255-272. Beweis aus der Natur des Capitels p 255—270. (Methode, eine Tradition zu erkennen p 255—257. Fälle, wo der Zusammenhang in cap 12 gestört ist p 257—261. Abgeblasste und concrete Züge neben einander p 261— 263. Armagedon p 263— 266. Dreieinhalb p 266— 270.) Beweis aus den Anspielungen und Entlehnungen p 270f. III. Positiver Beweis, Fortsetzung: diese Tradition ist ausserjüdi- scher Herkunft, p 272—282. Die ursprüngliche Gestalt dieser Überlieferung ist mythologischer Natur, p 272—276. Die jüdischen Stücke des Capitels sind hinzugefügte Deutungen, p277— 282. 4. Babylonische Stoffe im späteren Judentum p 282—379. Ap Joh 12 ist nicht griechischer Herkunft, p 283—286. Die mit Ap Joh 12 verwandten Stoffe in Ap Joh, Henoch, Daniel und Sacharia stammen aus einer ausserjüdischen, orientalischen Religion, p 286—293. XIV Babylonische Stoffe im Judentum p 294 — 379: Die sieben Geister p 294—302, die 24 Presbyter p 302-308, die zwölf Tierkreisengel, die sieben Höllen p 308f. Esther = Iltar p 309—314. Leviathan und Beheinoth p 315-318, Traum des Mardochaios Add Esth l4—io p 318—320, Drache zu Babel p 320—323. Daniel 7 p 323—335. (Das Gesicht p 323f; sein Zweck p 325f; seine Deutung p 326 f. Die Vision ist eine allegorisierte Tradition, p 327 f. Diese Tradition ist der Chaosmythtfs, p 328 f. Keconstruction der Tradi- tion p 330—333. Stellung des Verfassers zur Überlieferung p 334—335. Ap Job 13 und 17 p 336—378. Verwandtschaft der Capitel unter einander und mit cap 12 p 336. Die Capitel stellen .verschiedene Becensionen derselben Tradi- tion dar, p 337 — 341. ( Verhältnis von cap 13 zu cap 12 p 338—341.) Eecon struction dieser Tradition p 341— 379. (Diese Tradition ist durch Zeitgeschichtliches nur wenig verändert, p342 — 344. Scheidung des Überlieferten und des Zeitgeschichtlichen für cap 17 p 344—347. für cap 13 p 347-357.) Herkunft der Tradition p 357—362. (Nicht aus dem Christentum oder Judentum p357f. Babylonischen Ursprung beweist die Verwandt- schaft mit Dan 7 p 358—360 und mit der babylonisch-alttestamentlicben Chaosüberlieferung, p 360—362.) Die sonst nicht belegten Züge der Tradition p 363—366. Die Eigenart der Capitel p367— 378. (Die Übertragung des Urmythus in die Endzeit p 367—371. Die jüdische Deutung des Chaos als Borns p 371-374. Das Geheimnis des Tiers cap 17 und der Zahl 666 p 374-378. 5. Die Tradition von ApJoh12 ist babylonischen Ursprungs, p 379— 398. Beweis aus der Verwandtschaft mit Ap Job 13 und 17 p 379, mit Dan 7 p379f und mit der babylonisch-alttestamentlichen Chaostradition p 381—383, Die sonst nicht belegten Züge p 383—385. Der Stoff von Ap Job 12 als babylonischer Mythus p 385—391. Deutung des Mythus durch das Judentum p 391—397 und Christen- tum p 397. Schluss: Eückblick p 398. Beilagen p 399—428. I. Babylonisches Schöpfungsepos p 401—417. II. Eine zweite babylonische Recension des Tiämat-Kampfes p 417—419. III. Eine zweite babylonische Recension der Schöpfung p 419—420. IV. Der Adapa-Mythus p 420-422. V. Die Sintflut p 423—428. Genesis 1. 1. Literatur. Die alttestamentliche Forschung hat sich bisher hauptsächlich mit literarischen Problemen beschäftigt und auch die religions- geschichtlichen Fragen vorwiegend im Zusammenhange der Literarkritik behandelt. So ist auch in der Erforschung der Genesis der Accent auf die Scheidung und Altersbestimmung der Quellen gefallen; die Entstehung und Überlieferungs- geschichte der Erzählungen der Genesis ist bisher weniger be- handelt worden. Die Frage nach der Herkunft der Schöpfungs- geschichte Gen 1 liegt daher weit ab von der grossen Heer- strasse der gegenwärtigen Forschung. So erklärt es sich, dass über dieses Problem abgesehen von den Genesiscommentaren nur gelegentliche Äusserungen einzelner Theologen vorliegen. Anderseits ist bei der gegenwärtigen wissenschaftlichen Arbeits- teilung verständlich, dass die Assyriologen, denen wir die Auf- findung und Erklärung der keilschriftlichen Schöpfungsgeschichte und den Hinweis auf die Verwandtschaft der babylonischen Tradition mit Gen 1 verdanken, die alttestamentlichen Fragen, die sich hier auftun, gleichfalls nur gelegentlich gestreift haben. So hat also eine eigentliche, wissenschaftliche Discussion über den Ursprung von Gen 1 noch nicht stattgefunden. Die Meinungen darüber, wie man sich die Entstehung von Gen 1 zu denken habe, sind gegenwärtig sehr geteilt. Bald hört man die Behauptung, dass Gen 1 der babylonische Schöpfungsmythus zu Grunde liege. Dabei herrscht freilich über die Zeit der Herübernahme ein starker Dissensus; man denkt G n n k e 1 , Schöpfung. 1 * an die Zeit des Exils *) , oder an die der assyrischen Herr- schaft über Juda 2), oder allgemeiner an die ,Tage des König- tums von Israel', wo das Culturgut aus Babylon durch Ver- mittlung der Phönicier in Israel heimisch wurde 3), oder an eine frühere Zeit, etwa die der Tell-el-Amarna-Tafeln 4). Andere, und zwar die Meisten, nehmen an, dass die Hebräer den Mythus in ihrem Ursitz in Ur-Kasdim von den Babyloniern übernommen haben5). Diese Zeitansetzungen sind fast sämmtlich, wie es dem bisherigen Stande der Frage entspricht, nicht als sichere Be- hauptungen, sondern nur als Vermutungen ausgesprochen 6). Riehm 7) erkennt die Berührungen des biblischen und baby- lonischen Schöpfungsmythus an, scheint aber beide Mythen als verschiedene Darstellungen desselben gemeinsemitischen Über- lieferungsstoffes erklären zu wollen. Anderseits hat Dillmann 8) die babylonische Herkunft von Gen 1 bestritten: .gemeinschaft- liche Grundlage ist wol da, aber schon von älteren Zeiten her'. In starkem Gegensatz zu allen diesen Behauptungen wird selbst die Anschauung vertreten, dass Gen 1 eine freie ,Con- struction' des exilischen Verfassers sei 9). 2. (Jen 1 ist nicht eine freie Construction des Verfassers. Es soll im Folgenden meine Aufgabe sein, ■ die bisher so sehr vernachlässigte Frage nach dem Verhältnis der biblischen 1) Friedr Delitzsch Paradies 93 f. — Goldziher Mythos bei den Hebräern 384 f. Dies ist auch wol die Meinung Stades, Geschichte des Volkes Israel II 144. 2) Kuenen ThT XVIII 168: 2te Hälfte des 7ten Jahrhunderts. — Kosters ThT XIX 344: terminus a quo 704/703 (Gesandtschaft Mero- dach-Baladans). — Budde Urgeschichte 516: unter Alias. 3) Schultz ATI Theologie 4 96 106. 4) Barton Journal of the American Oriental Society XV 19. 5) Smith Chaldäische Genesis 255. — Friedr Delitzsch in den .Bei- gaben' zu Smith Chaldäische Genesis 306. — Franz Delitzsch Neuer Commentar über die Genesis 42. — Hommel Neue kirchliche Zeitschrift 1890 p 405. — Derselbe Deutsche Rundschau 1891 p 113. 6) Die Frage lassen offen Schrader KAT 2 609, Winckler Gesch Babyl und Ass 74. Holzinger Hexateuch 443. 7) HWB 1415 und der "biblische Schöpfungsbericht 17. 8) SBAW 1882 p 427 ff und Genesiscommentar 6 11. 9) Wellhausen Prolegomena 3 312. und der babylonischen Schöpfungsgeschichte systematisch zu be- handeln. Dabei erscheint indess geraten, zuerst das festzulegen, was sich ohne assyriologische Gleichungen über Gen 1 sagen lässt. Wellhausen1) hat die beiden Erzählungen Gen 1 und Gen 2f mit einander verglichen, um die Art und darnach die Zeit des Weltschöpfungsberichtes festzustellen. In der Paradiesesge- schichte erkennt er den wundervollen Mythus, zu dem die farbenreiche Überlieferung der alten vorderasiatischen Welt den Stoff gegeben hat. ,Wir befinden uns hier in dem Zaubergarten der Vorstellungen des echten Altertums, der frische antike Erd- geruch weht uns entgegen' 2). — Ganz anders Gen 1. Kein Versuch der Phantasie, den Hergang der Weltschöpfung zu be- schreiben, sondern überall bedächtige Überlegung; systematische Construction, der man mit leichter Mühe nachrechnen kann'. .Es wird eigentlich bloss das Fachwerk der Schöpfung gegeben, das aber unausgefüllt bleibt'. ,Daher auch die Form des Ganzen ; das Schema überwuchert den Inhalt, statt anschaulicher Schilde- rungen bekommen wir logische Definitionen zu hören' 3). Von dem Gedanken des Chaos aus, den Wellhausen als überliefert betrachtet, sei das Ganze entsponnen. In diesen Beobachtungen ist der Ausgangspunkt — freilich auch nur der Ausgangspunkt — für die geschichtliche Beur- teilung von Gen 1 gegeben. Gen 1 ist so, wie es gegenwärtig- vorliegt, nicht alt; die bunten Farben des uralten Mythus fehlen ihm ganz; und das Grau in Grau, das wir auch sonst aus PC genugsam kennen, führt uns in die Zeit, wo an die Stelle der antiken poetischen Naturbetrachtung das verständige Nach- denken getreten war. — Damit ist indessen noch nicht bewiesen, dass Gen 1 nichts anderes als die — allerdings einigermassen nüchterne — Er- dichtung des Verfassers sei. Man wird bei der Erforschung der Sagen überall streng zwischen dem gegenwärtigen Zustande einer Erzählung und ihrer Vorgeschichte unterscheiden müssen. Bei. allen Erzählungen der Genesis ist es die Aufgabe der Wissen- schaft, nachdem der literarische Tatbestand festgestellt ist, dann 1) Wellhausens Beobachtungen werden wiedergegeben von Holzinger Hexateuch 363. 2) Wellhausen Prolegomena 3 317. 3) ebenda 312. 6 die — oft bei weitem wichtigere — Frage aufzuwerten, ob vielleicht über die frühere Geschichte der Erzählung eine Aus- sage gegeben werden könne. Dabei wird man nicht selten constatieren , dass uns aus später Zeit und in moderner Über- arbeitung ein Stoff überliefert ist, der schon lange vor der uns erhaltenen Niederschrift in Israel vorhanden gewesen ist. Nun liegen allerdings starke Gründe vor, welche die An- nahme einer solchen Vorgeschichte auch für Gen 1 fordern. Kosmogonieen, wie sie Gen 1 bietet, sind überhaupt nicht Erfindungen eines Einzelnen, sondern ruhen stets auf Tradition. Und auch die ersten wissenschaftlichen Versuche, die Welt zu erklären — Versuche, mit denen Wellhausen Gen 1 vergleicht ') — sind aus mythologischer Überlieferung erwachsen. Auch hat PC in der Genesis im allgemeinen nicht seine willkürlichen Erfindungen niedergelegt, sondern er hat den über- kommenen Stoff in dem Sinne seiner Zeit neu bearbeitet. Wir haben zum Glück in vielen Fällen noch die Parallelen bei J und E, um das festzustellen. Aber auch die Angaben, die PC allein bietet, wird man deshalb noch nicht verwerfen dürfen. Vielmehr geht PC in vielen Fällen auf eine unsern Pentateuch- quellen J und E parallele Tradition zurück 2). Nun kennt der Sagenforscher gewisse Anzeichen, an denen sich noch constatieren lässt, ob eine Erzählung aus älteren Relationen geflossen sei. Es ist das gemeinsame Schicksal älterer Erzählungen, die in jüngerer Gestalt erhalten sind, dass gewisse Züge, die einst in dem früheren Zusammenhange einen guten Sinn gehabt haben, in der neuen Relation weiter tradiert sind, in der sie indess den Zusammenhang verloren haben. Solche alten Züge, Bruchstücke eines früheren Ganzen, in dem gegenwärtigen Be- richte ohne Zusammenhang und aus dem Gedankenkreise des Berichterstatters kaum verständlich, verraten dem Forscher die Existenz und einzelne Züge einer früheren Gestalt der vor- liegenden Erzählung. 1) Prolegomena 3 312. 2) Dabei ist es für die obige Be- hauptung gleichgültig, ob PC etwa aus einer uns sonst noch in Bruch- stücken erhaltenen Quelle (Jä nach Budde) geschöpft habe: genug, dass PC Traditionen enthält, die wir nur aus PC kennen. Ein solcher uralter Zug ist zunächst das Chaos; damit ge- hört der andere zusammen, dass die gegenwärtige Welt durch ,Scheidung' entstanden sei. Auch Wellhausen erkennt das Chaos als dem Berichterstatter gegeben an. Und in der Tat, eine Vor- stellung wie diese — Dunkel und Wasser am Anfang der Welt — gehört in die Mythologie und darf nicht als Erdichtung eines Schriftstellers, am wenigsten eines Mannes wie des Ver- fassers von PC betrachtet werden. Dazu kommen die mannig- fachen Parallelen aus heidnischen Schöpfungsmythen, die sämmt- lich in dieser Vorstellung, dass die Welt einst Wasser und Finsternis gewesen sei, übereinstimmen x); man beachte ferner die Namen niih, durch das phönicische Bäav 2), und n-n, durch das Fehlen des Artikels als uralt erwiesen. Aber auch davon abgesehen, ist uns aus den Schriften des Judentums, vor allem aus Dtjes deutlich, dass der Gedanke des Chaos dem jüdischen Gottesbegriffe des frei schaffenden Schöpfers nicht entspricht3). Wenn aber demnach ein kosmogonisch-mythologisches Stück in Gen 1 zugegeben wird, so ist die Möglichkeit, dass das ganze Capitel ein prosaisch gewordener Mythus sei, nicht mehr im Princip abzuweisen. Weiter kommt in Betracht das ,Brüten des Geistes über den Wassern'. Auch diesen Zug rechnet Wellhausen mit Kecht zu dem vorgefundenen Ausgangspunkte von PC. Die ö^nb« ml in diesem Sinne äst im AT ein aVraS Xeyo/nevov 4). Der Hebräer kennt nur Geister, die auf den Menschen ,fallen' und in ihm und durch ihn allerlei Wunder tun; daneben den Gottesgeist, der in dem Körper des Menschen das Geheimnis des Lebens wirkt. Die mi von Gen 1, das göttliche Gestaltungsprincip der Welt, deren Parallelen das phönicische rvvevfia6) und der griechi- 1) Ich citiere Schöpfungsmythen anderer Völker nach der über- sichtlichen Darstellung Dillmanns Genesis6 4 — 10; das Chaos findet sich ausser bei den Hebräern und Babyloniern auch bei Indern, Hellenen, Ägyptern und Phöniciern. 2) bei Philo Byblius cf Dillmann p 7. 3) cf Dillmann 20. Die Anschauung Wellhausens, dass das Chaos nach Gen 1 im Anfange von Gott geschaffen sei, ist unhaltbar, denn .Himmel und Erde' 1 1 ist die organisierte Welt (cf Dillmann p 16). 4) 9' 33 ß (der Hauch r,- des Mundes Gottes || sein Wort) und 9' 104 29f (der in den Lebewesen Leben wirkende Gottesgeist) gehören nicht hierher, gegen Dillmann 19. 5) cf Dillmann p 20. sehe egiog *) sind, ist eine mythologische Vorstellung. — Ebenso klingt bei dem Worte ,brüten' die uralte mythologische An- schauung vom Weltei nach 2). Auch Wellhausen constatiert, dass die Vorstellung von dem brütenden Gottesgeiste eine ganze kosmogonische Anschauung voraussetze. ,Vom Geist bebrütet ist das Chaos angelegt auf Entwicklung aus sich heraus; doch in der hebräischen Erzählung ist der immanente Geist dem transcendenten Gott gewichen und das Evolution sprineip zurück- gedrängt durch das befehlende Schöpferwort' 3). Eigentümlich ist ferner, was Gen 1 von der Finsternis ge- sagt wird. Sie ist nicht von Gott geschaffen; sondern sie war von Anfang an da; das Licht ist zu der Finsternis, ,die anfangs Alles war' von Gott hinzugeschaffen. Auch vermeidet der Ver- fasser, die Finsternis gut zu nennen 4). — Auch das wird Nach- klang alter Mythologie sein, und zwar einer Mythologie, die von Licht-Gottheiten redet. Sicher stammt der Gedanke nicht aus dem Judentume, dessen Gottesbegriffe viel mehr das Wort des Dtjes 45? fujn N-nm tin "ixv entspricht. Einen alten Zug darf man auch in 12 finden: die Kräuter und Bäume der Erde hat Gott nicht ,gemacht', sondern die Erde hat sie auf Gottes Befehl hervorspriessen lassen. Diese Wendung ist um so beachtenswerter, als sie in den übrigen Schöpfungs- werken keine deutliche Parallele hat 5). Man darf hier wol einen 1) cf Dillmann p 20. 2) Das Weltei bei Indern, Ägyptern, Phöniciern cf Dillmann p 20. Die in diesem Worte ausgesprochene Vorstellung vom Werden der Welt geht von der Eiform des Himmels aus ; die untere Hälfte des Eis bildet die Erde. Die Entstehung der Welt denkt man sich nach Analogie der Entstehung des Vogels im Ei. Die Gottheit wird dabei als brütender weiblicher Vogel vorgestellt. Schon in sehr alter Zeit ist an die Stelle der Göttin eine Abstraktion, Gen 1 rm, getreten. 3) Prolegomena3 311. — Die Anschauung, dass die Welt durch Scheidung der im Chaos vorhandenen Stoffe entstanden sei, die Well- hausen als einen Eest dieser immanenten Entwicklung' betrachtet, gehört nicht notwendig zu diesem Anschauungskreise, sondern ist ebenso gut in einem , Schöpfungsberichte' denkbar. Die , Scheidung' des .Chaos' kann ebenso wol durch ein immanentes Princip wie durch ein Schöpferwort erfolgen. 4) cf Dillmann 21. 5) Doch klingt Ähnliches 20 ,das Wasser wimmele', 24 ,die Erde Nachklang einer mythologischen Betrachtung der Erde finden. Dass gerade dieser Zug sich erhalten hat, ist leicht zu erklären : er haftet in der Anschauung — so bringt die Erde ihre Ge- wachse hervor, in jedem Frühling aufs neue. Ferner klingt altes durch, wenn die ,Leuchten' des Himmels zur ,Beherrschung' des Tages und der Xacht geschaffen sind. Wir wissen von den Gedanken des alten Israels und des Juden- tums genug, um diesen Ausdruck in einen grossen Zusammen- hang einreihen zu können. Die Sterne sind mächtige Herrscher1) — das stolzeste Bild für den König ist, ihn mit einem Stern zu vergleichen2) — , sie üben Herrschaft über die Erde aus3), die Völker der Erde sind ihnen zugeteilt4). Die Gestirne haben für den Hebräer etwas Göttliches, sie heissen bs^DD'o 5), sie sind cnbwS 6), oder wenigstens ü-nb« ^:a 7). Diese Gedanken sind als uralt in Israel bezeugt durch Jud 5 20 8). In Gen 1 ief liegt nun freilich diese mythologische Sternbetrachtung, ge- schweige denn die Stern Verehrung, sehr fern. Der alte Gedanke, dass die Gestirne die Jahreszeiten herbeiführen, ist 14 durch den anderen ersetzt, dass sie dieselben nur anzeigen (n'ns). Man erkennt also, dass der Ausdruck der ,Herrschaft' der Ge- stirne auf dem Boden von Gen 1 nicht erwachsen ist, sondern dass er hier als eine letzte Keminiscenz längst verschollener Astralreligion leise nachklingt. Eine ganze Reihe alter Züge sind in dem Berichte von der Schöpfung der Menschen bewahrt. Gott sprach: ,Wir wollen Menschen schaffen nach unserm Bilde, uns gleich' 26. Viel verhandelt ist die Frage, was hier der Plural zu bedeuten habe 9). bringe hervor' nach, freilich verdunkelt durch das danebengestellte ,so schuf Gott' 21 25. 1) Jes 402fi. 2) Num 24 17 Jes 14 12. 3) Job 3833. 4)Dt4i9. 5)Jesl4i3. 6) Jes 2421 verglichen mit */''82. 7) Job 387; Dt 4 19 verglichen mit 32 s (LXX ;s -sa; die umge- kehrte Corruptel Am 56 Hosea 10 15 LXX). 8) Henoch 82 zeigt, dass die Anschauung von den Sternen, als Gebietern über die Jahres- zeiten, dem spätesten Judentum ganz geläufig war. 9) Dillmann 31 erklärt das ,Wir' durch den Hinweis darauf, ,dass dem Hebräer, der Gott =-r'-x im PI. benennt, Gott die lebendige persönliche Zusammenfassung einer Fülle von Kräften und Mächten ist'. Dieser Gedanke ist indess nicht alttestamentlicb. Jahve ist stets 10 Die — wie mir scheint — einzig mögliche Erklärung ist die schon von Targ Jon und von Philo vertretene *), dass Gott sich mit den übrigen ESTib« zusammenfasse. Ursprünglich war also eine göttliche Eatsversammlung, ein E3"»tznp— no 2), eine tiw-nns8) hier vorausgesetzt^ wie sie auch IEeg 22 m — 22 Jes 6 Job 1 Dan 7 10 Henoch 1422f Apk Joh 4 beschrieben werden4). So ist der Plural Gen 3l» 11 7 Jes 6s und hier zu verstehen. Nun ist aber bei einem alten und intakten Berichte schlecht- hin unerlässlich, dass einem solchen ,Wir' ein Wort über die anderen Wesen vorausgehe, mit denen sich Gott in dem ,Wir zu- sammenfasst. Dergleichen fehlt aber hier und ebenso 322 11:. Dieser Umstand ist nur so zu erklären, dass an allen drei Stellen ursprünglich die Situation angegeben oder sonst deutlich war, dass sie aber in der Geschichte der Überlieferung ausgefallen ist. Die Ursache eines solchen Wegfalls ist nicht schwer zu entdecken. Erzählungen, in denen neben Jahve andere cnbN, wenn auch als seine Diener, auftreten, hatten für die spätere Zeit einen polytheistischen Klang. Und nun gar eine .Hittätigkeit der Geister bei der Schöpfung', die doch die ursprüngliche Relation von Gen 1 erzählte, ist ein ganz und gar unjüdischer Gedanke cf Jes 4424. So erklärt sich leicht, dass die ursprüngliche Situation hier stark verdunkelt ist. Wenn nun die parallelen Stellen Gen 322 11 7, die uns in einer sehr alten Fassung vorliegen, schon dasselbe Schicksal erfahren haben, so ergiebt sich, dass wir für die ursprüngliche Recension von Gen 1 ein sehr hohes Alter annehmen müssen. Auch Job 387, mit dem gegenwärtigen Berichte von Gen 1 verglichen sehr archaistisch, kennt die Gottessöhne nicht mehr als mittätig bei der Schöpfung, sondern nur als bewundernde Zuschauer. Diese Erwägungen werden eine, sehr realistisch gedachte, Einzelperson, die von sich selbst nie anders als .Ich' sagt. Dass im AT diese Einzelperson mit dem ur- sprünglichen Plural =-r-;s benannt wird, erklärt sich nicht aus der theologischen Eeflexion Dillmanns, sondern vielmehr aus einer langen Geschichte, in der =-rVs aus einem ursprünglichen Plural ein Abstraktum und schliesslich eine Bezeichnung Jahves geworden ist. 1) cf Delitzsch Gen-Comm 64 2) «P 898. 3) V 82 1. 4) Dieselbe Vorstellung wird vorausgesetzt Jer 23 18 Job 15 s Dan 4u. 11 verstärkt durch die Beobachtung:, dass in PC sonst jede Er- wähnung der Engel fehlt1), woraus sich ergiebt, dass PC von sich aus auf die Einführung anderer ernbst neben Jahve nie gekommen wäre. Zu demselben Resultat kommt man von der Betrachtung des öbs Gottes, nach dem der Mensch geschaffen ist. Auch hier ist der Bericht verdunkelt; wir erfahren nicht direkt, was der sbs: sei. Die Herrschaft des Menschen über die Tiere, von der im unmittelbar Folgenden gesprochen wird 26b, und die auch fSoff und Jes Sir 17:j,ff mit der Ebenbildlichkeit combinieren, ist es nicht; denn diese wird dem Menschen, nachdem er geschaffen ist, ,durch einen besonderen Segen Gottes zugesprochen' 2). Viel- mehr, wenn es 5i — 3 heisst, dass Gott Adam nach seinem Bilde geschaffen, und dass Adam Seth nach seinem Bilde gezeugt habe, wenn ferner 9.->f Mensch und Tier in dem Menschen das Ebenbild Gottes achten und es anzutasten sich scheuen sollen, so kann unter dem =b^ nichts Anderes verstanden werden als das Natürliche und Anschauliche: die Gestalt der Gottheit, welcher der menschliche Körper gleicht; wobei die Ähnlichkeit im geistigen Wesen natürlich nicht ausgeschlossen ist. Diese Anschauung ist dem Verfasser von PC selbst wol nicht mehr völlig deutlich gewesen; die ursprüngliche Erzählung rnuss sie viel klarer aus- gesprochen haben. Dass diese Anschauung wenig genug zu PC und seiner Zeit passt, kann man auch aus den Umdeutungen ¥"8 uff Jes Sir 173ff lernen. Dass sie in dem hebräischen Altertum unmöglich sein würde, darf man nicht behaupten. Die hebräische Antike hat sich Jahve immer menschenähnlich vorgestellt; dass die Gottheit ein körperloses Geistwesen sei, ist ein Gedanke, der dem alten Hebräer ganz unfassbar gewesen wäre; die Scheu aber, Jahve abzubilden, hat ganz andere Gründe. Übrigens liegt es in der Natur der Religion, wenn sie eine gewisse Entwicklungs- stufe erreicht hat, dass sie sich die Gottheit menschenähnlich vorstellt; und der umgekehrte Gedanke, dass der Mensch die Gestalt der Gottheit trage, ist auch sonst 3) in der Antike nicht selten ausgesprochen. 1) Dillmann 31. 2) Dillmann 32. 3) bei Griechen und Kömern cf Dillmann 33. 12 Wellhausen 321 behauptet, dass die Ebenbildlichkeit des Mensehen nach Gen 1 sogar in absichtlichem Gegensatz zu Gen 2f stehe; nach Gen 1 sei dem Menschen von Anfang an dasjenige verliehen, was er Gen 2f nur durch einen Eaub er- langt habe. Aber beide Mythen verstehen unter der Ähn- lichkeit Gottes verschiedenes: Gen 1 ist es der menschliche Körper, der Gott gleicht; Gen 2f ist es die /Vernunft' — dh das, wodurch sich Kinder und Erwachsene, Tiere und Menschen unterscheiden ; nicht, wie Wellhausen will, die Civilisation — , die der Mensch mit Gott gemeinsam hat. Gen 1 und Gen 2f reden also von verschiedenen Dingen. Darnach kann von einer Polemik des einen Stückes gegen das andere nicht die Rede sein. — Im übrigen ist auch die Art, wie Gen 1 vom Menschen redet, — die Worte klingen beinahe wie ein Hymnus auf den Menschen, das Ebenbild der Gottheit und den König der Tiere — durchaus als antiker Gedanke zu begreifen. Auch dass die Fortpflanzungs- fähigkeit des Menschen und seine Herrschaft über die Tiere durch einen ,Segensspruch' Gottes verliehen wird, ist antik; die Antike sieht in diesen Dingen grosse Geheimnisse, die man nur erklären kann, indem man auf göttliche Urworte verweist, die bis in die Gegenwart lebendig wirken. Wellhausens Urteil, dass Gen 1 diese Verhältnisse als physiologische Tatsachen, die nichts zu fragen und zu denken geben' p 320, ansehe, ist also, wie mir scheint, nicht zutreffend. Ebenso führt in alte Zeit, dass Gott bei jeder Schöpfung befindet, dass sie gut sei. Auch hier liegt ursprünglich ein starker Anthropomorphismus im Hintergründe: die Möglichkeit des Mis- lingens. Jede Schöpfung sieht Gott an, prüfend, wie sie geworden; jede befindet er gut, dh gelungen. Das sind Erwägungen, die PC sicherlich nicht angestellt und vielleicht kaum verstanden hat, die aber trotzdem seinen Worten zu Grunde liegen. Das göttliche Gebot, das Menschen und Tieren nur Vege- tabilien zuweist l29f, ein Gebot, das nach der Sintflut 9sf auf- gehoben wird, mag zunächst wie eine willkürlich erfundene Theorie über die Geschichte der menschlichen Nahrung klingen. Indess dieser Schein weicht völlig, wenn man Jes 11 6— b1) da- neben hält. Jesaias beschreibt hier die Zeit der Gerechtigkeit 1) nachgeahmt Jes 6525. 13 und des Friedens als eine Zeit, wo der Wolf bei dem Lamme wohnt, der Panther bei dem Böckchen lagert, und .der Löwe wie das Rind Häcksel frisst'. Ein solches Bild entspricht aller- dings dem. was die Schöpfungserzählung voraussetzt. Man darf diese Schilderung nicht für eine Erdichtung des Propheten halten. "Wäre sie das, so wäre sie merkwürdig phantastisch und bei einem Manne wie Jesaias kaum verständlich. Begreiflich wird sie erst, wenn man erkennt, dass der Prophet hier einen Stoff aufnimmt und für seine Zwecke benutzt, der durch die Über- lieferung dargeboten war l). Er citiert hier den bekannten Mythus von der goldenen Zeit. — Der Mythus ist bei Jesaias viel besser erhalten als in Gen 1: dort ist er eine poetische Schilderung mit tiefem Inhalt ; hier ist er zusammengeschrumpft zu einem einfachen Gebote Gottes. — Jeder Zweifel aber ver- stummt bei der Beobachtung, dass auch in griechischen und persischen Mythen2) ähnliche Schilderungen erscheinen. Die Disposition der Schöpfungswerke nach sechs Tagen und die damit verbundene Erzählung von der Einsetzung des Sabbaths wird allgemein für jung gehalten; man hat sogar geglaubt, dass diese Disposition erst von zweiter Hand in PC eingetragen sei 3). Richtig ist auch, dass die besondere Betonung der Heiligkeit des Sabbaths in unsern, hierin allerdings sehr unvollständigen Quellen, seit dem Exil besonders hervortritt, und dass die dem Stoff unmittelbar angehörige Einteilung nach Schöpfungswerken zu dem Schema der sechs Tage nicht besonders zu passen scheint 4). Besondere Schwierigkeit macht die Schilderung des ersten Tages, wo das Licht geschaffen wird; denn wie soll man sich dabei den regelmässigen Wechsel von Abend und Morgen 1) so auch Dillmann Jesaias 120 Delitzsch Jesaia4 194. 2) Dillmann Genesis0 36. 3) "Wellhausens (Coniposition- 188) Meinung, das gegenwärtige Seehs- tauewerk sei an Stelle eines früheren Siebentagewerkes getreten, ur- sprünglich sei die Schöpfung des Menschen am siebenten Tage geschehen, ist irrig: die Erzählung berichtet von den sieben Tagen überhaupt nur deshalb, weil sie mit dem, was am siebenten Tage geschehen ist. die Heiligkeit des Sabbaths begründen will 23. Diese Heiligkeit des Tages aber würde sich nicht daraus erklären, dass der Mensch an diesem Tage geschaffen sei. 4) "Wellhausen Coniposition 187 Dillmann Genesis 15 u a. 14 denken?1) — Hieraus ist vielleicht auch der Umstand zu er- klären, dass im gegenwärtigen Bericht die Sterne erst nach den Pflanzen der Erde erschaffen werden. Diese sonderbare Reihen- folge, die doch der Natur der Dinge so augenscheinlich wider- spricht, und die wir in einem einheitlichen Berichte kaum ver- stehen können, lässt sich vielleicht so erklären, dass bei der Einführung der sieben-Tage-Disposition in den Stoff die Pflanzen, für die kein besonderer Tag übergeblieben war, zu der Erde gestellt wurden und so vor die Sterne gerieten. — Anderseits ist der Sabbath sicherlich auch in Israel eine uralte Institution, die Frage nach der Herkunft der Heiligkeit dieses Tages kann sehr wol alt sein, und die Anschauung, dass Gott den Sabbath nicht etwa nur durch ein Gebot eingesetzt, sondern dass er diesen Tag im Anfang der Welt selbst gefeiert habe, führt uns sicher in sehr alte Zeit. Der Anthropomorphismus, dass Gott selber nach getaner Arbeit ausruht, der den Vorstellungen des Juden- tumes so wenig entspricht, wäre kaum von PC erfunden, wenn er nicht in der Tradition schon bestanden hätte. Demnach hat man keinen Grund, Ex 20 n, wo die Einsetzung des Sabbaths bei der Weltschöpfung vorausgesetzt wird, für nachexilisch zu halten 2). Wir erkennen also in Gen 1 eine Reihe nachklingender mythologischer Züge. Daraus folgt, dass Gen 1 nicht die Com- position eines Schriftstellers, sondern die Niederschrift einer Tradition ist; und zugleich, dass diese Tradition in hohes Alter- tum zurückgeht. Wir sind im stände, einen Teil der Geschichte dieser Tradi- tion, aus Gen 1 rückschliessend, zu erkennen. Zwei verschiedene Kosmogonieen, von denen die eine den brütenden Geist, die andere Gottes Befehlswort als Princip der Weltentstehung denkt, sind zusammengeflossen. Und in späterer 1) Dillruanns (p 22) Erwägungen scheinen mir viel zu corupliciert zu sein. Die nabeliegende Erklärung ist: in Gen 13— 5 sind zwei ver- schiedene Vorstellungen, die Schöpfung des Lichtes und der erste Tag, zusammengekommen, die ihrer Natur nach kein einheitliches Bild geben können. 2) Budde Urgeschichte 494 f zeigt, dass auch die Sprache von Ex 20 n nicht den Stempel von PC trägt. 15 Zeit ist die Disposition nach sieben Tagen sammt dem Sabbath hinzugefügt. Nun lässt sich schon aus Gen 1 wahrscheinlich machen, dass diese Tradition nicht in Israel entstanden sein könne. Darauf führen einmal die Parallelen zu Gen 1 aus den Kosmogonieen anderer Völker. Weiteres ist aus der Anschauung, dass die Welt einst Wasser war, zu schliessen. Diese Anschauung ist offenbar unter dem Eindruck eines bestimmten Klimas entstanden. Der Mythus denkt sich die erste Entstehung der Welt so, wie noch gegen- wärtig die Welt in jedem neuen Jahre entsteht. Zuerst ist sie Wasser und Finsternis; dann aber entsteht das Licht, und das Wasser scheidet sich nach oben zu den Wolken und nach unten zum Meere. Diese Anschauung ist nur deutlich in einem Lande, dessen Charakter grosse Ströme bestimmen: im Winter strömt Regen vom Himmel und vermischt sich mit den Wassern unten zu einem , Chaos'; aber das Frühjahr bringt die Scheidung der Wasser oben und unten. — Sicher wird dies durch den V ergleich mit derjenigen Schöpfungsgeschichte, die gegenwärtig mit der Paradiesgeschichte verbunden vorliegt. Da ist ursprüng- lich die Erde ohne Vegetation, weil sie keinen Regen hat 25. Eine Variante, aus einer andern gegenwärtig mit der ersten zusammen- geflossenen Tradition, berichtet, dass Jahve einen in (Wasserschwall) aus der Erde habe hervorgehen lassen 2o. Beides ist kanaanäische Anschauung: das Wasser ist nicht der Feind, der vertrieben werden muss, damit die Welt entstehe, sondern es ist der Freund, ohne den der Acker nichts hervorbringen würde, die Woltat der Gottheit 1). Diese Naturbetrachtung spiegelt Gen 2 charakteristisch wieder: Gen 1 überwindet die Gottheit das Wasser, Gen 2 schafft sie es. Völlig verständlich aber würde der Mythus Gen 1 in Babylonien sein2). In diesem Zusammenhange ist lehrreich, wie der Hebräer der alten Zeit und der Babylonier den Jahresbeginn rechnet; nach der alten hebräischen Tradition beginnt das Jahr im Herbst, 1) Benzinger Archäologie 32. 2) Ägypten, das bekanntlich fast regenlos ist, kommt nicht in Betracht. 16 nach der babylonischen mit dem Frühjahr *). Die Regenzeit rechnet man in Israel als Anfang des neuen Jahres, in Babylonien als Ende des alten. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass die Welt im Frühjahr geschaffen ist. Darnach würde man in Israel das Wasser als erste Schöpfung der Gottheit betrachten, in Babylonien aber ist die erste Tat der Gottheit, dass die Regenzeit aufhört. Die Anwendung auf die Beurteilung von Gen 1 und 2 ist also klar: die Schöpfungsgeschichte von Gen 2 stimmt zu dem hebräischen Jahresanfang, erweist sich also als altkanaanäisch , Gen 1 aber stimmt zu der babylonischen Rechnung. Nach Babylonien führen auch die übrigen Züge, die wir im vorhergehenden als Reste uralter Tradition in Gen 1 aufge- wiesen haben: die Beurteilung des Lichtes und die ,Herrschaft' der Gestirne weisen auf eine Sternreligion, was die Religion der Babylonier bekanntlich gewesen ist. Ebenso ist der Mythus von der goldenen Zeit, von dem ein letzter Nachklang gegenwärtig mit der Schöpfungsgeschichte verbunden ist, kaum ursprünglich hebräisch. Dem alten Hebräer ist Tierschlachten, Opfern und Lebensfreude so sehr identisch, die althebräische Sage datirt das Tierschlachten so unbefangen in die älteste Zeit 3 21 44 72 82of, dass wir die zarten Empfin- dungen, die aus dem Mythus zu sprechen scheinen, kaum für althebräisch halten dürfen. Unser Resultat, das wir ohne Benutzung babylonischer Kosmogonieen fanden, ist also: die Schöpfungsgeschichte Gen 1, wenn auch in ihrem gegenwärtigen Bestände jung, ist nicht eine freie Construction des Verfassers, sondern geht auf sehr alte Traditionen zurück, deren Sitz wir mit einiger Wahrscheinlich- keit in Babylonien suchen dürfen. 3. Die babylonische Kosmogoiiie. Die babylonische Kosmogonie ist aus griechischer Tradition durch die Berichte des Damascius und des Berossus bekannt. Babylonische Theogonie bei Damascius 2) : 1) Benzinger 199 f. 2) Damascii Phil quaestiones de primis principiis ed J Kopp 17 ,Ufiter den Barbaren übergehen die Babglonier, wie es scheint, den einen Urgrund1) des Alls mit Stillschweigen; sie stellen vielmehr zwei Principien auf: Tciv&£ und J^47taotov; dabei soll '^Tzaotov der Gemahl der Tav&£ sein, diese aber nennen sie ,Mutter der Götter'. Von ihnen soll als einziger Sohn erzeugt sein Mtavfug, den ich für die intelligibde Welt halte, die aus den beiden Principien herkommt. Aus denselben sei eine zweite Generation hervorgegangen, yLayr^ und Aayog 2); dann nochmals eine dritte aus demselben Paar: Kiaoagr] und ^ooojQog; von den letzteren stammten die folgenden drei ab, lAvog, "iXXivog und Idog. Der Sohn des 'Aog und. der Jah.ri sei Brtlog, der nach ihrer Behauptung Schöpfer der Welt ist. In den Keilinschriften entsprechen den Genannten folgende Namen: Tiamat und Apsü; Tiämats Beiname Mumrau, hier als Sohn Tiämats; Luhmu und Lahamu; Kisar und Ansar; Anu, Illil und Ea; Eas und Damkinas Sohn Marduk-Bel. Der Bericht des Berossus 3) ist überliefert in dem von Alexander Polyhistor 4) gefertigten Auszuge, den Euseb in Chro- nicon I benutzt hat. Der Text des Euseb ist erhalten in arme- nischer Übersetzung und griechisch in den Auszügen des Syn- cellus 5). Vor Zeiten, so erzählt er6), war das All Finsternis und Wasser, und wunderbare Wesen von eigenartiger Gestalt ent- standen darin: da gab es Menschen mit zwei Flügeln; einige auch mit vier Flügeln und zwei Gesichtern; auch solche, die einen Leib, aber zwei Köpfe hatten, einen männlichen und einen weiblichen, und ebenso doppelte Geschlechtsglieder, vom Manne und vom Weibe; andere Menschen mit Ziegen-Beinen und, -Hörnern, oder mit Pferdefüssen, oder hinten wie Pferde vorne wie Menschen, also von Gestalt der Hippokentauren. c 125 p 384. Zur Übersetzung cf Smith Chald Gen 49. Zur Erklärung cf Jensen Kosmologie 270 ff. — Damascius lebte im 6 sc p Chr, unter Justinian. 1) an den Damascius glaubt. 2) cod <4«/>j Jw/ßs, corr 6 Smith. 3) Belspriester in Babylon um 300 v Chr. 4) unter Sulla. 5) Eusebi Chronicorum über prior ed Schoene 14—18. Zur Er- klärung des Textes cf die Anmerkungen A v Gutschrnids bei Schoene: Budde Urgeschichte 476 ff. Zur Übersetzung cf G Smith Chald Genesis 40 ff. Die Wiedergabe bei Schrader KAT - 12 ff ist sehr ungenau. 6) er dh Berossus, angeblich nach einem auf den wunderbaren Fischmenschen Oannes zurückgehenden Berichte cf Budde 477. Gnnkel, Schöpfung. 2 18 Da entstanden auch Stiere mit Menschenköpfen, Hunde mit vier Leibern und hinten mit Fischschwänzen, Pferde und Menschen mit Hundsköpfen, wieder andere Wesen an Kopf und Leib Pferde, aber mit Fischschwänzen, und noch andere Wesen mit Gestalten von mancherlei Tieren. Dazu noch Fische, Kriechtiere, Schlängen und allerlei wunderbare rer- schiedengestaltige Wesen. Die Bilder von ihnen sind im Tempel des Bei als Weihgeschenke zu sehen. Über sie alle herrschte ein Weib Namens 'Om 'orqafjej l), das ist auf chaldäisch 1) cod ouöowy.ci, nach dein .Zahlenwert' hat Scaliger emendiert 'OpoQxa; arinMarcaje. — Allerlei assyriologische Erklärungen dieses Namens (cfSchrader KAT2 13f Jensen Kosmologie 301f) sind gescheitert. Hätten die Assyriologen den griechischen Text ein wenig genauer be- trachtet, so würden sie sich die Mühe, babylonische Äquivalente zu suchen, haben sparen können. Denn das "Wort selber ist nach dem Zusammen- hange des Textes gar nicht babylonisch. Berossus sagt, das "Weib 'Ouooy.cc werde von den Chaldäern Thamte cf p 19 A 1 genannt, Daraus folgt, dass der Name 'OuÜqxk selber nicht , chaldäisch' ist. Ist er aber nicht , chal- däisch', so kann er nur dem in Babylonien zu Berossus Zeit gesprochenen aramäischen Dialekte angehören. — 'Ouöqxcc = s—s =s Mutter der Tiefe, oder nach armenischer Tradition [OJmarcaje = =s (s-ps) -s--s Mutter der Unterirdischen. Die Aussprache os = 'om ist sonst nicht bezeugt. aber auch nicht unmöglich, sp-s Jer 10 u, in den Sendschirli-Inschriften. in den Targumen und im Zabischen öfter, ,auf den Ninivitischen Gewichten', ebenso im Mandäischen cf Nöldeke Mandäische Grammatik 73. Dagegen die Aussprache 'orqa ist sonst unbekannt cf aber das armenische [Ojmarcaje. — In den Targumen sind nss^s und sr-ys technische Beiworte für Tehom, &e"ol etc; so hsi-s »sinn der untere Ocean, -ss-s s--: die untersten Wasser ; sr-y-s y-s. sr-rs "•:"-•. sr-y-s :■; Unter- welt; sr-i-s als Substantiv söinn r-y-s, st r->-s, ssi; r-y^s cf Levy Wb über die Targumim s v rsy-s und sr-y-s. — Im AT ist y-s an nicht wenigen Stellen ,Unterwelt'; so Ex 15 12: y-s /verschlang' sie (von den im Meere Ertrunkenen), y-s» Koh 3 21 Jes 14 12 zur Unterwelt, ■ps« aus der §e'ol [| -sy-2 (-Ey ist Name für Unterwelt, nicht für Grab) Jes 294 (Stimme der Toten), y-s r;-r-r Tiefen der Unterwelt V 139 15 Jes 4423 ¥'63 10 = Vks (der Ausdruck wie —3 "rs— Jes 14i5 Ez 3223). r-r-r y-s und r~rr,r 7-s Ez 2620 31 18 32 18 24 tiefste Unterwelt (wie nwnn "2 *P 887 Threni 355) etc. Gegensatz zu y-s in diesem Sinne ist zr~r, y-s Land der Lebendigen. — Diese Doppelbedeutung von 7-s sy-s sp-s erklärt sich wol so, dass die Grundbedeutung des Wortes ,Boden', das ,Untere' ist cf Dan 625. In dieser Bedeutung ist y-s in den Targumen häufig. Im Gegensatz zum Himmel ist der Boden die Erde, im ganzen Universum die Se'ol. — [Tiämat wird im baby- 19 Thamte1), ins Griechische übersetzt Üälaooa. (von gleichem Zahlen- wert mit oehqvrf)*). Bei diesem Zustande der Welt kam Bei3) darüber, spaltete das Weib mitten durch, machte aus der einen Hälfte von ihr die Erde, aas der andern den Himmel, und ver- tilgte die Tiere, die zu ihr gehörten 4). Diese Erzählung soll nun, so versichert er b), als eine allegorische Darstellung von Natur- vorgängen gemeint sein: das All war einst flüssig, und die oben beschriebenen 6) Wesen waren darin entstanden 7); Bei aber — griechisch Zeig — spaltete die Finsternis mittendurch , schied so Erde und Himmel von einander und begründete damit die Ordnung des Weltalls. Die Wesen aber konnten die Macht des Lichtes nicht ertragen und kamen um 8). Als min Bei die Erde ohne Bewohner und Frucht 9) sah, befahl er einem der Götter, ihm den Kopf abzuhauen, mit dem herabfliessenden Blute die Erde zu vermischen und so Menschen und Tiere zu bilden, die fähig wären, die Luft zu ertragen. Bei vollendete auch die Sterne, Sonne, Mond und die fünf Planeten. — Das erzählt wirklich nach Alexander Polyhistors Zeugnis Berossus im ersten Buche10): [Dieser Gott soll sich selbst den Kopf abgehauen, und die anderen Götter sollen das herab- lonisehen Epos (III 23 81) auch unimu hubur db .Mutter von hubur' ge- nannt. Dazu bat bereits Delitzsch Ass Wörterb 100 Omorka verglichen: Bommel (Neue kirehl Zeitschr 1890 p 405) deutet dieses ummu hubur als ,Mutter der Unterwelt, des Orkus', vielleicht mit Eeeht, obwol mir diese Bedeutung von hubur noch nicht gesichert erscheint. — Jedenfalls aber scheint mir hier das Prototyp des aramäischen 'Om 'orqa vorzuliegen. Vielleicht ist das o in 'Om aus diesem baby- lonischen Prototyp zu erklären.] Z. 1) cod Gakar», Sauri corr E Smith ZA VI 339. 2) om arm. — 'Ouöo/.u = at).i\rr\ = 301. 3) Der Bfjkos des Berossus und des Damascius ist der Marduk der Eeilinschriften. der den Beinamen ,belu' (= i>»a) .Herr' führt. 4) cod ir tcvTJj, air corr v Gutschmid. 5) Berossus. — Das Folgende Polemik des Euseb gegen Berossus. 6) ToidirSe v Gutschmid. 7) Der Text bat an dieser Stelle deu letzten [eingeklammerten] Satz ; Umstellung nach v Gutschmid bei Schoene. Die Verwirrung ist nach Budde 480 nicht durch Euseb selbst (so v Gutschmid) sondern durch einen Abschreiber verschuldet. 8) so weit die allegorische Erklärung; im Folgenden wird der Mythus weiter erzählt. 9) codd xcconoqooov, zu lesen uxaQnoqoQov. 10) Das Folgende ist eine .höhnische Wiederholung' der Worte des Berossus durch Euseb cf Budde 479 ff. 2* 20 fliessende Blut mit Erde vermischt und daraus die Menschen gebildet haben; deshalb sollen sie vernünftig seien, teilhaftig gött- lichen Verstandes!] — Dieser Schöpfungsbericht, uns erst aus dritter Hand über- liefert, ist in ziemlich verwahrlostem Zustande. Ausführlich wird darin nur das Chaos und die Menschen- schöpfung geschildert. Yon dem Übrigen ist die Entstehung des Lichtes, der Götter, der Erde und der Pflanzen, die ursprüng- lich gewiss nicht gefehlt hat, übergangen. Dieser auffallende und für uns höchst traurige Umstand erklärt sich aus der Tendenz des Euseb, der den Schöpfungs- bericht des Berossus nur desshalb excerpiert hat, um die Unglaub- würdigkeit der chaldäischen Tradition zu erweisen *). Euseb hat daher aus dem Ganzen diejenigen beiden Punkte heraus- gegriffen, die der gesunden Vernunft am anstössigsten sein mussten, die Schilderung der wunderbaren Chaostiere und die sonderbare Erzählung von der Schöpfung der Menschen. Wem aber der Zorn und die Entrüstung die Feder führen, der ist schwerlich objektiv. Die Beschreibung der Chaostiere mag Euseb treu wiedergegeben haben, um so weniger ist das für die Menschenschöpfung wahrscheinlich, die nach dem Excerpte des Euseb eine Fülle des krassesten Unsinns enthalten soll. Dem Gotte ist das Haupt abgeschlagen, er ist also doch wol tot; aber nachher schafft er noch die Gestirne. Das kann die Meinung der Quelle unmöglich gewesen sein. Wie sorglos Euseb excerpiert hat, zeigt ferner die Wieder- holung am Schlüsse, nach welcher der Gott sich selbst das Haupt abschlägt, während das im Vorhergehenden einer der Götter getan hat ; ebenso werden in der Wiederholung nur die Menschen aus der Mischung von Erde und Gottesblut gebildet, nach dem Vorhergehenden Menschen und Tiere. Sonach mag man Zweifel hegen, ob die babylonische Tradition überhaupt von dem Kopfabschlagen des Bei erzählt habe. Zudem erscheint es an sich sehr unwahrscheinlich, dass dem weltschaffenden Gotte das Haupt abgehauen sei. Dazu kommt, dass wir in den babylonischen Schöpf ungs- 1) ,Zu solchem Unsinn versteigt sich Berossus' cf Budde 479 ff. 21 geschichten J) und den abgeleiteten Recensionen so viel von dem Blute Tiämats hören, das, wie es scheint, die bis dahin un- fruchtbare Erde befruchtet hat, so dass man vermuten darf: ursprünglich habe Bei das Blut Tiämats und die unfruchtbare Erde vermischt. Vielleicht hat Euseb diese Entstellung des babylonischen Berichtes schon vorgefunden. Die Nachrichten des Damascius und Berossus2) über die babylonische Kosmogonie sind durch die Keilschriftfunde, soweit dieselben gegenwärtig vorliegen, überall bestätigt. Auch die Notiz des Berossus, dass Bilder der ,Wesen; im Beltempel zu sehen waren, hat ihre Parallelen erhalten 3). Wir verdanken den keilschriftlichen Schöpfungsbericht den Entdeckungen von George Smith ; der Bericht, uralt babylonischer Herkunft, von assyrischen Schreibern für die Bibliothek Assur- banipals abgeschrieben, ist in Kujundschik, an der Stätte des alten Ninive, unter den Trümmern des Palastes Assurbanipals von George Smith 1873 gefunden ; weitere Ergänzungen sind seitdem hinzugekommen und sind noch zu erwarten 4). Im Anfang, ehe Himmel und Erde Namen hatten 5), als noch der Urvater Apsü (Ocean) und die Urmutter Tiämat 6) jhre Wasser mischten, als noch keiner von den Göttern geschaffen war, kein Name genannt, kein Schicksal bestimmt war7), da sind zuerst die Götter entstanden. Genannt werden Luhmu und 1) In dem babylonischen Mythus wird Tiämat der Kopf gespalten und die Adern durchschnitten, so dass das Blut herausfliesst cf p 24. 2) des Berossus, nicht des Euseb. 3) cf p 28. 4) Am Schlüsse des Buches findet der Leser unter den Beigaben eine Übersetzung des Textes, soweit er gegenwärtig vorliegt, von Hein- rich Zimmern. Daselbst auch Angaben über die Literatur. Im Texte folgt eine kurze Paraphrase des Mythus, die zugleich einzelne Erklärungen des Textes geben mag. 5) Auch dem Babylonier gehört wie dem Hebräer der Xame zur leibhaftigen Existenz der Dinge. 6) Das hebräische Äquivalent ist ämr, auch hebr Femininum: ebenso ist Brfav nach phönicischer Tradition ein Weib cf Dillmann Genesis e 7. 7) Die Namengebung dh die Schicksalsbestimmung setzt den ■Göttern Macht und Wirkungskreis fest. 22 Lahamu, Ansar und Kisar, schliesslich Anu. Der Rest ist abge- brochen; nach dem Folgenden ist hier wol erzählt, wie die ,Götter der Oberwelt und der ,Tiefe' entstanden sind. Auch scheint von der Entstehung des Lichtes die Rede gewesen sein. — Dann erzählt der Mythus weiter, wie sich Tiämat, die ,Mutter der Götter', sammt den Mächten der Tiefe gegen die ,oberen Götter' ,empörte'. Erhalten ist aus dem ganzen Zusammenhange nur ein Gespräch zwischen Apsü und Tiämat, in dem sie den Plan gegen die Götter besprechen; wie es scheint, hat bei dieser Empörung die Entstehung des Lichtes die Veranlassung gegeben. Im Folgenden wird nun der sich so entspinnende Krieg zwischen Tiämat und den Göttern erzählt. Auf der einen Seite erscheint als der Kriegführende Ansar; genannt werden noch Anu, Ea und dessen Sohn Marduk, im Hintergrunde stehen Luhmu und Lahamu. Auf der audern Seite steht Tiämat, der sich ein Teil der Götter angeschlossen hat; dazu hat Tiämat elf schreckliche Wesen erschaffen, und über sie alle den Gott Kingu zum Führer eingesetzt. Ihn hat sie sich zum Gemahl bestimmt und an seine Brust die ,Besitz (?)-Tafeln< gelegt *). — Gegen dies Heer hat Ansar zuerst Anu, dann Ea ausgeschickt; aber Anu weigerte sich, Ea fürchtete sich und kehrte zurück. Schliesslich wendet er sich an Marduk, Eas Sohn, einen der jüngstentstan- denen und ,seinen Vätern' an Macht unterlegenen Gott. Hier setzt der Bericht aufs neue ein; dass trotzdem der Zusammen- hang so deutlich erkennbar ist, verdanken wir dem Umstände, dass der Mythus nach Art der homerischen Gedichte in jeder Rede alles Vorgefallene zu wiederholen liebt. Marduk erklärt sich bereit, Apsü und Tiämat entgegenzutreten, aber nur dann will er der ,Rächer der Götter' werden, wenn diese in einem puhru 2) da? gleiche Herrschaftsrecht, das sie selber haben, ihm zuerkennen. Ansar schickt seinen Boten GA-GA 3) zu Luhmu und Lahamu mit der Nachricht von Tiämats Empörung und 1) Die Besitz(?)-Tafeln, die im Mythus eine grosse Rolle spielen, sind wol als ein Amulett zu betrachten, das dem Träger die Weltherr- schaft verleiht. 2) Versammlung der Götter, wo das , Schicksal- gestimmt' wird. 3) Der Name ist ideographisch geschrieben, die semitische Aus- sprache ist bisher unbekannt. 23 Marduks Begehren. So findet das gewünschte puhru statt: nachdem die Götter sich an Brot und Wein gesättigt *), be- stimmen sie Marduk das Schicksal: ohne Gleichen soll seine Macht sein; er soll die Königsherrschaft haben über die Ge- sammtheit des Alls. ,0 Herr, wer sich auf dich verlässt, schone sein Leben ; doch der Gott, der sich mit Bösem befasst, giesse aus sein Leben!' Sein Wort soll die Wunderkraft haben, die Dinge ins Dasein zu rufen und verschwinden zu lassen. Ein Zeichen bekräftigt ihre Zusage: ein Kleid wird in ihre Mitte gelegt, das auf Marduks Befehl verschwindet und wiederkehrt 2). So ist Marduk ,König' geworden; er wird nun von den ,Göttern, seinen Tätern', mit den königlichen Insignien beschenkt. — Der Bericht erzählt dann, wie sich Marduk zum Kampfe rüstet. Seine Waffen sind Bogen und Köcher, ein Sichel- schwert (?), und eine Waffe, die er von den Göttern zum Geschenk erhalten hat, nach den Abbildungen zu schliessen der Donner- keil, dargestellt als doppelter Dreizack 3). Ferner hat Marduk ein Xetz, Geschenk des Anu; ihn begleiten allerlei Winde als Bundesgenossen. Zum Kampf gerüstet tritt er auf seinen Wagen, der von furchtbaren Wesen (Pferden?) gezogen wird. So fährt er der Tiämat entgegen. Bei seinem Xahen erschracken Kingu ,und die Götter, seine Helfer, die ihm zur Seite giengem Marduk aber forderte Tiämat zum Kampfe auf: ,Komm heran, ich und du wollen kämpfen1. 1) cf Gen 27 25f (Isaaqs Segen). 2) Ähnliche Zeichen Ex4i— 5 6—8 (Moses Stab und Hand) und Jud 6 36— 40 (Gideons Yliess). — Wir haben in diesem Zuge eine deutliche Schilderung davon, was der Babylonier sich unter ,Schaffen' (band) vorstellt; denn hier bekommt Marduk die Macht, die er nachher bei Schöpfung' der Welt ausübt. Der Gedanke der , Schöpfung" ist: der Mensch mag mit seinen Händen bilden, der Gott bringt durch sein Wort hervor. Diese Verstellung von der Wirksamkeit des göttlichen .Wortes' drückt der Hebräer durch s~= aus; die beste Definition dafür ist 4' 33 9 -r,". -is s-r -;; s-= heisst ,durch das Wort ins Dasein rufen'. 3) Dass auch Zeus dieselbe Waffe führt, die wir auf de.n Abbil- dungen des Mardukkampfes sehen, ist schon von G>nze Herren- und Göttergestalten 7 und Jensen 333 ausgesprochen. Die Notiz ist für den Archäologen nicht unwichtig, da sie ein deutliches Beispiel der Ent- lehnung von babylonischen Göttersymbolen durch die Griechen ist. 24 Als es nun zum Kampf kam, fieng .der Kluge unter den Göttern' Tiämat im Netz, in ihren geöffneten Rachen Hess er den Orkan hineinfahren ,und füllte mit furchtbaren Winden ihren Bauch1. Mit dem Sichelschwert (?) aber fuhr er nach und zerschnitt ihren Leib. ,Ihren Leichnam warf er hin, stellte sich darauf. Dann überwand Marduk ,die Götter ihre Helfer'; er zerbrach ihre Waffen und warf sie ins Netz. Ebenso fesselte er die elf Ge- schöpfe. Dasselbe Schicksal hatte Kingu ; Marduk entriss ihm die Besitz(?)-Tafeln und legte sie an die eigene Brust. — Dann kehrte der Gott zur Tiämat zurück; ihren Kopf spaltete(?) er, ihr Blut Hess er vom Nordwind zu verborgenen Orten schaffen *). Dem Sieger Hessen die ,Götter, seine Väter', Geschenke bringen. Da ward besänftigt der Herr, betrachtete ihren Leichnam und erzeugte Kunstreiches. Er zerteilte ihren Leib in zwei Teile, die eine Hälfte machte er zur Himmelswölbung und stellte Riegel nebst Wächter davor, dass die Wasser nicht heraus- strömen. Die Himmelswölbung stellte er dem Urwasser entgegen und baute den Himmel als Palast, entsprechend dem als Palast gedachten Urwasser. Dann schuf Marduk die Sterne, Sonne, Mond und die übrigen Planeten 2), die Tierkreisgestirne setzte er ein, und bestimmte den Lauf der Sterne und die zwölf Monate. — Die folgenden Werke fehlen bis auf ein kleines Fragment, welches von der Tierschöpfung handelt und dabei drei Klassen von Landtieren unterscheidet: Vieh des Feldes, Getier des Feldes und Gewürm des Feldes. Der Schluss des Mythus ist erhalten, worin dem Marduk in einem Hymnus Ehrennamen gegeben werden. Diese Namen feiern Marduk als Herrn des Alls: ,wie Schafe möge er weiden die Götter, sie alle!' Die Erklärung des Mythus ist zuerst von Jensen versucht 307 ff. Ich drücke den Dank, den ich diesem Forscher schulde, dadurch aus, dass ich versuche, seine Ergebnisse von religions- geschichtlicher Methode aus zu modificieren. Die Erzählung ist offenbar ein ätiologischer Mythus, dh ein Mythus, der die Ursache einer gegenwärtigen Tatsache be- 1) cf p 21. 2) Erbalten ist uns die Erschaffung der Fixsterne und des Mondes. Bei beiden ist die Angabe des Zwecks, zur Zeiteinteilung zu dienen, hinzugefügt. 25 schreiben, der auf eine Frage die Antwort geben will. Der Schöpfungsrnythus verdankt seine Existenz der Frage, woher Himmel und Erde und Tiefe, Götter und Pflanzen und Tiere und Menschen kommen. Dieser Mythus ist also den vielen ätiologischen Sagen und Mythen der Genesis verwandt, welche die Entstehung der auffallenden Namen, Berge, Quellen, Landschaften oder der anthropologischen und ethnologischen Verhältnisse erklären1). Das Charakteristische des Mythus oder der Sage ist, dass sie solche Fragen durch eine Geschichte beantworten. Der babylonische Schöpfungsmythus erzählt die Entstehung der Welt, indem er jene erste Entstehung sich in derselben Weise denkt, wie die Welt noch jetzt in jedem Frühjahr aufs neue entsteht. Die Zeit vor der Weltschöpfung wird darge- stellt als der schrecklichste Winter, den die Welt je erlebt hat. Da herrschten die Gewalten der Tiefe — Wasser überall und Finsternis — , bis Marduk, der Gott der Frühsonne3), Tiämat besiegt und in die Wasser oben und unten spaltet. Die Vorstellung, dass dort oben Wasser sind, die Hälfte der Tiämat, entstand aus der Reflexion, woher der Regen komme3), gewiss aber auch aus der Anschauung: am Ende der Regenzeit, wo alles Wasser war, bricht die Sonne durch und zwingt das Wasser sich zu teilen 4). Dass der Mythus den schauervollen Eindruck, den der Winter und das Chaos macht, sich verdeutlicht, indem er das Urmeer von schrecklichen Wesen wimmelnd denkt, ist völlig verständlich. Diese Art der Anschauung ist das Charakteristische des Mythus. Diese Wesen sind nun die Gestirne des Tierkreises 5). Das 1) Dies Moment der Kefiexion, das den Anlass zum Mythus ge- geben hat, wird von denen verkannt, die in unserem Mythus nur eine poetische Schilderung immer wiederkehrender Verhältnisse sehen: so Jensen 308. 2) Jensen 309. — G A Barton Journal of the American Oriental Society XV 14 ff fasst Marduk als Sturmgott auf, der das erregte Meer bezwingt. 3) so Jensen 308. 4) Das Durchteilen der Tiämat im Mythus hängt also, wie mir scheint, mit der Vorstellung, dass Marduk bei seinem Aufgehn ein grosses Meer im Osten überschreite, nicht zusammen, gegen Jensen 308. 5) [Dabeiist es nicht sicher, ob, wie Hommel will, die elf Ungeheuer 26 mag auf den ersten Blick sehr merkwürdig erscheinen. Indess dass diese Ungetüme als Sterne gedacht werden, mag sich daraus erklären, dass die Gestirne Kinder der Nacht sind. Dass es gerade die Sterne des Tierkreises sind, mag daher kommen, dass diese Sterne zur Hälfte unter dem Horizonte, dh im Reiche der finsteren Wassertiefe stehn. Zugleich darf man an den Unterschied der stets an ihrer Stätte verharrenden Gestirne des Tierkreises und der frei wandelnden Planeten denken: diese sind die grossen, mächtigen Götter; jene sind ,gefesselt', in ihrem Dienste; der Mythus erzählt, wie Marduk die Sterne des Tierkreises gefesselt hat 1). Wenn Marduk im Tiämatkampfe mit dem Donnerkeil er- scheint, so scheinen Züge des Gewittergottes in den Mythus vom Siege des Lichtes eingedrungen zu sein. Es liegt also die Vermutung nahe, dass Marduk, dessen gewöhnliches Symbol der Donnerkeil 2) war, nicht anders als das des Zeus bei den Grie- chen, ganz abgesehen von seinem Tiämatkampfe ein Gewittergott gewesen ist. Der Mythus antwortet zugleich auf die Frage, woher Mar- duks gegenwärtige Weltherrschaft stamme. Da Marduk der Gott der Tiämat den elf Tierkreisbildern (dh dem ganzen Tierkreis excl Stier- Marduk) entsprechen, oder ob (wie Jensen will) die elf Ungeheuer nur in der "Wmtergegend des Tierkreises ihr Analogon haben.] Z. 1) Mir erscheint also als das Nächstliegende, dass die Phantasie die Tierkreisbilder als Ungeheuer am Himmel geschaut hat. — Ein wenig anders betrachtet Jensen 89 315 ff (ebenso Zimmern Assyriologie als Hülfswissenschaft 14 ff) die Sache. Er geht von der Voraussetzung aus, dass nicht die Phantasie in dem , Stier', dem , Löwen' usw einen Stier oder Löwen gesehen habe, sondern dass die Speculation das Sternbild, in dem die Sonne im Frühjahr aufgeht, , Stier' genannt habe, weil der Stier Symbol des Marduk, der Frühsonne ist; ähnliches soll für die meisten Sternbilder des Tierkreises gelten. Darnach nimmt er auch an, dass man erst nachträglich die Ungeheuer der Tianiat in den Tierkreis versetzt habe. — Ich möchte glauben, dass man der babylonischen Phantasie mehr zutrauen darf. Doch ist freilich nicht ausgeschlossen, dass die Phantasie sich durch verständige Überlegung die Richtung hat angeben lassen. 2) cf zB die Stele des Asarhaddon aus Sendschirli (veröffentlicht in den , Mittheilungen aus den orientalischen Sammlungen der Kgl Museen zu Berlin- Heft XI Tafel I). 27 der Stadt Babel ist, so fragt der Mythus also nach dem Ursprung der Weltherrschaft Babels l). Dabei ist die Voraussetzung, dass Marduk ein verhältnismässig junger Gott sei, der erst nachträg- lich seinen , Vätern' ebenbürtig, ja Herr der Welt geworden sei. Im Mythus spiegelt sich also die historische Tatsache, dass die Stadt Babel in verhältnismässig später Zeit in Babylonien die Vormacht geworden ist 2). Wir besitzen demnach in dem Mythus die specifisch babylonische Erzählung von der Weltentstehung; mit Stolz erzählen die Babylonier, dass ihr Gott Marduk Herr der Welt sei, weil er das Chaos besiegt und die Welt geschaffen habe. Damals haben die Götter in dem puhru die Herrschaft ihm zugesprochen, und damals hat er Kingu die ,Besitz(?)-Tafeln' geraubt. Der Anspruch und das gute Recht Babels, die Welt zu beherrschen, datiert von der Entstehung der Welt! Eine Altersbestimmung des Mythus ist aus astronomischen Erwägungen nicht mit Sicherheit zu geben. [Jensen Kosmologie 315 ff kommt von der Voraussetzung aus 3) , dass die Ungeheuer der Tiämat erst nachträglich aus der Legende in die Wiuterhälfte des Tierkreises versetzt sind, zu dem Schlüsse, dass der Grundstock der babylonischen Schöpfungsgeschichte bereits vor 3000 v Chr vorhanden gewesen sein müsse, da nur in dieser frühen Periode (vermöge der Prä- cession der Sonne) der Frühlingspunkt in den Stier und der Herbstpunkt in den Skorpion fiel 4). . Indessen ist obige Voraussetzung möglicherweise doch eine irrige5), so dass jedenfalls dieses astronomische Argument für die Behauptung, dass das babylonische Schöpfungsepos bereits im vierten vorchristlichen Jahrtausend wenigstens seinem Grundstocke nach bestanden haben müsse, nicht urgiert werden darf.] Z. Sichere Daten gewinnen wir aus einigen Notizen uralter Königsinschriften. Schon Agum (gegen Mitte des zweiten Jahrtausends) be- richtet von seiner Aufstellung eines , Meeres- (tamtu) im Marduk-, 1) Diesen Zusammenhang bat A Jeremias Izdutur-Nimrod (1891) p 11 A gefunden. 2) cf Winckler 29 33 f. 3) cf p 2*3 A 1. 4) Eine zusammenfassende Darstellung dieser Theorie giebt Jensen in der Deutschen Kevue XV 112 ff. 5) cf p 26 A 1. 28 tempel l) ; ebenso erzählt aber auch bereits der uralte König Urninä von Lagas (viertes Jahrtausend v Chr) von der Auf- stellung eines , Weltmeeres' (apsü) 2). Demnach ist der Tiämat- mythus bereits im vierten Jahrtausend v Chr — wenn auch natürlich nicht notwendig in der uns überlieferten Recension — erzählt worden. Dass der Mythus vom Mardukkampfe sehr beliebt war, lässt sich aus manchen Anzeichen erschliessen. Wir besitzen eine sehr grosse Zahl von Darstellungen des Kampfes, namentlich auf Siegelcylindern 3). Auf der bekanntesten dieser Abbildungen erscheint Tiämat als ein Drache, vorne ein Löwe, dessen Maul und Vordertatzen sie hat, am Leib und hinten ein Adler, von dem sie die Flügel und die Klauen der Hinterfüsse trägt. Das männliche Geschlechtsglied zeigt entweder eine Variante des Mythus oder ist aus Zweigeschlechtigkeit des Ungeheuers zu verstehen 4). Abbildungen der Tiärnat-Un geheuer werden erwähnt in der Inschrift Agums 5) und bei Berossus; Darstellungen des ,Meeres' in der Inschrift Urninäs 6), und Agums 7) ; cf auch die kultische Darstellung der ,wütenden Schlangen' durch Agum, Xebukad- nezar, Neriglissar etc8). A priori lässt sich vermuten, dass ein solcher Mythus in vielen Varianten bestanden haben muss. Wir besitzen ein Bruchstück einer solchen Variante 9). Sehr interessant ist, dass hier der Mythus nicht mehr in der Urzeit spielt, sondern zur Sage geworden ist. Tiämat führt ein Schreckensregiment unter den Menschen. Der Tiämatmythus ist hier — wie es scheint — mit irgend einer geschichtlichen Erinnerung verschmolzen. Das Ungeheuer erscheint als die Feindin der Menschen und der 1) KB III 1 p 143. 2) KB III 1 p 13. 3) z B Collection de Clercq I Xo 315 ff passim. 4) Die Abbildung zB Smith Chald Gen 90/91; Layard Monuments of Xiniveh II Series Plate 5. — Auf dieser Abbildung trägt Tiämat einen eigentümlichen, knospenartigen Aufsatz auf dem Kopfe, der auf altgriechischen Greifenabbildungen wiederkehrt cf Koscher Lexikon der griech und röm Mythologie I 1747 ff (Furtwängler). 5) Schrader KB III 1 p 145. 6) ebenda p 13. 7) ebenda 143. 8) KB III 1 p 143 III 2 p 21 35 73 etc. 9) Übersetzung der Variante von Heinrich Zimmern in den Beigaben. 29 Götter. Besonders wichtig ist, dass hier Tiamat den Namen ribbu (= *rihbu = am) zu führen seheint, wenngleich dieser Name bei der Natur der babylonischen Schrift noch nicht mit völliger Sicherheit zu constatieren ist x). Man beachte, was hier von dem Blute Tiämats erzählt wird -). Das Bruchstück einer dritten Schöpfungsdarstellung hat Pinches 3) gefunden. Charakteristisch für dieselbe ist das Fehlen des Tiämatkampfes. Doch wird auch hier vorausgesetzt, dass die Gesammtheit der Länder einst Meer (tämtu) gewesen sei, ohne dass indessen das ,Meer als Ungeheuer personificiert würde. Auch hier wird wie in dem grossen Schöpfungsmythus unter den ersten Schöpfungen das Rohr (hier qanü = n:p) genannt. Die Erzählung berichtet hauptsächlich von der Grün- dung der babvlonischen Städte. 4. Anspielungen au den Mythus vom Kampfe Marduks gegen Tiamat im AT abgesehen von Gen 1. Der Unterschied zwischen dem babylonischen Mythus und Gen 1 ist so gross, in der religiösen Haltung und in der ästhetischen Färbung, dass sie auf den ersten Blick nichts ge- meinsam zu haben scheinen. Man begreift die Abneigung derer vollkommen, die sich scheuen, beide Berichte neben einander auch nur zu nennen. Darum halte ich für richtig, vor einem Vergleiche des Mythus mit Gen 1 die Frage aufzuwerfen, ob sich noch ausser Gen 1, das zunächst ganz aus dem Spiele bleiben soll, andere Berührungen mit dem babylonischen Mythus im AT finden. 1) [Möglich ist auch die Lesung labbu (s"sV) ,Löwe' cf dann den Löwenkopf Tiämats in den Darstellungen und 2 Tim 4 17 1 Pt 5 s.] Z. 2) Das Blut Tiämats, das nach ihrem Tode eine bestimmte Zeit Üiesst, ist vielleicht das Wasser der Ströme, das grade in der Zeit des Frühlings zu schwellen beginnt Jes Sir 2425. 3) Übersetzung JKAS 1891 p 393 ff, von Hommel in Rodenbergs Deutscher Rundschau 1891 Juli 105 ff und von H Zimmern in den Bei- gaben. 30 Auf eine Anzahl der Stellen, die ich zu erörtern gedenke, haben schon einige Assyriologen und Theologen hingewiesen 1). Rahab. Jes 51 of2) *Auf, auf, wappne dich mit Kraft, Jahres Arm ! Auf nie in den Tagen der Vorzeit, den Geschlechtern der Urzeit! Bist du's nicht, der Rahab zerschmetterte 3), den Drachen schändete4')? . 1) Eiehni Hw 1262 (906) weist (im Jahre 1884) auf Job 9 13 26isf Jes 519 V'89iof Job7i2 i//74i3f Jer30? ¥-'874 hin. H Zimmern Assyriologie 16 auf Job 9 13 (cf auch Dillmann Genesis 6 9). Hommel Xeue kirchl Zeitschr 1890 p 406 auf Arnos 74* (das Sternchen bedeutet, dass die Stelle in Wirklichkeit nicht hierher gehört) Jes 51 9 f 27 1 Job 9 13, G A Barton Journal of the American Oriental Society XV 22 ff auf die Schlange Gen 3* Job 3s 9i3 26i2f 41 Jes 519 27i 30t 1' 874 89io 74isf 1042öf 404 90 io*, TTinckler Alttest Untersuchungen 153 auf Jes 27 1. — In Hommels und Bartons genannten Aufsätzen sind bedeutende Gedanken und krause Einfälle so gemischt, dass es begreiflich wird, wenn die alt- testamentliche Forschung auf solche Aufstellungen bisher keine Bück- sicht genommen hat. Der Dank des Theologen an den Assyriologen würde ohne Zweifel noch grösser sein, wenn der Assyriologe regelmässig die Praxis befolgte, Vermutungen, die sich auf das AT beziehen dh ausserhalb seiner Specialwissenschaft liegen, zuerst den Fachleuten und dann erst einem grössern Publikum vorzutragen. 2) Ich gebe bei jedem poetischen Stück das Versmass an: an anderem Orte denke ich. Sinn und Grund dieser Angaben genauer zu entwickeln. Ich unterscheide Verse von 4, 5 und 6 Hebungen, die durch eine Casur zu je 2 Halbversen geteilt und häufig zu Distichen. Tri- stichen oder Tetrastichen verbunden sind. Jes 51 9f sind Verse von 5 Hebungen (Qinaverse). Der erste Halbvers von 9 hat vier Hebungen und eine Nebencäsur cf p 38 A 1. — Beim Druck ist die Hauptsache, dass ausser dem Ende des Verses, event den Distichen etc. auch die Cäsur deutlich hervortritt. Ich drucke — des Baumes wegen — den 2ten Halbvers im 5- und 6füssigen Verse unter den lten. im 4füssigen nach einem Absatz daneben, unterscheide dabei die Distichen etc durch Spatien resp durch Einrücken. 3) aa^ bedeutet mit dem "-; aus 112s etwas (Brunnen, Kelter. Grab. Hausteine, Erz) aushauen: vom Holzhauen wird es nicht gebraucht. 31 10 Bist du's nicht, der das Meer austrocknete, die Wasser der grossen Flut? Der Meerestiefen zum Wege machte, Dass hindurchzogen die Erlösten? x) Ein heisses Gebet, das die Machttaten Jahres, die er einst in der Urzeit getan hat, wiederum zu Israels Befreiung herbei wünscht. Diese Tat ist, dass er einst Rahab zerschmettert, den Drachen "psn geschändet hat. Dem parallel heisst es, dass er das Meer, die Wasser der grossen Tiefe, trocken gelegt hat. — Wenn diese Jahvetat nach mb den ,Erlösten' einen Weg zum Hindurchziehen geöffnet hat, so ist offenbar an den Durchzug durchs rote Meer gedacht, der auch sonst als Vorbild der kommenden Errettung erscheint cf 43 ig ff. — Indess bleibt die Frage bestehen, wie denn hier der Untergang Pharaos als die Vertilgung eines grossen Ungeheuers geschildert Averden könne. Hier, Hosea 65 und 1' 29 t ist Corruptel anzunehmen. Hosea 65 lies ,Deshalb zerschmetterte ich sie durch die Propheten, mordete sie mit den "Worten meines Mundes'. yrra || r—sr Dt 3239: ym |! sin ist Steigerung, denn von dem-,—: ist Heilung möglich cf Job 5is Jes 8026. Zur Vorstellung cf Jer 2329. */'297 ist corrupt. Jes 51 9 lies nach Job 26 12 nsraan (Houbigant). Der Antiquadruck bedeutet Unsicherheit der Übersetzung oder Conjektur: als Conjektur betrachte ich indess nicht eine andere, von der Yoeali- sation oder von den Vocalbuchstaben abweichende Lesung, ebenfalls nicht Lesarten, die durch die Übersetzungen bezeugt sind. 4) Die Tradition nimmt hier und Job 26 13 im Unterschiede von \>\n schänden ein V-;-. durchbohren. Jes 535 ein Vr~ durchbohrt werden an. Die Modernen fügen noch Ez 289 3226 (cf Siegfried Stade Wh) hinzu. Indess die Parallele VVr || s=- Jes 53 s (über s=- cf p 33 A 3) und die Sagenvariante ■jP 89 10 hhra rss- (cf p 33) beweisen, dass hier und ebenso Job 26i3 Jes 53s V>~ schänden V?" geschändet werden zu lesen ist, So auch Ez 289 3226 (cf die Untersuchung über VV- p 33 A3). — Ebenso 9' Sal 230 rijv vßoiv ccvtöv lxxtxivTr,u{ror = V>— : ":-s; seine Hoffart geschändet. l/' 77 11 -:-•'-- ,mein Leiden* (Bickell): 9' 10922 '-'-- ,windet sich' (Kautzsch Übersetzung). Demnach ist «Ars Qal Polel Polal = durchbohrt sein aus dem Lexicon zu streichen. 1) Die Fortsetzung 11 = 35 10. im Tone vom Vorhergehenden sehr verschieden, ist Zusatz Dillmann u a. 32 Solche Bilder werden nicht willkürlich erfunden, sondern sie treten nur als eine nachträgliche Unideutung und Aneignung der Tradition auf, — man beachte, dass Rahab ein Name ist. Das ist hier um so sicherer, als das Bild von Rahabs Zer- schmetterung nicht als eine deutliche, vom Dichter erfundene Allegorie begriffen werden kann; denn wer soll Rahab sein — Pharao und Ägypten oder das rote Meer? — Unleugbar ist also, dass hier ein Mythus von Rahabs Überwindung in der Urzeit vorausgesetzt ist, mit dessen Farben an dieser Stelle Pharaos Untergang ausgemalt wird. Das eigentümliche Schillern aber, dass Rahab zuerst Rahab und dann ein Bild für Ägypten ist, ist dem Stile des Dtjes charakteristisch1). Was dieses Ungeheuer sei, ist aus den Parallelen deutlich. Rahabs Zerschmetterung ist die Austrocknung der "Wasser des grossen ,Oceans'. n:i awn ist das Urmeer unter der Erde Gen 7 11 ^36? Am 7i. Nimmt man hinzu, dass Gen I2 Dinn der Name des Chaos ist, so kann man dem Schlüsse nicht ent- gehen, dass es sich hier um die Austrocknung des Urmeers bei der Weltschöpfung handelt. Dabei hat Jahves Arm Rahab zer- schmettert. Rahab ist also die Personifikation der mnn, des Chaos. Bei der Eigentümlichkeit des hebräischen Stiles wird uns aus dieser Stelle nicht deutlich, ob der Prophet ein Ungeheuer, den Drachen Rahab, oder zwei Wesen, Rahab und den Drachen meine. Ebenso ist aus der einen Anspielung nicht zu sagen, was das Schänden in concreto bedeute. Aber schon das, was aus dieser einen Anspielung erkannt werden kann, trifft, wie man zugestehen wird , merkwürdig mit dem babylonischen Mythus vom Kampfe Marduks gegen Tiämat zusammen. Man vergleiche auch den Zug, dass Jahves Arm dabei ,kraftgewappnet' war, mit der Erzählung von Marduks Wappnung2). Man beachte weiter, dass der Mythus als völlig bekannt gilt, dass auch die Anwendung an das Wunder des Auszuges kaum hier zum ersten 1) Ebenso ist Jes 41 17— 20 das Wasser in der Wüste bald "bild- liches, bald wirkliches Wasser. Es ist daher nicht notwendig, 10b für späteren Zusatz zu halten. 2) An einen Mythus denken auch Cheyne II 31 und Duhrn 357, ohne an Babylonisches zu erinnern. 33 Male gemacht wird, und dass der Prophet eine Wiederholung jener Tat der Urzeit herbeisehnt. * 89ioffi) 10 Du bleibst Herrscher, trenn das JJeer sich empört, Wenn2) seine Wogen tosen, du beschwichtigst sie. 11 Du hast geschändet wie ein Aas3) Rahab, Mit starkem Arm deine Feinde zerstreut. 1) Der V ist nicht einheitlich. *P 892 3 6 — isa ist ein Loblied auf Jahve, der in der Schöpfung der Welt seine Macht und seine Treue und Gnade offenbart hat. Das Gedicht ist in dem für Hymnen ge- bräuchlichen Verse von 4 Hebungen geschrieben; die Verse sind zu Doppeldistichen verbunden. Ein Anhang 47 — 52 fleht Jahve an, in der Gegenwart seiner Geschöpfe, dh concret Israels, sich zu erbarmen; das Stück, in demselben Versmass, aber weniger kunstvoll und kräftig, stammt wol von zweiter Hand. Das Ganze ist von dritter Hand bear- beitet; hier wird Jahves ewige Treue nicht von der Schöpfungsgnade ver- standen, sondern auf den Bund mit David gedeutet; um dies Verständnis auszudrücken sind 4 5 und 13b— 46 eingesetzt und 47 — 54 umgearbeitet; die Einsätze sind in den gewöhnlichen 6füssigen Versen geschrieben. 2) s-ra wol = rvitttJa cf LXX Pes, inf Qal V rsr || inf Qal Mwa. Das Wort ist term für das übermütige, verderbliche Tosen des Meeres und des Unwetters, für das Dröhnen umstürzender Gebäude etc. Der Lesung venös liegt eine Verwechselung von nsr und sr: zu Grunde; ebenso Nah lö v~s~ *^r" die Erde erdröhnt; Hab 13 xr- 7-2 Zank wird laut; Hiob 41 17 TS- = irsb'*: vor seinem Tosen (vom Leviathan) ; *P 62 s -::-- rrmrb tan -rsr-: -js Aber seine Verwüstung haben sie beschlossen, am Einsturz Wolgefallen. (Bild von der sich neigenden Mauer 4, Qinaverse) ; Gen 493 r'sc -r- Überschwang an (brausender) Kraft (cf 4 a*es) ; Job 13 11 die ns's, 3123 die r-xr'tt Gottes || —s -rrr = die schreckliche Katastrophe, die Gottes Nähe bringt; Hos 13 1 zu lesen s-r: .Ephraim war Fürst in Israel'; Gen 47 Hab I7 sind corrumpiert, is-r Job 206 sehr zweifelhaft. Dar- nach ist die intransitive Bedeutung von sr: (Siegfried Stade Wb sr: 6) aus dem Lexicon zu streichen. 3) y>na rsr: Hupfeld-Nowack II 344: Du hast zerschmettert, wie den Erstochenen , Kahab. Baethgen 277 : Du hast Kahab wie einen Durchbohrten zermalmt. — Wie zermalmt man einen Durchbohrten? — ksh zermalmen, unter die Füsse Threni 334, zur Erde i//1433 treten, schmählich mishandeln Job 192f V 945, demütigen *P 51 19 34i9 Jes57i5; so LXX und Verss f89n. — Das adjectivum VV- gehört nicht — wie gewöhnlieh angenommen wird — zu ;■':" Flöte ••'--. Fenster Gunkel, Schöpfung. 3 34 12 Dein ist der Himmel, dein die Erde, Die Welt1) und, was sie füllt, du hast sie gegründet. 13 Nord und Süd, du hast sie geschaffen, Thabor und Hermon jubeln deinem Namen. 14 Dein ist der Arm, dein 2) die Macht, Deine Hand ist stark, deine Rechte erhaben! 15 Auf Gerechtigkeit und Recht gründet sich dein Thron, Gnade und Treue gehen dir voraus. In einem Hymnus auf Jahve wird die Überwindung Rahabs gefeiert. Auch hier ist die Parallele das Meer. Da in diesem ¥ der Zusammenhang mit der Schöpfung 12 f deutlich angezeigt ist, so ist hier die Beziehung auf Ägypten gänzlich unmöglich; Rahab ist ein Ungeheuer, das bei der Schöpfung, genauer, da 11 und bedeutet also nicht .durchbohrt' , sondern zu V-- entweihen fch profan etc und bedeutet ,entweiht'; so deutlich Lev 21 7 cf 1929. hbn entweiht, genauer z-r.-Vtr, Schwert-entweiht ist terra für die Körper der (auf dem Schlachtfeld) Gefallenen (des unterlegenen Heeres) , die ,nicht beklagt werden und nicht bestattet und nicht begraben, sondern zum Mist werden sie auf der Fläche des Landes' Jer 2Ö33, cf Jer823 (unbe- weint) Jer 14 18 5147 Ez 35s 11 6 30 11 (überall, auf dem Felde, den Bergen und Tälern, in den Gassen der Stadt umherliegend) Jes 343 (hinge- worfen, faulend, blutend |j -;s wie Nah 83) Job 3930 (der Frass der Adler). Solche ,Entweihten' finden auch im Tode keine Euhe: rraan —'-V- »ej Job 24 12 die Seele der Geschändeten schreit. Der Gegensatz dazu ist die ehrenvolle Bestattung des Siegers, dem man das Schwert unter das Haupt legt, und den man mit dem Schilde zudeckt Ez 3227. Die diese , Schmach' Ez 3224 noch im Tode tragen müssen, sterben den ,Tod eines Geschändeten' Ez 28 s hbr, -wm; parallel ist ma z-'--y \— ; den Tod von Unbeschnittenen sterben Ez 28i0; =-r-y || 2— ■'-•-. Ez 31 18 32 19 f 21 25 ff. Wie man den '-\~ dann nocb weiter ,mishandeln' mag, erzählt I Sam 31 8 ff : man zieht ihm nicht nur die Kleider aus, sondern schlägt auch seinen Kopf ab und pfählt seinen Kumpf etc. Darnach ist auch V>", wo es vom Gefallenen oder Fallenden gebraucht wird zu verstehen cfp31 A4: es bedeutet zum bhrt machen oder als Vi- behandeln. Die obige Über- setzung ,Aas' ist nicht ganz genau, da der entsprechende Terminus im Deutschen fehlt, aber doch verständlich. 1) V=r ursprünglich die fruchttragende Erde, Mutter Erde "j/ bar; Gegensatz "ata Jes 14 17. Das Wort ist, weil stets ohne Artikel, uralter mythologischer Herkunft. Die traditionelle Übersetzung ,Erdkreis' ist irreführend — dass die Erde rund ist, liegt nicht in '-zr — und sollte nicht immer wiederholt werden. 2) -1? nach Pesitta. 35 > vor 12 steht, vor der Schöpfung getötet ist. lF 89 bestätigt also unsere Auffassung des Kahab Jes 51. — Man beachte folgende Züge: Jahve hat Rahab geschändet wie ein Aas' na; das steht im Gegensatze zur ,Ernpörung des Meeres', gegen das Jahve damit seine Herrschergewalt betätigt l). Die Scene ist demnach so zu denken: Rahab hat sich einst in frechem Übermut8) gegen Jahve empört, aber Jahve erwies sich als Herrn und trat den frechen Stolz zu Boden. Ebenso ist aus der Parallele deut- lich, wie Rahabs Empörung geschehen ist. Die tosenden Wellen der Brandung wollen das Land einnehmen und Jahven die Herrschaft streitig machen; aber er bleibt im Regiment. Ra- habs Übermut, viel stärker gedemütigt als der der Wogen — von 10 zu ii also eine Steigerung — , muss noch hoffärtiger ge- wesen sein. Wir schliessen : der Mythus muss also erzählt haben, dass Rahab das Land einst wirklich besass und diesen Besit2 gegen Jahve trotzig geltend machte. Beim Kampfe gegen Jahve hat das Ungetüm Bundesgenossen gehabt, nb redet im Plural von ,Feinden Jahves'. Aber diese Bundesgenossen sind glimpflicher behandelt als Rahab. Rahab ist geschändet, sie sind nur in die Flucht geschlagen. Über das Schicksal Rahabs nach dem Tode geben die Worte ,du hast es wie ein Aas geschändet' — ähnlich schon Jes 51 9 — eine Ande utung. Damach hat Jahve noch mit seinem Leich- nam irgend etwas Schreckliches getan. Er hat Rahab also ähnlich behandelt, wie man dem Leib des gefallenen Feindes noch einen besonderen Schimpf auferlegt. Mit diesem Kampfe gegen Rahab verbindet der Dichter den Preis Jahves. Ihm ist unter den Göttersöhnen, im Rate der Heiligen niemand gleich 7 f. Ihm gehört die Welt, die er ge- schaffen hat 12 ff. — Die Schilderung der Meeres- und Rahab- bändigung ist das Mittelstück des Psalms: Jahve ist der Gott der Welt; er hat es bewiesen; ihm gehört sie mit gutem Grunde! Neben Jahves Macht aber preist der W seine ,Gnade 1) Geschändet wird der Stolz des Hoffärtigen Ez 28 t Jes 23 9 1' Sal 230 etc. 2) Hebräisches Sprachgefühl seheint den Nanien =r- als freches Losfahren aufgefasst zu haben; ob das der Name wirklich ursprünglich bedeute, mag dahingestellt bleiben. 36 und Treue'; es ist der gute, gnädige Gott, der die Welt ge- gründet und das Ungetüm, das böse, feindliche Wesen, bezwungen hat; wie auch Jes 51 of in der Rahabzerschmetterung eine Heilstat sieht. Der Leser bemerkt, dass alle diese Züge : Rahabs Empörung, Weltherrschaft und Bundesgenossen, anderseits die einzigartige Macht des Gottes-Überwinders, sein Recht auf Herrschaft in der Welt, die er geschaffen, sein Charakter als des guten Gottes gegenüber dem feindlichen Chaos, ihre Parallelen im baby- lonischen Mythus finden. Besonders interessant ist nun, aus der Parallele 10 11 zu sehen, dass der Mythus nicht allein als bekannt vorausgesetzt wird, sondern zugleich, dass sein ursprüng- licher Sinn noch völlig der Anschauung gegenwärtig ist. Rahab ist das Ungeheuer des Urmeers, vor der Schöpfung überwunden; zugleich das Meer, das noch jetzt gegen Jahves Regiment ver- geblich sich aufbäumt. Diese Auffassung von W 89 bestätigt Job 26r>f und 9 13. Job 26i2fi) 12 Mit seiner Macht hat er das Meer beruhigt 2)} mit seinem Verstände Bahab zerschmettert. 13 Die Bieget des Himmels schaudern vor ihm 3), seine Hand schändete die gewundene Schlange 4). Dass hier Anspielung an einen Mythus vorliegt, wird all- gemein zugegeben. ^ 89 Jes 51 und der Zusammenhang, der von Jahves Schöpfungswerken handelt, sowie die Parallele ,das 1) Sechsfüssige Verse wie im Hiob überhaupt. 2) y;i Hi Kühe schaffen, finden, Ni sich beruhigen, ?;■; ruhig, yia-ia Kühe etc kann nicht zugleich das Gegenteil , aufschrecken' bedeuten. Nach 4' 89 10 na» und Job 26 12 LXX xminavatv — andere Parallelen im Folgenden — bedeutet auch das Qal wie sonst Hi ,beruhigen'. Über Jer 31 35 Jes 51 15 1-55 vam =-r ysi cf das Folgende. 3) hebr Text: durch seinen Geist (Hauch) Himmel Schönheit. Dillmann: durch seinen Hauch ist Heiterkeit db wird heiter der Him- mel. Die Bedeutung , Heiterkeit' ist nicht belegt. LXX zksi&Qa dt ovquvov StSoixuaiv avxov = mys b*»s wn. 4) Man bringt rma, als Attribut des »na hier und Jes 27 1, mit rna fliehen zusammen. Indess diese Bedeutung Süchtig' passt nicht in den Zusammenhang. Vulg tortuosus. Weiteres p 47. Meer machen unzweifelhaft, dass auch hier am das Chaos- ungetüm ist. Auch Hiob denkt sich Rahab als das Ungetüm eines brausenden Meeres, das Jahve .beruhigt' !). — Ein neuer Zug ist, dass die Erlegung Rahabs nicht nur die Kraft des Gottes, sondern auch seinen Verstand beweist. Man erinnere sich daran, wie Marduk, ,der Kluge unter den Göttern', die Tiämat listig im Netze fängt. — Auch hier- hören wir von einem ,Schänden' des Un- getüms; dieser Zug, so häufig belegt, also offenbar eine Haupt- sache in der Tradition, steht hier nun höchst auffälliger Weise in Parallele zu den Riegeln des Himmels, die vor Gott schau- dern. Wir sind im stände, die Bedeutung der beiden Aussagen aus dem Tiämatmythus zu erklären. Marduk hat das getötete Ungetüm in zwei Stücke geschnitten — das empfindet die Antike als eine ,schmachvolle' Behandlung des getöteten Feindes — , die Hälfte der Tiämat nach oben gesetzt und mit einem Riegel ver- schlossen, damit die oberen Wasser nicht herunterströmen können. Der Sinn der Anspielungen unserer Stelle, den der Dichter bei seinen Lesern als bekannt voraussetzt, ist also: die Riegel des Himmels, die Gott hingestellt hat, scheuen sich, sein Gebot zu übertreten und lassen das Wasser, nur wenn er befiehlt, herunter- fliessen cf s; ist er es doch, der diese Ordnung getroffen und der den Übermut der Schlange so schrecklich gedemütigt hat. — Damit haben wir also den Sinn des ,Schändens' Job 26 13 Jes 51 9 fSOn verstanden. Im letzten Halbvers wird ,die gewundene Schlange' offenbar als ein zweites Wesen neben Rahab gestellt. Der Mythus 2) hat demnach von zwei Wesen erzählt, die Jahve besiegt hat. Dieser Zusammenstellung von Rahab und der gewundenen Schlange entspricht bei Jes 51 das Paar: Rahab und der Drache. Im babylonischen Mythus stehen neben ein- ander Tiämat und Kingu. 1) so auch Dillmann Hiob 227. Dass .Riegel des Himmels1 bei den Hebräern möglich sind, ist, da .Schleusen des Himmels' Gen 7 11 II Eeg 72 19, ,Thüren des Himmels' Gen 28n '/'' 7823 und himmlische .Kanäle', durch die Regen herunterströmt Job 3825, ausdrücklich bezeugt sind, nicht zu bestreiten. 2) Einen völlig neuen Mythus hier anzunehmen liegt kein Grund vor cf auch das Folgende. 38 Job 9W1) In einer Schilderung der jede Gegenrede im voraus ab- schneidenden Schöpfermacht Gottes heisst es: Gott nimmt seinen Zorn nicht zurück, Unter ihm krümmten sich selbst Ilahabs Helfer! ,Rahabs Helfer' sind gewaltige Wesen, im Gegensatze zum schwachen Menschen u; aber selbst diese haben Jahve zu Füssen liegen müssen! Die Parallele beschreibt, bei welcher Gelegenheit: als Jahve ein unerbittliches Gericht über sie hielt. — Hier liegt sicher eine Anspielung an einen Mythus vor. Man beachte wieder, dass der Dichter diese Dinge nicht erzählt, sondern voraussetzt. — Dem entspricht im babylonischen Mythus nicht nur, dass Tiämat Helfer hat, die ausdrücklich ,Helfer der Tiämat' heissen, sondern auch, dass diese Wesen nicht getötet, sondern gefesselt werden. Auch Job 9 13 redet von ihrer Unterwerfung, nicht von ihrer Tötung ; ebenso wie *F 89 11 vom ,Zerstreuen< der Feinde Jahves. Im Babylonischen sind es die mit dem Tierkreis in engster Verbindung stehenden elf Ungeheuer der Tiämat. Wenn LXX wc^cv} rä vre ovqavov übersetzt, so mag dabei eine Erklärung auf die Tierkreisbilder beabsichtigt sein 2). V 874 ist Rahab ein apokalyptischer Rätselname für Ägypten 3)r der ohne jede Erklärung neben den prosaischen Namen baa gestellt ist, also damals sehr gebräuchlich gewesen sein inuss. Der Leser erinnert sich, dass auch Jes 51 9 der Rahabmythus auf Ägypten angewandt war; dort wurde der Mythus dazu be- nutzt, Ägyptens Schicksal beim Auszuge zu beschreiben. Doch ist der Name des Chaoswesens als Bezeichnung Ägyptens sehr sonderbar. Wie eine solche Tradition entstehen konnte, lehrt Jes 30 t. Jes 30? hat der alte Prophet, in dem Bestreben, seine Zeitgenossen 1) Sechsfüssig; der zweite Halbvers hat vier Hebungen; diese Er- weiterung des dreifüssigen Halbverses zu einem durch eine Nebencäsur geteilten Verse von vier Hebungen ist sehr häufig; so schon p 30 Jes 51 9a. 2) Zu Job 9 13 vergleicht auch Dillmann Babylonisches, ohne in- dess eine Entscheidung zu geben. 3) so schon das Targum. 39 von dein Bunde mit Ägypten abzuhalten, seine Überzeugung, dass dieses Ägypten trotz seiner Rosse und Wagen und Reisigen doch nichts, gar nichts helfen werde, in dem Rätselnamen zu- sammengefasst: Ägypten ist das geschiceigte Rahab x). Hier hören wir also von Rahab dasselbe, was iF 89 10 Job 26 12 2) vom Meere und seinen Wellen sagen. Demnach ist die Voraus- setzung des Wortes, das in der Urzeit von Jahve überwundene Rahab sei damals nicht abgetan, vielmehr existiere es noch gegen- wärtig, freilich ,geschweigt'; so wie auch das Meer noch existiert, aber ,beruhigt' Job 2612: das Ungetüm mag auch wol gegenwärtig noch einmal wie in alter Zeit versuchen, gegen Jahve sich zu empören; aber der es in der Urzeit ,geschweigt' hat, behält es in seiner starken Hand cf *F 89 10. So ist es auch mit Ägypten. Es mag dem Chaos gleich sein in seiner grossen Macht; aber es ist nur das überwundene Ungetüm, das an seinen Ketten zu rütteln, aber nicht sie zu zerbrechen vermag. Das bringt keine Hülfe und keine Rettung. So kommen wir also zu einer Variante der Erzählung, nach welcher Rahab von Jahve in der Urzeit nicht getötet, sondern nur ,geschweigt' worden ist. Das kurze Wort des Jesaias sollte zwar geheimnisvoll sein -r aber es wäre ganz unverständlich, wenn der Mythus damals nicht allgemein bekannt gewesen wäre. Ferner tritt auch die Einfügung des Mythus in diesen Zusammenhang so abrupt auf, dass man mit grosser Wahrscheinlichkeit schliessen darf, auch 1) Die Wortabtrennimg des hebräischen Textes, die noch Dillmann verteidigt: ,desshalb nenne ich dieses da — fem sg — Ungestüm sind — masc plnr — ein Sitzstill' ist ganz unmöglich. Xatürlicb ist r:~^- zu lesen (Hensler bei Dillmann); zu dieser Bedeutung von naajrj cf das Hi r~zvr, Jes 13 11 Ez 724, wonach der Übermut zum Schweigen ge- bracht wird, und das Qal Jes 144, wo die beiden Worte rarrya (LXX cf Dillmann) und ra« wie hier zrr und raw verbunden sind. — Duhm bezweifelt, dass der Kätselname vom alten Propheten stamme; indess hat Jesaias auch sonst seine Gedanken in solchen orakulösen Worten niedergelegt cf Jes 7 8; und Jes 30s setzt ein soeben ausgesprochenes kurzes' Wort voraus, das Jesaias zu öffentlicher Kenntnis auf eine Tafel schreiben soll, ganz wie er das mit :a vr> V?v ina getan hat Jes 81. 2) andere Parallelen im Folgenden. 40 die Anwendung des Mythus auf Ägypten sei schon vor Jesaias gebräuchlich gewesen und von dem Propheten für seine Zwecke aufgenommen worden. W 40.5 1) Heil dem Mann, der macht Jahve zu seiner Zuversicht Und nicht den Behabim sich ergiebt, zur Lüge abfällt. Der Gegensatz: Jahve vertrauen, den Rehabim sich zu- wenden, der Gebrauch des für den Gottesdienst technischen Wortes b» -zt> 2), schliesslich die Parallele Lüge || Rehabini, be- weist, dass Rehabini ein Götzenname ist3). Der Psalmist nennt die Götzen des Heidentums Chaosdrachen, ebenso wie Dt 32 1: f* 106 st die Abgötter rzpitr Unholde heissen. In dem Namen liegt der Abscheu des frommen Dichters gegen den Götzendienst ausgedrückt : die Götzen sind böse, feindliche Wesen ; zugleich aber — und dies ist hier die Hauptsache — spricht dieser Name seine Überzeugung aus, dass nur Jahve Vertrauen verdient, dass diese Drachen, so furchtbar sie auch zu sein scheinen, letztlich doch nicht helfen können; sie sind Lüge4). So werden also hier die Wesen des Chaos ganz ähnlich betrachtet wie Jes 30 t. Der Xame R6habim — der Plural nach Analogie etwa von Bealim gebildet — tritt hier als ganz selbstverständlich auf; er ist also damals nicht ungebräuchlich gewesen. Der Vor- wurf, das Heidentum sei Chaosdienst, in dieser Verallgemeinerung natürlich ungerecht, ist doch nur erklärlich, wenn Rahab irgendwo, in einer auch dem Judentume bekannten Religion, ein Gott ge- wesen ist, an dessen Beispiele das Judentum die Verruchtheit und die Torheit des Götzendienstes sich klar machen konnte. 1) fünffüssig, Distichen. 2) cf Siegfried Stade Wb. 3) TBW || r:t ist avv. zu lesen. Demnach ist auch die Annahme .des sonst nicht vorkommenden bib unnötig. 4) Ebenso ist :r,r Bild der Nichtigkeit, worauf man nicht ver- trauen kann Jes 594: neben ces Jes 40 17; Bezeichnung der heidnischen Götter Jes 4129 I Sam 1221 ,wandelt nicht hinter den Tohu her, denn sie bringen keine Hülfe noch Bettung, denn sie sind Tohu'. In diesem Worte ist derselbe Gedanke ausgesprochen, der auch dem Namen Beha- bim zu Grunde liegt. 41 Leviathan. # 74 12—19 1) 12 Du3), Jahve, bist doch mein3) König von jeher, Der Heilstaten tut mitten auf Erden! 13 Du hast gespalten machtvoll das Meer; Hast zerbrochen die Häupter der Drachen im Wasser1). 14 Du hast zerschlagen die Häupter Leviathans; Gabst ihn zum Frass, zur Speise 5) den Schakalen G). 15 Du hast gespalten Quelle und Bach; Du hast vertrocknet uralte Ströme. 16 Dein ist der Tag, und dein die Nacht; Du hast befestigt Mond 7) und Sonne. 17 Du hast eingesetzt alle Gewalteu 8) der Erde; Sommer und Winter, du hast sie gebildet. 18 Gedenke deines Eigentums 9). Der Feind höhnt lü). Das närrische Volk lästert deinen Namen. 19 Gieb der Unterwelt 11) nicht hin die Seele, die dich bekennt; Das Leben deines Armen vergiss nicht für immer! 1) vierfüssig, Doppeldistichen. 2) nrxi mit Emphase voraus- gestellt, darf hier wie 13 14 15 16 17 nicht fehlen. 3) LXX Pes Vulg isaVtt, der Plural scheint Correctur zu sein cf zu 9. 4) Die Cäsur und der Sinn beweisen , dass ,auf dem Wasser zu ,Drachen' gehört; dasselbe Jes 27 1 Ez 322. 5) Dem Volk, den Sijjim, ist kaum in Ordnung. Die Streichung des h in D"*:A empfiehlt sich nicht; denn wie soll es in den Text ge- kommen sein? Vielmehr ist die Corruptel in ay's zu suchen. Zu lesen wb, von Tieren */'' 1479. 6) Die concrete Bedeutung des Wortes =■-:: ist unbekannt. Die Übersetzung kann also nur den Sinn ungefähr wiedergeben. 7) LXX Synim Targ ,Mond', wol ^n=. 8) Man erwartet ,die Grenzen der Erde' nicht in einem Zusammen- hange , der von den Tages- und Jahreszeiten und den Gestirnen , die sie heraufführen, redet. Zu lesen rna; , Gewalten'; so ist eine gute Verbindung zwischen 16 und 17 hergestellt; zur Vorstellung cf p 9 und Job 3833: die ,Gewalten' sind die Sterne, die über die Erde herrschen und ihre Zeiten bestimmen. 9) LXX B hat doppelte Übersetzung 1) xavr^g = pst (so s allein) 2) ttjs xriaecjs (xr^attos) aov = -rnr-s. Das Eigentum Gottes ist die Welt, die er geordnet hat cf i6f. •42 Die herkömmliche Exegese seit dem Targum bezieht 13 — 15 auf die Wunder des Auszugs; indess dagegen spricht, dass auch hier wie *F 89 die Drachenüberwindung im Zusammenhange mit der Weltschöpfung steht. Die Heldentat Jahres 13 — 15 ist ge- schehen vor Schöpfung der Welt 10 f. J). Im Einzelnen ist zu bemerken: Auch hier ist die Besiegung des Meeres und des Drachen parallel. Interessant ist, dass der ^Dichter von einer ,Spaltung' -ms des Meeres spricht; der Ausdruck würde durch unsern Mythus erklärt werden können: das Urmeer wird ,gespalten' in die Wasser oben und unten. iä will anschaulich machen, wie frei Jahve mit dem ,Meere' zu schalten vermocht hat: uralte Stroms 2) legte er trocken , Quellen und Bäche hat er aufge- brochen*; dh er machte Feuchtes trocken und Trockenes feucht. Diese Schilderung sagt also vom Meere dasselbe, was Jes 51 0 f 89 11 Job 9 13 von Rahab erzählen: Jahve hat beide nach seinem Gutdünken vergewaltigt*. Eine Reihe neuer Momente werden durch unsre Stelle für den Mythus gegeben. Der Xame eines der Ungeheuer — offenbar des bedeutend- sten — wird genannt; es ist Leviathan. Man beachte, dass er mehrköpfig gedacht ist: eine babylonische Tradition3) redet von den sieben Köpfen der .grossen Schlange'. Dem Leviathan werden hier wie *f 89 11 Job 9 13 andere 10) ~-rr om. Man erwartet nicht die 3 ps, sondern die zweite. r — absolut, wie 10. 11) Der hebräische Text: gieb der Bestie (oder plur: den Bestien) nicht preis das Leben deiner Taube, ist sehr anstössig; da Wasser- ungeheuer — um die es sich im Zusammenhange doch handeln muss — nicht nach einer Taube Jagd anstellen. Nach LXX i^ouoloyovfj.tvr}v aoc Pes Vulg || -'"■" ist ~--'r zu lesen ; für .—-■: vermute ich rr.r'z cf Job -41 25 ; pnn corrumpiert zu rr.~ cf p 53. 1) Das Wort : Schöpfung wird 20 ausdrücklich ausgesprochen •s'-;-:- -[■].-- --'- -:- blicke auf (dh bekümmere dich um) deine Schöpfungen. Die Fortsetzung des Verses ist bis auf das Wort zi- nicht zu über- setzen; issrns ist in zwei Worte zu zerlegen. 2) ---s .—- r: sind also hier nicht perennierende Ströme, sondern die Ströme des ürmeers. 3) II Rawl 19i4b cf Eiehni HWB2 328. 43 Wesen beigesellt, die lF40ö ö"»am, hier t3"»3-sr heissen. Den Namen y:n vom Chaosungetürn haben wir bereits Jes 51 o Job 26 13 gefunden. Charakteristisch für '*? 74 ist, dass diese Ungeheuer nicht nur gefangen, sondern erschlagen werden, ein Zug, der den lF von Job 9 13 '<¥ 89 11 unterscheidet. Ebenfalls ein neuer Zug ist, dass Leviathan den Tieren der Wüste zum Frass vorgeworfen wird u. Wir können hier- aus zunächst die Natur des Leviathan erkennen. Die Wüste, die wasserlose, steht hier im Gegensatze zu dem eigentlichen Elemente des Untiers, das demnach das Wasser ist. Der Le- viathan ist also ein Wasserungeheuer, was von den Drachen 13 ausdrücklich gesagt wird. Demnach erzählte der Mythus fol- gendermassen : Jahve zerschmetterte dem Seeungeheuer ,die Köpfe' und warf es vom Meere auf das feste Land, wo die Tiere der Wüste es auffrassen. Diese Behandlung der Leiche hat man mit dem Ausdruck ,Schänden' Jes 51 9 ^89 11 Job 26 13 zusammenzunehmen. — Dabei ist die Voraussetzung, dass die Welt in der Urzeit aus Meer und Wüste bestand, ein Zug, der in der Weltschöpfung des Berossus in anderem Zusammen- hange wiederkehrt. — Dagegen fehlt der weiteren Aussage, dass die Gottheit den Leib des getöteten Tiers in die Wüste geworfen habe, einstweilen die babylonische Parallele; daraus darf aber nicht etwa ein Grund gegen babylonische Herkunft des Mythus genommen werden. Denn der Mythus wird seiner Natur nach in Babel ebenso wie in Israel in vielen Varianten bestanden haben. Besonders wichtig ist der Zusammenhang des. ganzen Psalms für die Reconstruction des Mythus. Der fromme Dichter b&- trachtet den Mythus mit ähnlichen Empfindungen, wie sie in Jes 51 9 f hervortreten. Unter schwerer Not seines Volkes seufzend, schöpft er aus der alten Geschichte Trost und Hoff- nung: Jahve wird auch jetzt eine Heilstat tun, der gleich, die in der Vorzeit geschehen ist. Der Psalmist hat also eine Ähn- lichkeit gesehen zwischen der uralten Jahvetat und jener, die er erhofft; ebenso zwischen Not und Feind der Gegenwart und der Urzeit. Hieraus kann der Mythus, der hier vorausgesetzt ist, recon- struiert werden; die Methode dabei ist, zu versuchen, welche 44 Züge von der Schilderung der Gegenwart etwa in den Zusam- menhang eines Chaosmythus passen würden. Eine solche Re- construction stellt natürlich nur "Wahrscheinlichkeiten oder Möglichkeiten auf, die aber zu sicheren Behauptungen werden, sobald sie von anderer Seite her Bestätigung bekommen. Der Gegner heisst a-n« 3, ns 10 schlechthin; er ist ,der Feind, der Widersacher', Gottes sowol wie der Welt. — Er ist Gottes Feind -prap fn-ix 23; er schmäht ;pn 10 und lästert Jahves Namen -jTS'a y«: 10. Ein Getöse -psa 23 lässt er frech (zum Himmel) emporsteigen 23. Eine Schande wäre es Jahve, das länger mit anzusehen 22. Was der Inhalt dieses frevelhaften Tuns war, geht aus einzelnen Aussagen des Psalms deutlich hervor: der Feind richtet auf Erden ewige Verwüstungen an nsD maiBtt 3, mit Getöse pjKB 23. Seine Herrschaft auf Erden ist ein Schreckensregiment, — denn Jahves Eingreifen ist eine Heilstat rwc 12; und etwas, was die ganze Welt angeht, — Jahve überwindet ihn vor den Augen aller Welt y-\Nn aipa 12 Ferner beachte man, dass der Psalmist mit Emphase versichert, dass die nach der Yernichtung des Le- viathan geschaffene Welt das Eigentum Jahves sei srm« 18, dass ihm Tag und Nacht, Sonne und Mond gehören, und be- sonders, dass er es ist, der die Ordnung der Welt festgestellt hat. Der Psalmist, der seinen Gott anfleht, seiner eigenen Sache sich anzunehmen 22, seines Eigentums zu gedenken und um seine Schöpfungen sich zu kümmern 20, sieht in der .Gewalttat' 20 der Gegenwart eine Wiederholung des uralten Chaos. Die Feinde, die das Volk Gottes bedrücken 21 und Jahves Heiligtum entweihen 2—8, tun, als ob sie nicht wüssten, dass Jahve der Herr ist in der Welt; sie stürmen wider Jahves Ordnungen frevelhaft ba: 22 an, als ob sie ein neues Chaos in der Welt an- richten wollten. ,Es schwanken alle Grundlagen der Erde' W 82.3. Damit ist gegeben, wie das Wesen und Treiben Leviathans in der Urzeit gedacht wird. Er hat ein ungeheures Durch- einander, das jeder Ordnung spottete, hier unten angerichtet, und er hat Jahve das Regiment streitig gemacht. Aber Jahve hat endlich 1 23 seiner Schmach gedacht und ist aufgestan- den 22; er stritt seinen Streit und richtete seine Herrschaft in der Welt auf. 45 Dies etwa scheinen die Farben des alten Mythus zu sein. Die Grundzüge dessen, was hier von frecher Empörung des Chaos gegen Jahves Regiment hindurchklingt, haben wir schon bei W 89 gefunden und als babylonisch constatiert. Auch im Babylonischen wird das Chaostier ,der Feind' genannt l). Das Wort ,Getöse' V -nt ist W 89 m term techn des Tosens der Brandung. Die Betrachtung der Feinde Israels als einer Wiederholung des Chaos liegt auch Jes 51 of zu Grunde, ist also im *F nicht selbstständiger Gedanke des Dichters, sondern schon der Tra- dition entnommen. Beachtet man die grosse Ähnlichkeit zwischen *F 74 iü und W 89 12, so wird man zu dem Schlüsse gedrängt, dass beide von derselben oder besser von ähnlichen Torlagen abhängig sind. Es rnuss eine ganze Literaturgattung von Schöpfungshymnen gegeben haben. Jes 27 1 2). An jenem Tage sucht Jahve heim mit seinem Schwert, dem grausamen, grossen und starken, Den Leviathan, die gewundene Schlange, und den Leviathan, die gekrümmte Schlange, Und tötet den Drachen im Meere. Die Apokalypse, aus der dieser Vers stammt, hat die Rätsel- namen der beiden Leviathane und des Drachen mythologischen Anschauungskreisen entlehnt. Zugleich ist deutlich, dass die 1) [Kingu wird Schöpfung IV 123 f als liranu (Feind) und aiabu (=-s) des Marduk bezeichnet.] Z 2) Ausser den rein poetischen und den prosaischen Stücken giebt es in der hebräischen Literatur noch eine Mittelgattung, die zwar das logische Verhältnis, das zwischen den Halbversen der Poesie obwaltet, und die erhabene Diktion mit der Poesie gemein hat, die Zählung der Hebungen aber fallen lässt. Diese ,rythmische' Prosa in den propheti- schen Büchern ist besonders häufig. Diese Stilgattung finde ich Jes 27 1. Oft ist es nicht leicht, zu erkennen, ob ein vorliegendes Stück ur- sprünglich in strengem Sinne poetisch, aber durch ,Auffüllungen' ver- unstaltet, oder ob es von Anfang an als ,rythmische Prosa' gedacht sei; der Übergang von dieser dritten Stilgattung zur Poesie geschieht im hebräischen leichter als im deutseben — man vergleiche aber Shake- spearesche Dramen — ; daher können sie im selben Zusammenhange mit einander wechseln. 46 mythologischen Namen Geheimworte für Reiche der Gegenwart sind, ebenso wie Rahab f'874 Jes 30: Ägypten bedeutet. Man erkennt aus diesen Beispielen, dass die Apokalyptik des Juden- tums nach Vorgang der Prophetie das uralte mythologische Ma- terial für ihre Zwecke zu gebrauchen wusste. Auf welchen Mythus angespielt wird, kann nach dem Vor- hergehenden nicht fraglich sein. Wir haben zu W 74i3f con- statiert, dass Leviathan ein Chaosungeheuer ist; denselben Namen hier anders zu verstehen, liegt um so weniger ein Grund vor, als ihm ja auch an unsrer Stelle wie Jes 51 9 Job 26i2f ,der Drache im Meere' beigesellt ist. — Darnach kann auch das Attribut Leviathans ,gekrümmte Schlange' verstanden werden. Nach babylonischer Vorstel- lung1), die wir auch bei den Griechen wiederfinden, fliesst der Ocean rings um alle Länder. Dieselbe Anschauung auch im AT: der Kreis des Himmels, die Grenze, wo sich Fin- sternis und Licht scheiden, steht auf der Tehom Prov 827 Job 26io cf auch W 139 9; daher ist in der hebräischen Poesie das uralte y^.a ■'OS« 2) — babylonisch apsü der Urocean — ein Wort für die äussersten Enden der Erde geworden 3). Da sonach auch nach hebräischer Vorstellung der Ocean kreisrund ist, so versteht man, weshalb die Verkörperung desselben, der Levia- than, die ,gekrümmte' Schlange heisst. Wir haben also in diesem Attribute Leviathans einen neuen Beweis dafür, dass unsere Deutung des Ungetüms richtig ist. Dasselbe mag auch das Wort -)rrib ursprünglich bedeuten. rri1? heisst Kranz; in^tb der kranzartige, dh der Ocean, ,der um die Länder seinen Wogengürtel schlingt'. Demnach giebt das Beiwort ,die gekrümmte Schlange' eine Erklärung des Na- mens Leviathan, die auch etymologisch richtig ist 4). 1) Jensen Kosmologie 250 f. 2) sonst bedeutet des das Nichtsein, ganz wie die uralte Bezeich- nung des Chaos inn, die ursprünglich Wüste, Leere, das Nichtsein bedeutet. 3) Das Wort erscheint in dieser Verbindung nur in der Poesie und wird als Plural gefühlt; das letztere ist vielleicht nicht ursprünglich. Obige Ableitung von srs nach Hommel Neue kirchl Ztschr 1890 p 410. 4) [In der Eibbulegende ist neben dem Maule, dem Schwänze, von 47 Es ist wahrscheinlich, dass auch rp-o »n: dasselbe bedeute. Hieronymus übersetzt tortuosus, Symniachus oiy/.'/.don-, vielleicht ist dies rrna mit ma Riegel zusauimenzustelleu x). Nun fällt auf, dass hier nicht wie Jes 51 9 Job 26 12 f zwei, sondern drei Ungeheuer aufgezählt werden, wobei aber nur zwei Namen auftreten. Es werden zwei Leviathane unter- schieden, die freilich nur nach ihren — dem Sinne nach, wie es scheint, noch dazu identischen — Attributen unterschieden werden können. Bei diesem merkwürdigen Tatbestande liegt die Vermutung nahe, dass der Mythus nur von einem Leviathan sprach, dass aber der Apokalyptiker, der drei Weltmächte vor Augen hatte, den Leviathan nach seinen beiden Prädikaten in zwei Wesen spaltete, um so drei Rätselnamen zu gewinnen. Wir hätten hier also ein Beispiel dafür, dass das mythologische Material im Interesse der zeitgeschichtlichem Benutzung in etwas verändert worden ist. Die Waffe, die Jahve im Kampfe gebraucht, ist das Schwert. Dass es drei Prädikate bekommt, entspricht den drei Ungeheuern, ist also kein ursprünglicher Zug. Die Einführung dieser drei Ungeheuer in die Apokalypse geschieht so ohne Zusammenhang, dass man deutlich erkennt: der Schriftsteller hat diese Benutzung des Mythus nicht erfun- den, sondern — seinem sonstigen Verfahren entsprechend — der damaligen prophetisch-apokalyptischen Tradition entnommen. Aus dem Zusammenhang der Schrift Jes 24-27 können daher nicht wie bei IF 74 einzelne Züge zur Reconstruction des Mythus verwandt werden. Nur das lässt sich aus der Stelle selbst sagen: dass der Leviathan und der Drache, die mit den Reichen der Gegenwart verglichen werden, als Mächte und den (pl) liraäti der Schlange die Rede : "Windungen ? (Das ass lamü. limetu ist = hebr -;V, -"'-).] Z 1) Nachträglich bemerke ich, dass die so erschlossene Vorstellung vom Leviathan, der die ganze Erde , umkränzt', noch in der späteren Literatur festgehalten ist. Nach den Vocab Aeth sind ,Behemoth und Leviathan Schlangen (Ungeheuer) am Ufer des Oceans, umkreisen die Erde wie ein Ring' (aus Goldschmidt Henoch 83); und Raschi be- merkt zu prfyw "—. Jes 27 1. ,dass dieser gekrümmte Leviathan die ganze Erde umgebe' (aus Grünbaurn Beiträge ZD3IG XXXI 275). 48 zwar als Mächte, die Jahves Feinde sind, gedacht werden. Leviathan und Drache haben auf Erden ein Schreckensregiment geführt, bis sie Jahves grausames Schwert heimsucht. Man mag daher in den Schilderungen der letzten Not cap 24 Nachklänge des Chaosmythus sehen *). Ferner wird an dieser Stelle aufs neue deutlich, was das Judentum mit diesen mythologisch-apokalyptischen Kätselnamen sagen wollte; der Gedanke, der lF87 4 in ein mysteriöses Wort zusammengefasst ist, wird hier und ähnlich auch in W 74t ent- faltet. Man betrachtet die Königreiche der Gegenwart als Wiederholungen jener furchtbaren Wesen der Urzeit und wünscht auf sie das Jahvegericht herab, das jene vor Zeiten getroffen hat. Das Judentum hat in diesen Namen seinen Hass und seinen Zorn und zugleich seine Hoffnung und seinen Glauben nieder- gelegt. Job 4025—4126, die bekannte poetische Schilderung des Leviathan, wird gegen- wärtig allgemein auf das Krokodil bezogen. Es ist zuzugeben, dass der Dichter ein Ungeheuer der Gegenwart und nicht der Urzeit schildern wollte; ferner, dass Leviathan einzelne Züge vom Krokodil trägt2). Doch ist zu untersuchen, ob das Stück nur eine poetische Beschreibung des Krokodils sein will, oder ob es ein Fabelwesen im Auge hat, dem mit dem ägyptischen Tiere nur gewisse Züge gemeinsam sind. Diese Untersuchung wird freilich bei dem Zustande unsers hebräischen Textes, der weit corrumpierter ist, als in den Commentaren und Über- 1) besonders 244 Es welkt, verfällt die Erde, es verfällt, verwelkt die Welt. Es verwelkt (~'-ix) der Himmel sammt («?) der Erde, und 24 18b 19 18 Denn die Schleusen der Höhe haben sich aufgetan, dass die Grundfesten der Erde erbebten. 19 In Trümmer ward zertrümmert die Erde, in Splitter ward zersplittert die Erde, Ins Wanken und Schwanken kam die Erde. 2) so deutlich 417-9 22 (die Schuppen am Kücken und Bauche). 49 Setzungen hervortritt1), mit besonderer Behutsamkeit geschehen müssen. Der Leviathan wird 41m— 13 als ein feuerspeiendes Ungetüm beschrieben; der Zug fällt um so mehr auf, als er anderseits ein Wasserungeheuer sein soll. Man wird das kaum von ,dem in den Sonnenstralen erglänzenden Wasserausflussk des Kroko- dils erklären können. Der Zug ist vielmehr specifisch mytho- logisch, im AT bekannt aus den Jahvetheophanien z B W 18. Es ist also nicht einfach das Krokodil, das hier beschrieben wird, sondern ein mythologisches Wesen. Weiteres erfahren wir aus 40 25—29. 25 Ziehst du gar 2) Leviathan an der Angel herauf) hältst mit der Schnur seine Zunge fest?ä) 86 Legst du Haken i) in sein Maul''), durchbohrst mit dem Ringe seine Wange? 1) Gegenwärtig wird zwar von allen alttestainentlichen Forschern zugegeben, dass der überlieferte hebräische Text an vielen Stellen cor- runipiert sei. Trotzdem wirkt die frühere Scheu vor Textänderungen sehr stark nach. Es gilt vielfach noch als Aufgabe der Exegese, in den vorhandenen Text, so gut oder schlecht es eben gehen mag, irgend einen Sinn hineinzubringen. Wenn man strenge Forderungen an die Exegese stellt, dh wenn man dem alttestani entlichen Schriftsteller zu- traut , dass er hebräisch habe reden können und gesunde Vernunft besessen habe, lallen eine grosse Fülle der aufgestellten und noch immer vertretenen Erklärungen ohne weiteres fort. Die Polemik gegen die herkömmlichen Exegesen ist im folgenden so kurz wie möglich gehalten; die Unmöglichkeit der bekämpften Erklärungen leuchtet — so hoffe ich — auch ohne viele Worte ein. 2) rs gehört nach Hitzig zu 25. 3) 25 beschreibt den Fang des Leviathan mit ,Angel" und (dazu- gehöriger) Schnur; 26, wie er dann aufbewahrt wird (Dillmann). — ■"--- .zum Niedersinken bringen1 ist im Zusammenhange kaum erträg- lich; LXX ntoixtijoiis A awärjoeig Vulg ligabis etc; Michaelis Supplemm III p 2349 (bei Bochart Hierozoicon 739 A 1) erinnert an die Bedeutung des Wortes im Samaritanischen : spa Lev 8 13 = hebr »an. 4) --:;s. Man nimmt das Wort gewöhnlich in der Bedeutung , Bin- senseil-. Indess ist zu fürchten, dass Leviathan ein solches Seil, so stark man es sich auch immer denken möge, durchbeissen würde. Der Dichter aber will nicht das innerlich Unmögliche schildern, sondern vielmehr sagen, dass das an sich Mögliche (für Gott Mögliche) doch dem Menschen unmöglich sein würde ; z B 29 : Gott kann wol mit Le- Gunkel, Schöpfung. 4 50 27 Wird er dich um Barmherzigkeit anflehn und dir gute Worte geben?1) 28 Wird er einen Bund mit dir eingehn, dass du ihn für immer zum Knechte bekommst? 29 Wirst du mit ihm spielen wie mit einem Sperling, bindest ihn an wie ein Täubchen für einen Knaben? -) Die Schilderung, die einen kleinen Zusammenhang für sich bildet 3) , soll zeigen , dass Leviathan für den Menschen völlig unüberwindlich ist. Der Dichter ist überzeugt, dass Menschen ihn nicht fangen können. Nun fragt sich aber, woher der Dichter die so concrete Anschauung vom Fange Leviathans habe. Man antwortet: einfach vom Fischfänge. Indess sträuben sich 27 — 20 gegen diese Erklärung. Auf dem richtigen Wege ist Hoff mann 4), wenn er auch hier den Gegensatz des den Menschen Unmög- lichen, aber für Gottes Kraft nicht Unerreichbaren findet. Es viathan spielen, aber der Mensch vermag es nicht usw. G xgixov Vulg circulurn Trg rApsis lesen vielleicht ein anderes "Wort. 5) •"= 8 iv tu) uvy.TijoL airov wird durch den Zusammenhang ge- fordert : pss und — - (oder m Hoffmann) sind verschiedene Bezeich- nungen für dieselbe Sache, in diesem Falle den King, der durch das Maul eingeführt wird und aus der Backe wieder herauskommt. -=:s2 ist unrichtig : ein Bing geht nicht zugleich durch die Nase und eine Backe ; ebensowenig fesselt man ein Tier durch Xasenring und Backenring zugleich. 1) Man beachte den Gegensatz des schrecklichen Untiers und der zärtlichen Worte, zu denen es sich in der Lebensgefahr versteht. 2) -i-r:-?:;: dass die von Gott angeredete Person Töchter haben solle, ist eine merkwürdige Voraussetzung. LXX üantn otqov'&iov neu- Siia = —si- -\-=. Wiederum ein freundliches Bild cf A 1. 3) 30 31 könnte etwa gelautet haben : Treiben Schiffer (=""-=-) mit ihm Handel ? verteilen ihn phönicische Männer (=-:v:r ■:;)? Laden sie in Barken seine Haut? in Fischer (=-;— LXX) -Xachen sein Fleisch (-s_ ? LXX übersetzt .-- sä als eine Art Schiff; diese Übersetzung wird durch den Zusammenhang und durch Jes 2i6 n-sr || r-:s bestätigt; dasselbe gilt für hsbs. 7i).oTa, das von LXX auch Jes 18 1 so aufgefasst wird. — Für t&örci verlangt der Zusammenhang eine 3 ps plur, LXX las wol -'-—•-. Der Kopf eines solchen Ungetüms ist im Handel kaum verwert- bar; -sr || -'- Micha 3 2 f. Ob auch bei diesen Worten Mythologisches im Hintergrunde steht, will ich nicht untersuchen. 4) p 90 zu 27 ff. 51 liegt nahe, die Schilderung so aufzufassen wie die von cap 38: der Mensch kann es nicht; Gott hat es getan. Dann aber er- halten wir als wahrscheinliche Voraussetzung der Worte einen kleinen Mythus: Gott hat Leviathan mit Angel und Schnur ge- fischt. Aber er hat ihn nicht getötet: sondern nur am Backen- ringe festgelegt. Denn als das Ungetüm gefangen war. winselte es sehr demütig um Erbarmen und war gerne bereit, mit Gott in einen Bund zu treten1) und für ewig sein Knecht zu werden. Jetzt aber spielt Gott mit ihm wie mit einem Sperling, wie ein Knabe ein Täubchen an der Schnur hält. Und nun fragt Gott : welcher Mensch tut das mir nach? Man wird zugeben, dass eine solche Beschreibung vom Fange Leviathans sich sehr wol als ein altisraelitischer Mythus ver- stehen Hesse. Die eigentümlich groteske Färbung, die wir bei einem solchen Mythus erwarten würden, trägt dieses Stück voll- auf. Ist es aber ein Mythus, dann jedenfalls ein Mythus vom Chaos: Leviathan ist ja ein Wassertier; er wird wie ein Fisch geangelt. Gegen dies Verständnis spricht nicht, dass Leviathan hier nicht getötet, sondern nur gefesselt wird; nennt doch auch Jesaias das Ungetüm des Urmeers ,das geschweigte Rahab' Jes 30t p 39. Der Beweis aber, dass diese Auffassung die richtige ist, ist daraus zu erbringen, dass das eigentümlichste Moment des Stückes, das Spielen Jahves mit dem gefesselten Leviathan, nur so verstanden werden kann. Schon zu Jes 30 t haben wir die mythologische Anschauung aus einer Naturbetrachtung erklärt; dieselbe Naturanschauung liegt auch hier im Hintergrunde. Die Dichter sprechen gerne von Gottes souveräner Macht über das Meer, die sich in seinem Überfluten und dem Zurückstauen offenbart. Er hemmt die Wasser, dass sie vertrocknen ; er lässt sie los, dann kehren sie die Erde um Job 12r>. Hier wird Flut und Ebbe zugleich von Gott abgeleitet. Etwas anders lF 89 : Das Urmeer, das einst von Gott über- wunden werden musste, versucht noch gegenwärtig hie und da, das Land einzunehmen. Aber .du bleibst Herrscher, wenn das 1) ISam 11 2. 52 Meer sich empört' llJ 89 10. Hier wird die Sturmflut als die Empörung des Meeres, die darauf folgende Ebbe als der Beweis der göttlichen Herrschaft gedeutet. Oder nach mythologischer Denkweise: Das Meer wird von einem ,Geistek bewacht, der es am Zaum hält; lässt er es los, so giebt es Überschwemmung. }Und der Geist des Meeres ist männlich und stark, und gemäss der Kraft seiner Stärke zieht er es mit einem Zaume zurück, und ebenso wird es fortgetrieben l) und an alle Berge (wol eine Verwechselung von oqoq Grenze und oQog Berg) der Erde zer- streut' Henoch 60 ig. So hat man das ,Spielen' Gottes mit Leviathan zu verstehen. Gott hält das Ungetüm des Meeres an dem Ringe fest, den er ihm in der Urzeit in die Nase gelegt hat. Lässt er die Kette ein wenig los, so dringt das Untier gegen das Land; es giebt Überschwemmung. Aber dann zieht er sie auch wieder an, und der grossmächtige Leviathan muss vom Lande zurück. So hat Gott das Meer in seiner Gewalt, nicht anders wie der Knabe, der sein Täubchen ein Stückchen fliegen lässt. Das ist eine Naturbetrachtung, für moderne Begriffe viel- leicht ein wenig naiv, nach historischem Massstabe gemessen von urwüchsiger grossartiger Poesie. Die Gleichung Leviathan = Meer, Chaos, die sich also hier aus der Sache schliessen lässt, wird am Schlüsse des Abschnittes vom Dichter selbst ausgesprochen. dl 23—26 beschreiben den Machtbereich Leviathans : 23 Er macht die Tiefe 2) sieden wie einen Topf, das Meer wie einen Salbenkessel 3). 24 Der Grund des Stroms ist sein Pfad, den Ocean erachtet er als Beute i). 1) so der äthiopische Text; das Bild vorn Tier, das mit dem Zügel regiert wird, geht weiter. Dillmanns Übersetzung ,fortgestossen; ent- spricht dem Zusammenhange nicht. 2) rb-z? Tiefe, von y?s Ex 15 10 niedersinken, hat mit )>bx gellen, rasseln, davon n?sa Schelle, nichts zu tun. Man darf beides nicht ver- mischen, indem man bbx Ex 15 10 , wirbeln- und r'r:-: , Sprudel' übersetzt. 3) Das soll heissen: wie ein kochender Salbenkessel schäumt. 4) Bei der gewöhnlichen Übersetzung : , zieht hinter sich her einen leuchtenden Pfad, man wähnt, das Meer sei greises Haar' Hoffmann, 53 25 Im Staube *) giebfs nicht seines Gleichen 2), er ist geschaffen zutto Herrn der Unterwelt 3). 26 Er ists, den alles ,Übermütige< fürchtet4), er ists, der König ist über alle fitolzen' 5). Hier wird die Stätte Leviathans genannt: Tiefe, Meer, Stromes- grund, — damit wechseln Xamen der Unterwelt, wie denn auch ist nicht nur der Subjektwechsel — den man durch die Aussprache =•;;-:. entfernen kann — bedenklich : die leuchtende Bahn würde doch nur auf der Oberfläche des Meeres und nicht in der Tiefe, der rrr, zu sehen sein. LXX (v 23b aus 0 ergänzt) tov iH TcioTUQor ttjs aßvöGov üantn af/ut'i/.cüTor tt.oyt'acao aßvaaov (lg ntainaxav geht zurück auf darnach ist r-z-£- =•-.- a»:r [i]a*na -*x- r—r-s zu lesen, -'•x- > ;s wie ms- n^ist Sach lOn, a- r-—s */' 139 9 ; wol auch *P 89 aran s — T,m. Zum Ausdruck rrasft asM" cf Phil 2g tcnnttyfibv ?,;.>,'- actro; für a-r: ist vielleicht ein Yerbum zu conjicieren. 1) "ES-Vs bedeutet nicht ,auf Erden', wo der Leviathan nicht lebt. sondern wie Job 20 h 21 26 17 ig ( h'xv) ,in der Unterwelt' cf V 30 10 etc. 2) LXX. wol ihva Merx. 3) r- -VaV .zum Nichtverzagen' ist syntaktisch und inhaltlich son- derbar. LXX wie 40 19 7T€7loirjfiSVOV tyy.ctTcmai&aS-ai vno nur dyyfion- uov ist eine Correctur nach */; 10426, deren Zweck nur gewesen sein kann, das Mythologische zu beseitigen. Zu lesen ist rr.r '-yz- . v aus- gelassen, - und r vertauscht. Zu r-r cf r-r r>sai :t? Gen 4925. y-xV r-r^ a-s Dt 4is; rr.r h'jz wie das spätbabylonische s--x =x cf p 18 AI. 4) .Alles Hohe blickt er an' ist nicht nach 40ii zu verstehen: denn das Entscheidende ,und wirft es so (dh durch blossen Blick) nieder' fehlt. Zu lesen ist nx»: r,z:-'-z :rs ; das betonte irx entspricht dem betonten st der Parallele, wie rras-Va den -,— »-*aa. 5) r-r- :n hier und Job 28s, LXX 28s vioi älaCövtov; nach dem Talmudischen und Äthiopischen bedeutet y~- Übermut (Dillmann). ■,—-—:; ist der Xame einer Art von Ungetümen; Job 2828 ist parallel ,Lüwe' ; man beachte dazu, dass '!■ 91 13 pro "■;-- II pm "tz. LXX ttc«v- twv rar iv rots vdaoiv und Targ — z -:z (Söhne der Fische) hatten noch die Tradition, dass die •,•"-""= "Wasserungeheuer sind. Ebenso muss -s;-'1;: ein damals verständlicher Xame gewesen sein. — Da y~- dop- pelt bezeugt ist . so ist es nicht tunlich . Textcorruptel anzunehmen ; doch liegt y-r nahe, in diesem Falle wäre ra; = x=; = =: Grube (als Name der Unterwelt) zu lesen. 54 sonst Unterwelt und Meer zusammenfallen *). Und dabei fällt nun ausdrücklich das Wort, das beide Vorstellungen verbindet und unserer Auffassung vom Leviathan das Siegel aufdrückt, das Wort t=:nn 2). Leviathan beherrscht die Tehom, das bedeutet: er ist das Ungetüm der grossen Wassertiefe, die einst die Erde bedeckt hat; er ist das personifizierte Chaos. Dazu stimmt, was von ihm gesagt wird. Er ist König der /Übermütigen', der »Stolzen4; die Worte sind als Namen der untergeordneten Chaoswesen zu fassen; man erinnere sich, dass auch in andern Stellen der Übermut die charakteristische Eigen- schaft des Meeres und seiner Ungeheuer ist 3j. Die Art seines Schaltens und Waltens im Wasser be- schreibt 23. Auf- und niederfahrend richtet er mit seinem un- geheuren Körper ein wüstes Durcheinander an. ,Er macht die Tiefe sieden wie einen Topf*. — Das ist die Vorstellung vom Chaos, die wir schon aus W 74 d) erschlossen haben. Es kommt hinzu, dass die manichäische Lehre, die sich auch sonst von altbabylonischer Tradition abhängig erweist 5), ebenso das Regi- ment des Teufels im Urwasser darstellt: Er ,v er schlang und verzehrte (Alles), verbreitete Verderben nach rechts und nach links, und stieg in die Tiefe, bei all diesen Bewegungen Zerstörung und Vernichtung von oben herab bringend' 6). Die Tradition von Job 41 denkt sich also das Walten des Drachen in der Gegenwart ebenso, wie es einst iu der Urzeit gewesen ist; er richtet ein ,Chaos' an. Auch der mehrfach wiederkehrende Zug des Chaosmythus, dass der Drache sich sein Regiment wider Gott angemasst habe 7), 1) Der Sterbende kommt in ,Wassertiefen' W 693, in ,Kot' 15, in den jBriumen' -sa 16; alles das sind Namen der Vis» cf tf'lSs: ,Wogen des Todes' ,Bäche des Verderbens', cf Jon 24 etc. 2) Der Leser beachte, dass dies Wort auch im hebräischen Texte erhalten, also nicht , subjektiv' erschlossen ist. 3) cf ff* 89 10, das zu */'' 74 p 44 und das über die , Schändung' zu Jes 51 9 41 89 n Job 26 13 Bemerkte. 4) cf p 44. 5) Kessler Mani I Sil. 6) Flügel Mani 87. 7) cf p 35 39 und weiter im folgenden. leuchtet noch hindurch, wenn es heisst, dass er .die Tehora als Beute betrachte'. Weitere mythologische Züge scheinen in 41 17 und 40 32 — 41n Wenn er tost1), fürchten sich Götter % verstecken sich3) (hoch im Himmel)4). 4032 Lege doch einmal an ihn deine Hand, dann denkst du zum zweiten- Male 5) sicher nicht an Krieg. 41 1 Dann wird dein 6) Selbstvertrauen als Lüge erfunden, wirft doch selbst einen Gott sein Anblick nieder 7). 2 (Ein Engel scheut sich)3), ihn zu erwecken, und wer möchte es wagen, vor ihn 9) zu treten? 1) inaa ist als -rsri aufzufassen. rs-J term techn vom Tosen der Brandung cf zu !P 89 10 p 33 A 2). 2) ="'-s Götter ist besser bezeugt als =-'-\s Helden und liegt diesem mythologischen Texte viel näher: Menschen können mit dem Leviathan nicht kämpfen 4032 — 41 3; dass sie vor ihm erschrecken, ist selbstverständlich; dass aber auch Götter vor ihm beben, ist etwas Grosses. 3) Die gewöhnliche Übersetzung: , geraten in Bestürzung' ist ad hoc erfunden. Das Wort würde bedeuten: sie entsündigen sich. Ich vermute ssanr-. 4) :—=r-c .vor Bestürzung' wiederum eine geratene Bedeutung; das Wort würde heissen ,vor Wunden'. Man könnte dtö "esa lesen ; diese Vermutung ist oben durch doppeltes Zeichen (Schrift und Klammer) als unsicher bezeichnet. Für bessere Vorschläge wäre ich dankbar. 5) -=t ist Inf, abhängig von dem ,consecutiven' Imperativ (Pes). 6) Die Capitelteilung hat den durch die Corruptel des Suffixes verwischten Zusammenhang auseinandergeschnitten. Die 2 ps liest noch Pes. 7) "--j- Hilil, ;s Gott; so .T (nur mit einer Vertauschung von Sub- jekt und Objekt, die durch die Scheu vor diesem Mythologischen moti- viert ist): tllXa xttl 6 #fö? Ti]v id-iav avrov xaraßakei ■««*••» lässt sich übrigens auch -s--: ,seine Furcht' aussprechen. 8) Es ist ein Nomen zu erwarten || Vs. und ein Verbum, von dem ,dass er ihn wecke' abhängig ist. Das oben Eingesetzte — -;sVi soll nur eine sehr bescheidene Vermutung sein. 9) Hier und im Folgenden hat das Unverständnis der Schreiber die Suffixe verändert und dadurch den ganzen Zusammenhang ver- schoben. Das Richtige ist noch in vasV bei Mss und Targ erhalten. 56 3 Wer hätte ihn bekämpft und /rare davon gekommen1)? Unter dem ganzen Himmel nicht Einer 2). Solche Worte sind nicht leere Redensarten, die sich einfach durch Hinweis auf die ,Phantasie' des Dichters erklären Hessen, sondern sie setzen Erzählungen von den Kämpfen Leviathans voraus. Götter haben versucht, ihm zu .begegnen'; aber nie- mand — keiner unter dem ganzen Himmel — ist Sieger ge- blieben. In dem babylonischen Chaosmythus wird Ähnliches erzählt. Eine andere Situation setzt 41 17 voraus. Da ist es Levia- than selbst, der sich gegen die Oberwelt erhebt; wenn er heran- tost, erbeben die Himmlischen. Von solchen Kämpfen himm- lischer Wesen mit dem Drachen der Unterwelt erzählen auch maniehäische Berichte 3). Auch aus mandäischer Tradition, die ihrerseits wieder aus der babylonischen schöpft 4), lassen sich Parallelen beibringen 5). Ich glaube nicht, dass hiermit die mythologischen Remi- niscenzen des Stückes schon erschöpft sind: aber bei dem trau- rigen Zustande des Textes halte ich es für geraten, einstweilen hier innezuhalten. Die Resultate sind: Leviathan ist auch Job 40 f, nicht anders als W74U Jes 27 i, das Ungetüm der sinn; nach der vom Dichter wiedergegebenen Tradition existiert es noch in der Gegenwart. Mancherlei Er- zählungen von ihm cursieren im Volke, wie die Götter es einst vergeblich bekämpften, wie (schliesslich) Jahve es fieng und an die Kette legte. — Dabei tritt nicht hervor, ob der Dichter selbst die ursprüngliche Bedeutung dieser Erzählungen verstanden habe, dh ob der Leviathan für ihn nur ein Tier, oder noch das 1) =■"••• LXX Merx. 2) xirr-Ni Jer 5 12. Der Sinn des Ganzen ist: Versuche doch Le- viathan anzutasten ; so sollst du schon merken, was du gegen ihn ver- magst. Ist doch auch keiner der Götter ihm gegenüber Sieger geblieben. Geschweige denn, dass der schwache Mensch ihn bestehen könnte. In 2 ist der Gegensatz: nicht einmal den Schlafenden zu wecken wagt geschweige denn, dass jemand sich erkühnen dürfte, dem Wachenden offen entgegenzutreten. 3) Flügel Mani 87 f. 4) Brandt Mandäische Eeligion 182 f. 5) Brandt Mandäische Schriften 181 f. 0( verkörperte Meer gewesen sei. Aufgenommen hat er diese Be- richte, weil sie voller Poesie waren und wundervoll Gottes All- gewalt darstellten. — Das Chaosungeheuer trägt hier Züge vom Krokodil, einem ägyptischen Tiere. Wieder bemerken wir also eine Verbindung des Mythus mit Ägypten. Ein babylonischer Mythus mit einzelnen ägyptischen Zügen im Munde eines he- bräischen Dichters. Diese Auffassung von Job 40 25 — 29 erhält eine erwünschte Bestätigung durch W 104 25 f. ') 25 Da ist das Meer, (/rem und breit, darinnen unzählig Gewimmel*); 26 Darinnen wandeln Schrecknisse3), Leviathan, den du dir zum Spielzeug*) gebildet hast. Der W preist Jahves Schöpfergrösse. Alle Creaturen sind von ihm geschaffen und von ihm im Leben und im Tode ab- hängig. 1) Seehsfüssige Verse. Distichen. 2) ."Wesen klein und gross' ist in 25 metrisch nicht unterzubringen; dagegen fehlt ein Halbvers in 24: daher sind die "Worte in 24 (wol hinter 84a) zu stellen. 3) .-" :x .die Auffübrung der Schiffe mitten unter den Tieren des Meeres hat immer etwas Auffallendes' Olshausen. Dazu handelt es sich in diesem Zusammenhange um Gottes AYerke 24. — Dass die Erfindung der Schiffart ein Werk der Gottheit sei (Cheyne). ist ein Gedanke, der in der Antike sehr wol möglich gewesen wäre, der aber hier, wo es sich um Gottes "Wunder in der Xatur handelt, sehr fern liegt. Wie übrigens die altisraelitiscbe Eeligion die Schiffe beurteilt, lehrt Jes 2. — Noch auffallender ist 26b: die .Schiffe' Gott um Xahrung bittend? — Zu lesen ist r-i-s 'emoth oder 'ajummoth (Hali 1 14 t-z- '! r-r -;-: zum Ausdruck -f-r. ef *P 89 -zv). Die Verss wie hebr Text. — Bei dieser Änderung ist die Ausscheidung von 25 f (Hupfeld-Xowack) unnötig. 27 ff bezieht sich dann auf alle Geschöpfe, der Erde und des Aleeres. 4) Xoch Hupfeld3 und Delitzsch beziehen das •'= auf das Meer, in dem Leviathan spielt. Indess .it is not natural to connect ■= with the distant word =™' (Cheyne). Delitzsch wendet ein. dass Gott mit dem Leviathan spiele, sei .keine gotteswürdige Vorstellung'. .Criticism of this sort, however. would lead as towards a prosaic rationalism, and impair the simple charm of the Biblical treatment of the supernatural' (Cheyne). 58 Sie alle warten auf dich, dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit 27. Verbirgst du dein Antlitz, so sinken sie hin; ziehst du ihren Geist ein1), so verenden sie 29. Wir begreifen also, was der Dichter mit der Einführung Leviathans sagen wollte; unter den Schöpfungen Gottes durfte dieses gewaltige und wunderbare Wesen, das Gottes Allmacht am lautesten verkündet, nicht fehlen. Aber wir würden aus dem '*¥ allein nicht erklären können, wie man auf den merk- würdigen Gedanken gekommen ist, dass Leviathan ein Spielzeug Jahves sei. Das wird indess aus Job 40 deutlich. So erklären sich Job 40 und f 104 gegenseitig. 'F 104 bestätigt unsere Exegese von Job 40; was wir in Job 40 vor- ausgesetzt fanden, dass Gott wirklich mit Leviathan spiele, das sagt '*¥ 104 ausdrücklich. Und anderseits enthält Job 40 eine ganze Anschauungsreihe, von welcher in W 104 nur das letzte Glied erhalten ist : hier heisst es nur, dass Gott mit ihm spiele ; dort aber wird uns deutlich, wie es zu diesem Spielen gekom- men sei. Schon im Hiob war es nicht mehr deutlich, dass Leviathan ursprünglich das Tier des Chaos der Urzeit gewesen ist. In ^104 ist diese Verdunkelung des Mythologischen noch weiter fortgeschritten. Da ist Leviathan nur noch ein grosses Meer- ungeheuer; er ist von Jahve geschaffen wie alle andern Tiere auf der Erde und im Meere. Dass er einst der Chaosdrache war, ist längst vergessen. Der Yers ist also zu betrachten als das letzte Restchen eines schon halb verklungenen Mythus 2). Aus dem mythologischen Ungeheuer ist ein merkwürdiges Tier geworden. 1) r=r> genauer rcxr opp ttVs 30. 2) Die modernen Kritikern vielleicht naheliegende Vermutung, dass '/' 104 seine Anschauung aus Hiob geschöpft habe (Cheyne), ist nicht zu begründen. Die "Welt besteht nicht nur aus Menschen, die Bücher schreiben, und die sie abschreiben. Die moderne Kritik hat bisher die Bedeutung der mündlichen Tradition vielfach übersehen und ist allzu geneigt, bei jeder Berührung zweier Schriften auf literarische Abhängig- keit zu schliessen. 59 Job 3 s Die das Meer x) bezaubert halten 2), mögen sie 3) verfluchen, Die Macht haben, Leviathan zu ericecken. Die beiden Yershälften ergänzen sich gegenseitig. Leviathan und Meer sind einander parallel ; das .Erwecken' 4) steht im Gegensatze zum ?Bezaubern'. Das ,Bezaubern' entzieht die Macht; das .Erwecken', das gleichfalls durch Beschwören geschieht, stellt sie wieder her. Demnach verhalten sich -n» und -1-1$ wie Zauber und Gegenzauber. Die Voraussetzung ist also, dass Leviathan und das Meer im tiefen Zauberschlafe liegen; dass aber zuweilen der Bann gebrochen wird, und die Schlafenden erwachen. Wer sind jene Mächte, die das ,Bezaubern' und das Er- wecken' üben ? Man hat sie gewöhnlich für menschliche Zau- berer gehalten. Aber mit Unrecht. Das ^Bezaubern' Leviathans ist nicht ein frevelhafter Eingriff in Gottes Naturordnung, son- dern vielmehr die Bändigung einer finsteren, Gott widrigen Gewalt, geschieht also in Gottes Namen und Auftrage; dass 1) Die durch den Vocalbuchstaben gegebene Aussprache =" Tag, wonach mau Leviathan als den Sonnenfinsternisdrachen verstanden hat, ist unrichtig, da es sich hier um die Verfluchung der Empfängnisnacht handelt, wozu Tages verflucher nicht geschickt sind. Herr Stud theol Gottfried Schmidt aus Hannover macht mich auf die Aussprache =; Meer aufmerksam. Diese Aussprache ist aus I1 74i3f =; |] ir-V, Jes27i ■-■■'■; || =-2 -:s "irr., Job 4123 r-T--: ;-J- =-, 4' 10425 =- 26 yr*h zu er- weisen. 2) ~-s , verfluchen' häufig in dem Sinne, dass dem ,Verfluchten' seine eigentümliche Kraft entzogen werden soll: die (bisher fruchtbare) Erde wird durch ,Yerfluchung' unfruchtbar Gen 3i7: der Freie wird Knecht Jos 923; das "Weib kann nicht gebären Num 5isff; der Korb und die Backschüssel wird niemals voll Dt 28 17; der Mächtige wird kraftlos Nuni 226. Menschlicher , Fluch' ist oft nichts als ein eiteler Wunsch Prov 262; aber göttlicher , Fluch' wirkt. Daher ist —x von Gott oder göttlichen Wesen gebraucht so viel wie ,im Banne halten', ,verzaubern'. Dasselbe gilt von dem parallelen (cf Mal 2 3 lI' 11921 Dt 2820) Worte -« , schelten', .verbieten' Jer 2927 Euth 2i6; aber von Gott gebraucht, so viel wie .verhindern' Sach 32 Mal 3n. 3) Die Nacht der Empfängnis Hiobs. 4) Dasselbe Wort gebraucht man vom Aufstören der Schatten in der Se'ol Jes 149. 60 auch das ,Erwecken' nach Gottes Willen geschehe, wird durch das Wort c>rr;'- ausdrücklich gesagt ). Dass jene Mächte mehr als Menschen sind, wird zugleich durch das Gegenstück 4 erwiesen. Diese das Meer und Levia- than beherrschenden Gewalten ruft Hiob auf, um die Nacht seiner Empfängnis zu verfluchen ; ebenso wie er im Vorhergehenden Gott aufgerufen hat, den Tag seiner Geburt ,von oben' nicht heimzusuchen. Demnach sind diese unteren Mächte von Gott beauftragte Engel. Der Zusammenhang zeigt ferner, dass diese unteren Ge- walten in der Nacht mächtig sind, während Gott selber die Herrschaft über das Tageslicht sich vorbehalten hat. Lassen sie Leviathan los, so verfinstern sich die Sterne der Dämmerung, und das Morgenrot erscheint nicht 9. Alle diese Aussagen reihen sich harmonisch in das Bild ein, das wir bisher von Leviathan als dem Ungetüm der Tehom gezeichnet haben. Auch sonst gehören Finsternis und Wasser im Chaos zu- sammen 2), als drittes Prädikat kommt hinzu die Tiefe 3) cf Job 41 24 4). Tom Erwecken Leviathans redet auch Job 41 i. Der Vor- stellung vom Zauberschlafe Leviathans ist parallel die besprochene, wonach Gott Leviathan am Ringe festhält und mit ihm spielt Job 40 •_>.-. — 29 '*¥ 104-3. cf Henoch 60 ig, oder die andere, wonach er Rahab in der Urzeit ,geschweigt' hat Jes 30?. Das sind ver- schiedene Darstellungen desselben Gedankens, dass die finstere Macht des Urmeers, obwol von Gott gebändigt, doch noch immer in der Tiefe lagert. Ebenso ist das, was Job 3 vom ,Bezaubern' des Meeres gesagt wird, dem beschwichtigen' des Meeres *F 89 10 Job 26 12 verwandt. Demnach ist Leviathan auch in den Job 3 s citierten Vor- 1) rrj imstande, bereit, bestimmt, beauftragt cf -r-jr- Job 15 s 2) =•-- -"-.V -;=- Gen I2. 3) geschlossen aus dem Gegensatz bwäa Job 34. 4) cf auch . — .- rsai z-rr Gen 4925. 61 Stellungen ursprünglich das Chaosungetüm, das noch in der Gegenwart zuweilen Attentate auf die Schöpfung Gottes unter- nimmt : die Wogen des Meeres branden gegen das feste Land, die Finsternis versucht zuweilen, das Licht zu verdrängen J). Damit ist indess nicht behauptet, dass der Dichter den Mythus noch gekannt und bewusst citiert habe. Solche mytholo- gische Bilder, ursprünglich Teile eines grösseren Ganzen, können in der Tradition lange Zeit für sich weiterleben, besonders wenn sie, wie hier, an einer Naturbeobachtung ihren Anhalt haben. Genauer ist zu sagen: Leviathan erscheint Job 3s noch deutlich als das personifizierte Meer, was Job 40 f und *F 104 nicht mehr der Fall war. Das bedeutet, dass Job 3 den Mythus in ursprünglicherer Form enthält als die beiden andern Recen- sionen. Möglich, aber nicht notwendig ist, dass der Dichter noch von einem Zustande der Welt wusste. wo das Meer und Leviathan noch nicht ,bezaubert" waren, wo Leviathan im Meere über die Welt herrschte, dh wo er der Chaosdrache war. Behemoth. Mit der Schilderung Leviathans ist Job 40 die eines Unge- heuers Behemoth verbunden, das ebenfalls für den Dichter ein Wesen der Gegenwart und zwar ein Tier ist 2). Man deutet es herkömmlich als das Nilpferd und vermutet, dass der Name Behemoth ein hebraisiertes ägyptisches p-ehe-möu 3) ^Vasserochs' sei. Nun ist auch hier wol zuzugeben, dass Behemoth einzelne Züge des Nilpferdes trage 4), wie Leviathan solche vom Krokodil. Doch ist auch beim Behemoth die Möglichkeit offen zu halten, dass es ursprünglich ein mythologisches Ungeheuer gewesen 1) Concret ist wol an dunkele, bewölkte Winternächte zu denken. 2) so besonders deutlich 15 ,es frisst Gras wie ein Kind'. 3) cf Dillniann Hiob 4 344. i) so, dass es Gras frisst is, et weiter p 65. 62 und erst nachträglich ein furchtbares Tier der Gegenwart, das •dem Nilpferd ähnlich ist, geworden sei 1). — Mythisches liegt 10 im Hintergrunde: Er ist der Erstling der Wege Gottes 2); geschaffen, dass er das Trockne beherrsche*). Behemoth ist der Erstling der Geschöpfe Gottes ; es ist nach Prov 8 •_•_', wo dasselbe von der Weisheit gesagt wird, nicht möglich, das Wort anders als zeitlich aufzufassen: Behemoth ist das erst erschaffene Wesen. Man erzählt sich demnach von Behemoth, wenn man die Geschichte der Schöpfung erzählt. So folgt, dass Behemoth mehr ist, als ein Tier; es ist ein Ungetüm der Urzeit. Dieser Schluss wird dadurch unterstützt, dass der Dichter von Job 40 f Behemoth neben Leviathan schildert, den wir als ein Ungeheuer der Urzeit bereits erkannt haben. Demnach dürfen wir annehmen, dass Behemoth und Levia- than ursprünglich die beiden Chaostiere gewesen sind. Diese Annahme wird wiederum dadurch bestätigt, dass auch sonst — Jes 51 o Job 26i2f cf Jes 27 i — zwei Chaostiere neben einander stehen ; im babylonischen Kingu und Tiämat. Die Behauptung, Behemoth sei die erste Schöpfung Gottes, ist demnach der Nachklang einer älteren Vorstellung, wonach es einst vor den Jahveschöpfungen selbst schon existiert hat. — Der zweite Halbvers beschreibt die Bestimmung Behemoths. Das Sätzchen ist dem 41 25b von Leviathan Gesagten ganz parallel : 1) Auch diese Untersuchung wird durch den Zustand des Textes sehr erschwert. 2) Behemoth gehört darnach in eine grosse Reihe. Dasselbe Prä- dikat erhalten : der Urmensch Job 157 die Weisheit Prov 822 (wörtlich wie Job40i9 vonBohemoth) und sonst das Gesetz Ass Mosis li2f (für plebeni ist legem zu lesen) der Patriarch Israel, Incarnation des ersterschaffenen Erzengels Prec Joseph cf Schürer Gesch des jüd Volkes II 672 der .Menschensohn' = Christus Henoch 486 und sonst. Diese Zusammenstellung giebt zu denken. 3) la-n -;- •-■iT die gebräuchliche Erklärung: ,sein Schöpfer bringt an sein Schwert' wird von Dillmann mit Recht seltsam genannt. An- dere Erklärungen bei Dillmann. Zu lesen ist '-"~ :-':~ "~y~. 63 Leviathan ist geschaffen, die Tiefe zu beherrschen ; Behemoth ist geschaffen, die Wüste zu regieren. LXX, die in beiden Fällen uS7toti]fÄSVov iy/MTCcrtaueofrcu trcö twv ayyi'l.vn av-vov übersetzen, haben noch gesehen, dass die beiden Sätze einander parallel sind, und in beiden Fällen aus demselben Motiv1) dasselbe eingesetzt. Demnach ist Behemoth ursprünglich vor der Weltschöpfung der Herr der Trocknis. Leviathan der "Wassertiefe gewesen. Wir haben hier also die Voraussetzung, dass die älteste Welt Wüste und Wasser — nicht fruchtbarer Ackerboden — gewesen sei. Dieselbe Voraussetzung haben wir bereits für *P 74 uf 2) constatiert. Dasselbe hören wir über Leviathan und Behemoth Henoch 6Ö7— 93). i Und an jenem Tage werden zwei Ungeheuer*) verteilt werden*), ein weibliches Ungeheuer genannt Leviathan, um in dem Abgrund 6) des Meeres über den Quellen der Gewässer 7) zu wohnen. sDas männliche aber heisst Behemoth, welches mit seiner Brust 8) einnimmt eine öde Wüste, Dendäin 9) genannt 9 Und ich bat jenen andern Engel, dass er mir die Macht 10) jener Ungeheuer zeigen möchte , wie sie geschieden wurden an einem11) Tage, und das eine in die Tiefe des Meeres, das andere auf das Festland der Wüste gesetzt wurde. I) aus Scheu vor der Mythologie. 2) cf p 43. 3) Der Text des Heuoch liegt für Cap 60 mir iu äthiopischer Über- setzung aus dem Griechischen vor; das Griechische ist seinerseits wie- derum Übersetzung aus dem Hebräischen. Man darf sich daher nicht wundern, wenn im gegenwärtigen Text manches Unverständliche mit unterläuft, das man deshalb dem Original noch nicht aufzubürden braucht. 4) xrjroe, Variante : Löwe. 5) Der Sinn war. wie es scheint, ursprünglich: an jenem Tage (dh dem Tage, wo dieses offenbart wurde) wurden verteilt ( ge- schieden 9) etc. 6) [im Babylonischen der nakbu cf Jensen Kosmol 243—253]. Z 7) Leviathan liegt im tiefsten Grunde, wo die ,Quellen' des Meeres sind. 8) Brust? 9) [vielleicht das babylonische danninu. Festland, im Gegensätze zum Meere cf Jensen Kosmol 161]. Z 10) Die Frage nach ihrer .Macht' ( = Bestimmung?) wird 24 f be- antwortet. II) Corruption für: an jenem Tage? 64 . IV Esra 64s — 52. 49 et tunc (am fünften Tage) conservasti duas animas. Nomen uni cocasti Behemoth (Maz Yeheinoth, Sg Enoch) et nomen secundi vocasti Leviathan, °°et separastl ea ab alterutro; non enim poterat septima pars, tibi erat aqua conyregata1), capere ea. hlEt dedisti Behemoth unam partem, quae siccata est tertio die, at habitet in ea, ub't sunt montes mitte2), ~°2 Levi- athan autem dedisti septimam partem humidam, et servasti ea, ut f.ant in devorationem, quibus et quando vis 3). Hier hören wir wiederum, dass Leviathan die Tiefe, Behe- nioth das Trockne beherrscht. Es ist ausgeschlossen, dass beide Stellen das aus Job 40f geschlossen haben. Dazu kommt, dass IV Esra die Entstehung jener Wesen in die Urzeit setzt, und dass Henoch sogar noch weiss, dass Leviathan weiblichen, und Behemoth männlichen Geschlechtes sei 4) ; ebenso wie im Baby- lonischen Tiämat und Kingu "Weib und Mann sind. "Wir haben demnach in IV Esra und Henoch zwei von Job 40 f unabhängige Traditionen, die uns eine sehr erwünschte Bestätigung unsrer Auffassung von Job 40 f gewähren. Hiermit ist übrigens auch die Möglichkeit, dass mona = p-ehe-möu = Wasserochse sein könne, ausgeschlossen; auch ist kein Grund abzusehen, das Wort für unsemitisch zu halten. Die übrigen Verse geben uns nur eine geringe Ausbeute: 15 — 18 handelt von Behemoths Speise und Gestalt. . schildert, wie es scheint, sein Reich ; die Tiere des Feldes sehen ihm staunend zu5). Der Ters ist die Parallele zu 4126. 21 ff reden von dem Ort, wo es sich aufhält: 12In die Öde6) lagert es sich unter Lotosbüumen, in Verstech von Rohr und Schilf. 1) cf IV Esr;i 642. 2) misverstanden aus 1f 50 10 ef p. 69 A 1. 3) Die Tradition über Leviathan und Behemoth im Judentum Ap Bar 294 und bei Dillmann Henoch 183. ■4) .Übrigens ist nach der abweichenden Vorstellung des Targ Jerusch Livjathan das männliche der beiden Tiere' Dillmann Henoch 184. Nach anderer Tradition werden der Leviathan ---= arn und der Leviathan ■tV-" --: als Mann und Weib gedacht Eisenmenger I 401. Ebenso unterscheidet man zwei Behemoth Eisenmenger I 402. 5) In 20a ist das Praedikat -t-s-- , sehen ihm zu', in 20b das Sub- jekt ,alle Tiere des Feldes' deutlich. 6) [r]-t-j scheint nicht zu 20 zu gehören. 65 22 Eichen1) bedecken, beschatten es2), es umgeben die Pappeln des Baches. 23 Wenn der Strom ebbet3), zittert es nicht, bleibt unerschrocken, wenn der Fluss 4) hervorbricht. 24 5) handelt vom Fange Behemoths durch Gott; der Passus ist der folgenden Schilderung vom Fange Leviathans parallel. Demnach wird der ganze Abschnitt folgenden Inhalt ge- habt haben: Alle Tiere des trocknen Landes verehren in Behe- moth ihren Gebieter. Es lagert sich ius Rohr, und obwol kein Wassertier, erschrickt es doch vor Ebbe und Flut nicht. Nur Gott selber vermag es zu zwingen. In solchen Worten klingt deutlich Ägyptisches durch: der ,Strom', die Nilüberschwemmung, die Lotosbäume, das Nilschilf. Aber wenn auch dem Dichter Ägyptisches vor Augen gestanden haben mag, so ist doch anderseits zu beachten, dass auch in den babylonischen Recensionen das Schilf das älteste Gewächs ist 6) — es gedeiht in der chaotischen Welt des Sumpfes ■ dass ferner -in-> zwar auch ein Name des Nils ist, aber zugleich das Gebiet Leviathans bezeichnet Job 41 24; schliesslich dass auch für das Urmeer die Überschwemmung charakteristisch ist cf *F 89iof etc. Das Bild, das die Yerse 20—24 malen, lässt sich also — soweit der Text deutlich ist — als abgeblasste Schilderung eines ursprünglich mythologischen Ungeheuers auffassen. Jedenfalls 1) Die Wiederholung =-';s^ ist ganz unerträglich ; LXX dtvd'oa ut- yälu las vielleicht a-5s. 2) l^a Pi. 3) paw bedrücken, übervorteilen giebt keinen Sinn. LXX lav y£vr\- rai 7iXr}ppvQu scheint geraten. yp3 Am 9 s (8s yp»a) || rbs ist Terminus vom Fallen des Nils. Die Nilebbe steht voran, weil sie Behemoth aus seinen Schlupfwinkeln vertreibt. 4) ---- wird übersetzt ,ein Jordan', denn der Jordan selber hat keine ,Nilpferde'. Indess die Construction ,ein Jordan' ist unbelegbar, und der Sinn sonderbar : wer spricht vom Jordan, wenn es sich um den viel grösseren Nil handelt ? ein Niltier fürchtet sich vor dem Jordan gewiss nicht. Das -- als "vhsi zu fassen || -hj, wie sonst. 5) Für 24 ist anzusetzen : apr D-Mepisa irnp- rrya lrrg Vs p Darin ist deutlich Vs ,Gott'; wnp , er fängt ihn', o-cpitta .mit Sprenkeln': für apr mag man i:ty ,er umstellt ihn' vermuten. 6) Auch das Wort rsap kehrt in den babylonischen Mythen wieder. 66 stossen diese Verse das im vorigen gewonnene Resultat, dass Behemoth ursprünglich das eine Chaostier gewesen sei, nicht um. Bestätigt werden diese Ergebnisse durch Hülfslinien, die aus zwei anderen Xotizen zu ziehen sind. Der Abschnitt Jes 306ff trägt, von später Hand, die Über- schrift zu möna ktd». Dieselbe ist nach der Analogie anderer Bio --Überschriften im Jesaiasbuche auf ein auffallendes Wort im Nächstfolgenden zu beziehen; als solches empfiehlt sich in: das schon erklärte *) nac?:- an-». Dies sehr seltene Wort konnte am leichtesten die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich ziehen. Darnach ist die Überschrift zu übersetzen: Orakel über das Ungetüm Ägyptens 2). Wir erhalten hier also eine Gleichung am und nana; davon ist am das nom propr aus der Mythologie, in mens aber, das wie ein Eigenname gebraucht wird, hört das hebräische Ohr noch das appellative ,Ungetüm' heraus. — Eine andere Gleichung gewinnen wir aus W 6831 3). [JahveJ ' 4) hat5) gescholten die Tiere6) des Schilfes, die Versammlung der Götter 7), die Volksgehietei 8). Das aufgewühlte Meer*) machte er lauterer als Silber10); versprengte die Völker, die am Krieg ihre Lust hatten. 1) cf p 39. 2) Diese Übersetzung bei Delitzsch. =;: ist apokalyptischer Ge- heimname für Ägypten Dan 89 11 5 ff; im Texte des Jesaias steht dafür a+xsa; danach ist die Zeit der Überschriften zu bestimmen. 3) Yierfüssige Verse. Doppeldisticben. — Über die bisherigen Übersetzungen cf die Commentare. 4) Dem Satze fehlt das Subjekt, dem Terse eine Hebung. 5) Der SP ist eine kleine Apokalypse: er beschreibt die Erschei- nung Jahves zum jüngsten Gerichte ; das Tempus solcher Schilderungen — man vergleiche die verwandten Stücke Xah 1 Hab 3 *P 76 82 118 etc — ist ganz gewöhnlich das Pf; so auch V 68919232526. 6) r— ; kann Sg oder PI sein; die Entscheidung über solche Fragen ist nur aus dem Zusammenhange zu nehmen; ich ziehe der Parallele wegen den PI vor. 7) :—rs Götter, Engel wie V 7825 = — =s =-V «otos äyyiXav. '-K—J- -zu — *;s--- wi-Tp = ;x-r- -ns == '-*--• "'-a Gott Israels. — =— =s m> wie =-r-t --c 4! 89s und \xrrrts *P 82 1. woselbst auch eine ,Schelt'rede gegen die ,Versammlung der Götter gegeben wird. 67 Der Vers schildert Gottes Gerieht über die Völkerwert: Dach 32 hat der Dichter besonders Ägypten und Äthiopien im Auge. Er vergleicht die krieglustigen Nationen, die Jahve versprengt, mit einem Kot aufwühlenden Meere, das Jahve .mehr als Silber läutert4. — Zugleich aber mit dem Gerichte über die Völker ergeht das Gericht über ihre Götter; das sind nach jüdischer Lehre die von Gott zu ,Volksgebietern' eingesetzten Engel, die aber ihren göttlichen Auftrag zur Bedrückung der Unschuldigen misbraucht haben 1). Diese Yölkerherren aber heissen zugleich .Tiere des Schilfes1. Es giebt also .Schilftiere', die zugleich Götter sind, über Völker gebieten und dem Meere parallel stehen. Diese scheinbar so disparaten Prädikate ordnen sich doch, wenn man sie nach den bisher gefundenen Resultaten versteht. zu einem einheitlichen Bilde zusammen. Die Tiere des Schilfes stehen dem Meere parallel, ebenso wie sonst die Chaoswesen. Rahab Jes 51 9f W 89iof Job 26 12 und Leviathan W 74i3f Job 3 s, mit dem Meere alternieren. f 68 nennt diese "Wesen .Schilftiere'; das Schilf2) ist nach 8) Das Misverständnis des Schreibers hat neben = — ;s .Stiere' -;;:.■= .mit Kälbern' gesetzt; was die so entstandenen .Völkerkälber' be- deuten können, möge man bei den Exegeten nachsehen. Zu lesen ist -'"•=. Die Engel der Völker heissen bei Daniel ihre z—r, so ;-: i», ... -„. e^c. (jje ältere Sprache redet vom iiss '■:":. fto — '"•; etc. 9) rc=—u-: DEiWa .dieses Versglied ist sehr dunkel. Schwerlich kann der Text in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten sein' (Olshausen). BBi Qal "Wasser aufwühlen: vffya das getrübte "Wasser, opp r-ri Ez 34 18 das abgeklärte Wasser, das sich gesetzt hat: ir- Kot, den das Meer aufwühlt Jes 57 20: :-r~: Nif aufgewühlt sein (von der Quelle): Hithpa sich aufwühlen (Prov6 3 cr-rr- -■: nach LXX toSi urt ixj.vouaros = rz-rr Vs sei nicht lässig). Zu dem Participium fehlt das zugehörige Substantiv: im Verse fehlt eine Hebung. Das fehlende Wort steckt in tn», das in =i- Volk und =• Meer zu trennen ist. 10) rc: »x*ia LXX toi? diäoxiunoutvov? rw clgyvgio) 3 w? doxiprjV rlgyioiov Vulg qui probati sunt argento Targ geläuterter mehr als Silber, lasen die ersten drei Buchstaben r-s: nach Targ rc:- r-u. 1) *P 82 Jes 24 21 ff cf Job 2122. 2) beide Male steht das Wort r:-. 68 Job 40-21 die "Wohnstätte Behemoths; es kommt schon im baby- lonischen Chaosmythus vor. W 68 redet — wie der Zusammenhang zeigt — von mehreren ,Tieren des Schilfes', Job 40 nur von einem Behemoth ; ebenso stehen neben Kahab die Rehabim W 40 s. Demnach hat man die ,Schilftiere' als die "Wesen des Chaos aufzufassen. — Der Beweis für die Richtigkeit dieser Deutung ist darin zu geben, dass man von hier aus im stände ist, die ganze Stelle zu verstehen. Dass das Wort im ,Schelten' in diesem Zusammenhange term techn ist, wird später gezeigt werden 1). Das Regiment, das die ,Schilftiere' führen, wird als ein aufgewühltes Meer dargestellt; man vergleiche dazu Job 4123. Das ist das Bild des Chaos cf auch W 89 io. Das Kot aufwühlende Meer wird am jüngsten Tage von Jahve .geläutert'; ganz parallel sind die Ausdrücke beschwich- tigen' W 89 io, ,beruhigen' Job 26 12, ,schweigen' Jes 30 7, die vom Meere der Urzeit gebraucht werden. Der Chaosmythus wird hier eschatologisch gedeutet und auf die Israel feindlichen Völker angewandt; dasselbe geschieht Jes 30 t W 874 Jes 27 i cf Jes 51 of T 74 12 ff. "Welche Gedanken in dieser Ausdeutung ausgesprochen sind, ist im Vorhergehenden 2) gezeigt worden : das Schalten der ,kriegliebenden' dh mordenden und raubenden Feinde Israels wird als eine Verkehrung aller Ordnungen Gottes, als ein neues Chaos bezeichnet; das Judentum hätte für das Grauen, das es vor den "Weltreichen empfand, zugleich für den Glauben, dass sein Gott auch über diese siegen werde, keinen bezeich- nenderen Ausdruck finden können. Bei dem Gerichte über die Völker fällt der Ausdruck ver- sprengen' -17s wie W 89 11. Das feindliche Volk, das durch das Chaos symbolisiert wird, ist Ägypten wie Jes 30 t; auch Jes 51 9 f und Job 40 f fliesst Ägyptisches ein. Das Charakteristische dieser Stelle ist, dass die Chaos- 1) Job 38 steht das parallele —s cf p^59 A 2. 2) cf 32 39 44 47 f. 69 ungetüme als die Götter der Völker verstanden werden. Das mag auch die Voraussetzung von "f 40 6 sein. Darin tritt noch der uralte Gedanke hervor, dass die Chaos- ungetüme eigentlich Götter sind. So liegt an allen drei Stellen, wo von Behemoth und den Schilftieren gesprochen wird, der Chaosmythus im Hintergrunde J). Der Drache im Meere. Wir hatten bisher in der Gesellschaft von Leviathan unter- geordnete Wesen : ,die Drachen auf dem Meere' W 74 isf gefunden. Diese Drachen sind mit den yrvv m Job 4126, den ,Helfern Rahabs' Job9i3, den ,Feinden Jahves' ^8911 und den Schreck- nissen' W 10426 zu combinieren. — Auch in anderen Stellen treten solche ;=-rsn im AT auf. Die Drachen sind schlangen- artige Wesen, mit schrecklichem Gift. Zuweilen gelten sie als Landtiere Ex 7 off Dt 3233 W 91 13. An anderen Stellen sind sie Bewohner des Wassers: das sind ,die grossen Tanninim', im Unterschied von dem Gewimmel der Fische Gen I21. Wie Rahab oder Leviathan der T>hom, dem Meere parallel steht Jes 51 of W 89iof Job 2612 ^7413^ so stehen die , Drachen' und die ,Fluten' mann neben einander f 148 7. Wenn also Rahab und Leviathan mythische Personifikationen der tainn sind, so haben wir die Drachen als Personifikationen der mann, der Wogen des Meeres lF 89 10, anzusehen. Die religiöse Phantasie hat sich auch Quellen als Wohn- sitze von Drachen gedacht. Als einziger Rest dieser Vorstellung ist uns der Name einer Quelle bei Jerusalem ,Drachenquelle' •p:nn yy Neh 2 13 überliefert. Auch diese Anschauung bringt die Drachen mit dem Wasser und der Tiefe zusammen. 1) Das mythologische mötts liegt nicht vor 4/''50io r"-x — na r-^rz. Nach der Parallele r'-s | -V [| -rvr | — i- ist r-:s als Impf Qal von rVs Jemen, gelernt haben' zu fassen. Ein ander Mal wird das Impf r'rs- geschrieben Prov 2225. Die falsche Auffassung von rVs als ,tausend' hat zu der Correctur "»-nra für Wn (LXX xrrji'q li> toTs öoeoir xnl ßotg) geführt: =--r= wwna | -"■ t— '-= || (LXX Pes Targ Graetz) Bps '- ! "- "r tfffo. Demnach ist der Satz zu übersetzen: .die Tiere auf den Bergen kenne ich'. 70 Ausser diesen ta^n wird auch von einem einzelnen -p:n gesprochen, derßahab oder Leviathan beigeordnet ist Jes 27i 519. Wieder andere Stellen nennen das Hauptungeheuer selber -pm. Job 7 12 Bin ich das Meer oder der Drache, dass du eine Wache wider mich aufstellst? Die Parallele macht deutlich, dass der Drache hier das Meeresungetüm ist *). Das Ausstellen der Wache setzt voraus, dass dies Ungeheuer noch am Leben ist und vielleicht gefährlich werden könnte. — Hier liegt also eine ähnliche Vorstellung vor, wie diejenige, die wir zu Job 40 25 — 20 3 s vermuteten p öOff 60ff. Dort war der Leviathan mit dem Ringe gefesselt oder durch Beschwörung gehalten, hier wird der Drache bewacht. In allen drei Stellen ist er noch in der Gegenwart vorhanden, ein feind- liches, unheimliches Wesen, aber doch in Jahves Gewalt. Allen Stellen liegt dieselbe mythische Naturanschauung zu Grunde, vom Meere, das der Schöpfung Jahves feindlich ist, aber doch von Jahve in Schranken gehalten wird. — Man beachte, dass Tannin wie ein Eigenname ohne Artikel gebraucht wird; ebenso schon Jes 51 9. Ganz ähnlich ist W 44ao2) Denn du hast uns geschändet anstatt des Drachen z), Finsternis über uns gedeckt. 1) so Dillmann zur Stelle. An die Beobachtung der Xilüber- schweinmung oder der Krokodile ist hier nicht zu denken; ,vielmehr erwartet man hier Wesen, gegen die Gott seihst Wache hält' (Dillmann). 2) Sechsfüssige Verse. 3) Die gewöhnliche Übersetzung: ,du hast uns zermalmt an der Stätte der Schakale' nimmt man in dem Sinne, dass die frommen Israeliten in die Wüste vertrieben seien, oder dass Palästina selbst eine Wüste geworden sei etc. ,Diese Deutungen befriedigen wenig' Ols- hausen. — LXX Iv tötioj y.axcjatug Yulg in loco affiictionis haben wol wie hebr Text c-sn gelesen und an eine Ableitung von r,:- gedacht; Pes JjLüI Jiioo liegt y.r mpöa zu Grunde, was hier als ":r aufgefasst ist. Ebenso ist ":r zu D-sn Ez 293 322 verschrieben; umgekehrt Threni 43v (Jerl46 ist der hebr Text richtig — gegen Siegfried Stade Lexicon). — Targ ■--— A auoi\vüifv lasen wie der hebr Text =-:r. Ap Bar 10 s ad- vocabo Sirenes de mari verwechselt die ":-:.-, die zum ileer gehören,. 71 "Wie Job 7 12 der gequälte Gerechte klagt : bin ich denn der Drache, dass du mich beständig beobachten inusst?, so klagt hier das Tolk : du behandelst uns, als ob wir der Drache wären, dem ja freilich Schändung' und Finsternis gebühren. Aus der Stelle ist zu entnehmen, dass Drache und Schän- dung' zusammengehören; wir haben denselben Zusammenhang bereits Jes 51 9 W 89n Job 26 13 gesehen — V 89 11 auch den Ausdruck n:t — und seine ursprüngliche Bedeutung zu Job 26 13 p 37 (cf W 74 14 p 43) erörtert. Auch dass der Drache, als er von Jahve geschändet wurde, mit Finsternis zugedeckt dh in die dunkele Tiefe geworfen ist, schliesst sich dem bisher gewonnenen Bilde an, in dem mehr- fach Finsternis und "Wassertiefe zusammengehörten cf zu Job 3s p 60. Auch hier ist Tannin ebenso wie Job 7 12 ein Eigenname, und genau so wie dort wird auch hier die Erzählung von Tannin als bekannt vorausgesetzt. Ez 29 s— 6a i) 3 So spricht Jahve: siehe ich will an dich, Pharao du grosser Drache*), der mitten in seinen Strömen lagert; der spricht: Mein sind die Ströme*), ich habe sie gemacht. ilch lege Haken in deine Kiefer, und lasse die Fische deiner Ströme an deinen Schuppen kleben. Ich hole dich heraus mitten aus deinen Strömen, und alle Fische deiner Ströme 4). und die a-:r, die eine eigentümlich klagende Stimme haben und hier zur Mitklage aufgefordert werden. — Dipl» 9' 44 20 ist nach Hos 2 1 = anstatt. — Auf dem richtigen Wege zum Verständnis der Stelle ist Olshausen gewesen, ohne aber dasselbe erreicht zu haben. 1) Die Übersetzung folgt der Ausgabe Cornills ; Abweichungen von Cornill sind angegeben. — Die Stücke Ez 293—6 322—8 sind nicht in strengem Sinne , poetisch', sondern gehören der p 45 A 2 besprochenen Mittelgattung an. 2) yir cf p 70 A 3 LXX tov cSWzorr«. 3) Cornill liest nach Targ Pes -«-. Hebr '--s- ist als Plural zu fassen, LXX ol norauoi, ebenso auch 9. Eegelmässig steht in diesem Zusammenhange der Plural. 4) 4c ist als Halbvers kaum zu entbehren; Übersetzung nach LXX A. — Das dreimalige -—s- r;- ist allerdings sehr anstössig. 72 5 Ich werfe dich in die Wüste und alle Fische deiner Ströme; aufs freie Feld sollst du fallen, wird nicht bestattet noch begraben. Den Tieren der Fr de und den Vögeln des Himmels gebe ich dich zum Frasse, 6 dass alle Bewohner Ägyptens erkennen, dass ich Jahve bin. Ez 322 — . 2 Menschenkind, „hebe ein Klagelied1) an über Pharao, den König von Ägypten, und sprich zu ihm: Einem Low enmännchen. glichest du 2), Du warst wie der Drache3) im Meere, brachst hervor mit seinen Strömen*); trübtest das Wasser mit deinen Füssen und wühltest seine Ströme auf. 3 So spricht Jahve: so breite ich mein Netz über dich, ziehe dich auf in meinem Garn; 4 ich werfe dich ans Land, aufs freie Feld will ich dich schleudern 5). Die Vögel des Himmels sollen sich auf dir niederlassen, das Getier der ganzen Erde sich an dir sättigen. bDein Fleisch ivill ich auf die Berge werfen mit deinem Aase 6) die Täler füllen 7). 1) Das Klagelied umfasst nur die drei (metrischen) Verse von 2 (Cornill); das Übrige ist dann wieder rvthniische Prosa. 2) Cornill hat richtig gesehen, dass zwei Worte im Verse fehlen, aber seine Vermutung: ,Ein Völkerleu (kommt) über dich ~-'~"\ wie -"x bist du dahin' empfiehlt sich nicht; im Folgenden kommt nicht ein Völkerleu (Xebu- kadnezar), sondern Jahve selbst über Pharao. LXX Liovrt td-vüv o\uoio)- &rjs lesen —tz? und vielleicht mn ; statt :-; ist üTB zu lesen ; zu —r: ..... cf _.-s _.r: Jud 145. _.£: || .... q: 91l3_ 3) "-.T LXX Mg doc'czojv. 4) Die seit Ewald gebräuchliche Conjektur "yvwrna ,du sprudeltest mit deinen Xüstern' konnte nur so lange als nötig erscheinen, als man die Gleichung Drache = Meer nicht erkannt hatte. — Beide Male entweder --'"""" oder amro. 5) 4b als Halbvers nicht zu entbehren. 73 6 Das Tiefland soll deinen Eiter1) trinken, die Rinnsale sollen sich von deinem Blute füllen. "'Ich verhülle bei deinem Untergang2) den Himmel, und kleide seine Sterne in Schwarz. Die Sonne verhüll ich in Gewölk, der Mond lässt nicht leuchten sein Licht. Man erklärt diese Schilderungen des Unterganges Pharaos als Allegorieen ; der Prophet habe als ein naheliegendes Bild fin- den Pharao das Krokodil gewählt und Pharaos Besiegung als Fang eines Krokodils dargestellt 3). Es ist richtig, dass der "p:n hier die Gestalt eines Krokodiles hat: 29 i redet von seinen Schuppen; aber es fragt sich, ob dieser "p-n ein ein- faches Krokodil sei. In den Mund des Krokodils passt wol die Rede: ,rnein sind die Ströme', aber doch nicht die: ,ich habe sie gemacht' 293 9. Das Krokodil kann vielleicht Herr, aber nicht der Schöpfer des Nils sein. — Auch hat der ganze Zusammenhang manches, was auch über eine sehr poetische Darstellung des Krokodilfanges weit hinausgeht: besonders die grossartige Schilderung, wie der Leib des Drachen Berge und Täler füllt, und von seinem Blute die Bäche fliessen 32 sf, oder wie bei seinem Untergange Sonne und Mond sich verfinstern 32 :f. Man hat bei der Exegese zwischen Allegorieen, die der Ver- fasser erdichtet, und solchen Stoffen, die er vorgefunden und seinerseits allegorisiert hat, deutlich zu unterscheiden. Bei den ersteren ist das Prius im Geiste des Schriftstellers der Gedanke, bei den zweiten das Bild. Beide Stilgattungen sind daran zu erkennen, dass in der erdichteten Allegorie der Zusammenhang G) --:*:- Yulg sanie tua 2 Pes = "•:- deine Fäulnis, dh dein faulendes Aas. 7) Die Streichung des Verses bei Cornill ist unnötig. Das Füllen der Berge und Täler ist allerdings .völlig sinnlos bei einem Krokodil', aber bei dem , grossen Drachen' des Meeres recht wol zu denken. 1) Hitzig nach LXX -yrss, in diesem Falle die aus dem Aase aus- fliessende Flüssigkeit. 2) , bei deinen Erleschen' — der Meeresdrache erlischt? vielleicht tritt 3) So zB Smend. der indess p 255 auch an Mythologisches (den grossen Meerdrachen und das Sternbild des Drachen) erinnert cf p 77 A 1. 74 durch den Gedanken gegeben ist, dabei mag das Bild hie und da unnatürliche Züge erhalten haben; bei dem allegorisierten Stoff ist der leitende Faden in dem Bilde zu suchen; dabei mag einzelnes in die Deutung nicht aufgegangen sein l). Nun enthalten die obigen Schilderungen vieles, was auf Pharao gar nicht gedeutet werden kann. Von Pharao lässt sich nicht sagen, er sei Schöpfer des Nils 29s. — Ebenso, dass der Brache mit seinen Füssen die Ströme getrübt habe 322, spottet jeder Deutung. Und doch hat der Prophet grade diesen Zug wiederholt: wenn Mensch und Tier aus Ägypten vertilgt sind, werden die Ströme wieder glatt werden wie Öl 32isf. Woher dies seltsame Interesse Ezechiels für die Klarheit des Xilwassers? — Besonders einleuchtend wird dies Argument, wenn man diese ,Allegorieen' etwa mit T 80 vergleicht, wo alle Hauptzüge deutbar sind, während hier das Bild die Deutung völlig überwuchert. Daher ist der Schluss unabweisbar, dass der Stoff von Ez 29 32 nicht vom Schriftsteller ad hoc erfunden, sondern von ihm übernommen ist. Wir haben hier nicht eine erdichtete Allegorie, sondern eine allegorisierte Erzählung. Wer ,der Drache im Meere' ursprünglich gewesen ist, wird aus dem Zusammenhange deutlich. Er ist der Herr, der Schöpfer des Stromes 29s; beide Stellen erläutern sich gegen- seitig: er selbst behauptet, der Schöpfer des Stromes zu sein, aber er ist nur zusammen mit dem Strom entstanden. Ja in gewissem Sinne ist er der Strom selbst: 322 ,du brächest hervor in seinen (des Meeres) Strömen' wird von ihm dasselbe Wort gebraucht, das sonst für das erste Losbrechen des Meeres Job 38 s und für das Anstürmen der Nilflut Job 4023 vorkommt. — Daher ergeht auch das Gericht über den Drachen und den Strom zugleich, 29 io ; der Drache wird gefangen, der Strom ausgetrocknet 30 12. Nachher heisst es, dass das Drachenblut die Erde tränke und die Bäche fülle 32 s£ 1) Ich nehme in diesen und ähnlichen Ausführungen Jülichers meisterhafte Untersuchungen über die Stilgattungen der Parabel und Allegorie auf und bekenne gern, dass diese Ausführungen kaum exi- stieren würden, wenn nicht Jülichers , Gleichnisreden Jesu' voraus- gegangen wären. 75 So ist also aus den Ezechielstellen allein schon zu erweisen, dass der ,Drache' ein mythisches Ungeheuer, die Personifikation des ,Meeres' oder des ,Stronies', ist. Dieser Befund wird erhärtet durch Jes 27 1 51 o Job 7 12 lF 44ao, wo Tannin eben dasselbe bedeutet. Auch der Narue grosser Drache' Ez 293 hat in der baby- lonischen ,grossen Schlange' *) ihr Gegenstück. Es bleibt die Aufgabe übrig, nach der zu T 74 p 43 f ent- wickelten Methode den Mythus, den Ezechiel voraussetzt, zu reconstruieren. Das Element des Drachen ist das Wasser, in dem er ,lagert' (ya-i cf nnn n^an a^nn Gen 4925) 29a, mit dem er hervor- bricht' 322. Dies Wasser scheint das , Meer zu sein 322; ander- seits ist es deutlich der Nil 293 etc, wie denn auch der Drache als Xilungetüm, als Krokodil, vorgestellt wird 29 ±. Der Nil spielt so sehr eine Hauptrolle in dem ganzen Mythus, dass man kaum annehmen darf, der Prophet habe ihn erst nachträglich eingetragen. Der Drache hatte gewiss schon vor Ezechiel die Gestalt des schuppigen Krokodils 294. — Wir nehmen also deutlich ägyptische Züge an dem Mythus wahr; man könnte den Mythus als Beschreibung der Xilüberschwemmung verstehen. Ägyptisches constatierten wir ebenso bei Leviathan und Behe- moth Job 40 und sonst 2). Neben dem Drachen erscheinen andere Wassertiere, ,das Fischgeschlecht seiner Ströme' 29 ± etc, allegorisiert als Ver- bündete Ägyptens szp-ise "ot:c 30e rmTs 30s. Diese Wesen entsprechen also den am V"»T3> Job 9i3, den Tanninim ^7413, den ,Feinden' Jahves W 89 11, den ,Stolzen' Job 41 20 etc. Die charakteristische Eigenschaft des Drachen ist der Hoch- mut. Dieser Zug ist eine Hauptsache, bei dem Bilde des Drachen sowol wie Pharaos. Ein hoffärtiges Wort wird dem Drachen in den Mund gelegt 293; wie viel dem Propheten darauf ankam, beweist, dass er es wiederholt 29 9; und von Pharaos frevelhaftem Übermut redet in der Deutung fast jede Zeile. Auch die Art des Hochmuts ist bei beiden ähnlich. Ägypten hat sich über die Völker erhoben, hat über die Völker herrschen wollen 29 15. Aber Jahve ,demütigt' die ,stolze Hoffart-' des 1) cf p 42 A 3. 2) p 48 61 65. 76 Weltherrschers. Der Gedanke ist dabei, dass solche Macht in menschlicher Hand ein Attentat gegen Jahve sei 1). Der Drache sagt: ,die Ströme sind mein; ich habe sie ge- macht' 293 9. Dies Wort ist eine Lästerung Jahves: der Drache ,geberdet sich in seinem Übermut, als ob es keine göttliche Kraft mehr über ihm gäbe' (Smend). Er macht Jahve die Herrschaft streitig; so dass der Gott beweisen muss, ,dass er Jahve ist'. — Die Herrschaft Ägyptens war eine Herrschaft der Schrecken. ,Es hat Schrecken verbreitet im Lande der Lebendigen' 32 32. Der Drache trübt mit seinen Füssen das Meer 322. Jahve sorgt dafür, dass der Strom wieder glatt wird 32i3f. Offenbar soll mit diesem Bilde das Schreckliche, Feindliche der Drachen- herrschaft gemalt werden. — Wir haben alle diese Züge schon an andern Stellen ge- funden, des Drachen Weltregiment, Hoffart und Lästerung W 89 74 Jes 27 Job 4l24ff, die Trübung des Wassers ^8910 Job 41 23 W 6831, das Jahve wiederum ,klärt' *P 6831 und ,beruhigt' Job 2612 Jes 30 7. Der Fang des Drachen wird verschieden dargestellt; Jahve legt ihm Haken in die Kiefer 29 i oder breitet Netz und Garn über ihn aus 32 3. Dabei bleiben die Fische an seinen Schuppen hängen 29 4. Es ist sehr interessant, bei Ezechiel demnach zwei Varianten des Mythus constatieren zu können; die Erzählung muss sehr beliebt gewesen sein, dass sie sich so mannigfaltig gestalten konnte. Der Fang durch die Haken erinnert an die Schilderung Job 40, — also auch von hier aus wieder eine Bestätigung des dort Festgestellten. Der Fang durch das Netz hat seine Parallele an dem babylonischen Mardukmythus. Dabei wird betont, dass der Drache nicht bestattet und nicht begraben wird 295. Auch dieser Zug ist dem Propheten wertvoll, er kehrt bei Pharao wieder 32isff. Die Behandlung, die der Leiche des Drachen begegnet, erscheint als die äusserste Schmach, die das gerechte Gericht über seine frühere Hoffart ist. So wird der Drache noch in seinem Tode geschändet. — Hier wird aufs neue deutlich, was Jes 51 9 *F 89 11 Job 26 13 1) cf zu diesem echt hebräischen Gedanken Jes 2 37 22ff. 77 lF 44 ao mit den "Worten «Sri bVn gemeint ist. Der Mythus, dem der , Drache' ursprün glich ein göttliches Wesen war, be- trachtet es als das Natürliche, dass dem Drachen nach seinem Tode ein ehrenvolles Begräbnis zu teil werde; und mit Emphase versichert er: er wurde nicht begraben. Vielmehr wurde er auf das Land, in die "Wüste geworfen, wo ihn die Tiere des Feldes und die Vögel fressen. Auch das ein Hauptzug, den beide Recensionen enthalten 29 5 324. Dasselbe lP74u. "Wenn dann geschildert wird, wie das Blut des Drachen die Erde tränkt und die Bäche füllt 32 c, so tritt darin mythische Naturanschauung hervor: das "Wasser ist der überwundene Feind, die Erde kann nicht eher ihre Früchte hervorbringen, bis das Wasser vertrieben ist; aber zugleich ist es die Ursache der Fruchtbarkeit des Tief- landes. Der Strom, der das Land bedeckt, ist nicht nur ein Bild des Verderbens Jer 46 s, sondern zugleich ein Bild des Segens Gottes: sein Segen ist wie ein überschwemmender Strom, wie eine Flut, die das Trockne tränkt Jes Sir 3922 (zrf). So erkennen wir also den Grund, warum der Mythus den Zug, dass der Drache nicht begraben wird, so emphatisch aus- spricht: es ist eine Naturerklärung, die er damit giebt. Am Tage des Unterganges des Drachen wird der Himmel sich verhüllen, die Gestirne scheinen nicht, Finsternis liegt über dem Lande 32 r & — Freilich werden so auch andere Jahve- tage geschildert Am 5ao 8u Seph lis Joel 33f etc; trotzdem ist wegen der Stellung von 7 8 in unmittelbarer Nähe der sicher mythischen Züge und wegen der Wiederholung in 303 is zu vermuten, dass auch dies ursprünglich zum Mythus gehörte. Zu denken wäre etwa daran, dass Jahve im Dunkel der Gewitter- wolke zum Gericht über den Drachen erscheint 1). 1) An das Wort fFasa 32 t knüpft sich die Erklärung, dass hier an das Sternbild des Drachen zu denken sei, das ,nach weit verbreiteter Meinung die Verfinsterungen von Sonne und Mond verursacht" (Smend). Indess wenn dies lichtmordende Sternbild hier ausgelöscht wird, müsste sich der übrige Himmel vielmehr erhellen. Eine klare Naturanschauung ist also von dieser Annahme aus nicht zu gewinnen. 78 Ähnlich sind die Schilderungen Jer 51 34ff und W Sal22« — 34. Jer 51 34 wird der König — oder der Bei"« — von Babel mit einem Drachen verglichen, der mit Israels Köstlichstem seinen Bauch gefüllt hat, bis Jahve selbst Zions Sache gegen Babel aufnimmt sc und dem Bei seinen Frass aus dem Rachen reisst 44. Neben diesem Bilde vom Drachen stehen — was allerdings in den zerflossenen Capiteln 50 f nicht viel sagen will — Bilder vom Meere: das Gericht über Babel ist ein Austrocknen ihrer Ströme: Ich trockne ihr Meer aus, lasse ihre Quelle versiegen 36. Dasselbe 43 50 38. Ähnliches haben wir schon zu Ez 30 12 ge- sehen cf p 74. Mit einer anderen Wendung wird die Zerstörung Babels als Überschwemmung beschrieben : Das Meer ist über Babel getreten, vom Brausen seiner Wogen ist sie bedeckt Jer 5142. 55 scheinen die Zerstörer Babels mit tosenden Wassern ver- glichen zu sein. Nun liegt bei Babel der Gedanke an Wasser nahe genug; erinnert sich doch jeder bei Babel sofort an ,die grossen Wasser', an denen sie liegt 51 13. Hätten wir also Jer 51 allein, so würden wir für den Drachen nichts daraus entnehmen dürfen; da wir indess im Yorigen so häufig von einer Beziehung des Drachen zum Wasser gehört haben, so werden wir auch hier das Zu- sammensein dieser Beiden nicht für Zufall halten. Der prophe- tische Schriftsteller nahm das Bild der heidnischen Macht als eines Drachen auf; mit dem Drachen waren ihm zugleich die Wasser gegeben, die ja so vorzüglich auf Babel passten. Was er von dem Frasse des Drachen sagt, kann sehr wol eine ad hoc gefundene Allegorie sein ; ist aber vielleicht ein uns zunächst unbelegter Zug des ,Drachen'-Mythus. Psalm Sal 22sb— sa1). 28 b Zaudere nicht, 0 Gott, es ihnen heimzuzahlen. 1) Zu der folgenden — freien — Übersetzung cf Wellhausen. Pharisäer und Sadducäer 141 : zur Erklärung Eyle and James Psalms of the Pharisees. — Soweit die griechische Übersetzung des hebräischen 29 Zu kehren1) den Übermut des Drachen*) in Schmach! — 30 Nicht zauderte er 3), da zeigte mir Gott seine Hoffart geschändet*) auf den Bergen Ägyptens*1), gesehmäht6), verunehrt zu Wasser und Land. 31 Mit seinem Leichnam spielten die Wogen im Übermut, und niemand begrub ihn; **er war schändlich geschändet. Dass er ein Mensch, hatte er vergessen 1), vergessen das Ende; 33 hatte gesprochen : ich will Herr sein von Land und Meer; er hatte nicht erkannt, dass Gott grösser ist, mächtiger in seiner grossen Macht. 34 Der allein ist König im Himmel und richtet Könige und Reiche. Man hat in dem f eine Schilderung des jüdischen Feld- zuges und des kläglichen Endes des Pornpeius erkannt 8). Deut- lich wird in den citierten Versen der schmähliche Tod des römischen Feldherrn beschrieben. Dennoch haben wir hier nicht eine einfach realistische Schilderung. Der Leib des erschlagenen Feindes, der auf den Bergen liegt, und mit dem zugleich die Wogen spielen, hat gigantische Dimensionen. Vergleicht man Ez 32 sf mit W Sal 2 30, so erkennt man, dass das in der Tradi- tion schon längst vorhandene Bild vom Schicksal der Leiche des Drachen auch den Dichter von W Sal geleitet hat. Der fromme Jude, der diesen Traditionsstoff kannte, war erschüttert, als er die schlagende Ähnlichkeit zwischen dem Schicksal des Textes noch die ursprüngliche Form erkennen lässt, sind 28 b— 33b vier- füssige Verse, dann folgen drei (resp sechs)-füssige. 1) tov tfw-Tv -iV, gemeint i*är& Hosea 4 t. verstanden als -:sV Wellhausen 133. 2) tov SoKxovTog. Squxcov kann Übersetzung von "jr—5 z—: --:r sein: auf fsr ist wegen der Verwandtschaft mit Ez 29 32 zu raten. 3) xcu ois. l/QÖviaa codd. lyoöviatv Hilgenfeld u a : 3off ist Er- hörung des Gebetes 28f. 4) ttjv vßoir avTov txxtxevTTj/iivov hbrva Ez 287 Jes 239 cf zu Jes 51 9f p 31 A 4. 5) Inl tüv oofwv AiyvnTov. Die Änderung Hilgenfelds anfror ist nach Ez 32 sf unnötig. G) irieg D.uyJaTov .verschmäht' Wellhausen; ein Participialpräfix als 1» misverstanden; etwa ^fs». 7) cf Ez 28 1 2 (Ryle and James). 8) cf Schürer Gesch des jüd Volkes II 589. 80 Heiden und des Drachen erkannte, und er malte den Tod des Ponipeius mit den Farben des Drachen von Ägypten. Dabei hat er deutlich die Prophetieen Ezechiels im Auge gehabt. Aber nicht allein diese. Der W enthält noch eine Reihe von Zügen, die aus Ezechiel nicht stammen können, und die doch dem Mythus zuzugehören scheinen. Ausführlich geschildert wird der ,Übermut' des Drachen, der doch bei Ezechiel nur durch ein — den Späteren keineswegs ohne weiteres deutliches — Wort angedeutet wird Ez 293 9. Dieser Übermut aber besteht darin, dass der ,Frevler' 1, der ,Yermessene' 35 die Weltherrschaft für sich verlangt. ,Er will Herr sein von Land und Meer' 33. Er hat Gott nicht die Ehre gegeben; Gottes grössere Macht nicht anerkannt 33. Aber Gott hat dieser menschlichen Vermessenheit gegenüber sein Regiment auf Erden erwiesen s±ff. Mit grossem Nachdruck schildert der LF, wie die schändlichste Schändung' den stolzen Trotz betroffen hat: Gottes Gerichte sind gerecht 2iö! Alles dies stimmt zu Ezechiel, aber es ist nicht daher ge- nommen. Wir werden diese Züge nicht für eine willkürliche Weiterausführung des Psalmisten halten dürfen, wenn wir be- denken, dass die Vermessen heit des Drachen, die Gottes Welt- herrschaft in Zweifel stellt, uns schon in andern Stellen begegnet war cf ¥ 89 74, und dass überall die Schändung des Ungetüms damit im Zusammenhange stand cf zu Ez 29 32. Wir erkennen also, dass noch in dieser Zeit der mythische Stoff im Judentum lebendige Tradition war. Hierzu stimmt völlig die Art, wie der Dichter in 29 den ,Drachen' als eine jedermann bekannte Grösse einführt. Die Deutung des Mythus auf das Schicksal der Weltmacht und auf ein ägyptisches Ereignis haben wir gleichfalls schon mehrfach constatiert. Beachtet man ferner, dass der Mythus hier ebenso wie in *P 74 auf einen ,Feind' gedeutet wird, der übermütig das Heilige geschändet 2, Jerusalem zertreten, das Volk mishandelt hat 2if, so liegt die Vermutung nicht fern, dass in dem Mythus selbst ein Aulass zu solcher Deutung gegeben war. Vielleicht schilderte der Mythus selbst schon, wie einst ein Ungeheuer 81 die Menschen bedrückte, auf Erden mit Göttlichem und Menschlichem frevlerisch umsprang, bis Gottes Gericht es er- reichte. Wir besitzen eine babylonische Variante des Marduk- mythus mit ähnlichem Inhalt cf oben p 28 f ; wir werden noch im Folgenden weitere Bestätigungen für die Vermutung finden, dass auch unter den Juden eine ähnliche Darstellung bekannt war. An den ursprünglichen Sinn des Mythus erinnert im W fast nichts mehr; nur, wenn der ,Frevler' Herr von Land und Meer werden will 33, so Hesse sich das als eine Reminiscenz an jenes "Wesen betrachten, das nicht zufrieden mit der Herrschaft auf seinem Gebiete, dem Meere, auch nach dem Regimente auf dem Lande trachtete. Die Schlange. Arnos 9 jf 0 s Wenn sie sich in die Unterwelt durchzwängten*), holt sie von dort mein Arm ; und wenn sie zum Himmel hinaufführen, stürze ich sie von dort herab. 3 Wenn sie sich auf dem Haupt des Karmel verbärgen, spüre ich sie dort auf und hole sie. Wenn sie sich vor meinen Augen versteckten im Meeresgrund, dort befehle, ich der Schlange, sie zu beissen. Der Prophet setzt als bekannte Vorstellung voraus: im Grunde des Meeres liegt einirn:, er heisst derujn:. Als Beispiel der unendlichen Gewalt Jahves führt Arnos an, dass Jahve selbst dort, wohin seine Augen nicht zu reichen scheinen, Macht hat- der -in: auf dem Meeresgrunde steht ihm zu Gebote. Wir würden aus dieser Anspielung allein mit Sicherheit erkennen, dass diese ,Schlange' ein mythologisches Ungeheuer, das personificierte Meer ist. Dazu die Parallelen: m-»a uma Jes 27 1 Job 26 13, "pnbpy am: Jes 27 1, in denen Leviathan ein sin: genannt wird Jes 27 1, oder am und ran: zusammengestellt werden Job 26 13; schliesslich die babylonische .grosse Schlange' 3). Die Anschauung, dass dies Ungetüm noch gegenwärtig 1) Eythinische Prosa. 2) Über die Bedeutung von -r- ef das im Folgenden zu Ez 8 s Bemerkte. 3) ef p 42 A 4. Gunkel, Schöpfung. 6 82 existiert, aber in Jahres Macht ist, constatierten wir zu W 10426 Job 40 f 7 12 3s. Es liegt im Meeresgrund; parallel ist Ez 322: es lagert in seinen Strömen. Hiernach ist die Tradition vom Meeresdrachen in sehr alter Zeit in Israel bekannt gewesen; sie findet sich bei dem ältesten datierbaren Schriftsteller Israels. Anderseits haben die bisher besprochenen Anspielungen an unsern Mythus uns bis hart an die Schwelle des NT geführt; ich breche die Untersuchung für das spätere Judentum einst- weilen hier ab, um sie in anderem Zusammenhange x) später aufzunehmen. Ich fasse das gefundene Material zusammen. Die mythologischen Wesen rrnn W 6831 animae IVEsra 649 heissen am Jes 519 Job 9 13 1) In der Mitte des zweiten Teils. 83 ,Feinde' Jahres -pay»a neben Rahab W 89 n ta^ran neben -Jims f 74i3f mtt,»M(?) neben -jr-p-rb f 10426 i-tna-ba yrnö— <:a-ba, Ungeheuer, über die ■jir»ib König ist Job 41 26. ,Fische< der Ströme Ez 294, als ein' s*a»o des y»sn Ez30 6 8. Leviathan wird beschrieben als mehrköpfig W 74 u, eine Art u:n: Jes 27 i, rria }inbpy ,gewunden' Jes 27 1; als feuerspeiendes Krokodil Job 41 9 — 12; ebenso wird der pan beschrieben als schuppiges Ez 29 4 Nil- krokodü Ez 29 32. mnrta trägt Züge vom Nilpferd Job 40. Der Zusammenhang mit dem Meere ist besonders deutlich pan | am || na-i amn "»a J fcr Jes 51 9f SPtt und seine Wogen || am und Jahves Feinde fF 89iof tep | ö-3-sn | "jmb V 74isf am | a*r: Job 26 12 ■jrrnb | tv Job 3s napti nrn | ta"« W 6831 &■» | -pan Job 7 12 S^rrn | n^nn 3P 148: :pann yy Neh 2 13. Überall erscheinen die Wesen als Wasserungeheuer: im Meere Jes 27 1 IY Esra 652 Ez 29 s 32 2, auf den Wassern W 74 13, auf dem Meeresgrund Am 93, im Abgrund des Meeres Henoch 60: — 9, in der Tiefe Job 3 s cf 4; Leviathan als Herr der rrnnn Job 41 2^ der Unterwelt Job 41 25, als Wesen der Finsternis, mächtig in der Nacht Job 3s, mit Finsternis be- deckt *F 4420. Nur Behemoth ist Herr des trocknen Landes Job 40 19 Henoch 60:— 9 IYEsra 649—52. Dabei wird ein Nebeneinander von Meer und Wüste für die Zeit vor der Weltschöpfung vorausgesetzt; ebenso *P 74 uf Ez 29.5 *F Sal 2aof. Mit dem Nil verbunden ist der pm Ez 29 32 ^rmb und mana Job 40 f. 6* 84 Ein Zusammenhang mit der Weltschöpfung scheint hindurch Jfr89i2f 74 löff; die Überwindung des Drachen ist geschehen ,in den Tagen der Vorzeit, den Geschlechtern der Urzeit' Jes 51 9 tz-\pT2 W 74 12. Der Drache rühmt von sich: ich habe die Ströme geschaffen Ez 293 cf 322. Die Jahvereligion erklärt (mit Pathos) die Drachen für Geschöpfe Jahves f 104 26 ff; Behemoth ist Erstling der Geschöpfe Gottes Job 40 19. Die charakteristische Eigenschaft des Drachen ist der Übermut WSQvd Ez 29s l¥ Sal 229 cf Job 4126; er lästert tf\n Gott lF 74 1«, schmäht ps: Gottes Namen '^'74^ cf "fSal 2 32 f. Das Getöse •^hx steigt auf zum Himmel W 7428 cf r,av Job 41 17. Er verlangt die Herrschaft für sich, über die Ströme, die er ge- schaffen habe Ez 29 s, über die rmnn Job 4124, über Meer und Land W Sal 233. In seinem Gebiete haust er schrecklich Ez 3232: er richtet ,ewige Verwüstungen* an lF 743, trübt das Wasser mit den Füssen und wühlt die Ströme auf Ez 32 2, lässt die Dirrn sieden wie einen Salbenkessel Job 41 23. Von einem Frass, womit er seinen Bauch füllt, den er nachher wieder herausgeben muss, redet Jer 51 34 u (ob zum Mythus gehörig?). Er ist der ,Feind- schlechthin rrn's, i£ lF 743 101s, besonders Jahves Feind *F 74^23, seine Helfer Jahves ,Feinde' *F 89 11; er heisst der ,Frevler' W Sal 2i, der ,Yermessene, W Sal 235. Parallel diesen Zügen steht das Tosen -pardö des gegen das Land im Übermut msa anstürmenden Meeres *F89in, das Kot auf- wühlt «F 6831. Jahve bezwingt die Ungetüme. Eine Anspielung lässt vermuten, dass vor ihm andere &*-b» den Kampf vergebens versucht hatten Job 41 17 cf 3. Er konnte nicht länger die ,Schmach< LP 7422 und das Elend mit ansehen. Er handelte im ,Zorn' Job 9 13, aber zugleich tat er eine ,Heilstat mitten auf Erden' W 74 12. Er ist der gute und gnädige Gott, der das böse, feindliche Wesen be- zwungen hat lF 89 2f 15. Er offenbarte dabei seine ,Macht' 85 ■P 74 14 Jes 51 o Job 26 12 *F 89 k» Job 9 13, zugleich seine .Weisheit' Job 26 12. Sein ,Arni' ¥'89i4 war ,mit Macht' ge- wappnet' Jes 51 9. Er bewies sich als buJa ¥89 10, als , König' "F 74 12 ¥ Sal 234. Ihn fürchtet die Welt, die er geschaffen hat Job 26 13 ¥ 74isff; der er Mass und Gesetz gab ¥74 17; die ihm mit Recht gehört *F 74 16 89 12; ihm ist niemand gleich im Rate der Heiligen *F 89 7. Der Drachenkampf wird fo lgendermassen ge- schildert: Eine Stelle spielt auf die , Wappnung' Jahves an Jes 51 9; eine andere schildert, wie der Himmel bei dem Kampfe sich verhüllte Ez 327. Eine zornige Rede 1*3 — die dem Kampfe wol vorausgieng — hat vielleicht ¥ 6831 im Auge. Jahves Waffe ist das Schwert Jes 27 1, oder Angel und Schnur Job 40 2.5, oder Fischerhaken Ez 294, oder Netz und Garn Ez323. Behemoth wird mit dem Sprenkel gefangen Job 4024. Jahve ,zerschmettert' ynra Rahab Jes 519 Job 2612, .zerschlägt' ys-i Leviathan die ,Köpfe' ¥ 74 u. Er holt den Drachen aus den Fluten heraus und schleudert ihn aufs trockne Land ¥ 74 14 Ez 29s 324, wo das Wasserungeheuer hülflos ist. Die ,Helfer' des Drachen werden ,zerstreut' -172 ¥ 89 11 (der Ausdruck auch ¥ 68 31), fallen ihm zu Füssen innuj Job 9 13. Oder auch ihnen werden die Köpfe ,zerbrochen' ¥ 74 13; sie werden, an den Schuppen des Drachen hängend, mit heraus- geholt und auf die Erde geworfen Ez 29s. Besonders ausführlich wird hie und da das Schicksal geschildert, das der Leichnam des Drachen erleidet. Als schreckliches Ge- richt für seinen Übermut ¥ Sal 23off, wird er noch im Tode geschändet' Vrn Jes 51 9 Job 26 13 ¥Sal23<>, bbrra »an ¥"8911, ssn ¥ 443). Er wird nicht begraben Ez 29 s ¥ Sal 2 31, sondern sein Leib wird in die Wüste ¥ 74 u Ez 29s 324 geworfen und dort von den Tieren gefressen ¥7414 Ez 295 324. Sein Fleisch füllt die Berge, sein Blut die Bäche Ez 32.;. Der Vernichtung des Drachen parallel erscheint das, was Jahve an dem Meere getan hat. Er trocknete das Meer aus, die Wasser der grossen öinn Jes 51 10; beruhigte y:n das Meer Job 2612; ,spaltete' es -ms 86 '*¥ 74 13; brach Bäche auf und legte Ströme trocken W 74 iö. Er trocknete die Ströme aus Ez 30 12 cf Jer 5136, liess sie glatt fliessen wie Öl Ez 32 13 f. Er machte das Meer heller als Silber ¥ 6831. Nach anderer Recension ist der Drache nicht ge- tötet, sondern nur überwunden. Er ist ,zur Ruhe gebracht' nnirEn im Jes 30t. Als Gott ihn fieng, tat er sehr sanft und wurde Gottes Knecht, jetzt hält ihn Gott am Ringe fest Job 4026. Gott spielt zuweilen mit ihm Job 40 29 '*¥ 10426. Er liegt im Meeresgrunde, aber muss Gott gehorchen Am 93. Er könnte noch immer gefährlich werden, darum stellt Gott eine Wache gegen ihn aus Job 7 12. Nach anderer Vorstellung nimmt ihm ein Zauberspruch die Kraft -n n, aber die "Wesen, die ihn — in Jahves Auftrag — verwünschen, sind auch imstande, ihn zu ,erwecken' ms Job 3 s Job 41 2. Solcher Herrschaft Jahves über das Meeresunge- tüm ist parallel Jahves Macht über die Wogen des empörten Meeres *F 89 10; Jahve beschwichtigt nsu; sie bis ^5 || mwi r*r> zu lesen rr-n ■'Via- •:. 3) vierfüssige Verse, zu Distichen geordnet. 4) Dass der lose, von jedem Winde aufgewirbelte Sand trotzdem die unüberwindliche Grenze des gewaltigen Meeres bildet, ist eins der grössten Wunder Gottes. 5) LXX Pes haben den Sg; richtig, zu beziehen auf ä\ 6) Das Mittelstück des Verses besteht aus vierfüssigen Versen. 7) Dem Verse nach ist eine Hebung zu viel; nach dem Zusammen- hange ist rvtpfi sonderbar : Mond und Sterne, aber nicht die Satzungen des Mondes und der Sterne leuchten in der Nacht, ripn om LXX. 8) Nach Targ Pes cf auch LXX ist hier und Jes 51 15 n-a -s; zu lesen: iam ist Ni V iran verwirrt werden cf tf'18i5 1' 1446. Der hebr Text enthält eine Verwechselung von »:i und i»a; die Punktation bat fälschlich an das sonst vom Meere gewöhnliche, aber hier unpassende rrcn gedacht. 95 W 33ei) 6 Durch Jahres Wort sind die Himmel geschaffen, durch den Hauch seines Mundes all ihr Heer; 7 der die Wasser des Meeres icie Garben 2) zusammenbindet, die Fluten in Vorratskammern legt. 8 Vor Jahve fürchtet sich die ganze Erde, alle Bewohner der Welt erbeben vor ihm. W 65 rf 3) 7 Der die Berge in seiner Kraft hingestellt hat, umgürtet mit Macht, *der das Tosen der Meere beschwichtigt hat, das Brausen 4) ihrer Wogen. Jes Sir 43 (25) 23 5j Durch seine Weisheit hat er die Tiefe 6) zur Ruhe gebracht und Inseln 7) hinein gepflanzt. Or Manasse 2 — 4 8) -Der Himmel und Erde geschaffen hat sammt all ihrem Heer 9) ; 3 der das Meer gefesselt hat mit seinem gebietenden Wort; der den Abgrund verschlossen und versiegelt hat mit seinem furchtbaren 10) Namen; 4 dass ll) alles erbebt und erzittert vor seiner Majestät. Alle diese Schilderungen setzen mehr oder weniger deutlich voraus, dass der Schöpfung eine Bändigung des Meeres durch Jahve vorangegangen ist; und dass Jahve die Ordnung, die er 1) sechsfüssige Verse. 2) zum Ausdruck Ex 15s. 3) fünffüssige Verse, Distichen. 4) Wechsel im Ausdruck haben LXX B vStao s xvrog \\ rj/ovg, Vulg profundum || sonum, A rj/oi' \\ S-ÖQvßor. 5) sechsfüssige Verse. 6) cißvaaog = öirtn. 7) xal iifvTfvatv ccvttjv 'Irjaovg; Vet Lat in illa dominus insulas = iv aiirrj vriaovg (Fritzsche). 8) wie es scheint, fünffüssige Verse. 9) xöojuog = sas Gen 2i Dt 4 19 etc. 10) xcd h'dö'Su» ist nach dem Verse Auffüllung. 11) ov = —va, zusammenzunehmen mit uno naoaünov -::'■:•: Swi- fisiog cwtoC. 96 damals begründet hat, noch gegenwärtig gegen das zur Rebellion aufgelegte Meer machtvoll aufrecht erhält. In unserer Zeit, wo die literarkritischen Fragen das Interesse beherrschen, und wo man geneigt ist, nach der chronologischen Ansetzung der Quellen ohne weiteres auch das Alter der Ideen zu bestimmen, wird vielleicht der Gedanke naheliegen, dass diese Schilderungen, die zeitlich wol alle hinter PC fallen, als Weiterausspin nungen von Gen 1 zu begreifen sind. Allein das ist völlig unmöglich. Be- sonders Job 38 Prov 8 W 104 haben Gen 1 gegenüber eine sehr selbstständige Haltung. Alle drei Stellen reden von Schöp- fungswerken, die Gen 1 nicht enthält; und auch der gemeinsame Stoff ist vielfach anders disponiert. So sind nach Job 38? die ,Morgensterne' vor der Erde dagewesen, die Gen 1 sogar erst nach den Pflanzen geschaffen werden. Dazu sind diese Schil- derungen bei weitem altertümlicher, mythologischer als Gen 1 mit seinem blassen Supernaturalismus. Besonders aber gilt das für unser Thema: die Meeresschöpfung. Gen 1 heisst es ein- fach, dass Gott durch sein Schöpferwort Meer und Land ge- schieden habe. Hier aber hören wir von ,des Meeres Geburt' (?), von der Beschwichtigung' der tosenden Flut, von seiner ,Yer- scheuchung' durch Jahves ,Donnerhall', von dem Riegel und dem Thore, worin es noch jetzt in Schranken gehalten wird. Dabei ist höchst beachtenswert, dass in der jüngsten Stelle, Or Manasse, noch von so uralten Vorstellungen, wie von der Fesselung, Einkerkerung und Yersiegelung des Oceans ge- sprochen wird. — Dazu kommt noch, dass die mythischen Vor- stellungen, die sich in Gen 1 finden, das Brüten des Geistes über der Abyssus und ihre Zerteilung nach oben und unten, in keiner dieser Schilderungen wiederkehren. Es folgt also, dass dem Judentume neben Gen 1 noch andere und zwar bei weitem altertümlichere Schöpfungsmythen bekannt gewesen sind. Diese Aussagen über die Überwindung des Meeres sind nun denen ganz ähnlich, die wir in Jes 51m Job 26 12 LP 74 13 89 in 6831 Ez 30 12 32i3f etc als Parallelen zu dem Drachen- kampfe Jahves gefunden haben. Anderseits ist vieles, was wir in unsern Schilderungen vom Meere hören, dem verwandt, was oben von den Ungeheuern der Tiefe gesagt wurde; es wieder- holen sich z T die Worte. 97 Onnn der Sitz Leviathans Job 41 24; in der Parallele zu Rahab Jes Sl'.if; dazu kommen nunmehr W 104o Prov 82428 Jes Sir •43-23 Or Manasse 3. rra vom Drachen Ez 32 2; von der ,Geburt* des Meeres Job 38 s. Die Herrschaft des Drachen über Meer und Land f" Sal 233 etc; Tehom hielt einst die Erde bedeckt *F 104 g. Die Sünde des Drachen ist der Übermut Ez 293; parallel war das übermütige Meer W 89 10; ebenso hier Job 38n W 65- Jer 522. Dazu die Worte: nNffi Job 41 17 vom Leviathan; parallel das Tosen des Meeres lF 89 10; ebenso W 65 s -paio; mw vom Meere W 89m; ebenso ]i«a Job 38 11. Der ,Schweigung' des Drachen nn\ü?an am Jes 30: stand pa- rallel die ,Beruhigung' (sai Job 26 12, naui ¥"8910) des Meeres; ebenso hier rraicn lF 65s, hwictoev Jes Sir 4323. ,Er hat gescholten die Tiere des Schilfes' '*¥ 6831 isa; dasselbe Wort hier: die Wasser fliehen vor Jahves ,Schelten' msa LF 1047, -i?a Jer 31 35; der Inhalt einer solchen Scheltrede Job 38 u. Jahve bewies bei der Überwindung des Feindes nicht nur seine Kraft — ¥7413 Jes51>i etc; ebenso ¥65 7 Or Manasse 4 — , sondern zugleich seine Weisheit Job26i2f; ebenso Jes Sir 43 23. Das rebellierende Meer wird von Jahve im Zaume gehalten; es muss die ewige Grenze respektieren *F 1049 Job 38 mf Prov 829 Jer 5 22; "es wird durch Kiegel und Thor Job 38 10, durch Fessel, Kerker und Siegel Or Manasse 3, in Vorratskammern ¥ 33 7, durch einen Zaum Henoch 60 10 cf p 52 festgehalten. Diesen Anschauungen entspricht, was oben von dem Drachen gesagt wird: Gott hält ihn am Ringe Job 40 3; cf Job 7 1238 etc. Diese Parallelen beweisen, dass wir in den obigen Aussagen über die Schöpfung des Meeres unsern Mythus vor uns haben, von dem nur das specifisch Mythologische, die Überwindung der Ungetüme, abgestreift ist. Die Parallelen sind wichtig, weil sie für unsere ganze Auffassung vom Drachenkampfe und für ein- zelne Aufstellungen eine erwünschte Bestätigung bringen: Vor allem machen diese Stellen, die sämmtlich ausdrücklich von der Schöpfung sprechen, aufs neue deutlich, dass auch die Über- windung Rahabs — wie wir angenommen haben — ursprünglich G u n k e 1 , Schöpfung. 7 zum Schöpf ungsmythus gehört hat. Ebenso folgt aus *F 1047 Jer 3135, dass auch das ,Schelten' Jahves W 6831 cf p 68 zum Mythus zu rechnen ist. Und die Fesselung des überwundenen Leviathan, die wir aus Job 4026 erschlossen haben, erhält an Or Manasse 3, wo das Meer gefesselt wird, eine neue Stütze. Auch diese Erzählung ist wie der Mythus vom Drachen- kampf ursprünglich ein Hymnus: sie verherrlicht Jahves Grösse; und wird ebenso wie jener Mythus angewandt, zB Job 38s — 11 wie Job 40 f; Jer 522 31 35 wie Am 93 etc. Begeisterte Dichter wie Deuterojesaias wiederholen die Erzählung, wenn sie Jahves Allmacht beschreiben wollen: Jes 502b 3 1) ^ Durch mein Schelten vertrockne ich das Meer, mache Ströme zur Wüste, dass ihre Fische verdorren'*), ohne Wasser, und ihr Getier auf durstigem Lande3). 3 Ich kleide den Himmel in Schwärze und mache Sack zu seiner Hülle. Es heisst nicht ausdrücklich, dass dies bei der Schöpfung von Jahve getan sei ; trotzdem ist zu vermuten, dass der Prophet unsern Mythus im Auge gehabt habe. Nach dem Zusammen- hange war seine Absicht, etwas Grossartiges von Jahve auszu- sagen. Dass er gerade zu diesem Concreten, der Austrocknung des Meeres, griff, muss einen besonderen Grund haben: er nimmt geläufige hymnische Motive auf; wie er denn auch sonst Hymnenliteratur benutzt zB 42 10 ff 43i6ff cf auch 63 t etc. — Dass diese Motive aber aus dem Schöpfungsmythus genommen sind, beweisen die Parallelen: Die Austrocknung des Meeres Jes 51 10 W 74 15 cf Jer 5136, wobei ,die Ströme zur Wüste werden' Ez 30 12, durch Jahves ,Schelten< msa W 6831 W 104: Jer 31 35. Die Fische sterben auf trocknem Lande Ez 29s. Der Himmel wird schwarz Ez 32 if. 1) sechsfüssige Verse. 2; «javi LXX 2-rjoavO-rjaovTtu Lowth. 3) Die Keihenfolge .sie faulen {sie vertrocknen), sie sterben' ist nicbt die natürliche. Ich vermute tirmmi; kos ist wie Jes 443 aufzu- fassen ( |l rraa", vielleicht an beiden Stellen rafcis). 99 Ohne diese Annahme wäre die Prophetenstelle mehr als sonderbar. "Was sollen diese Schilderungen, wenn sie ganz allgemein gedacht sind, da solche Naturvorkommnisse doch auch anders gedeutet werden können und jedenfalls keine unmittelbare Überzeugung einflössen? Und warum wird gesagt, dass die Fische im Trocknen sterben? ,Ist das ein besonderer Trost für die Verzagten ?' Diese Bedenken Duhrns J) werden durch unsere Annahme völlig beseitigt: nicht auf beliebige Naturereignisse, sondern auf die grosse Jahvetat bei der Schöpfung spielt der Dichter an; und das Sterben der Fische war bei dieser grund- legenden Tat Jahves ein bekannter Zug. Man wird zugeben, dass die Prophetenstelle bei dieser Annahme an Zusammenhang und Kraft bedeutend gewinnt. Dass diese Anspielung die Schöpfungsgeschichte nicht aus- drücklich citiert, sondern nur. so von ferne auf sie hindeutet, hat seine Parallele in Jes 43ief, wo von dem "Wunder am Schilfmeer ebenso unbestimmt gesprochen wird. Dasselbe ge- schieht nicht selten im Hiob und den Psalmen; es scheint Hymnus-Stil gewesen zu sein 2). Unsere Stelle bringt wiederum Bestätigung für einzelne, bisher noch nicht völlig sicher constatierte Züge des Mythus, besonders für die Verfinsterung des Himmels bei dem Kampfe gegen das Chaos. Ebenso wie der Mythus vom Drachenkampfe eschatologisch gedeutet worden ist, so sind auch Anwendungen der Überwin- dung des Meeres auf das grosse Völkergericht der letzten Zeit zu constatieren. 1) p 350 f. 2) Für den Hymnenstil ist das Participium im Satzanfange charakteristisch. Der Hymnus heginnt mit einer Anrufung des Gottes, den der Dichter preisen will ; , segne, meine Seele. Jahve', , singet Jahve «in neues Lied' etc; dann folgen die Eigenschaften oder Taten Jahves, die der Dichter preist, nicht selten im Participium: man vergleiche V 103 104 136 147. Daher sind die prophetischen Stücke, die Hymnen aufnehmen und fortsetzen, am Participialstil zu erkennen, cf Arnos 4i3 5sf 94 Jer 3135. sehr häufig bei Dtjes Jes 4022f 26 28f 42s 43i5f 4424ff 45 18 etc. An die Stelle der Hymneneinleitung : .Danket Jahve, der . . . .' tritt bei dem Propheten die Einführung: -,so hat Jahve gesprochen, der . . . '. 7* 100 So schildert lF ±ß ») das jüngste Gericht: Völker und König- reiche brausen nnn i gegen Zion heran, wie ein übermütiges mN- 4 Meer; dass selbst Berge erbeben 3. Aber in dieser letzten Not beschirmt Jahve seine heilige Stadt 5. Um die Wende des Morgens npa masb greift er ein -'hz; die Conjectur tw£ und ebenso den Anstoss an B-ppa 3 ziehe ich zurück. — In dieser Eeconstruction des ganzen Textes werden nur zwei Glossen angenommen : das rnm — :s r.s 12 und die Glossen in 2b und 3a , deren Zweck am Tage liegt. Die Hauptcorruption ist durch Umstellung ge- schehen. Diese Wiederherstellung empfiehlt sich, wie ich glaube, durch den guten Zusammenhang, den sie giebt. Ich überlasse dem Leser, diese und die Bickeilsche zu vergleichen. 1) sechsfüssige Verse, Distichen. 2) II Sam 22 =-, !P 18 n (Baethgen). 3) fr-?;* ist — nach dem Metrum — der Lesart von II Sam r-y;a vorzuziehen; daher -ex IP 18 besser als "es II Sam. 4) II Sam 22 V 18 r» *ar*a Sing, «P 18 LXX Plural trw *a*WJ (das folgende "Wort — -s-:ri II Sam — beginnt mit ö). 104 Im Begriffe, in den Strömen des Unheils zu ertrinken, wird das ,Ich' des Psalms durch Jahve gerettet, der das Meer auf- wühlt und den fast schon zur Unterwelt Hinabgesunkenen her- auszieht. — Aber dieser Zusammenhang der beiden Stoffe ist sehr künstlich ; steht doch der gewaltige Apparat einer Theophanie und das geringe Resultat, die Errettung eines Ertrinkenden, in sehr starkem Misverhältnis. Diese Beobachtung wird nicht er- schüttert, wenn man auch — eine Anschauung, die mir für W 18 nicht ganz unmöglich zu sein scheint — in dem ,Ich' das Tolk Israel sehen würde. Es erklärt sich dann, wie der Dichter dazu kam, zur Errettung des Ichs eine Theophanie in Bewegung zu setzen; aber nach wie vor bleibt sonderbar, dass er auf dieses ungeheure Bild ein so geringes folgen lassen konnte. Es sind demnach zwei, ihrem Ursprung nach völlig verschiedenen Vorstellungskreise, die der Dichter hier zusammen- gebracht hat: das Versinken im unterirdischen Wasser als Bild der äussersten Todesnot cf zB Jon 2 SP" 69, und die Theophanie. — So erhalten wir also für alle drei Stücke das Resultat, dass eine Theophanie mit ziemlich fest ausgeprägten Zügen als ein gegebener Traditionsstoff den Dichtern des Judentums vorgelegen hat. Woher stammt dieser Stoff? Schilderungen des im Gewitter erscheinenden Jahve sind im AT nicht selten. Sie sind offenbar ursprünglich Ausdruck uralten Glaubens, der in der furchtbaren Hoheit des Gewitters seinen Gott sich nahe fühlte. Der eigentliche Sitz dieser Ge- wittertheophanieen werden alte Lieder gewesen sein, die von der Moseerscheinung auf dem Sinai handelten. Nachklänge solcher Lieder haben wir Dt 33 rf; in Prosa Ex 19 34. Das Motiv wird wiederholt Jud 5^f I Reg 19nff, dann von den Propheten Jes29B 302if Micha lsf Joel2i>f, schliesslich von den Psalmisten W 50 lff #"97 usw. Charakteristisch für diese Schilderungen ist, dass dabei der Zusammenhang mit dem Sinai mehr oder weniger deutlich festgehalten wird, sodann dass hier zwar von Sausen und Brausen und mächtigem Schall, Wind und Wetter und Flammenlohe Jes 296, vom Wanken der Erde, vom Reissen der Felsen, vom Zerfliessen der Berge geredet wird, aber nirgends von den Wirkungen des 105 Gewitters auf das Meer. Dies liegt ja auch iu der Natur der Sache : in der Sinaiwüste x) ist ebenso wenig wie in dem Teil Palästinas, den Israel bewohnte, das Meer in nächster Xähe. Um so mehr fallen die "Worte von Nahum 1 Hab 3 *P 18 über das Meer auf. In Xahum 1 tritt das Meer freilich nur gelegentlich auf: 4 Er schilt das Meer, dass es versiegt, alle Ströme legt er trocken 2). Aber in Hab 3 3) spielt es eine grosse Rolle. 8 Ist gegen die Ströme dein Zorn entbrannt, oder gegen das Meer, Jahve, dein Grimm i), Dass du aufs Meer deine Bosse treten lässt, deinen Wagen auf Wasserschivall? 5) Woher dieser Zug vom Meere stamme, ist zunächst völlig rätselhaft. In die alten Sinaitheophanieen gehört er nicht. Durch die Situation ist er in keiner Weise gegeben: wenn Jahve von Paran her 3 nach Palästina zum Gerichte kommt, berührt er das Meer nicht. Die Frage des Dichters: was hat Jahve auf dem Meere zu tun? scheint schon auszudrücken, dass man diesen 1) Der Sinai des AT ist nicht das gegenwärtig .Sinai' genannte Gebirge, sondern liegt in Seir, im Gebirge von Paran Dt 332 ef Smend Alttestamentliehe Eeligionsgescbicbte p 30 A 2. 2) cf meine Beconstruction von Xahum 1 in Stades ZAW 1893 p 223ff. 3) Sechsfüssige Verse, Distichen. 4) fr-sy r-r' =-=-=s -:x r— - =--r:=- 5) sb --—:-- -'z'z-'-y zz-r -2 ist dem Metrum nach unvollständig. Ebenso fehlt dem Sinne nach die Hauptsache: .bist du denn auf das Meer zornig, dass du auf das Meer mit deinen Bossen fährst?' (nyi»* (lies rsrx) gehört zum folgenden: nntw r»a» -.-• op ""SSi "- - rram den Köcher entleerst (Pi rrv) du ganz, dein Bogen ward satt von Geschossen.) Vers 15, im jetzigen Zusammenhange befremdlich (cf Kautzsch Bibel- übersetzung), ist Variante zu 8b. yvaana --""'-" =='" "= »b fi*2" D*tt ~~~ ~"C"C Ö*3 " — 15 15 enthält die in sb vermissten Worte. Eine sichere Eeconstruction ist unmöglich. Der Plur --"="" ist verkehrt: denn Gott fährt nur auf einem "Wagen. Der Text mag etwa gelautet haben: iwsa scheinen Vulg Targ gelesen zu haben. , 106 Zug noch kennt, ohne ihn aber zu verstehen. Man wird dem- nach guten Grund zu der Vermutung haben, dass hier eine alte Theophanie nachwirkt, in der Jahve allerdings etwas auf dem Meere zu tun hatte. Noch stärker tritt das Meer ^18 hervor. Die ganze Theophanie ist schliesslich dazu da, um das Meer aufzuwühlen und sein Bette blosszulegen. Der Dichter hat diese Spitze der Jahveerscheinung benutzt, um daran seine Fortsetzung: die Rettung des Ertrinkenden, anzufügen; er hätte auf diesen einiger- massen sonderbaren Gedanken kaum kommen können, wenn die Theophanie nicht schon jenen Schluss vorher besessen hätte. Wir vermuten also zur Erklärung von Hab 3 Nah 1 '*¥ 18 die Existenz einer alten Gewitter-Theophanie, in der Jahves Zorn gegen das Meer entbrannt war; Jahve trieb seine Rosse auf die grosse Flut und legte ihr Bett bloss. ,Er schalt das Meer, dass es versiegte'. Es giebt nur eine alte Erzählung, in der diese Züge ihre Stelle haben könnten, den Schöpfungsmythus. Man beachte, dass sich hier der Ausdruck ,Schelten' -wi Nahuni li ^1816 wiederholt, den wir bereits zu f 104 7 6831 Jes 50-2 17 13 con- statiert haben. Im babylonischen Mythus erscheint Marduk gleichfalls im Gewitter, seine Waffe ist der Donnerkeil; und ausdrücklich wird dort wie Hab 3 s von seinen Rossen und seinem Wagen gesprochen. Als Nachklänge des Mythus wird man demnach auch be- trachten können, wenn in den Schilderungen der Königsherr- lichkeit Jahves das Brausen des Meeres eine Rolle spielt. ^93afi) 3 Es erheben Ströme, Jahve, es erheben Ströme ihre Stimme, es erheben Ströme ihr Getös. 4 Vor der Stimme grosser Wasser, vor der Herrlichkeit 2) der Brandungen des Meeres, ist Jahve herrlich in der Höhe. 1) Der Psalm scheint aus Versen von je 9 Hebungen mit 2 Cäsuren zu bestehen : \\ , , , \ , , , \ , , , (cf Bickell), wenn nicht starke Corruption vorliegt. 2) = — m zum Vorhergehenden zu ziehen (Kautzsch), verbietet das 107 Zu der Psalmstelle sind ü* 96 n (es brause das Meer und was es füllt) und *F 98 t zu vergleichen; dasselbe Motiv findet sich schon Jes 42 m; man beachte auch lF 29 (Jahves Stimme über den Wassern). Man würde solche Worte bei einem Volke, das am Meere wohnt, und dessen Phantasie sich mit dem Meere beschäftigt, natürlich aus der Anschauung des Gewitters, das über der See steht, erklären müssen; bei Israel aber ist diese Voraussetzung nicht vorhanden; zudem sind es nur ganz bestimmte Motive, einmal die Austrocknung des Meeres, sodann der Gegensatz der Herrlichkeit Jahves und der wogenden See, die immer wieder- kehren. Freilich würde man sehr fehlgehen, wenn man hier bewusste Benutzung des Schöpfungsmythus suchen würde; es handelt sich nur um einzelne Züge, die ursprünglich einmal mit dem Mythus in Verbindung gestanden haben, die aber diesen Zusammenhang längst verloren haben und gegenwärtig nur noch als Motive der poetischen Tradition existieren. Das Constatieren eines solchen Vorganges ist für die Beurteilung unserer Psalmen nicht wertlos. So spät man auch die uns überlieferten Psalmen ansetzen mag, sicher ist ander- seits, dass die Psalmendichtung selbst uralt ist ; man denke nur an die babylonischen Hymnen und sogenannten Busspsalmen. Man wird in vielen Fällen aus inneren Gründen wie aus dem Vergleich mit den Propheten, die selbst vielfach aus der poetischen Literatur ihrer Zeit schöpfen, die Geschichte einzelner Psalmenmotive reconstruieren können. Charakteristisch für die Art, wie die spätere Zeit über- nommene Motive unorganisch verbindet, ist lF77. Der lF giebt i:ff eine Gewitter-Theophanie in Nachahmung von ** 18; auch hier ist es auf das Meer abgesehen: 11 Dich schauten die Wasser, Jahre1), dich schauten die Wasser, erbebten, auch die Tiefen erschracken. Metrum. Dass der Text in Unordnung, haben Olshausen etc bemerkt. Ich vermute für =—s tu». 1) Metrum von 17—20 wie 41 93. Die Verse sind in 1* 77, ein Gedicht von sechsfiissigen Versen, von späterer Hand eingesetzt (Bickell). 108 Aber der Zweck der Theophanie ist dann die Spaltung des Schilfmeers, dass Israel hindurch ziehen kann. So sind also hier ein Nachklang der Weltschöpfungsgeschichte und die Ge- schichte Tom roten Meer zusammengekommen! Dasselbe Zusammenfliessen beobachten wir '*¥ 106 <<. Er schalt das Schilf meer, dass es versiegte, er Hess sie durch die Tiefe gehen, als wäre sie eine Steppe. mm p)iD~ö,,3 -wn, wie Nahum 14 un^T tara -im. Ebenso ist in Ex 15 ein Motiv aus der Gewitter-Theophanie eingedrungen 7b. Eine Verbindung des Schöpfungsmythus und der Erzählung vom Schilfmeer fanden wir bereits in Jes 51 9f cf p 32. Ein neuer Zug ist schliesslich vielleicht noch aus Jes59iöff zu gewinnen. Jahve sieht, dass alle Treue und Gerechtigkeit aus der Welt geschwunden ist; da steht er endlich selber auf, um Ordnung zu schaffen. 15b Jahve J) schaute hin mit seinen Augen *), erkannte 2), dass kein Hecht mehr da war. 16 Er schaute, da war kein Mann, er erstaunte, dass niemand in die Bresche trat. Da half ihm sein eigener Arm, seine Gerechtigkeit allein stand ihm bei. 11 Er zog Gerechtigkeit als Panzer an, setzte den Helm des Beils aufs Haupt. Er zog die Kleider der Rache an 3); tat Grimm als Mantel um. ™Er bezahlt gerechte Vergeltung*): Gewalt seinen Gegnern, Mishandlung seinen Feinden6); i^dass sie von Untergang Jahves Kamen schauen 6); von Sonnenaufgang seine Herrlichkeit. 1) Seclisfüssige Verse. Distichen (Duhm). 2) v:-y= gehört dem Verse nach vor die Cäsur; v— ohne Näher- bestimmung ist auffällig. Man darf vermuten, dass das Ursprüngliche v— sei; die Corruptel y— :■ führte zur Umstellung von Tm 3) r~z-r Glosse (Lowth): an .Kleidern der Kache' || ,Helm des Heils' darf man keinen Anstoss nehmen (gegen Klostermann). 4) ";" .Höhe des Betrages' Klostermann, nar. LXX ovhSoq = osn. Wörtliche Übersetzung: wie der Betrag der Mishandlungen ('-•-;. :■■-; das angetane Unrecht), so hoch ist der Betrag der Abzahlung (z'-v 109 Denn es kommt wie ein Strom der Feind, den Jahres Hauch in die Flucht treibt1). i0So kommt für Zion der Erlöser, der die Sünde aus Jakob fortschafft 2). Diese Zukunftsschilderung ist schon ganz apokalyptischer Natur; sie redet nicht von einem bestimmten feindlichen Vclk, das etwa durch eine historische Situation gegeben wäre, sondern von einem Feinde, der einstmals kommen wird. Dazu kommt die eigentümlich wortkarge Art, mit der von diesen Dingen gesprochen wird ; wir würden die Stelle nicht verstehen können, wenn wir nicht an anderen Orten Parallelen — man denke an Gog und Magog — besässen. So ergiebt sich, dass die Worte als Anspielung an das Dogma vom ,Feinde' der letzten Zeit zu verstehen sind. Nun beachte man, dass dieser Feind hier mit einem Strome verglichen wird, ,den Jahves Hauch in die Flucht treibt'. Wir schliessen also, dass auch dies Bild vom Strome, der vertrieben wird, zur damaligen apokalyptischen Tradition gehört hat. Wir werden dasselbe mit Jes 17i2 — u *F46 65 s combinieren können, zumal der Ausdruck ,Feind' na uns schon mehrfach als term techn des Chaos begegnet ist cf p 84, obwol hier auch Anderes, etwa Jes 8?f einwirkt. — Sehr auffällig ist die vorhergehende Schilderung der Rüstung Jahves, die durch die Nachahmungen im NT IThessö- Eph 6u — 17 zu so grosser Berühmtheit gekommen ist. Man begreift nicht, wie der Dichter aus sich selbst zu diesem Bilde greifen konnte; Jahve wappnet sich, aber nachher tut er mit den Waffen nichts. Die AVappnung ist also ein Zug, der ebenso rasch verschwindet, wie er aufgetreten ist. Auch dass der Ge- Subst A Vulg Dub.ui): Gewalt seinen Widersachern, Misbandlung seinen Feinden. Zum Gedanken, dass Gott Gewalttat mit Gewalttat vergilt cf V 1827. 5) isc =5"- '-•-; =-sV wird durch das Metrum als Zusatz erwiesen; bei LXX fehlen die letzten fünf Worte (Duhm Kautzseh). •j) "s— i Duhm Klostermann. 1) Die gewöhnliche Übersetzung .antreibt' (zB Dillmann) ist un- richtig. =■: heisst ,Üiehen\ ": .in die Flucht treiben'. Darnach ist der Strom nicht ein Bild Jahves, sondern der Jahve-Feinde. 2) LXX xcu dnoaToixl'U äotßetas cctiu 'Iic/.wß z'zrh Duhm. 110 danke des Propheten, das Erscheinen Jahves bringe zugleich Heil und Unheil, grade zu diesem Bilde geführt hätte, wird man nicht behaupten wollen. Haben doch die genannten Eigen- schaften Jahves mit den bestimmten Waffen kaum ein Gemein- sames; man könnte die Worte beliebig vertauschen. — Dies alles weist darauf hin, dass auch die Wappnung Jahves ein gegebener Zug war, den der Dichter wegen seiner poetischen Schönheit aufgenommen und für seine Zwecke allegorisch ge- deutet hat. Wir werden also auf ein altes Gedicht hingewiesen, das von einem Jahvekampfe und von einer vorhergehenden Wappnung des Gottes handelte. Da nun das Folgende als An- spielung an unsern Mythus verstanden werden kann, so wird die Vermutung erlaubt sein, dass der ganzen Propheten stelle der Mythus zu Grunde liege, der demnach auch von der Rüstung Jahves gehandelt hätte. Diese Vermutung erhält dadurch eine Stütze, dass auch Jes 51 o die Wappnung des Jahvearmes er- wähnt, anderseits dass die babylonische Erzählung weitläuftig von Marduks Rüstung redet. Wir haben versucht, den Spuren eschatologischer Benutzung unserer Erzählung von der Überwindung des Meeres nachzu- gehen. Diese Anspielungen sind nun freilich bei weitem weniger deutlich als die eschatologischen Deutungen der Chaosungetüme. Das liegt in der Natur der Sache: es fehlen hier vor allem die Namen der Chaosungetüme, die den Zusammenhang mit dem Mythus so deutlich zeigen ; und die Bilder vom Meere, die dem Mythus entnommen zu sein scheinen, sind nicht so originell, dass sie ohne ihn einfach unerklärlich wären. Nur mit Vorbehalt stelle ich daher die obigen Beobachtungen zusammen : Der Chaosmythus ist in Israel in einer Form vorhanden gewesen, in der die mythologischen Gestalten der Drachen ver- schwunden waren, und einfach vom Meere geredet wurde. Auch in dieser Form hat der Mythus den Charakter eines Hymnus. Neben einer Reihe ausführlicher Schilderungen be- sitzen wir eine Anzahl hymnischer Anspielungen, in denen der Mythus leise nachklingt. Daneben beobachten wir wie bei der Erzählung von den 111 Chaosungetümen eine eschatologische Wendung : man redet davon, dass das Meer in der letzten Zeit gegen Jahves Schöpfung über- mütig heranbrausen, dass dann aber Jahves Scheltwort es in die Flucht treiben werde; und erklärt diese Weissagung als ein Bild des letzten Ansturmes der Heiden und des grossen Völkergerichtes der Zukunft. Ein grosser Prophet scheint in dieser Benutzung des Mythus vorangegangen zu sein; die Späteren folgen. In der beginnenden Apokalyptik ist das Bild vom tosenden Meere ein fest ausgeprägter Zug, übernommene Einzelheiten werden dabei als poetische Staffage mitgeführt oder, so gut es geht, allegori- siert. Noch im NT wird unter den andern Zeichen des Endes auch dies genannt, dass auf der Erde die Völker bei dem Tosen des Meeres vor Angst vergehen werden Luc 21 25; die einzige Stelle übrigens, in der das brausende Meer der Zukunft nicht allegorisiert ist. Das ist ein Geschichtsverlauf, in sich wahrscheinlich und übrigens der für Rahab und seine Verwandten reconstruierten Überlieferungsgeschichte in jeder Weise parallel. Für den Mythus gewannen wir als neue Resultate: das Schelten Jahves "im; die Jahvetat vor Morgen anbruch ; Jahves Kommen im Gewitter, mit Wagen und Rossen. Dabei wird Jahves Wappnung ausführlich beschrieben gewesen sein. Es liegt nahe, die Art der Wappnung sich nach den parallelen Zügen so vorzustellen: Jahve rüstete sich, indem er die Waffen des Gewitters anzog. — So schildert der Marduk- mvthus die Rüstung des Gottes. Wir haben eine grosse und reiche Geschichte des Welt- schöpfungs-Chaos-Mythus in Israel gefunden; schon bei der Untersuchung sind einzelne Parallelen zu dem babylonischen 112 Marduk-Tiäinat-Mythus constatiert. Ich fasse jetzt die Haupt- punkte, in denen die beiden Mythen übereinstimmen, zusammen. In beiden Mythen heisst es, dass einst in der Urzeit das All Wasser war. Der Urocean wird personificiert als ein furchtbares Wesen ; dem babylonischen Namen des Ungetüms Tiämat ent- spricht im Hebräischen der technische Name des Urmeers: Dirm, ein Name, dessen beständige Artikellosigkeit noch darauf schliessen lässt, dass er einst nomen proprium gewesen ist, also eine mythische Figur bezeichnet hat. Der geläufige Name des Ungeheuers im Hebräischen am ist wahrscheinlich gleichfalls im Babylonischen vertreten, obwol noch nicht mit voller Sicher- heit belegt. Beide Mythen stellen sich dies Ungetüm drachen- artig und mehrköpfig vor. Neben ihm andere Wesen, ihm ähnlich, die ,Helfer' des Drachen, unter denen eines die Hauptrolle spielt. Im Baby- lonischen steht neben Tiämat Kingu; im Hebräischen erscheinen neben einander Rahab und Tannin, Leviathan und Tannin, Leviathan und Behemoth, Eahab und Nahas bariah. Kingu und Tiämat sind Mann und Weib, ebenso Henoch 60 Behemoth und Leviathan. Diesen Mächten der Tiefe werden im babylonischen Mythus die Götter der Oberwelt entgegengestellt, unter ihnen Marduk. Auch in Israel erscheinen gelegentlich neben Jahve andere Gottwesen Job 41 17 38? W 89 t, natürlich hinter Jahve völlig zurücktretend. Die Chaosungetüme nun haben sich gegen die Macht der oberen Götter empört; sie beanspruchen die Weltherrschaft für sich. Auch im Jahvemythus ist diese übermütige, frevelhafte Empörung ein ständiger Zug. Tor dem Eingreifen Marduks haben schon einzelne Götter den Kampf gegen Tiämat versucht. Job 41a 17 ist vielleicht Anspielung an einen ähnlichen Vorgang im hebräischen Mythus. Schliesslich tritt Marduk-Jahve auf. Dabei wird seine Rüstung beschrieben; er kommt auf einem mit Rossen be- spannten Wagen, mit Schwert und Netz oder mit den furcht- baren Waffen des Gewittergottes. — Das Zusammenstimmen beider Mythen in letzterem Zuge ist um so auffälliger, als der- selbe nicht der Naturanschauung entnommen — der Winter 113 wird Dicht durch das Gewitter überwunden — , sondern von fremd her in den Mythus eingetragen ist cf p 26. Dem Kampfe geht voraus eine zornige ,Scheltrede'. Im Kampfe selbst bewährt der Gott nicht nur Kraft, sondern zugleich Klugheit. Dabei spielt das Netz eine Rolle. Auch die ,Helfer' des Ungetüms hat er sich unterworfen; sie ,krümmten sich unter ihm'. Im Babylonischen hat er sie glimpflich behandelt; darauf spielt auch eine hebräische Recension an W 8 9 13 Job 9 13. Der Leichnam des erschlagenen Ungetüms ist nicht be- graben — im Hebräischen wird dies mehrfach ausdrücklich betont — , sondern aus demselben ist von dem Gotte die Welt ge- bildet. Hebräische Recensionen scheinen die Fruchtbarkeit des Landes, das vormals Wüste war, von dem Blute und dem ver- wesenden Fleische des Drachen abzuleiten. — Der babylonische Mythus berichtet, dass Tiämat in zwei Teile zerteilt worden sei, in die Wasser oben und unten. Eine hebräische Recension, die das Letztere deutlich aussagte, ist unter den oben ange- führten nicht vorhanden; doch redet auch *F74i3 vom ,Spalten' des Meeres und auch Job 26 13 kennt die ,Riegel des Himmels'. Jedenfalls folgt im Hebräischen sowol wie im Babylonischen auf die Überwindung des Ungetüms die Schöpfung der Welt. Beide Mythen schliessen die Erzählung mit dem Haupt- gedanken, der Spitze des ganzen Marduk-Jahve-Hymnus, dass der Gott, der die unheilvolle Macht des verderblichen Ungetüms gebrochen und diese schöne Welt geschaffen, von nun an Herr und Gott sei, den alles jubelnd verehrt, der Grösste unter den Göttern! — Im Babylonischen kennen wir eine Variante, wo Tiämat unter den Menschen, also im Laufe der Geschichte, eine Schreckensherrschaft führt; hebräische Parallelen dazu haben wir gefunden. Eine parallele Reihe von Beweisen ist aus den spätorien- talischen Traditionen zu erbringen, die einerseits von der baby- lonischen abhängig sind und anderseits mit der hebräischen vielfach übereinstimmen. Einzelheiten sind im Vorhergehenden p 51 56 92 erwähnt ; eine Weiterausführung gehört nicht hierher. Demnach haben beide Mythen, der hebräische und der babylonische, alle Hauptpunkte gemein; so dass es sich letzt- Gunkel, Schöpfung. 8 114 lieh gar nicht mehr uin zwei ähnliche Mythen, sondern viel- mehr um denselben Mythus handelt, der in zwei verschiedenen Recensionen-Fainilien erhalten ist. Wenn man die gewaltige Verschiedenheit der beiden Religionen bedenkt, so kann man sich über die grosse Ähnlichkeit dieser beiden Mythus-Recen- sionen nicht genug verwundern. Für den Kundigen bedarf es kaum eines Beweises dafür, auf welcher Seite die Abhängigkeit zu denken ist. Der baby- lonische Mythus entspricht der Art des mesopotamischen Klimas *) und erweist sich dadurch als echt-babylonisch, während der hebräische als speeifisch unpalästinensisch zu beurteilen ist 2). Und der Mardukmythus, der mythische Ausdruck babylonischen Weltherrscherstolzes, ist viel älter als das hebräische Volk. So ist also unser Resultat : der babylonische Tiamat-Marduk- Mythus ist von Israel übernommen und hier zu einem Jahve- Mythus geworden. 5. Babylonischer Ursprung der Schöpfungsgeschichte von Gen 1, ihr Charakter und die Zeit ihrer Einwanderung in Israel. Kehren wir nach dieser Abschweifung zu Gen 1 zurück, und versuchen wir nunmehr das Verhältnis dieser Schöpfungs- geschichte zu dem constatierten babylonisch - israelitischen Schöpfungsmythus festzustellen. Schon aus Gen 1 war deutlich geworden 3) , dass diese Erzählung nur die jüdische Bearbeitung eines bei weitem älteren Stoffes ist, der ursprünglich viel mythologischer gewesen sein muss; einzelne Nachklänge Hessen auf polytheistische Her- kunft schliessen; ein Zug wies auf Astralreligion hin; manche Motive stimmten dabei zu phönicischen , griechischen und indischen Parallelen. Auch das palästinensische Klima und der althebräische Jahresanfang sprachen gegen einheimisch- israelitischen Ursprung der Erzählung. Dagegen wies Klima, 1) cf p 25. 2) cf p 15 f. 3) cf p 4—16. 115 Jahresanfang und die nachklingende Astralreligion auf Baby- lon ien hin. Diese Vermutung wird nun durch einen Vergleich von Gen 1 zunächst mit dem babylonischen Mythus vollauf bestätigt. Dieser Mythus trägt diejenigen Züge, die wir für die Vor- lage von Gen 1 postuliert haben. Und er stimmt in charakteri- stischen Einzelheiten mit Gen 1 überein. Zwar die Sabbath- üisposition hat er nicht; aber diese Einteilung gehört auch ursprünglich nicht zu dem Stoffe von Gen 1. Ferner betreffen die Parallelen zwischen beiden nur die Einleitung; aber dies erklärt sich daher, dass wir im babylonischen Mythus von der eigentlichen Schöpfung nur geringe Bruchstücke besitzen *). — Um so stärker sind die Berührungen im Anfange. In beiden Mythen besteht die Welt zu Anfang aus Wasser und Finsternis; dabei fällt der Name taitin = Tiämat. Auch der Name -im ist vielleicht babylonisch 2). Die Welt kommt so zu stände, dass Gott das Urwasser durch die Veste des Himmels in zwei Teile scheidet. Der Leser erinnert sich, welche Rolle dieser Zug in dem babylonischen Mythus spielt; für Gen 1 sahen wir bereits, dass er specifisch babylonisch und unpalästinensisch ist; die Übereinstimmung in diesem Punkte ist um so auffallender, als derselbe sich in dieser Deutlichkeit in keinem alttestamentlichen Texte wiederfindet 3). Die Schöpfung entsteht Gen 1 durch Gottes allmächtiges Wort; auch im Mardukmythus wird die Wirksamkeit des Wortes des Gottes stark hervorgehoben cf p 23. 1) Ich halte es also einstweilen für gewagt, zu behaupten, dass die Reihenfolge der Ereignisse in beiden Berichten .absolut dieselbe1 sei (Jensen 306); doch ist zu vermuten, dass, sobald die fehlenden Stücke gefunden sein werden, auch bier die Ähnlichkeit deutlich her- vortreten wird. — [Die wahrscheinliche Reihenfolge der Schöpfungs- werke in dem babylonischen Mythus ist: Himmel, Himmelskörper. (Erde), (Pflanzen), Tiere, (Menschen); wobei das Eingeklammerte nur erschlossen ist. Im babylonischen Berichte kommen also die Himmels- körper, anders als in Gen 1, unmittelbar nach dem Himmel.] Z. 2) cf Hommel Neue kirchliche Zeitschrift 1890 p .408 ff. 3) Die Vorstellung von den ,oberen Wassern' findet sich ¥' 104 3 148 4 Gen 7u cf II Eeg 7 2 19 Job 38 25; auf den "Wassern ist Gottes Thron gegründet, daher das gläserne ,Meer' Ap Job 46 152. 8* 116 Bei der Schöpfung der Landtiere haben beide Berichte dieselbe Classifikation : Vieh, "Wild und Gewürm1). Eine Reihe von Zügen aus Gen 1 werden erst aus der babylonischen Parallele recht verständlich. Bei der Schöpfung der Himmelskörper wird ihre Bestimmung, die Zeiten zu regeln, in beiden Berichten stark hervorgehoben. Diese Betonung 2) ist in jüdischer Tradition auffallend genug ; sie erklärt sich aus der babylonischen Sternreligion. Sehr merkwürdig ist, dass Gen 1 das Licht vor .den Sternen entstanden ist ; auch im babylonischen Mythus ist das Licht vor Marduks Auftreten als schon vorhanden zu denken, aber die Sterne hat er erschaffen. Der Zug erklärt sich vollauf aus der baby- lonischen, polytheistischen Anschauung, wonach das Licht zum Wesen der oberen Götter gehört; Marduk aber als einer der jüngsten Götter, als das Licht schon existierte, entstanden ist. Ferner bekommt das Wort, dass Gott bei allen Schöpfungen befunden habe, dass sie gut seien, durch den Vergleich mit dem Babylonischen einen charakteristischen Sinn. Ebenso preist auch der babylonische Hymnus 3) die Gnade des Gottes, der das böse Ungeheuer erschlagen und die gute Welt erschaffen hat. Demnach steht das Praedikat ,gut' ursprünglich im Gegen- satze zu dem Greuel der uranfänglichen Tehom. Dass dies Prä- dikat noch Gen 1 der Finsternis nicht gegeben wird, ist also als Nachwirkung dieser Anschauung zu begreifen. 1) Die Schöpfung der Menschen aus Erde, in Gen 1 nicht er- halten, vielleicht von PC ausgelassen, dagegen von Gen 2 berichtet, ist nach Berossus und nach einigen keilinschriftlichen Anspielungen, cf Jensen Kosmologie 293 — 295, für Babylonien zu reclamieren. — Nach der gewöhnlichen biblischen Tradition ist der Mensch aus Staub iE» gebildet Gen 27 3i9 V 103 u Job 34 15 etc (Varianten van W 90 3 und i»n Job 4 19 109 336). In der uns bekannten keilinschriftlichen Über- lieferung wird der Mensch nicht aus epru -iv, sondern aus titu •-"•- (was etwa nsn entspricht) erschaffen. 2) von Dillmann 27 bemerkt. 3) Xicht anders die israelitischen Schöpfungshymnen, die die- , Gnade und Treue' Gottes verkünden und die Schöpfung als eine .Heils- tat' preisen *P 74 89. Das "Wort der Genesis ,und Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und siehe es war alles sehr gut' ist dem Sinne nach mit *P 10431 ,Gott freut sich seiner Schöpfungen' identische 117 Aus diesen Übereinstimmungen allein würde der Schluss eine gewisse Wahrscheinlichkeit haben, dass Gen 1 im letzten Grunde auf den babylonischen Mythus zurückgehe. Viel grössere Sicherheit aber bekommt dieser Schluss, wenn wir uns jetzt an die reiche Fülle von Anspielungen an den babylonischen Chaosmythus erinnern, die wir oben constatiert haben. Hierdurch wird die Situation entscheidend verändert. Jetzt ist Gen 1 nicht mehr ein isoliert stehendes Stück, dessen Berührung mit der Mardukgeschichte sehr sonderbar erscheinen mag; sondern es ist ein Glied in einer grossen Kette, eine Recension neben so vielen andern, für die wir schon den baby- lonischen Ursprung festgestellt haben. Der Theologe wird gegen diese historische These vielleicht — bewusst oder unbewusst — dogmatische Einwendungen vor- bringen. Er wird auf die unverkennbar ungeheure Verschieden- heit des babylonischen und des biblischen Schöpfungsberichtes hinweisen. Sofern er überhaupt gewillt ist, die teilweise Über- einstimmung beider Erzählungen anzuerkennen, wird er der These zuneigen, dass hier eine beiden Völkern gemeinsame, bei den Hebräern rein erhaltene, aber bei den Babyloniern ins Mythologische verzerrte Urtradition vorliege. Aber diese These wird durch den Charakter beider Traditionen deutlich widerlegt. Gen 1 ist, wie oben J) gezeigt ist, seiner Natur nach ein abge- blasster Mythus. Ferner zwingen uns, wie wir gesehen ha- ben 2), starke innere Gründe, den Ursprung der Tradition in Babylonien zu suchen. Besonders lehrreich aber sind dem, der überhaupt gewillt ist, religionsgeschichtlichen Beobachtungen das Ohr zu leihen, die übrigen alttestamentlichen Recensionen. Denn diese stellen in mancher Hinsicht die Zwischenglieder zwischen Gen 1 und dem babylonischen Mythus dar; sie zei- gen den Weg, auf dem der Mardukmythus zu Gen 1 ge- worden ist. Hiernach darf die Behauptung als gesichert gelten, dass auch Gen 1 letztlich babylonischer Herkunft ist. Um die grosse Geschichte, aus der Gen 1 verstanden werden 1) cf p 4—16. 2) cf p 15 ff. 118 rauss, zu begreifen, ist es zunächst notwendig, die Eigentüm- lichkeit dieser Recension festzustellen. Die Verschiedenheit der babylonischen Schöpfungsgeschichte und der von Gen 1 ist sehr gross; sie könnte kaum grösser gedacht werden. Dort alles wild und grotesk, himmelstürmende, barbarische Poesie ;. hier die feierliche, erhabene Ruhe einer weit- läufigen und manchmal etwas nüchternen *) Prosa. Dort die Götter im Laufe der Dinge entstanden, hier Gott von Anfang an Derselbe. Dort der Gott, der in heissem Kampfe das Un- geheuer erschlägt und aus dessen Leibe die Welt bildet; hier der Gott, ,der spricht und es geschieht'. — Die Poesie des Mythus ist zwar bis auf geringe Reste verschwunden. Wir bedauern es nicht. Denn dafür ist er erfüllt mit den Gedankeneiner höheren Religion. Der Theologe wird gut tun, auch den Mardukmythus mit Pietät zu behandeln ; man ehrt seine Eltern nicht dadurch, dass man von den Urahnen gering denkt. Aber trotzdem haben wir ein Recht, Gen 1 ganz anders zu werten als jenen alten Mythus. Mögen unsere naturwissenschaftlichen Anschauungen sich auch noch so sehr von den antiken, in Gen 1 vorausgesetzten entfernt haben; mag auch der judaistisch-supernaturalistische Gottesbegriff, der in Gen 1 vorausgesetzt wird 2), unserer Frömmigkeit nicht als das Höchste erscheinen; trotzdem bleibt es bestehen: in Gen 1 vermögen wir den Gott, an den wir glauben, wiederzufinden; alle andern Kosmogonieen sind uns nur interessante Antiquitäten. Die geschichtliche Betrachtung kann Gen 1 nicht, wie es unsere Väter getan haben, als das Denkmal einer speciellen Offenbarung, die etwa dem ersten Menschen zu teil geworden sei, ansehen. Unerschütterlich aber bleibt die Überzeugung, dass in dem Werdegange der israelitischen Religion das Walten des lebendigen Gottes sich offenbare; unanfechtbar Recht und Pflicht des Religionshistorikers, diese Überzeugung an jedem Höhepunkte der Geschichte, wo sich die Aussicht nach allen Seiten hin öffnet, kräftig auszusprechen. Gen 1 ist ein solcher Höhepunkt, ein Markstein in der Geschichte der Welt, ein Denk- mal der Offenbarung Gottes in Israel. Wie verhält sich Gen 1 zu den poetischen Recensionen'? 1) Wellhausen Prölegomena3 311 f. 2) ebenda 311. 119 Gen 1 ist die einzige vollständige Recension des Mythus, die wir aus Israel besitzen; alles andere sind nur Anspielungen, Nachklänge, Anwendungen. Der Grund, weshalb kein anderer Schöpfungsnrythus erhalten ist, ist deutlich; das mit jüdischem Geiste erfüllte und dem Judentum congeniale Gen 1 hat die übrigen Eecensionen verdrängt. Aus dieser Vollständigkeit von Gen 1 wird es sich erklären, dass hier manches Altertümliche erhalten ist, was den andern Recensionen fehlt: die Finsternis im Anfange, die Xamen insn wn, die Scheidung des Urmeers, che Benennung des Ge- schaffenen, die Bestimmung der Gestirne zum Herrschen, das /Wir4 bei der Menschenschöpfung, der Segensspruch über Tiere und Menschen, dass Gott ,sah, dass es gut war', der Sabbath: dazu ein Zug, der — wie es scheint — durch phönicischen Einfluss in den babylonischen Stoff gedrungen war : das Brüten des Geistes und damit zusammenhängend Reste einer Erzählung von der aivouärtog vor sich gehenden Entwicklung; ferner ein Zug aus einem andern, wol auch babylonischen Mythus: die Pflanzennahrung der Urzeit. Wenn nun schon in Gen 1, wo doch, nach den übrigen Analogieen des PC zu schliessen, die jüdische Bearbeitung ziemlich stark eingegriffen haben wird, noch so viel Antikes erhalten ist, so dürfen wir schliessen, dass dergleichen alter- tümliche Züge in der Vorlage von Gen 1 noch viel stärker hervorgetreten sind. Die alte "Weltschöpfungserzählung muss durch und durch antiken Geist geatmet haben, wenn selbst ein so energischer Bearbeiter wie PC ihn nicht ganz wegschaffen konnte; viele antike Einzelzüge müssen mit dem Stoff selber unabtrennbar verknüpft gewesen sein. Anderseits macht Gen 1 den andern Recensionen gegenüber in vielem einen moderneren Eindruck. Gen 1 ist Prosa, — nur in a 26 27 könnten Verse nachklingen — , alle andern Re- censionen sind Poesie. Hier hat Gen 1 das Jüngere: denn der Schöpfungsmythus ist seiner Natur nach Hymnus. Damit ist nicht behauptet, dass die direkte Vorlage von Gen 1 noch in Versen geschrieben gewesen sei; wenn ich recht sehe, so können schon manche Sagen bei J und E als Prosanachklänge alter Lieder aufgefasst werden. — 120 Vergleicht man ferner, wie in den Parallelrecensionen das Verhältnis Gottes zum Chaos geschildert wird, so erkennt man deutlich eine Entwicklungslinie. Der babylonische Gedanke, dass das Chaos älter sei als die Gott- heit selbst, ist auf hebräischem Boden nicht belegbar. Dagegen ist die alte babylonische Vorstellung von Chaosunge- tümen und vom Kampfe der Gottheit gegen sie in einem Teile der poetischen Recensionen bewahrt; ein anderer Teil hat zwar die Personificierung des Chaos aufgegeben, aber wenig- stens den Kampf Jahves gegen das Meer, das einst auch das Land beherrschte, beibehalten. In Gen 1 ist auch dieser letzte Rest verschwunden; es heisst nur noch: Gott schied das Wasser unter der Veste von dem Wasser über der Veste. Aus den uralten Chaosungeheuern aber ist eine merkwürdige Art von Fischen geworden, die unter den andern Geschöpfen figurieren 21. So können wir Schritt für Schritt das Zurücktreten des Mythologischen beobachten. Dasselbe Resultat gewinnt man, wenn man die übrigen Züge von Gen 1 mit alten Schöpfungsberichten wie Prov 822—31 Job 38 26 etc vergleicht. In Gen 1 hören wir nichts mehr von ,den Säulen des Himmels', oder ,den Quellen des Meeres', von ,den Grundfesten der Berge' usw. Demnach verhält sich Gen 1 zu den poetischen Recen- sionen, etwa wie sich PC auch sonst zu der parallelen Tra- dition von J oder E verhält: im ganzen starke judaisierende Bearbeitung; nüchterne Prosa an stelle antiker Poesie, aber zu- gleich höhere Gottesanschauung an stelle antiker Naivetät ; trotz- dem aber einzelne sehr alte Züge. Darnach haben wir die religionsgeschichtliche Reihenfolge 1. Mardukmythus, 2. poetische Recensionen des Jahvemythus, 3. Gen 1; 1. der babylonische Mythus wird nach Israel übertragen; 2. dort verliert er manches von seinem Mythologischen, fast alles von seinem Polytheistischen; 3. in Gen 1 ist er, soweit das überhaupt möglich war, völlig judaisiert. 121 Ich bemerke ausdrücklich, class hiermit noch nichts über das Alter der verschiedenen Quellen ausgesagt ist; wir haben sehr altertümliche Darstellunsren mehrere Jahrhunderte nach PC. Darnach dürfen wir uns an den Versuch wagen, Zeit und Art der Übernahme des babylonischen Stoffes zu bestimmen. Das absolut sichere Datum ist der terminus ad quem, die Zeit des PC, also etwa 500 *) v Chr. Es fragt sich, ob der Stoff von PC direkt aus Babylonien übernommen sei, oder ob er aus israelitischen Torlagen stamme, die ihrerseits wieder auf irgend einem Wege aus Babylonien gekommen sind. Es ist zunächst zu untersuchen, ob die Übernahme des Mythus im babylonischen Exile denkbar sei. Die deportierten Judäer kamen in Babylonien unter den unmittelbaren Einfluss der aramäisch-babylonischen Cultur. In fernem Lande, unter fremdem Volke, unter neuen socialen Ver- hältnissen, durch den gewaltigen Eindruck der Katastrophe ihres eigenen Staates gebrochen oder wenigstens erschüttert, haben sich auch diejenigen, die trotz alledem dem Grotte ihrer Väter treu blieben, dem ungeheuren Einfluss der fremden Cultur nicht ganz zu entziehen vermocht. Der babylonisch-aramäische Ein- fluss ist in der Folgezeit mächtig geblieben, auch unter der später in Palästina wieder entstehenden jüdischen Gemeinde. Damals ist eine andere Jahresrechnung als die altväterlich- palästinensische in das Judentum eingedrungen. Das Jahr be- ginnt von nun an mit dem Frühlinge; auch die babylonischen Monatsnamen sind übernommen. Dazu anderes Mass und Ge- wicht; eine neue Schrift2); schliesslich ist sogar die hebräische Sprache auch in Palästina von der aramäischen verdrängt worden. Gewaltig war damals auch der Eindruck der babylonischen Religion, ihrer herrlichen Tempel, ihrer pompösen Feste, ihrer reichgeschmückten Gottesbilder. Und bis ins Innerste des Her- 1) Die Ansichten der modernen Forscher darüber findet man bei Holzinger Hexateuch 442. 2) cf Benzinger Archäologie 82 288 199 201. 122 zens gieng der Stachel des Gedankens, dass die Götter Babels über Jahve gesiegt zu haben schienen. — Diesen Eindruck der babylonischen Religion zeigt die Polemik des Deuterojesaias. Es ist ein Hauptzweck seiner Prophetie, die Götter Babels und Israels Gott zu vergleichen, um Jahves Superiorität zu erweisen. Auch der späteren *) Zeit blieb es eine Verführung, zum Stern- dienste abzufallen Job 3126 ff. Und die Propheten ermahnen: fürchtet euch nicht vor den Zeichen des Himmels Jer 10 2! Dass die Sterne in der Welt Macht haben, mögen vielfach auch die Frommen nicht leugnen Dt 4 19 Jes 24 21 — 23; nur dass da- durch Jahves überlegene Gewalt und seine Verehrung in Israel nicht angetastet werden darf. Damals ist dem Judentum die Religion der Völker, die überhaupt in Betracht kam, die baby- lonische gewesen; Heidentum war Sterndienst Jer 10 2. Darnach ist die Möglichkeit, dass damals auch Einzelheiten aus der babylonischen Religion ins Judentum eingedrungen seien, nicht ohne weiteres abzuweisen. Ein Denkmal solchen Einflusses ist der erste Teil des Buches Sacharia. Die Nachtgesichte des Sacharia unterscheiden sich charakteristisch von den älteren Propheten 2). Da tritt uns auf wenig Seiten eine Fülle merkwürdiger Bilder von sonderbar brennendem Colorit entgegen : vier Hörner, die Völker bedeuten ; vier Schmiede, die Hacken wetzen 3), die Hörner abzuhauen cap 2 ; Engel, auf buntfarbigen Rossen, die einem andern reisigen Engel ,im Talgrunde, zwischen den Myrthen' Rapport bringen cap 1; vier Wagen, mit buntfarbigen Rossen bespannt, die ,zwischen den beiden Bergen, das sind eherne Berge', hervorkommen, um die Erde zu durchstreifen : ,das sind die vier Winde 4) des Himmels' 1) Die durch die Colonisten in das Territorium des Nordreiches mitgebrachten Götter, worunter mehrere babylonischer Herkunft, zählt II Keg 17 29—31 auf. 2) weniger deutlich von Ezechiel. 3) 2 4 =rs —-rrr;; ist sinnlos ; LXX toi; 61-vvcu = --rh, ars = d-fx ; rs ist ein landwirtschaftliches Instrument, mit dem man schlägt (| Schwert Jes 2i etc. 4) Die Conjektur Wellhausens varvk ,die gehen aus in die vier Winde' ist sehr unglücklich. Auf die Frage: wer sind diese? ist die Antwort: das sind die vier Winde. Die Form der Antwort ganz wie 123 cap 6 ; eine fliegende Schiiftrolle, zwanzig Ellen lang, zehn Ellen breit: ,das ist der Fluch, der über das ganze Land ausgeht'; ein Weib in einer mit einem Bleideckel verschlossenen Epha, das von zwei "Weibern mit Storchflügeln zwischen Erde und Himmel fortgetragen wird: ,das ist die Bosheit' cap 5. Engel, die allerlei mit einander zu verhandeln haben und den Pro- pheten zum Zeugen ihrer Gespräche machen cap 12 3. Den meisten dieser Bilder ist vom Propheten selbst eine Deutung hinzugefügt. Auch das ist für Sacharia charakteristisch. Die ältere Prophetie bringt Bilder genug, aber selten solche, die einer Deutung bedürfen. Nun ist nicht wahrscheinlich, dass Sacharia alle diese Bilder erfunden habe. Das zeigt hie und da die Incongruenz des Bildes und der Deutung. Im Gesichte von dem Weibe in der Epha soll die Fortschaffung der Bosheit dargestellt werden; aber warum sind es Weiber, welche die Epha forttragen? und warum haben diese Weiber Storchflügel? Ferner verrät hie und da schon die Darstellung, dass es sich um fest ausgeprägte Anschauungen handelt, die der Prophet als bekannt voraussetzt; so ,die Myrthen im Tal' ls, ,die beiden Erzberge'1) 6i. Woher stammen diese Vorstellungen? ,Die Myrthen im Tale' und ,die beiden Erzberge' sind ihrer Natur nach ursprünglich mythologische Vorstellungen. Nach dem Zusammenhange ist daselbst der Sitz der Gottheit. Dorthin kehren die Boten, die sie ausgesandt hat, wieder zurück; von dort werden ihre Diener in alle Welt ausgesandt. — Ebenso sind diese Boten und Diener selbst ursprünglich mythologische Grössen. Die vier Farben ihrer Rosse sollen sie, wie 6s aus- drücklich hinzugefügt wird, als die vier Winde des Himmels charakterisieren. Wir kennen die Gedanken des alten Israels über den Sitz der Gottheit genügend, um sagen zu können, dass die hier auf- hob. Die Farbe der Rosse — der Text ist cap 6 und 1 mehrfach cor- rupt — entspricht den Himmelsrichtungen. 1) Zur Vorstellung cf Henoch 18. 124 tretenden mythologischen Anschauungen nicht einheimisch israeli- tisch sind. "Demnach ist das Resultat: Sach 1—8 zeigt uns, wie die Phantasie der Menschen jener Zeit von allerlei grotesken Figuren erfüllt ist. Eine fremde Mythologie hat die Gemüter in Beschlag genommen. Man bringt das Übernommene mit den eigenen Gedanken in Zusammenhang und versucht, es zu deuten. Man darf nicht behaupten, dass die religiösen Gedanken des Sacharia dadurch wesentlich verändert wären; um so stärker erscheint seine Phantasie dadurch angezogen. Woher diese Mythologie stamme, lässt sich aus Sach 4 schliessen. Sach 4i — ea lob — 13 I Wiedertim weckte mich der Engel, der mit mir sprach, wie man aus dem Schlafe geweckt wird; 2 und sprach zu mir: was siehst du? Ich1) sprach: ich sehe da einen Leuchter, ganz von Gold; oben daran eine Ampel2); die hat sieben Lampen*); und die Lampen haben sieben Arme*). 3 Neben ihm aber stehen zwei Ölbäume, zur Fechten und zur Linken 5). 4 Da sprach ich von neuem zu dem Engel, der mit mir redete: was hat das zu bedeuten, Herr? 5 Der Engel aber, der mit mir redete, antwortete mir: Weisst du nicht, was das zu bedeuten hat? Ich sprach: Nein, Herr. fa Da antwortete er mir: lüb Diese6) sieben bedeuten die Augen Jahves, die die ganze Welt durchschweifen. II Ich sprach von neuem zu ihm: was bedeuten aber die beiden Ölbäume zur Rechten und Linken des Leuchters? 7) . . . 1) Qere LXX Pes Targ Vulg. 2) n« LXX Pes Wellh; \>\ ist aus dem Lexicon zu streichen. 3) r- : LXX Pes. 4) LXX om wa» Wellh. ,Von dem Ölbehälter (rfcs) gehen die Eöhren [Arme] (nipslte) aus, welche die Lampen (r"-s) speisen' Wellh. — -s- V" -rs ist .Auffüllung'. ,Nur der Ölbehälter, nicht die Lampen befinden sich oben am Leuchter' Kautzsch. 5) ,Für 7-—T, yz"3 lies rrwö, das Suffix bezüglich auf n-mntri vgl 11 ; tbsr, ist falsches Explicitum' Wellh. 6) 6b— 10a sprengen den Zusammenhang und gehören an den Schl.uss des Stückes Wellh. 7) Die Antwort des Engels ist ausgefallen. 125 18 Ich hub zum zweiten Male an und sprach zu ihm: Was stellen dann die beiden Büschel der Ölbäume dar, zur Seite der beiden goldenen Bohren, die das Öl von ihnen zu den goldenen Armen leiten?1) 13 Und er sprach zu mir: weisst du nicht, was diese bedeuten? Ich sprach: Nein, Herr. ** Er antwortete: Bas sind die beiden ,01 söhne', die vor dem Herrn der ganzen Erde stehen. Die Erklärung des Gesichtes, die iob gegeben wird: ,Diese sieben (Lampen) sind die Augen Jahves', setzt ,die Augen Jahves' als eine jedermann bekannte Sache voraus; für uns aber, denen diese Vorstellung durchaus nicht bekannt ist, bedarf die Erklä- rung selber wieder einer Erklärung. — Nach dem Zusammen- hange sind .die Augen Jahves' ein bekannter Name für eine Sache, die zugleich als sieben Lampen dargestellt werden kann. Das kann nichts anderes als Sterne sein. Dass man Sterne als Lampen darstellt, liegt in der Natur der Sache: man stellt sie so dar, weil man sie so anschaut: Die Sterne sind die ,Lampen des Himmels' Gen li6 etc. Dass man aber in den Gestirnen Gottes Augen sieht, ist in antiker Mythologie häufig genug be- zeugt und sogar noch uns Modernen fast unmittelbar verständlich. Nun handelt es sich hier um bestimmte Sterne, deren Cha- rakteristikum ist, dass ihrer sieben sind, und dass sie ,die ganze Welt durchschweifen'. Damit werden die sieben ,Planeten' charakterisiert 2). Demnach werden hier kosmische Grössen in einem mytho- logischen .Bilde dargestellt, nicht anders als 6iff lsff, wo ,die vier Winde' auftreten. Auch die religiösen Gedanken, die die parallelen Stellen ausdrücken, sind einander ähnlich. Die vier Winde, als Eeiter dargestellt, sind Kundschafter Gottes, ,ausgesandt die Erde zu 1) Der hebräische Text ist unvollständig. LXX xtu ijrai'ayovnap z~h}"2' (Völlers) rag tnaQiOTQi'dtes r«? xQvßäg, Targ «Hott yr:i ■ppiai btam "j-siaV. Der Text lautete etwa i-ir> mpsisA -r,-±-r, orr^swa D-p'-ian, von ihnen = von den Büscheln. Der Sinn ist: von den zwei Ölbaum- büscheln gehen zwei Köhren aus , die zu der rki führen , woraus dann das Öl durch die Arme zu den Lampen fliesst. 2) Als Vermutung bei Smend Alttestamentliche Keligionsgesch 343 A 1. 126 durchstreifen' und Gott Botschaft zurückzubringen ; so veran- schaulicht man sich die Allwissenheit Gottes: Gottes Wissen reicht überall dahin, wo die vier Winde *) blasen. Mit ähnlicher Symbolisierung stellen die vier Winde, als Kriegswagen aus- gesandt, um Gottes Befehle überall zu vollziehen, Gottes All- macht dar. Ebenso hat eine geistvolle und tiefe Naturbetrach- tung die Bedeutung der Bewegung der Planeten zu verstehen gesucht: es sind Augen Gottes; diese Augen Gottes aber stehen nicht stille, so dass sie etwa nur einen bestimmten Teil der Erde zu beobachten vermöchten; sondern sie ,durchschweifen die ganze Welt' und schauen alles; ,vor Jahve sind offenbar •die Taten der Menschenkinder in der ganzen Welt' 2). Nun ist klar, dass der Prophet diese Darstellung der sieben Planeten als der sieben Lampen eines Kandelabers nicht selber erfunden hat. Das liegt einmal in der Natur der Sache; eine solche Dar- stellung ist ihrer Art nach ein cultisches Symbol, wie es die Künstler für den Tempel des höchsten Himmelsgottes, dem die sieben Planeten dienen müssen, verfertigen. Zugleich beweist der Umstand, dass der Prophet nur die sieben Lampen deutet, aber die sieben Arme und die Ampel nicht deuten kann, dass er das Bild selber nicht frei concipiert hat. Dasselbe ist aus der Parallele mit dem bekannten sieben- armigen Leuchter des zweiten Tempels 3) zu folgern. Da haben wir ein cultisches Symbol, wie wir es zu Sach 4 postulieren müssten 4). Anderseits weicht dieser Leuchter von dem Sach 4 be- 1) Der Text, der 1.$ nur von drei "Winden redet, ist defekt. 2) Targurn zur Stelle. 3) Dieser Leuchter ist beschrieben Ex 253iff; im Tempel Salomos befanden sich 10 Leuchter I Reg 749; im Tempel Serubabels ein einziger Jes Sir 26 (22) 17. Judas Maccabäus Hess ihn wiederherstellen I Macc 449f ; er wurde von den Eömern geraubt und ist bekanntlich auf dem Titus- bogen abgebildet cf Riehm Hw sv Leuchter. 4) Nachträglich sehe ich, dass diese Bedeutung des siebenarmigen Leuchters noch Josephus BelliudVös (tvfycurov de ol /utv inrcc kvyvoi rovg Tihafijas) Ant III 67 77 und Philo Quis rer div haer (ed Mangey) I 504 bekannt gewesen ist. 127 schriebenen charakteristisch ab; denn während der des Sacharia sieben Arme besitzt, hat der Leuchter des PC nur sechs, das siebente Licht ist auf der Mitte angebracht. Man darf vermuten, dass diese Abweichung nicht zufällig sei; sondern dass die verschiedenen Darstellungen auch ver- schiedenen Sinn ausdrücken sollen. Das Licht in der Mitte, das besonders ausgezeichnet ist, muss den unter den andern besonders hervorragenden Planeten bedeuten, dh die Sonne. Ich schliesse also auf zwei Varianten in der Planetenaufzählung: das eine Mal steht die Sonne in der Mitte x), das andere Mal steht sie — nach der gewöhnlichen Art, die besonders aus der Keihenfolge der Wochentage bekannt ist — an der ersten Stelle. So folgt, dass Sacharia nicht den Tempel-Leuchter selbst vor Augen gehabt hat, sondern vielmehr ein mit ihm verwandtes, aber zugleich von ihm ein wenig abweichendes cultisches Symbol. Beide Leuchter haben gemeinsam, dass sie in ihrer Form einen Baum mit sechs oder sieben Ästen nachahmen 2). Das ist zB auch Kiehm 3) aufgefallen. Die Absicht der Künstler, einen Baum darzustellen, wird daran ganz deutlich, dass der Leuchter nach Ex 2Ö3iff mit Baumblüten, genauer mit den Blüten des Mandelbaums geschmückt ist. Wie kommt das Lichtgerät zur Form des Mandelbaums? Man wird gut tun, bei der Beurteilung eines antiken Cultus- symbols möglichst wenig der Willkür des Künstlers zuzuschrei- ben; vielmehr ist das Wahrscheinliche, dass die Abbildung der Vorstellung entspricht, dass also die charakteristische Form eines alten Symbols auch die charakteristische Form des Dargestellten wiedergiebt. Demnach ist zu schliessen, dass die Lichter der Planeten wie hier im Bilde, so auch in der Wirklichkeit von einem Baume getragen werden. Wir kommen also auf eine 1) Auch diese Deutung der mittleren Lampe finde ich nachträglich bei Philo Quis rer div haer (ed Mangey) I 504 (6 fiiaog rwr mTa i\).tog) cf vit Mosis (ed Mangey) II 150 f. 2) Aus der griechisch-römischen Antike wird gleichfalls von baum- ähnlichen Leuchtern berichtet, an denen die Lampen wie die Apfel herabhiengen cf Pauly RE sv lucerna Y 1161 ff. 3) HW sv Leuchter p 901. 128 mythische Anschauung von einem Himmelsbaume, dessen Laub- dach der Himmel ist, und an dem etwa die Früchte die Sterne darstellen. Dass dieser Baum grade ein Mandelbaum ist, scheint durch eine Auffassung der Sterne als Mandeln motiviert zu sein. — Ein weiterer Beweis für die Übernahme der Vorstellung durch Sacharia ist aus dem zweiten Teile der Beschreibung zu entnehmen. Neben dem Leuchter stehen rechts und links zwei Ölbäume, von denen zwei Büschel mit der Ampel des Leuchters durch zwei Röhren verbunden sind. Offenbar haben also diese beiden Ölbäume den Zweck, den Leuchter mit Öl zu speisen. Auch dieser Zug ist vom Propheten allegorisiert. Zwar ist die Deutung der beiden Ölbäume im gegenwärtigen Texte weg- gefallen. Dagegen ist erhalten, was die beiden Ölbüschel be- deuten sollten. ,Es sind die beiden Ölsöhne, die vor dem Herrn der ganzen Erde stehem, dh die beiden Gesalbten, Josua und Serubabel. Das Tertium comparationis ist: wie die beiden Öl- büschel in unmittelbarer Nähe des siebenarmigen Leuchters sind, so stehen die beiden Gesalbten vor den sieben Augen Gottes '). Glaubt nicht, Gottes Augen hätten sich von ihnen abgewandt ; vor Gott sei ihr Geschick verborgen ! Gott schaut beständig auf sie ! 2) Demnach lässt sich aus dem Zusammenhange folgern, dass die beiden Ölbäume die beiden gesalbten Geschlechter, die beständig vor Gott stehen, dh die Häuser Davids und Aharons 3) darstellen sollten. Nun ist aber sehr auffallend, dass diese vom Propheten beabsichtigte Deutung des Bildes mit dem Bilde selbst nur sehr teilweise übereinstimmt. Die Aufgabe der Ölbäume und -Büschel, die Lampen mit Öl zu versorgen, kann nicht gedeutet werden; und darf es auch gar nicht: wie können Menschen Öl auf die Lampe Jahves giessen? 4) 1) so Wellhausen zu Sach 4i4. 2) zum Gedanken cf Jes 4027 49 uff; zum Bilde cf VSBis 34 16 EsraSö- 3) Kiehm Hw sv Leuchter p 903. 4) nach Wellhausen zu Sach 4 12. Wellhausen hat, diese Schwie- rigkeit erkennend, geholfen, indem er Vers 12 für unecht erklärt, ohne aber den Grund zu der Glosse angehen zu können und ohne erklären zu können, warum König und Hoherpriester grade als Ölbäume vor 129 Diese Schwierigkeit weist darauf hin, dass der Apokalypti- ker auch diesen Zug bereits vorgefunden hat. Als seine Vor- lage erhalten wir demnach ein mythologisches Bild. Man denkt sich, wie im irdischen Heiligtume, so auch im himmlischen einen siebenarmigen Leuchter stehen. Man fragt, warum das Licht der sieben Himmelsleuchten ewig brenne, und giebt die Antwort, indem man sich von den beiden himmlischen Ölbäumen rechts und links vom Leuchter erzählt, die mit ihrem Öle den Leuchter speisen. Demnach ist der siebenarmige Leuchter des Sacharia ein cultisch-mythologisches Symbol. — Woher dieses Symbol stamme, dürfen wir mit grosser Wahrscheinlichkeit vermuten. Zunächst ist klar, dass es nicht auf dem Boden des Juden- tums entstanden ist. Das Judentum, zumal ein Prophet wie Sacharia, haben sicherlich keine mythologischen Bilder er- funden. Den Grund, weshalb die sieben Lampen als Früchte eines Baumes abgebildet werden, haben beide kaum mehr gekannt. Zudem wird uns von solchen Symbolen schon aus viel früherer Zeit berichtet; die zehn Leuchter des salomonischen Tempels müssen ähnüche Form besessen haben. Dies ist einmal aus der Beschreibung bei PC zurückzuschliessen und wird durch I Reg 7 «9 bestätigt, wo im Zusammenhange mit den Leuchtern von ,Blütenwerk' x) gesprochen wird. Der Leuchter ist demnach ebenso zu beurteilen wie die andern Symbole des salomonischen Tempels — die Säulen, das Meer, die Fahrstühle, die Keruben — , deren ausländischer Ur- sprung feststeht oder wenigstens sehr wahrscheinlich ist 2). Wir suchen also eine ausländische Religion, die in ältester einem Ölleuchter dargestellt werden. — Smend 343 A 1 hat den Zu- sammenhang von Ölleuchter und Ölbäumen erkannt, meint aber, dass damit die Salbung Josuas und Serubabels (der Ölbäume) durch die gött- liche Geistesmacht (das Öl des Leuchters) dargestellt werden solle. So würde der Leuchter die Ölbäume mit Öl versehen ! Das wäre allerdings — wie Smend selber hinzusetzt — ,nicht gerade geschickt'. 1) rr»B, dasselbe Wort als term techn bei dem Leuchter des PC Ex 2Ö3i etc. 2) Benzinger 386—389; weiter darüber im Folgenden. Gunkel, Schöpfung. 9 130 Zeit und später -wiederum zur Zeit des Sacharia auf die israeli- tische eingewirkt hat. Die babylonische Religion ist die einzige, die hier über- haupt in Betracht kommt. In der babylonischen Religion sind die sieben Planeten die sieben grossen Götter. Es sind uns eine Reihe verschiedener Aufzählungen der Planeten erhalten. In einigen *) steht die Sonne voran ; in einer andern 2) steht sie in der Mitte, so dass die Reihenfolge : Mond Merkur Venus | Sonne | Mars Jupiter Saturn, heraus- kommt; dabei sind die Planeten nach ihrer — von den Baby- loniern angenommenen — Entfernung von der Erde geordnet. Dagegen ist die von uns erschlossene Anschauung vom Weltbaum, seine Darstellung als Leuchter und die Vorstellung von den zwei Ölbäumen bisher bei den Babyloniern noch nicht nachgewiesen. — Nach diesem einen Beispiele dürfen wir den mythologischen Stoff, den wir bei Sach 1 — 8 einströmen sehen, beurteilen. Er ist höchst wahrscheinlich babylonischer Herkunft. Sach 1 — 8 stehen nach dieser Hinsicht zunächst ganz für sich allein; sie geben uns ein plötzliches, im Augenblick auf- leuchtendes und sofort wieder verschwindendes Licht über eine höchst merkwürdige religionsgeschichtliche Situation: sie zeigen uns das Einströmen einer fremden, wahrscheinlich der babylo- nischen Mythologie in das Judentum. 1) namentlich in späterer Zeit EAT2 20; diese Eeihenfolge haben die Sargontafeln ; die sieben Mauern von Ecbatana tragen nach den Planeten Farben, in denen das Gold, das die Sonne bezeichnet, der innersten und höchsten Mauer eignet Herod I 98. 2) Das Gold (die Sonne) steht in der Mitte der Farben des Stufen- tempels von Borsippa cf Hommel Astronomie der alten Chaldäer II 5. — Ich lege "Wert darauf, zu constatieren, dass ich aus der Art des sieben- armigen Leuchters die beiden Reihenfolgen der Planeten bei den Baby- loniern erschlossen und erst nachträglich durch meinen assyriologischen Freund die Bestätigung dafür erhalten habe. — Ich füge jetzt noch hinzu, dass — wie oben p 127 A 1 erwähnt ist — auch Philo eine ähn- liche Aufzählung der Planeten kennt. Auch Jalkut Bubeni 4 (bei Eisenmenger II p 8) steht die Sonne in der Mitte. 131 Auch den Weg, auf dem diese mythologischen Anschauungen zu Sacharia gekommen sind, dürfen wir aus den Capiteln er- schliessen. Der Prophet setzt die Dinge mehrfach als bekannt voraus cf p 123. Es folgt, dass er nicht der Erste ist, der unter den Juden davon gesprochen hat; sondern dass er in eine bereits vorhandene jüdische Tradition eingetreten ist. Xicht die Prophetie hat diesen Stoff übernommen, sondern das Volk; die Prophetie hat das schon Tradition gewordene Material nur für ihre Zwecke zu gebrauchen gewusst. Das liegt auch in der Natur der Sache: die Propheten und ihre Anhänger waren in dem Bewusstsein, der babylonischen Religion gegenüber das Höhere zu besitzen, sehr wenig dazu disponiert, Elemente der fremden Mythologie zu übernehmen ; um so mehr standen manche Yolkskreise dem fremden Einflüsse offen, die ohne von Jahve abzufallen, doch von der babylonischen Mythologie und ihren phantastischen Gestalten sich blenden Hessen. — Sacharia hat in Palästina geschrieben. Auch in Palästina sehen wir also in nachexilischer Zeit den babylonischen Einfluss wirken. Diesen Effekt zu producieren mag mancherlei zusammengekom- men sein: die babylonisch inficierten Gedanken der Zurück- kehrenden; die babylonisch bestimmte Kultur, in der sie auch in Palästina lebten; der Einfluss der Samaritaner, von denen einzelne Elemente babylonischer Herkunft waren; nicht zum mindesten vielleicht die Beeinflussung durch die in Babylonien gebliebene, geistig sehr regsame Judenschaft, die fortgesetzt mit dem Mutterlande verkehrte. Zu diesem aus Sach 1 — 8 erschlossenen Stoffe kommen noch Einzelheiten aus anderen exilischen Propheten. Sicher sind die ,Drachen'-Capitel des Ezechiel letztlich baby- lonischer Herkunft, wahrscheinlich auch die Schilderung der Keruben J) im , Wagengesicht' und der Mythus von der Aus- treibung aus dem Paradiese cap 28; schliesslich liegt cap 31 vielleicht das Bild vom "Weltbaum im Hintergrunde. Bei allen 1) [Darüber, dass das Wort =:-: (entgegen früheren Behauptungen Lenormants) im Assyrischen bis jetzt nicht nachzuweisen ist. cf Ztschr für Assi 68 f] Z. — Über Keruben und Paradiesgeschichte im Folgenden. 9* 132 diesen Stücken niy biologischer Herkunft ist indess fraglich, ob sie in Babylonien selbst übernommen oder schon in der Heimat bekannt gewesen seien. Die erstere Möglichkeit ist kaum das Wahrscheinliche; denn dass der Jahveprophet mit Bewusstsein zu fremden Stoffen gegriffen habe, wird nach dem Obigen schwerlich anzunehmen sein. Lilith Jes 34 u ist eine ursprünglich babylonische Gestalt l) ; ebenso auch die Sedini2) Dt 32 17 *¥ 106 37; beide erscheinen nur in Schriften des Judentums' und können in Babylonien über- nommen sein. Dasselbe mag für den Mythus von Helal ben Sahar gelten. Jes 14 12 — 14 3) 12 Wie bist du vom Himmel gefallen, Helal, Sahars Sohn! Wie 4) bist du zur Unterwelt 5) hinabgeschlagenT liegst starr auf Leichen ! 6) 13 Du dachtest doch in deinem Sinn: ,zum Himmel will ich hinauf, hoch über die Gottes-Sterne erheben den Thron; mich auf den Götter-Berg setzen 7) im fernsten Nord; will auf Wolkenhöhen aufsteigen, mich dem Höchsten gleichstellen1. 14 Doch zur Unterwelt musstest du hinab, in den tiefsten Abgrund8). 1) Honnnel Gesch Bab 254, Delitzsch Calw Bibellex * 532. 2) Nach Sckrader KAT * 160 Name der Stierkolosse. 3) fünffüssige Verse (Qina). 4) -p« Budde. 5) ps als Name der Se'ol cf p 18 A 1. 6) Die gewöhnliche Übersetzung ,der Völker niederstreckte^ is-t nicht belegbar. d-ij = '-; = rvna. 7) iyiö"in der Versammlungs-Berg, dh doch wol der Ort, wo sich die Götter versammeln, liegt nach der Parallele hoch im Norden; er gilt nach dem Zusammenhange als höchster Berg der Erde und scheint ursprünglich der Nordpol, um den die Sterne kreisen, gewesen zu sein. Indische und eranische Parallelen bei Dillmann Genesis6 48 f [cf auch Jensen Kosm 23, der die -tyto-- n-Vorstellung mit dem Sitze des baby- lonischen obersten Himmelsgottes Anu am Nordpol zusammenbringt] Z. 8) ina ist weder hier (Dillmann) noch überhaupt im AT ein Name' für Grab — in Cisternen hat man nicht begraben — , sondern bezeichnet 133 Wir wissen aus der Tradition der Übersetzungen, dass Helal der Morgenstern ist. Man hat bisher als das Tertiura dieser Vergleichung des Königs von Babel mit dem Morgen- sterne die stralende Macht verstanden. Aber der Prophet selbst sagt ganz deutlich, dass nicht nur dies, sondern zugleich das Fallen vom Himmel der Vergleichungspunkt sei. Jes 14 spielt also auf eine Geschichte an, wonach der Morgenstern vom Himmel herabgefallen ist. Diese Geschichte aber kann nichts anderes als ein Mythus sein. Somit werden wir Helal und Sahar als Eigennamen zu fassen haben. Das folgende ist dann eine kurze Erzählung des Helalrnythus. Helal, Sahars Sohn, war ein gewaltiger Recke, der sich in seinem Übermute vermass, es cEljon gleich zu tun. Er wollte auf Wolken höhen zum Himmel hinauf, höher als alle die andern Gottessterne, auf den Yersammlungsberg, zum äussersten Nord; dort wollte er thronen als König des Alls. Aber das Ende des frevelhaften Plans war: er musste tief in die §6'ol hinunter, eine Leiche über Leichen! — Wir müssen also ergänzen, dass es zu einem Kampfe gekommen ist; entgegengetreten ist ihm doch wol derjenige, dessen Majestät er anzutasten wagte, dh 'Eljon. Dass er in der§e'ol — wenn die obige Conjektur richtig ist — auf Leichen liegt, wird sich so erklären, dass er Bundes- genossen gehabt hat, die vor ihm herabgestürzt worden sind, und auf die er also zu liegen gekommen ist. — In dem Namen Helal ben äahar ist noch deutlich festge- halten, dass es sich um einen Naturmythus handelt. Der Mor- genstern, Sohn der Morgenröte, hat ein eigentümliches Geschick. Hell erstralend eilt er am Himmel empor, aber er kommt nicht zur Höhe; die Sonnenstralen machen ihn erblassen. Diesen Naturvorgang schildert der Mythus als einen Kampf cEljons gegen Helal, der einst zur Höhe des Himmels hinauf wollte, aber zur Unterwelt herab musste. Ganz ähnlich spricht der grie- vielmebr die 5is-;, die als Cisterne, db unten geräumig, oben eng (der .Mund' der -sa ^6916) vorgestellt wurde, rs-j || --2 •/' 304 884f Provli2 Jes 38 18, cf ferner Ez 2620 31 u 32 18. V 887 Jes 14 19 (wo -s -:as corrunipiert ist, wol aus -5_s) etc. In derselben Bedeutung stebt -s- 1' 69 16 5524. Ein andrer Name der r-sr ist wra .Fallgrube' *P 16 10 Job 17i3f Jona 27 V 30 10. 134 einsehe Mythus von dem frühen Tode Phaethons, Sohn der Eos; auch Phaethon ist der Morgenstern '); (DazStov ist seiner Wert- bedeutung nach mit bb*rs (glänzend) identisch. Dass der Mythus nicht israelitischer Herkunft sein kann, liegt wiederum in der Natur der Sache. Besonders deutlich zeigt das der Gottesname p-«bs. Im Babylonischen ist der Name Helal und der Helal-Mythus einstweilen nicht bezeugt 2). Damit ist freilich der babylonische Ursprung nicht ausgeschlossen 3). Wenn babylonisch, würde der Mythus sich wol auf den Mercur beziehen. Im andern Falle würde man etwa auf phönicische Herkunft raten. Auch was sich sonst gelegentlich von Andeutungen an Sternmythen4) findet Job 38aif5), mag man auf babylonischen Ursprung zurückführen; auch dafür ist freilich noch kein Be- weis zu erbringen. Dazu kommen die ,poetischen Recensionen' des Schöpfungs- mythus, die wir im Vorhergehenden gefunden haben ; eine grosse Zahl derselben ist jünger, zT bei weitem jünger als PC; trotz- dem enthalten sie den Mythus in einer viel archaistischeren Form als Gen 1. Man wird diesen Tatbestand am besten daraus erklären, dass der babylonische Mythus zu verschiedenen Malen, zuletzt in nachexilischer Zeit in Israel eingewandert sei. 1) cf Eoseber Lesicon der Griech und Eöm Mythologie I 1269 (Eapp). Ich bitte den Leser zu beachten, dass im Obigen die Gleichung Phaethon-Helal nicht ausgesprochen ist. 2) [Der babylonische Mythus von der , Höllenfahrt der Istär' (Mor- gen- und Abendstern) kann nicht direct, sondern höchstens als ent- ferntere Parallele in Betracht kommen. Auch die .Legende vom Gotte Zu' (Beitr zur Assyriologie II 408 ff) enthält zwei ähnliche Motive, kann aber gleichfalls nicht das directe Prototyp sein.] Z 3) Der -"-* -- von Jes 14 liegt sicher nicht in der Unterwelt, der er ja gerade entgegengesetzt ist. [Über den im Babylonischen äusserst problematischen ,Versammlungsberg' cf Jensen Kosmol 203 ff]. 4) cf im allgemeinen den ausführlichen Artikel , Sterne' von Frdr Delitzsch im Calw Bibellex 2 860 ff. 5) Auch in 1f 196 ,die Sonne geht hervor wie ein Bräutigam aus der Kammer' wird Mythologisches nachklingen: die Braut des »w», bei der er die Nacht verweilt, war wol ursprünglich die Göttin des Meeres. 135 Demnach erkennen wir an einzelnen Spuren, von denen einige sehr zweifelhaft sein mögen, andere aber — besonders die Lilith — ganz sicher sind, dass das Judentum schon im ersten Jahrhundert nach der Deportation dem babylonischen Einfluss nicht ganz widerstanden hat. So erscheint die Frage berechtigt, ob auch die Weltschöpfüngsgeschichte von Gen 1 damals übernommen sei. Viele modernen Forscher werden diese Frage — besonders nach dem obigen Nachweis — kaum mehr für eine Frage halten. Der Stoff ist babylonisch, PC schreibt in Babylonien; was liegt näher, als beides zu combinieren und anzunehmen, dass der Verfasser von PC den babylonischen Mythus übersetzt und über- arbeitet habe? Dann gelangen wir zu einem Tatbestand, wie ihn unsere literarkritische Zeit auch sonst gern annimmt. Es wird alles ganz einfach: nichts weiter als ein Schriftsteller, der von einem andern abschreibt; und der Stoff ist in derjenigen Zeit in Israel heimisch geworden, in der er auch in unsern Quellen zum ersten Male deutlich auftritt. In der Wirklichkeit geht es freilich oft nicht so natürlich1 zu. Wir haben bei der Erforschung der Mythen und Sagen nicht nur mit Schriften und Schriftstellern, sondern bei weitem mehr mit mündlicher Tradition zu rechnen. Und aufs sorg- samste ist überall zwischen der Zeit des ältesten, uns erreich- baren Beleges für einen Gedanken und dem Alter der Idee selbst zu unterscheiden. Auch in unserm Falle entspricht die natürliche1 Annahme dem Tatbestande keineswegs. Wir haben bei Sacharia erkennen können, auf welchem Wege die babylonischen mythologischen Stoffe ins Judentum eingedrungen sind. Die Propheten und prophetischen Männer haben sie sich nicht direct angeeignet, sondern sie haben sie aus der babylonisch-inficierten Tradition ihres Volkes übernommen. Dasselbe gilt ohne weiteres auch für Gen 1 in PC. Ein Mann wie der Verfasser von PC, mit so ausgeprägter und ihrer selbst bewusster, jüdischer Eigenart, hätte niemals einen so stark mythologischen und polytheistischen Bericht, dessen heidnischer Ursprung ihm bekannt war, übersetzt, umgearbeitet und seinem 136 Werke als ersten Abschnitt vorangestellt. Diese, nach moderner literarkritischer Methode angesehen, so einfache Vermutung ist also religionsgeschichtlich ein Ungedanke. Gegen diese Annahme zeugt auch Gen 1 selbst. Das Capitel ist seiner Art nach etwas ganz anderes als eine solche Bearbeitung. Die Berührungen betreffen nicht den Wortlaut, sondern nur ein- zelne Gedanken. Dazu steht in Gen 1 neben babylonischer eine andere — wol phönicische — Tradition im Hintergrunde. Ferner haben wir gesehen, dass Gen 1 selber nicht ein in sich einheitliches Stück ist; das merkwürdige Zusammensein uralter und moderner Züge, dazu noch die dem Stoffe nicht von Anfang an zugehörige Sabbathdisposition lässt auf eine lange Geschichte der Tradition in Israel zurückschliessen. Vor allem aber er- fordert der ungeheure Abstand zwischen beiden Berichten einen sehr beträchtlichen Zeitraum, in dem aus dem altbabylonischen Mythus im Laufe einer grossen Geschichte schliesslich Gen 1 hat werden können. Es spricht also alles dafür, dass wir Gen 1 nicht anders betrachten dürfen, wie PC überhaupt, nämlich als die jüdische Bearbeitung altisraelitischer Tradition. Zu diesem sehr sicheren Schlüsse kommt hinzu, dass sich bei Deuterojesaias Anspielungen an das in Gen 1 Erzählte vorfin- den. — Die alte Kosmogonie, in der nicht die Finsternis, sondern nur das Licht Gottes Schöpfung ist, überbietet der Prophet *) : Der Licht bildet und Finsternis schafft, der Heil hervorbringt und Unheil schafft, Ich, Jahve, bin es, der dies Alles hervorbringt Jes45?. An den Chaosmythus erinnert 45isb 2): Der die Erde gebildet und gemacht; er hat sie festgestellt. Nicht als ein Chaos hat er sie geschaffen, zur Wohnung hat er sie gebildet. 1) Man hat. ehe man vom Babylonischen Genaueres wusste, in diesen und ähnliehen "Worten eine Polemik gegen persischen Dualismus finden wollen. Indess ist sehr fraglich, ob Deuterojesaias die persische Eeligion damals schon gekannt habe: vielmehr ist das Natürliche, hier eine Auseinandersetzung mit dem Babvlonischen. in dessen Bereich der 137 Wir haben hier eine Verbindung von Tohu (Chaos, Wüste) und Schöpfung; auch in der Schöpfungsgeschichte Gen 1 ist Tohu term techn des Chaos. Anderseits ist das, was der Prophet hier vom Tohu sagt, nicht einfach eine Wiederholung der Tradition von Gen 1 1). Der Prophet giebt keine Aussage darüber, ob die Welt vor der Schöpfung ein mn gewesen sei, sondern er behauptet nur das Positive, dass sie seit der göttlichen Schöpfung nicht ein Chaos, sondern zum Wohnen für die Menschen bestimmt ist; er selber würde, wenn er ein vollständiges Schöpfungs- gedicht gesungen hätte, wol überhaupt nicht mehr von einem von Gott vorgefundenen Chaos gesprochen haben. Trotzdem ist der Gedanke und der Ausdruck des Propheten nur als eine Weiterführung der Tradition von Gen 1 verständlich. Da Deuterqjesaias sich sehr häufig mit babylonischen Göttern beschäftigt, kann es nicht auffallen, wenn einzelne Stellen seiner Schrift wie eine absichtliche Polemik gegen babylonische Theogonie klingen. Nach babylonischer Lehre ist der weltherrschende Gott Marduk verhältnismässig spät entstanden; er ist im Besitze der Herrschaft durch das Wort der ,Götter, seiner Täter'; er hat die AVeit geschaffen mit Hülfe der andern. Nicht so Jahve. Vor mir ist kein Gott geschaffen, nach mir wird keiner sein. Ich, ich bin Jahve, ausser mir kein Helfer. Jes 43iob n 2). Ich, Jahve, bin der Eiste, [45 s 48 12 etc. und bei den Letzten bin ich derselbe3). Jes 41 4 cf44e Der den Himmel ausspannt allein, die Erde hinbreitet, — wer war bei mir? Jes 4424b 4). Nach diesen Anspielungen dürfen wir uns die religions- geschichtliche Situation so denken. Deuterojesaias zeigt sich mit der israelitischen Tradition vertraut; anderseits kennt er, da er in Babylonien lebt, Hauptzüge babylonischer Theogonie; die Prophet lebte, zu sehen ef Dillmann Jesaias 409. — Die Verse in Jes 45" sind vierfüssig. 2) fünffüssige Verse. 1) Duhm 320 behauptet sogar, dass es mit Genl2 .nichts zu tun' habe. 2) sechsfüssige Verse. 3) sechsfiissige Verse. 4) sechsfüssige Verse. 138 erstere hat er idealisiert, die letztere von Grund aus verachtet. Die israelitische Schöpfungsgeschichte aber ist ihm keineswegs etwas Neues, sondern eine Tradition aus der Urzeit. Wisst x) ihrs denn nicht? Hört ihrs denn nicht? Ists euch denn nicht von Anfang an kundgetan? Habt ihrs nicht vernommen seit Gründung2) der Erde? Jes402i. Auch hier also ist die Möglichkeit, dass es sich um einen eben erst recipierten heidnischen Stoff handele, ganz ausge- schlossen. Ebenso haben wir bei Ez 29 32 den Mythus angetroffen, hier mit ägyptischen Motiven vermischt, auf den Pharao ange- wandt, in einer Form, die von dem alten Chaosmythus schon so weit entfernt ist, dass wiederum der Rückschluss auf eine lange Vorgeschichte der Erzählung unabweisbar erscheint. So werden wir kein Bedenken haben, auch in Jer 423 — 26 3) eine Anspielung an den Mythus zu sehen: 23 Ich sah die Erde: sie war ein Chaos4), den5) Himmel: der hatte kein Licht. 24 Ich sah die Berge: sie bebten, edle Hügel erschüttert. 2b Ich sah, dass keine Menschen mehr da waren, alle Vögel des Himmels verscheucht. 26 Ich sah den Karmel als Wüste 6), ■all seine Wälder 7) verbrannt 8) vor [dem Gluthauch 9) ] Jahves, vor dem Feuer seines Zorns. Der Prophet schildert mit grauenhaften Zügen die schreck- 1) Vierfüssige Verse. 2) r—z"2 Duhin 273. 3) Sechsfüssige Verse. 4) y.cd l<$oi< ovO-ev = t: wfii. 5) Xach -r-x- steht 23a 24 25 26 der Aceusativ; nur 23b hat der hebr Text bs. Der Sinn fordert den Aceusativ : der Prophet will sagen, was er in der Vision gesehen hat; so auch Targ und vielleicht Vulg. 6) Der Art hat hier keine Statt; eine Vergleichung liegt nicht vor — gegen Giesebrecht. egrjuog = -arm (ohne Art), Vulg desertus. 7) —v Jes 9 17 Jer 21 u. 8) Der yrr: ,reisst' nicht ,um', sondern steckt an. LXX tyntnv- Qiöutvcii tivqC = ssa ipxs ; rto ist Auffüllung. 9) Xach dem Verse fehlt ein Wort, wol rtar, ; nen zusammen mit ru: IIEeg 22 13 17 Xah 16. — Der Text des Abschnittes ist, wie es scheint, ein wenig , aufgefüllt'. liehe Verwüstung des Landes, die der Feind anrichten wird. Es kommt eine Zeit, wie jene am Anfang, wo die Erde im, der Himmel ohne Licht ist, wo kein lebendiges Wesen mehr im Lande sein wird. Das sind unverkennbar Anspielungen an den Stoff von Gen 1 : ,die Erde war ein inai i-n und Finsternis auf der Fläche der =nnn'. Zugleich wird deutlich, dass dem Propheten sowol wie seinen Hörern der Mythus ganz geläufig war. Dass die Propheten auch mythische Stoffe zur Ausmalung ihrer Visionen aufnahmen, haben wir bereits mehrfach constatiert 1). Ferner beobachten wir hier wiederum eine eschatologische "Wendung des Mythus; nach dem oben Gezeigten niuss die Möglichkeit ins Auge gefasst werden, dass die Übertragung des Mythus in die Endzeit schon vor dem Propheten geschehen war. Wir werden also in die vorexilische Zeit verwiesen. Man hat zunächst auf die Zeit der assyrischen Fremdherr- schaft, also auf das Jahrhundert von 730 — 630, geraten 2). Dass in dieser Zeit, wo Juda assyrischer Vasallenstaat war, der Ein- fluss der Cultur des Weltreiches dh der babylonischen Cultur, sehr stark gewesen ist, ist auch ohne weiteren Beleg selbstver- ständlich. Dabei zeugt es freilich nicht eben von Verständnis für die Art, wie die Cultur zu wandern pflegt, wenn man auf eine bestimmte politische Berührung, etwa auf die Gesandtschaft Merodach-Baladans hinweist. Der Einfluss von Cultur auf Cultur und von Religion auf Religion ist nur in Ausnahmefällen an solche einzelnen politischen Ereignisse gebunden ; gewöhnlich vollzieht er sich nicht in einem Momente, sondern in einer ganzen Epoche. Wie gross aber der Eindruck babylonischer Religion auf die Judäer war, ergiebt sich daraus, dass die baby- lonischen Götter nicht nur von den getreuen Vasallenkönigen 1) Die Feststellung dieses Tatbestandes ist für die Erklärung der prophetischen Orakel nicht ohne Wert. Die geschichtliche Erklärung der Propheten wird als eine Hauptaufgabe der Exegese die Vorgeschichte der von den Propheten aufgenommenen Stoffe zu behandeln haben. 2) Budde Urgeschichte 515 f denkt an die Zeit des Ahas; Kuenen ThT XVIII 167ff an die desManasse; Kosters ThT XIX BU an die Zeit des Hiskia (Gesandtschaft Merodach-Baladans). 140 officiell verehrt wurden II Reg 21s 23.5, sondern dass ihr Dienst auch im Volke beliebt war und die deuteronornische Reform, ja selbst die Katastrophe des Staates überstehen konnte Seph 1 5 Jer 7ifl 82 19 13 44 17 — 19 x). 1) Unsere historischen Quellen nennen nicht die Namen, sondern nur die Art der in Juda verehrten babylonischen Götter: es waren Sonne, Mond. Tierkreis und das ganze (übrige) Heer des Himmels IIKeg 23 a. Andere Anspielungen geben Namen: Sakkuth (Beiname des Ninib-Saturn KAT 2 443) und Kewan (Saturn KAT - 443, = assyrisch Kainiänu) aus früherer Zeit, Arnos 526; Tammuz (= Durauzu KAT"2 425) Ez 8 u; fa/ör. r^Vi Jer 44 17— 19 25 (von Stade als .Herrschaft des Himmels' gedeutet, aber wol = malkat sa same Beiname der Istar Schrader Ztsch f Assyr III 353ff IY 74ff) ; ferner die Mazzaloth II Eeg 235 (Ma£ovQw9 LXX. Mazzaroth Job 38 32; nach dem Scholion zu II Reg 23s bei Field die Tierkreisbilder). [Das Wort rihm geht wol zurück auf assyrisches mazzaltu (für mazzaztu V na) , .Standort' der Sterne am Himmel] Z. So ist das erste Gebot Dt 5s = Ex 204 ,weder dess., was oben im Himmel, noch dess, was unten auf Erden, noch dess, was im Wasser unter der Erde ist' zu verstehen: im Himmel sind die Gestirne, auf Erden Menschen. Stiere, Keruben, Schlangen etc: was ist .im Wasser unter der Erde'? Das sind die ,Drachen', die ,Helfer des Rahab' : dh nach babylonischer Anschauung Tierkreisbilder. Dass im babylonischen Cultus Bilder des Tierkreises existiert haben, ist ausdrücklich bezeugt cf die oben p 28 citierten Königsinschriften und das Zeugnis des Be- rossus p 18; zahlreiche Darstellungen solcher Tierkreisbilder sind auf den babylonischen , Grenzsteinen' erhalten, zB West As Inscr Yol Y p 57 cf dazu die Ausführungen von Hommel .die Astronomie der alten Chaldäer' (Ausland 1891). Dies Yerbot bekämpft demnach babylonischen Götzendienst ; stammt also aus einer Zeit, wo die babylonische Religion der Gegner war cf Dt 173 (Götzendienst ist soviel wie — babylonischer — Sterndienst), dh aus dem siebenten Jahrhundert. Ez 87 — 12 wird ein merkwürdiger Cult beschrieben. Wenn man sich durch ein Loch in der Mauer des inneren Yorhofs , durchzwängt' (Dies, nicht , durchgraben' ist die Bedeutung von t-. Das Wort wird gebraucht vom , durchzwängen' durch den ,Mund' der §e'ol Am 92, vom Schiff, das sich durch die Wogen arbeitet Jon 1 13, technisch vom Diebe, der sich durch irgend ein Loch oder eine Spalte ins Haus , zwängt' : r-r-i = Einbruch. Daher erledigen sich die Bedenken Cornills, warum sich Ezechiel durchgrabe, da doch schon ein Loch in der Wand sei.), kommt man an eine Thür, von da in ein dunkles Gemach, an dessen 141 Man glaubt daher guten Grund zu haben, die Übernahme Wänden Götzenbilder-Reliefs angebracht sind. Der Cult, sicher aus- ländisch, ist nach Analogie der folgenden (Tamniuz, Samas) für baby- lonisch zu halten; dazu stimmt die Sitte der Relief-abbildung Ez 23h. Wer sind diese Götzen? Charakteristisch ist, dass sie ,im Dunkeln* verehrt werden, wohin ,Jahve nicht sieht' 12 cf Arnos 93 (y-srrrs r-w aty ist falsch erklärende Glosse) ; also Mächte der Finsternis sind. Der Text nennt sie (nanai e»i oni LXX, vielleicht Glosse Cornill) y-,~ unreines Getier. Unreines Getier, Finsterniswesen und babylonische Götter zu- gleich sind die Chaostiere = die niVtss. So erklärt sich auch, dass alle Wassertiere ohne Schuppen und Flüssen ein Gräuel sind Dt 14 9f Lev 11 9— 12; das sind Wesen, ver- wandt dem r~: des Meeres, =-:-:r ; die andern Wassertiere, mit Schuppen und Flossen, sind o*;--; dieselben sind erlaubt. Ez 8 nennt an erster Stelle ,das Eiferbild* 3 5, das bisher uner- klärt ist. feeo heisst Bild, aber auch das Abgebildete, die Gestalt Dt 4 16. r.x:-r. 3 5 und napan 3 sind Varianten ; LXX tov xtcj/isvou WJVjpn:; man lese rapn Vic Schilf-Gestalt || napn r-- tf'6831. Demnach ist napn '--.z ein Xame des Chaostieres. Abbildungen des Chaostieres sind für Baby- lonien bezeugt cf p 28. Das Chaostier hier zu rinden, empfiehlt sich um so mehr, als das Folgende von dem Tierkreis handelt (5 ist zu lesen: und sieh nördlich vom Thore stand der Altar nana des Schilfs- wesens). Einzelne Cultusriten werden genannt. Der babylonische Cultus geschah auf den Dächern II Reg 23 12 Jer 19 13. Der Sonne waren Rosse und Wagen als Weihgeschenke aufgestellt II Reg 23 11; man erinnere sich an Rosse und Wagen des Phoebus und vergleiche Henoch 72 5 37 753 i 8, bei den Mandäern Brandt Mand Schriften 189. Beim Gebete an die Sonne richtete man sich nach Osten Ez 816. Der Himmels- königin' zu Ehren wurden Kuchen gebacken, die ihre Gestalt trugen Jer 7 18 44 19; sie wurde besonders von Weibern verehrt Jer44i5ff. Den Tammuz beklagten die Weiber Ez 814, cf die Tammuz-Beweinung durch Klageweiber am Schluss der , Höllenfahrt der Istar'. Über den Geheim- dienst der Tierkreisbilder cf oben. Ez 817 ,dass sie den Reisigbündel an die Xase halten' wird her- kömmlich als Cultussitte aufgefasst und mit dem persischen Brauch, den barecina-Büschel beim Gebet an die Nase zu halten, in Ver- bindung gebracht. Solche Heranziehung des Persischen zur Erklärung eines Capitels. das von Babylonisch-Israelitischem handelt, ist allerdings wenig methodisch. Der Zusammenhang legt ganz anderes nahe. Das Capitel schildert die babylonischen Greuel, einen immer noch schlimmer als den andern 6 13 15 ; zum Schlüsse das Ärgste, dass sie Jahves Tempel den Rücken drehen, um die Sonne zu verehren! Das ist frecher Hohn! 142 der Schöpfungsgeschichte in jene Zeit anzusetzen; damals, so wird behauptet, sei auch die Sintflutsage, deren babylonischer Ursprung allgemein zugegeben wird, nach Israel gekommen. — Auch diese religionsgeschichtlichen Ansetzungen sind gegen- wärtig mit literarkritischen Behauptungen verbunden. Budde hat x) in J eine ältere Schicht J 1 constatiert, in der die Sint- flutgeschichte fehlt, und daneben eine jüngere Quelle J2, welche diese Erzählung enthält. Budde vermutet, dass diese zweite Quelle, für welche ,die Anlehnung an die Sage des Zweistrom- landes' charakteristisch ist, aus der Zeit ,freundschaftlicher Be- ziehungen zu Assyrien', dh aus der Zeit des Ahas stamme 2). Es ist zuzugeben, dass in der gegenwärtigen Noahtradition des Jahvisten zwei Sagengestalten zusammengeflossen sind: der Noah des J1, der Ahnherr der Menschen und der Anfänger der Cultur Palästinas mit seinen drei Söhnen Sem Japbet Kanaan, und der Noah des J2, der Heros der Sintflut und der Ahnherr der neuen Menschheit mit seinen drei Söhnen Sem Harn Japhet. Nun folgt aus der Natur der Sache, dass die Sage vom palä- stinensischen Noah früher in Palästina gewesen ist als die ein- gewanderte babylonische; dazu ist aus 92off, wo Harn erst nach- träglich eingefügt ist, deutlich, dass in unserer Genesis der Bericht des J1 auch literarisch dem des J2 vorangeht. Aber daraus darf man nicht etwa folgern, dass die Sintflutge- schichte zur Zeit des J1 in Israel unbekannt gewesen wäre. "Wie- viel uralte Sagen hat der jüngere E, die der ältere J nicht bringt! Ist es ihnen zu wenig, alle diese (eben genannten) Greuel zu tun. die sie liier (im Heiligtum) tun; dass sie es wagen, mich offen zu verhöhnen (indem sie mir den Kücken kehren)? So will auch ich sie nicht mehr ansehen! (17 fz- y-sr rx lsV» -2 ist falsch erklärende Glosse.) LXX xal iSov avrol wg uv/.Tr]oi;ovTtg ; Pes Targ haben ganz richtig hier einen ■Gestus des Hohnes verstanden, den man mit der Nase tut. Der Aus- druck war so stark, dass LXX nicht wörtlich übersetzen. Für r— am las Targ ein Wort, das es nur durch shi-a zu umschreiben wagte, wol r--77- Ez23 20. hier Nasenschleim: für bs ist V"i zu lesen: ,dass sie sich •den Eotz aus der Nase schnauben'. 1) auf Wellhausens Quellenanalyse weiter bauend: die Ansichten der modernen Forscher über diese Fragen findet der Leser zusammen- gestellt bei Holzinger Hexateuch 138 — 160. 2) Budde 515. 143 Ja selbst aus PC erfahren wir noch manche alten Züge, zB das Zeichen des Regenbogens 9sff. Da die Schriftsteller J und E ihre Stoffe nicht erfunden, sondern nur gesammelt und höchstens leise bearbeitet haben l), so ist im allgemeinen aus literarkriti- schen Beobachtungen für die Geschichte des Stoffes selbst nicht viel zu schliessen; die Sagen haben schon vor der litera- rischen Fixierung eine Geschichte in der mündlichen Tradition gehabt, und diese, schliesslich allein wichtige, Vorgeschichte ist durch keine Literarkritik zu erreichen. Demnach ist über die Zeit des Einströinens des babylonischen Materials aus der Beobachtung des Unterschiedes von J1 und J2 überhaupt nichts zu schliessen. Und übrigens ist auch J1 keineswegs von Babylonischem frei; diese Quelle hat nach Budde von Kimrod erzählt; der Ursitz der Menschheit ist bei J1 Sinear cap 11, und auch für seine Paradiesesgeschichte wie für seine Urväterliste 2) darf man babylonische Herkunft vermuten. 80 sind wir für die Beurteilung des Alters der Sintflutgeschichte doch wieder auf religionsgeschichtliche Erwägungen allein an- gewiesen. Da wir den babylonischen Sintflutbericht besitzen, so sind wir in der glücklichen Lage, ihn mit dem biblischen vergleichen zu können. Das Resultat dieses Vergleichs ist, dass bei aller Ähnlichkeit im Einzelnen doch eine unendliche Verschiedenheit zwischen beiden besteht; trotz mancher antiken Züge wie 821 empfindet man deutlich, dass die babylonische Hasisatrasage und der Mardukmythus ihrer Art nach ebenso zusammen gehören wie die Noahsage und Gen 1. Auch hier liegt der Gedanke an direkte Übernahme ebenso wie bei Gen 1 ganz fern 3) ; vielmehr inuss eine Geschichte dazwischen liegen, in der das Poly- 1) Dieser Satz wird wol im Princip von niemandem bestritten werden, wird aber in praxi nicbt selten unbeachtet gelassen, cf p 144 A 2. 2) Die siebengliedrige Urväterliste des J1 (Gen 4) ist der zehn- gliedrigen des PC (Gen 5) verwandt; diese, wie es scheint, der Tradition von den zehn Urkönigen der Babylonier: cf weiter im Folgenden. 3) Die umgekehrte Annahme bei Holzinger 154. der die .totale Veränderung der abenteuerlichen mythologisierenden babylonischen Vor- lagen' nach literarkritischer Manier auf Eechnung des betreffenden Schriftstellers (J-) setzt. 144 theistische so ganz und gar verschwunden, und in der die Poesie zur prosaischen Erzählung geworden ist 1). Dazu kommt, dass wir unsere Sagentradition aus der Hand von Prophetenschülern besitzen. Diese Männer haben zu einer Zeit 2) geschrieben, wo die prophetische Bewegung stark und 1) Einzelnes über die Sintflutgeschichte: Es fällt auf, dass bei PC Gott zuerst den Bau der Arche befiehlt 6u- 16 und dann erst die bevorstehende Flut offenbart 17. Dieselbe Reihenfolge hat auch J ge- habt und — wie Budde 256 geistvoll vermutet — wol durch eine Glaubensprobe Noahs motiviert: zuerst muss Noah das Schiff bauen, ohne zu wissen wozu: dann erst erfahrt er zum Lohne, dass es zur Rettung für ihn und sein Haus bestimmt sei. Dem entspricht in der babylonischen Sage, das Ea dem Hasisatra überhaupt nichts von der Flut verrät, sondern nur den Bau des Schiffes befiehlt, indem er das Weitere der Klugheit seines Günstlings überlässt; dieser Zug ist in der babylonischen Sage durch die Furcht des Ea motiviert, das Geheimnis der Götter einem Menschen zu verraten. — Die babylonische Sage erzählt zum Schlüsse vom Aussenden dreier Tiere, einer Taube, einer Schwalbe und eines Raben. In J lesen wir von vier Tieren, einem Raben und drei Tauben (8 s fehlt im gegenwärtigen Texte eine Zeitbe- stimmung: ,nach sieben Tagen'). Hier sind zwei Varianten zusammen- geflossen, von denen die eine vom dreimaligen Aussenden der Taube, die andere vom Aussenden dreier verschiedener Tiere redete cf Well- hausen Composition 15, Friedr Delitzsch Paradies 157 f. Hierfür spricht die Zweckbestimmung .um zu sehen, ob sich die Wasser von der Erde verzogen hätten' 8, die nach der Natur der Sache an den Anfang der Episode gehört: die Steigerung, dass die Taube zuerst sofort zurück- kehrt y, zum zweiten Male erst am Abend und mit einem Ölzweige n, zum dritten Male aber überhaupt nicht wieder kommt 12, — eine Klimax, die durch die vorausgestellte Geschichte vom Raben, der gleich am Anfange nicht mehr zurückkehrt, gestört wird; schliesslich die Parallele der babylonischen Sage. — Die ganze Episode soll die Klug- heit des ,weisen' Xoah illustrieren, der ohne auf die Erde sehen zu können, doch über die Situation sich zu orientieren versteht. — Die Taube mit dem Ölzweige im Schnabel bedeutet irgend etwas, was wir aus unsern Quellen nicht erkennen. 2) Die modernen Forscher behandeln vielfach die Sagenschrift- steller J und E als Urheber ihrer Stoffe — man vergleiche als Beispiel etwa die Behandlung der Geschichte vom Brudermorde Kains als einer vom Redactor gefertigten Klammer bei Budde 183 ff — und schwanken daher zwischen dem Eindrucke des hohen Altertums der Sagen und anderseits dem ebenso deutlichen Eindrucke der Beeinflussung der 145 selbstbewusst geworden, und wo die Erhabenheit Jahves über die Götter der Völker klar erkannt war. Und diese Männer sollten einen babylonischen Mythus, der eben erst eingewandert war, übernommen haben? Dass sie die alten herrlichen Er- zählungen ihres Volkes sich nicht aus dem Herzen reissen konnten, so wenig dieselben auch manchmal mit den grossen prophetischen Idealen übereinstimmen mochten, ist begreiflich genug. Dass sie dieselbe Pietät fremden Mythen entgegenge- bracht hätten, wäre völlig unverständlich. Und Mythen, die mit dem Götzendienste zusammen eingewandert waren! Ist es doch dieselbe Zeit, da die prophetische Partei gegen die einge- drungene babylonische Religion auf Leben und Tod gekämpft, hat. — Man wird nicht entgegnen dürfen, dass der babylonische Ursprung solcher Mythen sehr bald vergessen war. Sollen die dem Babylonischen offen stehenden Kreise zugleich eine so kräftige Jahvereligion besessen haben, dass das fremdartige Material in kurzem so stark amalgamiert war? Und übrigens hat man allen Grund, von dem Feingefühl, mit dem man in prophetischen Kreisen das ursprünglich-nicht-Jahvistische er- kannte, sehr hoch zu denken J). Demnach ergiebt sich, dass der Satz Kuenens: Je später wir eine solche Entlehnung ansetzen, desto begreiflicher wird sie', nach literarkritischer Methode einen Schein des Rechtes haben mag — erst Ez 14 1420 Jes 54 9 reden von Xoah — , dass aber die religionsgeschichtliche Forschung das Umgekehrte be- haupten muss. Ähnliche Erwägungen wie für die Sintflutgeschichte gelten Schriftsteller durch die Prophetie. Man schliesst zwischen beiden einen beiden gleichermassen ungenügenden Compromiss, indem man J (resp J *) gewöhnlich etwa 850 ansetzt (die Ansichten darüber bei Holzinger 165 ff). Indess sind die Mehrzahl der Sagen viel älter, und die auf uns gekommene Niederschrift, in der z B die Masseben und Aseren eliminiert sind, muss bedeutend jünger sein. Wenn ich demnach geneigt bin, den Abschluss der uns in J erhaltenen Sagenschriftstellerei in das siebente Jahrhundert zu setzen, so stelle ich daneben ausdrücklich die Be- hauptung, dass die Stoffe selbst und auch die mehrfachen früheren Niederschriften, die unserer Sagensammlung J vorausgegangen sind, bei weitem älter sind. 1) cf Dt 12. Gunkel, Schöpfung. 10 146 für die Sagen von Ninirod, vom Paradies und vom babylonischen Turme. Für alle diese Sagen liegt die Annahme babylonischen Ur- sprungs sehr nahe. Nimrod, der gewaltige Jagdriese und der erste mythische König von Babel und Ninive, ist der Natur der Sache nach eine babylonische Gestalt. Man l) hat ihn nicht ohne Grund 2) mit dem babylonischen Xationalhelden Gilgames (ideographisch Gisdubar) identificiert. Auch in der Paradiesesgeschichte weist Einzelnes auf baby- lonischen Ursprung hin 3) : der Garten Eden im fernen Osten, ein Wohnsitz der Gottheit und ein Quellpunkt gewaltiger Ströme, zu denen Euphrat und Tigris gehören, ist sicher keine ursprüng- lich hebräische Torstellung. Die Tradition, dass der Garten im Osten liege, und das Zusammentreffen mit eranischen Mythen4) machen babylonische Herkunft des Mythus wahrscheinlich 5). Die Keruben sind wahrscheinlich babylonische Gestalten 6). 1) zuerst Smith-Deliczsch Chald Gen 150ff. neuerdings Alfr Jeremias Izdubar-Ximrod 1891. 2) Ein Beweis für diese Gleichung ist aus der syrischen (christ- lichen) Schrift ,die Schatzhöhle' zu führen, die auch sonst mancherlei Mythisches erhalten hat — cf zB den Mythus von Be'el-semin, Tamuz und Baltin p 37 (ed Bezold) — . und die p 33 von .Ximrod' Einzelnes erzählt, was der biblischen Sage nicht entnommen ist und mit der baby- lonischen Gilgamesgeschichte übereinstimmt. 3) Friedr Delitzsch Paradies 93: neuerdings Benzinger Hebr Archäologie 111 A 1. 4) Dillmann Genesis0 48f. 5) [Die Construction einer babylonischen Paradiesesvorstellung, wie sie Eriedr Delitzsch ,Wo lag das Paradies?' 1881 unternommen hat, muss als gescheitert gelten. Dagegen beruht die utopistische An- schauung von dem einen Paradieses-Strome, der sich in vier Ströme (Euphrat, Tigris, Xil und persischen Meerbusen (?)) teilt, wol sicher auf der babylonischen Vorstellung, dass der Ort der Glückseligkeit (wo- hin zB Hasisatra versetzt wird), an der .Mündung der Ströme' liegt, dh dort, wo sich Euphrat, Tigris und ferner wol Kercha und Karun in den einen als grossen Strom gedachten persischen Meer- busen ergiessen cf Jensen Kosmol 507 ff: Hommel Xeue kirchl Zeitschr 1891 p 881 — 902; Haupt American Oriental Society's Proceedings, March 1894 p 103 ff.] Z. 6) cf Friedr Delitzsch Paradies 150 ff. 147 Auf babylonischen Denkmälern sieht man häufig1 einen mythischen Baum abgebildet, der wol der Lebensbaum *) ist. Die Erzählung vom Turmbau spielt in Babylonien und hat mehrfach Babylonisches im Auge: die Art des Landes, das eigentümliche Baumaterial, die Yielsprachigkeit des Weltmarktes Jes 13 u Jer 50 s:. das Zusammenarbeiten ganzer Nationen an einem Bau Jer 51.38, vor allem ein uraltes babylonisches Bau- werk, dessen Entstehung die Sage erklären will. Anderseits beweist die Deutung des Namens Babel, die in dem Ganzen der Sage ein wesentliches Stück ist, und die Auffassung des Gebäudes, das eigentlich ein Tempel war, als eines zum ewigen Ruhme der Menschheit errichteten und daher gotteslästerlichen Turmes, dass die Sage nicht unter Babyloniern entstanden sein kann. Es ist zu vermuten, dass sie von Barbaren stammt, denen aber babylonische Dinge nicht unbekannt waren : aus der semi- tischen Etymologie ist zu schliessen, dass es Semiten waren; darnach raten wir auf Aramäer, die in der Xähe von Baby- lonien zelteten *). Wann sind diese Sagen3) nach Israel gekommen? Es erscheint nach dem Vorhergehenden ganz unmöglich, ihre Reception in die prophetische Periode zu setzen. Zugleich sprechen die Sagen selbst für die These, dass sie in viel älterer Zeit in Israel eingewandert seien: . Diese Erzählungen sind 1) cf Sehrader KAT9 28, Jahrb prof Theol I 124 ff; Baudissin Stud II 189f; Lenormant Orig 74f: Delitzsch Paradies 148 f. Die häufig be- sprochene Abbildung eines Siegelcylinders cf Kiehm HW 140G st Sohlan- gen, wo zwei bekleidete Gestalten, von denen die eine gehörnt ist. auf Stühlen neben dem Lebensbaum sitzen und ihre eine Hand nach ihm aus- strecken, und hinter der nicht gehörnten Figur eine Schlange sich rin- gelt, kann sehr wol die babylonische Paradiesesgeschichte darstellen. 2) Diesen Schluss bestätigt der Umstand, dass der Xame baa deut- licher an das aramäische ^^>\f>, als an das hebräische &a anklingt. 3) Zu diesen babylonischen Stoffen der Urgeschichte kommt viel- leicht noch der Urstammbaum hinzu, dem die zehn ältesten Könige Babels entsprechen würden cf Lenormant Comm de Berose 235ff ; neuer- dings Hommel ,The ten patriarchs of Berosus'. Proceedings of the Society of Biblical Archaeology March 1893 p 243—246. Es fragt sich natürlich, ob mit dem Angegebenen das babylonische Material in den ersten Capiteln der Genesis erschöpft ist. 10* 148 sännntlich in einer mehr oder weniger verdunkelten Gestalt auf uns gekommen. Yon der Kimrodsage besitzen wir in der Genesis nur einige letzte Nachklänge, Überreste eines früheren Reichtums. Aber auch die Paradiesesgeschichte enthält einzelne ver- dunkelte Züge: den Garten, der einst der Sitz der Gottheit, die Schlange, die einst ein Dämon gewesen ist; das im gegenwärtigen Zustande fast ganz unverständlich gewordene ,Protevangelium'. Zudem haben wir noch zwei Anspielungen an eine ältere Recension der Paradiesesgeschichte. Das ist zunächst Job 15 if: 1 Bist du als Erster der Menschen geboren und vor den Hügeln gekreisst? 6 Durftest du in Gottes Bat zuhören und stählest1) dir Weisheit? Hier ist der Urmensch noch ein Heros, der vor den Hügeln gekreisst worden ist, den Gott gewürdigt hat, im göttlichen Rate Zuhörer zu sein, und der, nicht zufrieden mit dem Grossen, was ihm beschieden war, noch tiefere , Weisheit' sich ,unter- schlagen' hat 2). Ebenso redet Ez 28 i2ff von einem halbgöttlichen Wesen, das im Paradiese unter prächtigen Steinen gewohnt hat; ohne Fehl war es am Tage seiner Geburt, herrlich an Schönheit und Weisheit, bis sein Frevel an ihm erfunden wurde, und Gott es aus dem Paradiese vertrieb. Das sind Spuren einer älteren Recension des Paradieses- mythus, die weit mythologischer ist als die in Gen 2 f erhaltene. Wir dürfen darnach, so antik Gen 2f uns auch klingen mag, doch auf einen ungeheuren Abstand der biblischen Erzählung von dem ursprünglichen, wol babylonischen Mythus3) schliessen; 1) G- Hoffmann zur Stelle. 2) Yon hier aus fällt auch auf Phil 26 ein Licht. 3) [Der babylonische Adapa-Mythus (cf unten p 151) ist — wie es scheint — dem vorauszusetzenden babylonischen Prototype der biblischen Erzählung vom Urmenschen und seinem Verlust der Unsterblichkeit nahe verwandt. — Die Annahme, dass Adapa als der erste Vertreter der Menschheit zu fassen sei, erhält eine Stütze durch ein in der Bib- liothek Asurbanipals gefundenes, gleichfalls von Adapa handelndes Frag- ment (K 8214), auf welches Sayce, Academy 23 July 1892 die Aufmerk- samkeit gelenkt hat, und das neuerdings Proceedings of the Society 149 einen ähnlichen Abstand, wie wir ihn bei der Schöpfungs- und der Sintfluts-Geschichte zwischen dem Original und den bibli- schen Recensionen constatiert haben. Auch die Turinbausage weist mehrfache Verdunkelungen auf: 11 r redet Jahve zu andern göttlichen Wesen, ohne dass ge- sagt würde, zu welchen; Vers 5 berichtet, dass Jahve zur Erde herabgestiegen sei, Vers of setzen dann voraus, dass Jahve wie- derum im Himmel sei, ohne dass inzwischen erzählt worden wäre. dass er dorthin wieder hinaufgefahren ; auch die Art, wie Jahve dem Bau ein Ende gemacht hat, wird nicht berichtet. So folgt, dass diese Ursagen sämmtlich die Spuren einer langen Tradition an sich tragen ; sie müssen schon geraume Zeit vor ihrer Niederschrift in Israel erzählt worden sein. "Wenden wir diese Ergebnisse nun auf die Schöpfungs- geschichte an. Die Reception des Schöpfungsmythus in unsere prophetische Tradition ist nur erklärlich, wenn derselbe in viel älterer Zeit in Israel eingewandert ist, so dass sein babylonischer Ursprung damals schon seit vielen Geschlechtern vergessen war. Diese durch den Gang der Religionsgeschichte geforderte These wird durch die Beobachtung gestützt, dass die andern baby- lonischen Mythen der Urgeschichte sämmtlich in älterer Zeit von Israel recipiert worden sind. So werden wir auch von hier nach vorwärts verwiesen, auf die Epoche nach der Einwanderung Israels in Kanaan und die ältere Königszeit. Wir haben zu fragen, ob die Annahme baby- lonischen Einflusses in jener Zeit möglich sei? sodann, ob man dem Schöpfungsgedanken ein so hohes Alter in Israel zu- schreiben dürfe? Wenn man bisher von babylonischem Einfluss auf die alt- testamentliche Religion sprach, so dachte man der Natur der Sache nach an die Epochen, in denen wir direkte Berührung Israels mit Babel constatieren : an die exilische und nachexilische Zeit, an die Zeit der assyrischen Fremdherrschaft; die Dilettanten ergiengen sich gern in Träumereien über die religionsgeschicht- of Biblical Archeology June 1894 von Strong veröffentlicht wor- den ist.] Z 150 liehen Verhältnisse jener Urzeit, wo Abraham in Ur-Kasdim weilte. Jetzt aber ist unser Horizont durch einen glücklichen Fund mächtig erweitert. Vor sechs Jahren ist in Ägypten das Archiv Amenophis III. aufgefunden worden. Wir kennen seit- dem Briefe, die die Könige von Babel, Assur und Mitanni mit dem Pharao gewechselt haben, und Berichte der palästinensischen Statthalter an ihren ägyptischen Oberherrn, alle diese Schrift- stücke auf Thon, in Keilschrift, in babylonischer Sprache x). Wir haben damit einen Blick getan in die Verhältnisse Palästinas um 1400, dh zu einer Zeit, ehe es Hebräer in Kanaan gab. Damals war die Herrschaft der babylonischen Cultur in Kanaan schon völlig ausgeprägt; das Babylonische, nicht, das Kanaanäische oder das Ägyptische, ist sogar dem Pharao gegen- über die officielle Sprache der Bewohner Kanaans. [Das bedeutet aber nichts anderes, als dass man um diese Zeit in Palästina, wenigstens bis auf einen gewissen Grad, Kenntnis von der babylonischen Literatur haben musste. Denn schon, um einen solchen babylonischen Brief schreiben zu können, wie wir sie in Menge aus Palästina besitzen, musste bei dem betreffenden Palästinenser eine nicht geringe Beschäfti- gung mit der babylonischen Schrift und Sprache vorausgegangen sein. Das Erlernen von mehreren hundert Keilschriftzeichen nebst ihren Laut- und Sinn- Werten blieb einem solchen schrift- beflissenen Palästinenser ebensowenig erspart, wie einem jeden heutigen Jünger der Assyriologie. Wie man es aber in jener Zeit angefangen hat, um als Ausländer Assyrisch1 zu lernen, können wir aus dem Tell-Amarna-Funde gleichfalls ersehen. Denn neben babylonischen Vocabularien, Zeichensammlungen und ähnlichen Hülfsmitteln, deren man sich zur Erlernung des Babylonischen bediente, fanden sich in Tell-Amarna auch zwei grössere babylonische mythologische Texte, in denen ägyptische Schreiber durch rote und schwarze Punkte die Worttrennungen bezeichnet haben, die also offenbar als ,assyrische Chrestomathie- gedient haben. Durch den Fund dieser beiden mvthischen Texte 1) cf Zimmern, Palästina um das Jahr 1400 v Chr nach neuen Quellen ZDPY XIII (1891) p 133—47; Winckler, Babyloniens herrschaft in Mesopotamien und seine eroberungen in Palästina im zweiten Jahr- tausend, in dessen ,altorientalischen Forschungen' II (1894) 140—158. 151 ist urkundlich belegt, dass in jener Zeit mythische Traditionen von Babylonien in den "Westen gewandert sind. Inhaltlich ist namentlich der eine der beiden Mythen, die Erzählung von Adapa1), wie es scheint, dem Urmenschen, interessant. Die Pointe des Mythus ist, dass Adapa im kritischen Momente das ihm vom obersten Himmelsgotte dargebotene Lebensbrot und Lebenswasser nicht annimmt und dadurch die Unsterblichkeit — wir dürfen wol hinzudenken: für sich und sein Geschlecht — auf ewig verscherzt. Der Adapamythus ist also dem Mythus vom .Sündenfalle' ähnlich.] Z. Durch den Tell-Aniarna-Pund haben wir einen Eindruck von der gewaltigen Macht der babylonischen Cultur in diesen von Babel so weit entfernten Ländern bekommen. "Wir dürfen annehmen, dass die syrisch-phönicische Cultur völlig von Baby- lonischem gesättigt war 2). Wenige Einzelheiten aus der Geschichte der Beligion Kanaans und seiner nächsten Umgebung genügen jedoch, um das zu veranschaulichen. Die Astarte der Kanaanäer und Philister (im Sabäischen cAttar) ist identisch mit der babylonischen Istar und vielleicht rein babylonischen Ursprungs' 3) ; und der Xame ,Berg Nebos* erinnert noch daran, dass dieser Berg einst dem babylonischen Xabü (= Mercur) heilig gewesen ist4). Vieles von der alten Cultur Kanaans wird zu Grunde ge- gangen sein, als die hebräischen Barbaren das Land besetzten. Aber nicht Alles. Die Religionsgeschichte zeigt deutlich, dass die Hebräer in Kanaan sehr stark kanaanisiert worden sind; sie haben nicht nur den Acker- und Wein-Bau, das Bauern- und Städte-Leben, sondern zugleich die Heiligtümer und den Cultus übernommen. Wir dürfen vermuten, dass ein guter 1) Übersetzt und besprochen von E T Harper Beitrüge zur Assy- riologie II 418—425. 2 1 Ed Meyer Gesch des Altertunis I 237ff 252 ; Pietschmann Gescb der Pbönicier 144f; Benzinger Hebr Arebäol 67. 3) Eil Meyer 251 f. 4) Man hat auch den philistäischen Dagon für einen babylonischen Gott erklärt; eine Vermutung, die indess nach Jensen Eosmol 44CJ— 45G sehr zweifelhaft ist. 152 Teil der Genesissagen, namentlich derer, die ursprünglich zu bestimmten heiligen Stätten gehörten, kanaanäischer Herkunft ist. Durch dieses Zusammenwachsen aber mit der früheren Bevölkerung des Landes gerieten die Israeliten indirekt unter babylonischen Einfluss. Und auch in der Folgezeit wird das Babylonische, namentlich durch phönicische und aramäische Ver- mittlung, immer wieder eingewirkt haben, besonders in den Zeiten des Wohlstandes, wo der Palästinenser die Früchte seines Bodens in den phönicischen Handelsstädten und in Damaskus gegen die Erzeugnisse der Weltcultur eintauschte; so unter Salomo, unter Ahab, in der Zeit der beginnenden schrift- stellerischen Prophetie. Einzelnes können wir noch aus unsern so dürftigen Quellen feststellen. Der alte Israelit mass sein Korn und seinen Wein mit babylonischen Massen; er wog mit babylonischem Gewichte1); er berechnete Höhe und Breite seines Hauses nach der baby- lonischen ,Rute' 2). Wie der Babylonier 3) führte auch er Stab und Siegelring Gen 38 is; die charakteristisch-babylonische Sitte, jeden Vertrag zu untersiegeln, war von Babylonien her durch Aramäer und Kanaanäer nach Israel gekommen *). Auch Er- zeugnisse babylonischer Kunstfertigkeit waren in Israel nicht unbekannt. König Ahas hat sich eine Sonnenuhr aufstellen lassen ; die Sonnenuhren sind eine babylonische Erfindung 5). Die Sage erzählt von einem prächtigen Mantel aus Sinear', der die Habgier eines Israeliten reizte Josua 7 21. Der Prophet eifert gegen die neue Mode, in der Sophaecke zu sitzen 6); wir wissen aus den Abbildungen 7), dass dies babylonische Sitte war. 1) , Babylonisches Mass, Gewicht und Geld ist schon im 16 Jahr- hundert v Chr in Syrien verbreitet'. .Für die hebräischen Hohlmasse lässt sich mit Sicherheit Babylonien als Heimat erschliessen'. ,Auch das Gewichtsystem haben die Hebräer von den Babyloniern durch Ver- mittlung der Kanaaniter überkommen' Benzinger 67 181 185; cf auch Nowack Hebr Archäologie I 205 207. 2) r.:~ = babylonisch qanü Benzinger 181. 3) Dies ist charakteristisch babylonisch nach Herodot I 195 Strabo 16 1 20 cf Xowack I 129. 4) Benzinger 258 Nowack I 262. 5) Herodot 2 109. 6) Arnos 3 12. 7) cf zB das Marmorrelief .Asurbanipal mit der Königin in der Weinlaube', reproduciert bei Hommel Gesch Bab und Ass 697. 153 Auch auf dein Gebiete der Religion können wir babylo- nische Beeinflussung constatieren. Die Israeliten, die zur Astarte abfielen, nahmen damit die Verehrung einer, wie es scheint, ursprünglich babyionischen Göttin an. Aber auch in den Jahvedienst ist zu jener Zeit Babylo- nisches gedrungen. Der Tempel Salomos war durch phönicische Werkmeister erbaut worden; seine Construction und seine Ausstattung wird nach den damals gebräuchlichen phönicischen Mustern geschehen sein. So stehen vor dem Tempel Jahves nicht anders als im Melkarttempel von Tyrus zwei Säulen1), jedenfalls kosmologi- scher Bedeutung2); ebenso stammen aus dem Heidentum die mannigfachen Ornamente, mit denen das Gebäude geschmückt war, ursprünglich Embleme der Xaturreligion. Unter diesen phönicischen Symbolen sind nun eine ganze Reihe solcher, die auch in Phönicien nicht zu Hause, sondern dorthin von Babylonien aus eingeführt worden waren. Kosters 3) hat vermutet, dass das eherne ,Meer eine ur- sprünglich babylonische Darstellung der Tehom sei 4) ; diese Ver- mutung wird neuerdings durch babylonische Inschriften bestä- tigt5), wonach Urninä, König von Lagas, ein grosses und ein kleines .Weltmeer' (apsü) erbaut, und Agum neben einem .Drachen'-Bilde ein ,Meer (tämtu) aufgestellt hat. Auch die Form des ,Meeresk wird auf babylonische Vorbilder zurückgehen und durch die Natur der mythologischen Anschauung, die es dar- stellte, motiviert sein. Die zwölf Rinder, die — wie ausdrück- lich hinzugefügt wird — nach den Himmelsrichtungen aufge- stellt waren, müssen irgendwelche Beziehung zu den zwölf Tierkreisbildern haben. 1) Nowaek II 34. 2) Das wird durch den Umstand, dass sie Namen tragen, be- wiesen. Einfache Masseben oder gar nur technisch notwendige Pfeiler" sind es also nicht. 3) ThT 1879 p 445 ff. 4) Die Angabe II Chron 4e. dass es- ein "Waschfass für die Prie- ster gewesen sei. ist nach der Gestalt, der Ornamentik und dem Namen des .Meeres' eine spätere Zurechtlegung. Das .Meer' = das Urnieer cf Job 7 12 38s etc. 5) Schrader KB III 1 Hälfte p 13 143 ; cf oben p 27 f. 154 Ganz ebenso wie das Meer sind auch die zehn Tempel- leuchter zu beurteilen ; auch diese sind eine cultische Darstellung einer kosmologischen Anschauung, und auch für diese ist baby- lonische Herkunft sehr wahrscheinlich l). Schliesslich sind auch die Keruben des Tempels wahrschein- lich babylonische Figuren 2). So sehen wir also an der einzigen Stelle, wo uns alt- hebräische Cultussymbole einmal genauer beschrieben werden, wie stark der Einfluss des Babylonischen auf das alte Israel gewesen ist. Dabei ist zu beachten, dass unter den übernommenen Dar- stellungen mehrere kosmologische Symbole auftreten; die baby- lonische Kosmologie muss demnach grossen Eindruck auf die vorderasiatische Welt gemacht haben. Das lässt sich noch im Einzelnen zeigen: auch das alte Israel weiss von dem grossen Ocean, der die Länder umfliesst 3) und unter der Erde lagert4); auch in Israel redet man von dem Wasserbehälter über dem Himmel und von dem dunkeln Lande der Toten, der bis«;. Das sind babylonische Vorstellungen 5) ; in Israel gehören diese Gedanken zu den ältesten Traditionen 6j. Wir werden sie nach dem Obigen für entlehnt erachten. 1) Das oben (p 124 — 130) gegebene Verständnis des siebenarmigen Leucbters sowie die dort ausgesprochene Vermutung seines babyloni- schen Ursprungs wird durch die Parallele des ,Meeres' aufs neue be- stätigt. 2) Die eberne Schlange, die im Tempel stand und einen ":~ dar- stellte, hat im Babylonischen ein Gegenstück Schrader KB III 2 p 23 35, besonders p 73 (wo die Schlangenbiider gleichfalls aus Bronze sind). Im Babylonischen stehen solche Bilder an den Tempeltoren: diese Schlangen sind also Wächter der Gottheit, ebenso wie die Sarafen von Jes 6. 3) y-sr —rs cf oben p 46. 4) nrwi rzz- z-rr Gen 4925 cf Arnos 7 4. 5) [cf zum letzten Punkte A Jeremias die babylonisch-assyrischen Vorstellungen vom Leben nach dem Tode; wenn auch (cf Jensen Kos- mologie 215 ff) der Name rs-J für die Toten weit im Assyrischen noch nicht mit Sicherheit nachzuweisen ist.] Z 6) Schilderungen der Se'ol sind uns hauptsächlich in späteren Schriften erhalten; daraus ist indess keineswegs zu folgern, dass diese Anschauung erst spät in Israel bekannt geworden sei. Eine Keihe von 155 Auch von einer hebräischen Cultusinstitution lässt sich babylonischer Ursprung behaupten, von der siebentägigen Woche und dem Sabbath 1). Die siebentägige Woche 2) hat ihren Sitz in Babylonien. Und der Name ,Sabbath; als Bezeichnung eines heiligen Tages ist bei den Babyloniern nachgewiesen 3). In dieser Zeit sind nun auch eine ganze Beihe von baby- lonischen Mythen übernommen worden, die Erzählungen vom Paradiese, von der Sintflut, vom Turmbau und von Ximrod. Ebenso muss der Mythus von der goldenen Zeit, den wir bei Jesaias gefunden haben, und dessen babylonischen Ursprung wir vermuten dürfen, damals zu Israel gekommen sein. Demnach ist das Resultat : Schon in ältester Zeit hat Israel unter babylonischem Einflüsse gestanden; wir können Einwir- kung auch babylonischer Religion constatieren ; und grade die Übernahme von Urmythen ist in jene Periode anzusetzen. Von hier aus steht also der Annahme, dass der Schöpfungsmythus in ältester Zeit übernommen sei, nichts im Wes'e. alten Stellen spricht von der rs-j zB Gen 37 35 I Beg 2 6 I Sani 28 Arnos 92 Jes 5u 7n 294 Hab 2s ; und diese Aussagen stimmen so sehr mit den aus späterer Zeit erhaltenen überein, so dass wir nicht einmal das Eecht haben, eine , ältere und jüngere Auffassung der Scheol' zu unterscheiden (gegen Smend 549 Duhm Jesaia 94 f). Auch hier wird man sich vor Überschätzung des Literarkritischen zu hüten haben. 1) cf Lotz Quaestiones de historia sabbati und neuerdings Jensen Sunday School Times (Philadelphia) January 16, 1892. 2) Das wird dadurch nicht alteriert, dass die Babylonier die Woche ein wenig anders berechneten als die Hebräer: in Babylonien wurde jeder Monat in vier Wochen von sieben Tagen geteilt; bei den Hebräern gieng der Sabbath, unabhängig vom neuen Monateanfang, seine eigenen Wege. 3) Sabattu wird erklärt als um nuh libbi dh Tag der Beruhigung des Herzens (der Götter). Dass der Sabbath im Babylonischen also ein A'er- söhnungstag, im Hebräischen dagegen ein Buhetag ist, beweist durchaus nicht gegen die ursprüngliche Identität der beiden; vielmehr lässt sich sehr wol ein religionsgeschichtlicher Zusammenbang zwischen diesen beiden Auffassungen denken. Welcher Tag der babylonische Sabbath war, steht noch dahin. — Übrigens hat man, wenn man babylonische religiöse Institutionen, die von Israel übernommen sind, untersuchen will, von vorne herein zu erwarten, dass die mit der Institution ver- bundenen Gedanken in Israel wesentlich andere geworden sind. 156 Die Frage, warm der Schöpfungsinythus übernommen sei, ist ferner mit dem Alter des Schöpfungsglaubens in Israel verknüpft. Während man früher für selbstverständlich hielt, dass dieser Glaube zu den ältesten Fundamentalgedanken der alttestament- lichen Eeligion gehöre, ist man neuerdings geneigt, ihn der älteren Zeit abzusprechen; ja wol gar ihn für exilisch zu halten1). Für die letztere Annahme scheinen allerdings starke Gründe zu sprechen. Seit Deuterojesaias ist dieser Gedanke das erste Wort der jüdischen Religion; die nachexilischen Bücher sprechen ihn auf jeder Seite aus. Wer vom Judentum nun zu den vorexilischen Schriften kommt, ist überrascht, hier von der Schöpfung so wenig zu hören. In den alten Sagen — abgesehen natürlich von Gen 1 2 f — spielt die Schöpfungsidee keine Rolle ; bei den Propheten ist sie jedenfalls kein Hauptgedanke; bei einem Je- saias ist sie nicht belegt! Xoch gravierender ist, dass eine Reihe von Prophetenstellen, die sie enthalten, mit grösserer oder geringerer Sicherheit als Glossen in Anspruch zu nehmen sind 2) ; denn diese Glossen zeigen, dass die spätere Zeit bei den alten Propheten einen Mangel bemerkt hat, den sie zu ergänzen bestrebt war. Ferner ist sehr begreiflich, dass die modernen Forscher den Schöpfungsglauben keineswegs als einen selbstverständlichen Ge- danken der alten Yolksreligion betrachten. Yon dem Gotte, der in dem Baume oder der Quelle wohnt, aber auch von dem Gotte, der Israels Heer-bann voran in den heiligen Krieg zieht, bis zu dem Gotte, der Himmel und Erde geschaffen hat, ist gewiss ein weiter Schritt. Trotzdem würde der Schluss, dass erst das Exil in Israel den Glauben an die Schöpfung gezeitigt habe, zu vorschnell sein. Unsere Quellen lehren uns, dass er erst damals ein Haupt- gedanke der Religion geworden ist. Aber nicht mehr. Trotz- dem kann er sehr wol früher bestanden haben. Man wird gut 1) So leitet Stade ihn von Deuterojesaias ab, Geschichte des Volkes Israel II 73. 2) Es sind Arnos 4 13 5sf 9sf (Duhm), Jer 5 22b (Stade ZAW III 15 f beanstandet 20 — 22: indess wird 22a und damit auch 2of durch den Gegensatz von 23 ff als echt erwiesen. Über diese Glosse cf unten p 161 f.) 10 uf 3135—37 32n-23 (Stade). 157 tun, in einer so complicierten Religionsgeschichte wie der Israels,, von der uns im Grunde so wenig bekannt ist, mit solchen com- plicierten Fällen zu rechnen. So ist auch der Gedanke, dass Gott im Himmel wohne, erst im Judentum stark hervorgetreten, als eine Versinnbildlichung der Transeendenz der Gottheit. Trotzdem ist er aus der ältesten Zeit belegt Gen IIa 28 12 I Reg 22 19 cf Gen 1924 etc; aber damals war er in seiner Wir- kung beeinträchtigt durch den viel eindrücklicheren, dass Jahve ganz in der Nähe, mitten im Lande, in seinen heiligen Sym- bolen Wohnung aufgeschlagen habe. So hebt also der litera- rische Bestand, nach dem wir erst vom Exil ab häufiger von der Schöpfung hören, die Möglichkeit, dass dieser Glaube schon in viel älterer Zeit in Israel bekannt gewesen sei, nicht ohne wei- teres auf. Ferner ist gewiss, dass der Begriff des Schöpfergottes von dem Yolksgott und dem Gott der Natursymbole einigermassen ab- sticht. Aber dies wäre nur dann eine unüberwindliche Schwierig- keit, wenn die Religion Israels eine einfache Religion wäre, die sich ganz aus sich selbst entwickelt hätte. In Wirklichkeit ist sie schon in der für uns ältesten Zeit das Product einer Ge- schichte; sie hat entscheidende Motive aus der Religion Kanaans aufgenommen; sie ist deshalb schon zu der Zeit, wo unsere Quellen einsetzen, eine complicierte Erscheinung: auch der Jahve des Steins von Bethel und der Gewitter- und Schlachten- Jahve sind nicht einfach identisch. Wenn hier also ein neuer Zug hinzukäme, der von den übrigen einigermassen absticht, so wäre das nicht sonderbar: er ist eben aus der Fremde zu den andern hinzugekommen. — Oder ist der Schöpfungsgedanke für das alte Israel uner- schwinglich gewesen? Ich fürchte kaum, dass man diese Behauptung wagen möchte. Wir finden ihn bei Babyloniern, Ägyptern, Phöniciern, Griechen. Sollen wir uns das alte Israel etwa zur Zeit eines Elia so roh vorstellen, dass es einen solchen Gedanken nicht hätte fassen können? Vielmehr sind wir noch im stände, die Punkte zu bezeich- nen, an die sich in der alten Religion der Schöpfungsgedanke anschliessen konnte. Viele ätiologische Sagen beweisen uns, 158 dass man schon in sehr alter Zeit nach den Gründen der Dinge zu fragen liebte: woher kommt jener Baum, diese Quelle, jenes merkwürdige Gestein; woher die Sehnsucht des Mannes zum Weibe ; woher das gegenwärtige Schicksal der Völker, und vieles andere mehr. Unter -solchen Fragen treten nicht selten auch kosmologische auf; man fragte, woher die Quellen kommen, und sprach von einem grossen Meere drunten; woher der Regen, und redete von mächtigen Wassern über dem Himmel, von himmlischen Fenstern und Schleusen; oder man fragte, wohin die Toten gehen, und antwortete: in die Öe'ol; oder warum der Himmel so fest stehe, und antwortete, indem man von den Säulen des Himmels fabelte; oder was das Gewitter sei; der Donner ist der Kampfesruf des Gottes, die Blitze seine Pfeile, der Regenbogen sein Kriegsbogen, den er nach dem Ge- witter zur Seite stellt. Dass die letzte Frage, woher ,dies Alles* und wir selbst stammen, in Israel unmöglich gewesen wäre, wird man darnach nicht behaupten können. Auf eine solche Frage aber konnte im alten Israel keine andere Antwort gegeben werden , als diese , dass Jahve ,dies Alles' gebildet habe. Auch diese Antwort liegt von dem son- stigen Denken des alten Israeliten durchaus nicht weit ab. Jahve war es, der ,über Sonne, Mond und Sterne gebot ; er Hess die Winde wehen, er Hess es donnern, blitzen und regnen und verschluss den Himmel, wenn es ihm beliebte'1). Wer anders soll ,dies Alles' gemacht haben, als Jahve? ,Wenn nicht, wer 4enn?'2) So folgt, dass der Schöpfungsgedanke dem alten Israel die selbstverständliche Antwort auf eine naheliegende Frage war. und dass ein Mythus, der die Schöpfung Himmels und der Erden durch die Gottheit berichtete, dem alten Israel verständ- lich und plausibel sein musste. — Die Stimmung, mit der man sich einen solchen Mythus erzählen mochte, können wir noch aus dem babylonischen My- thus ebenso wie aus den «poetischen Recensionen' im AT er- kennen. Seiner Form nach war er ein Hymnus auf Jahve. Man citierte ihn in Bewunderung für Jahves grosse Macht und 1) Smend 110. 2) Eine ähnliche Argumentation bei Job 924. 159 Weisheit, zugleich in dankbarer Verehrung des guten Gottes, der aus Nacht und Graus des Chaos diese gute und schöne Welt geschaffen. Dabei tritt aber nicht nur im babylonischen Mythus, sondern auch in den .poetischen Recensionen' die Über- windung des entsetzlichen Chaosungetüms stark in den Torder- grund. Man wird annehmen dürfen, dass dies auch in älterer Zeit in Israel schon ebenso gewesen sei. Die Schilderung von Jahves Kampfe mit dem Ungeheuer war bei weitem anschaulicher und daher auch begeisternder als der abstrakte Gedanke, dass Jahve der Schöpfer sei. Dass Gott die Welt geschaffen, ist nach modernen Begriffen das Grösste, was die alte Eeligion von Jahve zu sagen ver- mocht hat. Trotzdem wird man gut tun, den Gedanken der Schöpfung für die alte Zeit nicht mit zu grossem Pathos aus- zustatten. Das alte "Volk, dessen Interesse ganz wesentlich auf Kanaan und seine nächste Nachbarschaft beschränkt war, dachte, wenn es von der Schöpfung von .Himmel und Land' hörte, zu- nächst an das Land Kanaan und an Kanaans Himmel; die Sonne, die Jahve an den Himmel gestellt hat, ist die Sonne, die unsere Fluren bescheint. Und der Gedanke, dass Jahve dies Alles in der Urzeit gebildet hat, stand nicht so weit ab von dem, dass Jahve es ist, der den befruchtenden Regen über den Acker schickt, und der mit seinem himmlischen Heere, den Sternen, Israels Kriegsschaaren zu Hülfe kommt. Dass Jahve, der Schöpfer Himmels und der Erden, unendlich viel mehr sei als Jahve, der Gott Israels, war der Antike nicht deutlich. Ferner wird man die Bedeutung des Schöpfungsglaubens innerhalb der alten Religion nicht überschätzen dürfen. Es war jedenfalls nicht ein Gedanke, von dem sie lebte; sonst würde sein Fehlen in den alten Sagen ganz unerklärlich sein. Die Religion lebte überhaupt viel weniger in den Geschichten aus der Urzeit, als in der Gegenwart: die fröhlichen Erntefeste, die grossen Jahvekriege, das sind Motive aus der alten Religion. Jener Schöpfungsmythus aber war eine alte Geschichte, eine Geschichte neben den andern, die man sich erzählte. Hienach würde also die religionsgeschichtliche Bedeutung des Schöpfungsmythus ähnlich wie die der Paradiesesgeschichte zu beurteilen sein. Man hat auch die Bedeutung der letzteren 160 für die alte Zeit bei weitem überschätzt, indem man, der Sitte der Kirche folgend, im Zusammenhange mit ihr die ganze alt- testamentliche ,Anthropologie' behandelt hat. Gegenwärtig er- kennt man, dass der Paradiesesmythus durchaus nicht ein Fundament der alttestamentlichen Frömmigkeit gewesen sei; das erste Citat findet man bei Ezechiel. Trotzdem ist diese Erzählung uralt; nur dass sie in alter Zeit nicht die Bedeutung besessen hat, die sie erst im spätesten Judentum durch ein neues Aufleben der Adamspeculationen erhalten sollte. So Hesse also sich der Schöpfungsgedanke sehr wol in der alten Zeit vorstellen, ohne dass dadurch das Bild der israeli- tischen Religion, wie es Wellhausen gezeichnet hat. wesentlich verändert würde. Ebenso ist auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, an dem Alter des Schöpfungsgedankens festzuhalten, trotzdem er sich bei den vorexilischen Propheten so selten *) constatieren lässt. Zunächst ist festzustellen, dass es fehlerhafte Methode sein würde, aus den prophetischen Schriften ein Compendium des religiösen Stoffes ihrer Zeit zusammenzustellen. Denn die Pro- pheten sind keine Theologen, sondern praktische, mitten im Leben stehende Prediger. Sie haben es zu tun mit ihrem "Volke, dessen Sünden sie strafen, dessen Mut sie beleben; sie reden von den Ereignissen , die Jahve für die nächste Zukunft be- schlossen hat. Von den Geschichten der Vergangenheit mögen sie gelegentlich sprechen, sofern sie daraus für die Gegenwart eine Lehre ziehen können. Aber ex professo behandeln sie dergleichen Stoffe nicht. Dass wir von der Patriarchensage, von der Sintflut, vom Paradiese und auch von der Schöpfung so wenig aus den älteren Propheten hören, beweist also nicht, dass sie diese Erzählungen nicht gekannt hätten. Und was sollte die Schöpfung lehren? — Die Schöpfungs- idee war ein Stück der Naturbetrachtung. Der Beruf der Pro- pheten aber war es nicht, die Erscheinungen der Natur, son- dern die Erlebnisse ihres Yolkes zu deuten; sie reden von dem Gott der Geschichte. Es ist daher kein Zufall, dass uns so 1) Für gesichert halte ich nur Jer 27 5. 161 wenig von kosrnologischeni Stoffe bei den Propheten erhalten ist; und mit dieser Erscheinung zusammen ist auch das Fehlen des Schöpfungsgedankens zu verstehen. Nun führt allerdings in der späteren Zeit eine Brücke von der Kosmologie zur Geschichtsbetrachtung; den Späteren ist es sogar das erste Dogma der Religion, dass der Gott Israels derselbe wie der Gott der Schöpfung sei. Demnach ist aus der seltenen Bezeugung der Schöpfungsidee bei den älteren Propheten zu entnehmen, dass eben jene Brücke in der älteren Zeit gefehlt habe. Wir mögen uns vielleicht darüber wundern : einem Manne wie Jesaias, dem die Grösse der Welt völlig deutlich war, der mit der ganzen Kraft seiner Seele an Jahve als den Herrn auch der fernsten und mächtigsten Völker glaubte, wäre der Schöpfungsgedanke nach unsern Begriffen der Schlussstein seines Gedankengebäudes gewesen; und trotzdem fehlt er. Man kann daraus lernen, dass die Verbindung der beiden, ihrer Natur nach getrennten Gebiete, der Kosmologie und der Geschichtsbetrachtung, nicht so selbstverständlich ist, wie es uns erscheinen mag. Den älteren Propheten war die Schöpfung ein weit entlegener Gedanke: wollte man Jahves Macht über Israel aus der Vergangenheit erweisen, so lag es viel näher, etwa auf die Auszugsgeschichte dh auf die Schöpfung Israels hinzudeuten ; und wollte man zu demselben Zwecke an Jahves Macht über die Natur erinnern, so gab es viel fasslichere und eindrücklichere Beispiele als die alte Erzählung von der Schöpfung der Welt. Ein höchst lehrreiches Beispiel für diese Art der alten Prophetie ist Jer 5 20 ff. Der Prophet droht, dass Jahve keinen Regen senden werde; ,Israel ist ein Narrenvolk, ohne Verstand, wenn es den Gott nicht fürchten will, der Macht hat über Früh- und Spätregen und die Zeiten der Ernte-. Solcher Ver- weis war eindrücklich genug; denn wenn es keinen Regen giebt, muss man hungern *). Erst die Späteren haben solchen Macht- 1) Daher ist die Drohung des Miswachses sehr häutig; zB Jes li9f: 19, Wenn ihr willfährig seid und guten Rat annehmt, sollt ihr das Land essen; 20 wenn ihr aber widerspenstig seid und euch weigert, kriegt ihr Dürre zu essen. (So ist nach den r::---Versen abzuteilen ; ants swo auf gute Worte Guukel, Schöpfung. H 162 beweis Gottes nicht für genügend befunden und den Hinweis auf die Schöpfung des Meeres daneben gestellt *). Die ältere Zeit hätte kaum gewusst, was Jahves Macht über das Meer in solchem Zusammenhange besagen solle : . was hat Israel von dem Meere zu fürchten oder zu hoffen? Von der Schöpfung der Welt redet der alte Prophet höch- stens, wenn er fremden Völkern im Namen Jahves verkünden will, wem die Weltherrschaft gehöre; dann heisst es: ich habe Erde, Menschen und Tiere geschaffen, und kraft der Vollmacht, die ich über meine Geschöpfe habe, hat es mir gefallen, alle Länder dem Könige von Babel zu verleihen. So gehorchet ihm, ihr Völker; denn ihm gehört die Welt 2). So redet man zu Heiden; Israel gegenüber kann man viel eindrücklicher sprechen ; denn es ist Gott ganz anders verpflichtet und ganz anders in Gottes Hand. Schliesslich ist noch daran zu erinnern, dass der Schöpfungs- gedanke damals in uralten Jahvehymnen seinen Sitz hatte, die wir uns nach Art der ,poetischen Recensionen' , nur viel- leicht noch archaistischer, denken müssen. Diese Hymnen werden damals sehr stark mit Mythologie versetzt gewesen sein und ihren heidnischen Ursprung an der Stirn getragen haben: man denke nur an das ,Wir noch in Gen 1. Die Propheten waren gross genug, auch einmal einem solchen Stoff eine poetische Anschauung zum Zweck der Ausmalung einer Vision zu ent- nehmen; im übrigen werden sie eine gewisse Scheu vor solchen heidnischen Geschichten gehabt haben. Diese Stimmung änderte sich erst, als diese Mythen durch Volk und Prophetenschüler stark hebraisiert vorlagen. Im Exil hat der Schöpfungsgedanke dann die gewaltige Be- deutung bekommen, die ihm von da an eignet. Wir vermögen die Gründe zu erraten: die Welt hatte sich den Menschen jener Zeit gewaltsam aufgetan; sie sassen jetzt selber in einem Lande? das ihnen bisher als Ende der Erde erschienen war. Israels Geschick war nun mit dem Schicksal der ganzen Welt un- trennbar verbunden: Israels Befreiung musste zugleich der Sturz Babels, eine Erschütterung der Völker der Welt sein. hören, wie sonst nxs 3*2?; das Land essen cf Gen 3 17 Jes 17; z-h Dürre, Miswachs). 1) Jer 522b ist spätere Glossse. 2) nach Jer 27 5— 11. 163 Es genügte nicht mehr, bei Jahve zunächst an den Herrn über Israel und Kanaan zu denken; er musste mehr sein, wenn man an ihm nicht verzweifeln sollte. Dazu kam, dass den Juden in Babylonien eine Religion gegenüberstand, die als die Religion der Cultur und des Weltreiches einen gewaltigen Eindruck auf sie machen musste, und dass diese Religion mit dem Anspruch auftrat: Marduk, Babels Gott, ist der Schöpfer der Welt. In dieser Zeit hat ein Deuterojesaias — ich habe kein Be- denken, diesen heroischen Gedanken einem Heros zuzuschrei- ben — den alten Schöpfungsgedanken aufs neue entdeckt. In brausenden Hymnen hat er den Gott gefeiert, der .alles dieses' gemacht hat und darum auch über alles dieses herrscht. Weil Jahre der Schöpfer ist, ist er auch der Allmächtige; ihm darf man glauben, wenn er jetzt verheisst, sein Volk vor den Augen aller Welt herrlich zu verklären. ,Jahve der Schöpfer das ist der sichere Anker aller Hoffnung Israels, der herrliche Trost für all sein Leid , der feste Punkt in dem Wandel alles Mensch- lichen. Und von nun an schallt es durch die Jahrhunderte: ich glaube an Gott, Allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erden. Hiernach haben wir das Resultat gewonnen: Schon in der ältesten palästinensischen Zeit Israels ist babylonischer Einfluss wirksam gewesen. Man hat keinen Grund, den Schöpfungsgedanken in Israel der älteren Zeit abzusprechen. — Nachdem sonach die scheinbar entgegenstehenden Instanzen fortgeschafft sind, ist der Weg für positive Beweisführungen gebahnt. Die Existenz des Schöpfungsgedankens wird für die pro- phetische Zeit bewiesen durch Jer 27 a); für die vorprophetische durch den Schöpfungsmythus des J Gen 2 und durch den Tempel weihspruch I Reg 812 a): Die Sonne hat er an den Himmel gestellt 3), Jahve selbst hat wohnen icollen im Dunkeln. 1) cf p 162. 2) seehsfüssig. 3) von Wellkausen nach LXX reconstruiert. 11 164 Ob der Vers von Salonio herrührt, kann uns hier gleichgültig- sein; jedenfalls gehören die Worte, die nach LXX aus dem ■vsn -iso stammen, und nach denen Jahve im Dunkel des Ady- ton wohnt, in sehr frühe Zeit. Das Alter des babylonischen Chaos-Schöpfungs-Mythus in Israel folgt einmal aus Jer 4-23 — 26 und Jes 17 12— 14, woselbst der Mythus schon in eschatologischer Wendung auftritt ; sodann aus der Anspielung an den Mythus Jes 30 t, wo der Prophet Ägypten das ,geschweigte Chaos' nennt; ausserdem aus der Exi- stenz einer Reihe von mythologischen und kosmologischen Vor- stellungen, die ursprünglich mit dem Chaosmythus zusammengehö- ren: so redet Arnos 93 von der Schlange im Meeresgrunde, über die selbst Jahve Macht hat; ganz geläufig sind dem alten Israel die Vorstellungen von den Wassern über der Feste l) und den Was- sern unter der Erde 2) gewesen. Wenn es dabei von der Tehom heisst, dass sie drunten ,lagere' 3), so klingt noch die Anschauung, dass Tehom ein Ungetüm sei, nach; derselbe Ausdruck wird von dem ,Drachen' Ez 293 gebraucht. Ein chronologisches Datum für das Alter des Mythus ge- winnen wir aus der Nachricht, dass Salomo im Tempel ein ,Meer' aufgestellt habe. Im Vorhergehenden 4) ist gezeigt wor- den, dass dies cultische Symbol babylonischer Herkunft ist; die babylonischen Namen beweisen, dass es eine Darstellung de& Urmeers war. In Babylonien wird ein solches ,Meer' in dem Heiligtum des Marduk5) aufgestellt; man symbolisierte damit die Macht Marduks auch über Tiäruat. Der Künstler stellte also mit diesem Symbol denselben Gedanken dar, den der Schöpfungs- mythus in Worten ausspricht. Demnach gehört das cultische Symbol des Meeres, die kos- mologische Vorstellung vom Weltmeer und der Chaosmythus in Babylonien zusammen. Nun kann man ein cultisches Symbol sehr wol besitzen oder übernehmen, ohne den ursprünglichen Sinn desselben zu 1) zB Gen 7 11b (PC, aber uralter, noch poetischer Zug) Dt 28 12. IIKeg 72. 2) Arnos 74 Gen 4925. 3) r-r rss- =-rr Gen 4925. 4) cf p 153. 5) cf Schrader KB III 1 p 143. 165 verstehen *). So wäre aus dem ,Meere' Salomos allein noch nicht die Existenz des Chaosmythus für Israel zu erschliessen. Anders aber liegt die Sache in diesem Falle, wo wir bereits aus anderen Quellen constatiert haben, dass die Anschauung vom Weltmeer dem alten Israel bekannt gewesen ist. Dazu kommt noch, dass eine religiöse Betrachtung des .Meeres' einem Volke verständlich sein musste, das gewohnt war, die Gottheit an den Quellen zu verehren, und das in eben diesen Quellen ,den Segen der Tehom, die drunten lagert', Gen 4925 erblickte. Ferner haben wir gesehen, dass das alte Israel auch die Erzählung von der Besiegung des Meeres durch Jahve gekannt hat. Schliesslich beweist der technische Name ,Meer' 2), dass die israelitische Tra- dition ganz genau wusste, was das grosse, zu keinem praktischen Gebrauche verwendbare Wasserbecken vorstellen sollte. Demnach dürfen wir annehmen, dass man auch auf die Frage, weshalb man in den Jahvetempel ein ,Meer' stelle, eine Antwort wusste: weil Jahve in der Urzeit das ^eer1 überwunden hat. Wir schliesen also, dass der Chaosmythus zu Salomos Zeit in Israel bekannt gewesen sei. Eine, wenn auch nicht völlig sichere, Bestätigung kommt von anderer Seite. Auf dem Triumphbogen des Titus ist — wie bekannt — der siebenarmige Leuchter abgebildet3); auf dessen Postament sind in den sechs sichtbaren Feldern allerlei Wesen zu sehen; auf dem oberen Mittelfelde, wie es scheint, zwei Adler; auf den übrigen Feldern sieben Ungeheuer mit gewun- denen und in einen Fischschwanz ausgehenden Leibern. Man hat behauptet, dass diese Tiergestalten die eigene Er- findung des römischen Künstlers seien 4). Das ist an sich nicht wahrscheinlich: der Künstler wird dies hauptsächliche Beute- stück im allgemeinen treu wiedergegeben haben. Und zugleich redet laut für die Treue des Künstlers die ganze Form des Leuchters, die auch ein Laienauge wie das meinige als charakte- 1) Man denke nur an die .Orientierung' unserer Kirchen und Grä- ber, an den Hahn auf dem Kirchturm und vieles andere, dessen Be- deutung unsere Gemeinde nicht kennt. 2) .Meer' ist der Name des Weltoceans cf p 83 etc. 3) cf Kiehm Hw 902. 4) Eiehm Hw 902. 166 ristisch orientalisch und ungriechisch erkennt. Xun haben wir noch ein Symptom, an dem wir die Treue der Abbildung con- trolieren können. Das ,Blütenwerk<, von dem wir schon bei den Leuchtern des salomonischen Tempels hören *), und das PC 2) und Josephus 3) beschreiben , zeigt auch der Leuchter des Triumphbogens. Hier sehen wir also an einem Beispiele, wie dies cultische Symbol, im ganzen unverändert, durch ein Jahr- tausend geht. — Wenn dabei im Einzelnen kleinere Unter- schiede zu constatieren sind — so stimmt die Beschreibung des Blütenwerks im PC mit der Titusabbildung nicht ganz genau — , so hat man sich zu erinnern, dass zwischen der letzteren und den Leuchtern des salomonischen Tempels drei Künstler stehen: die beiden, die den Leuchter nach der Be- schreibung wieder hergestellt haben — nach dem Exil und bei der maccabäischen Restauration — , und der römische, der ihn im Auftrage des Kaisers abgebildet hat. Aber solche Abweichungen, die der Künstler sich erlaubte, werden gering- fügige, unabsichtliche, vielleicht durch das Stilgefühl gegebene gewesen sein. So darf man annehmen, dass der Künstler des Titusreliefs die Ungeheuer auf dem Postamente nicht selber erfunden, sondern höchstens ein wenig stilisiert habe. Dann aber ist weiter zu schliessen, dass weder in der Maccabäerzeit noch nach dem Exil jene "Wesen auf den Leuchter gekommen seien. Der jüdische Abscheu vor allem, was einem Gottesbilde auch nur entfernt ähnlich sah, macht den Gedanken, man habe damals aus selbstständiger Erfindung den Leuchter mit derartigen Figuren verziert, ganz unmöglich. Solche Abbildungen konnte man damals höchstens ertragen, wenn sie durch das Altertum und die Heiligkeit des Gegenstandes geheiligt waren, so wie man die Keruben, Löwen und Stiere des Tempels, der Lade und des Meeres ertrug. So folgt, dass jene Figuren schon auf den Leuchtern des salomonischen Tempels sich befunden haben werden 4). 1) cf I Keg 749. 2) Ex 25 3i ff. 3) Ant III 67 § 145 (ed Niese). 4) Das Fehlen dieser Ungeheuer in den uns erhaltenen Beschrei- 167 Dazu kommt, dass diese Ornamente von den uns bekannten alttestamentlichen Vorstellungen aus begreiflich sind. Diese Figuren stellen ,Drachen' vor, dh Chaoswesen. Sie tragen Fischschwänze; weil die .Drachen' Wesen des Wassers sind; auch die manichäische Tradition1) weiss von einem Fischschwanze des Teufels; und Berossus kennt Chaos- wesen mit Fischschwänzen 2). Weiter ist für diese Wesen die eigentümliche Windung ihres Leibes charakteristisch; wir denken dabei an ,Leviathanr die gewundene Schlange' 3) und an die ,Windungen' des Drachen in der babylonischen Eibbulegende 4). Auch dass diese Chaoswesen auf dem Postaraente des siebenarmigen Leuchters abgebildet sind, hat seinen guten Sinn. Der grosse Planetenbaum, den jener Leuchter darstellt, ist aus der grossen Tiefe erwachsen: Wasser brachte ihn hoch, Tehom zog ihn gross, Hess ihre Ströme fli essen rings um seine Wurzeln*). So ist jener Leuchter zugleich eine Darstellung des v.öouog: der Baum erstreckt sich von der Tiefe auf, wo die Chaosunge- tüme weilen, bis hin zum Himmel, wo die Sterne glänzen. Es ist fraglich, ob die Leuchter schon eine Stiftung Salomos seien6); jedenfalls gehören sie in die ältere Königszeit. So kommen wir also zu Abbildungen der Chaosungeheuer aus der vorprophetischen Zeit; und wir sind im stände, uns ein ungefähres Bild zu machen, wie das alte Israel sich jene Drachen vorgestellt habe. Freilich muss ich hinzufügen, dass dieser Schluss einst- weilen noch nicht als sicher gelten darf. Unter den babyloni- schen Tiämatabbildungen sind, soweit ich weiss, keine den Leuchter-Ungeheuern ähnliche überliefert 7). — Herr Dr Wernicke ist so gütig, mich auf den auf einem pompejanischen Wandgemälde bungen des Leuchters ist aus der jüdischen Scheu vor den Bildern völlig verständlich. 1) cf Flügel Mani 86. 2) cf p 18. 3) cf p 46 f. 4) p 46 A 3. 5) Ez 31 5 nach Cornill 375. Yierfüssige Verse. 6) Benzinger 387. 7) Doch ist zu warnen, daraus zu schliessen, dass jene Bilder überhaupt nichts mit Babylonischem zu tun hätten. 168 abgebildeten Drachen1) aufmerksam zu machen, der mit dem Drachen des unteren Mittelfeldes sehr grosse Ähnlichkeit besitzt; Tvie sich diese Ähnlichkeit erklärt, vermag ich nicht zu sagen. Ich hoffe, dass diese Frage bald von einem Berufeneren wieder aufgenommen wird. Aber auch von den Leuchter-Ungetümen abgesehen, haben wir eine ganze Reihe von indirekten und direkten Beweisfüh- rungen, die sämmtlich in dem Punkte zusammentreffen, dass der babylonische Schöpfungsmythus in ältester Zeit von Israel übernommen ist. Dürfen wir vielleicht in eine noch ältere Zeit zurückgehen und an den Aufenthalt Abrahams in Ur-Kasdim erinnern? Ich glaube nicht, dass das späte Auftreten dieser Tradition ein Grund ist, an ihrem Alter zu zweifeln; denn erfunden hat PC diesen Zug sicherlich nicht. Aber auch wenn kein Grund vorliegt, die Tradition selbst für unhistorisch zu halten, scheint es trotzdem nicht geraten zu sein, den sicheren historischen Boden zu verlassen und uns in eine Zeitferne zu begeben, aus der die hebräische Tradition höchstens eine vereinzelte Notiz überliefert hat. Historisch beglaubigt ist, dass Israel bei seiner Einwanderung in Kanaan ein Land in Besitz nahm, das seit Jahrhunderten unter babylonischem Einfluss gestanden hatte; und nichts zwingt uns, die Übernahme des Schöpfungsmythus in eine ältere Zeit anzusetzen. Wie aber die Religion der Vor- fahren Israels so viele Jahrhunderte vor der Mosezeit beschaffen gewesen sei 2), und ob diese ,Yäter' dem babylonischen Einfluss zugänglich gewesen seien, wer darf sich zutrauen, darüber etwas zu behaupten? 3) 1) Overbeck-Mau Pompeji 575. 2) Es ist dem Historiker nicht nötig, zu beweisen, dass die Schil- derungen der Eeligion der Täter in den Genesissagen nicht die Eeiigion der uralten Zeit, in der die Sagen spielen, sondern die der späteren Zeit, in der die Sagen erzählt wurden, wiedergeben. 3) Die Hypothese, dass Gen 1 auf Uroffenbarung zurückgehe, die übrigens in Gen 1 selbst mit keinem Worte ausgesprochen wird, ist p 117 widerlegt worden. 169 Hiernach sind wir im stände, eine Geschichte des baby- lonisch-israelitischen Schöpfungsnrythus, wenn auch nur in Um- rissen zu zeichnen, indem wir dieselbe in den Zusammenhang der grösseren Geschichte babylonischer Einwirkung auf die israelitische Religion einstellen. Israel hat zu jeder Zeit unter dem Einflüsse der baby- lonischen Cultur gestanden; doch haben für die Religions- geschichte nur zwei Perioden Bedeutung: die vorprophetische, als Israels Eigenart in der Religion sich noch nicht be- festigt hatte; und die nachprophetische Zeit, als die Religion zu erschlaffen begann, und das Judentum zugleich unter die unmittelbare Einwirkung des Babylonischen geriet. In der Mitte zwischen beiden Perioden liegt die Prophetie, auch der Bedeu- tung nach der eigentliche Mittelpunkt des AT; die Prophetie zeigt wol hie und da in den Bildern, aber nirgends — oder fast nü'gends — in der Sache babylonischen Einfluss. Die Zeit der Prophetie ist zugleich die Periode, in welcher die babylo- nische Religion Staatsreligion war, aber diese assyrische Periode Judas war für die israelitische Religionsgeschichte nur eine Epi- sode; da in einer darauf folgenden grossen Reaktion, der Reform des Josia, das Babylonische ausgerottet worden ist. Der Schöpfungsmythus von Gen 1 ist in der vorpropheti- schen Zeit nach Israel gekommen; die poetischen' Recensionen lehren, dass er nach dem Exil aufs neue ins Judentum einge- drungen ist. Das übernommene Material besteht in der älteren Zeit aus kosmologischen Anschauungen und Symbolen, einer mit Mond- verehrung zusammenhängenden Institution und Urmythen. Dass gerade diese Dinge eingewirkt haben, zeigt die Achtung der Israeliten für die überlegene Weisheit' Babels Jes 47 10 x). Man lernte von den Babyloniern, wie die Welt gestaltet und ent- standen sei, und welche älteste Geschichte sie gehabt habe. Alles dieses ist nur ein Wissen. Das Centrum der Religion berührt es nicht. Für die Religionsgeschichte Israels und damit für uns ist dieser Stoff erst dadurch wichtig geworden, dass er 1) , Weisheit' ist für antike Begriffe auch die Kunst, kultische Geräte in Erz oder Gold zu bilden. 170 in Israel mit israelitischen religiösen Gedanken durchdrungen wurde. So der Sabbath. So der Paradiesesmythus, der bis in die späteste Zeit wenig bedeutet, aber in der letzten Epoche des Judentums neu belebt wird. So auch die Schöpfungs- geschichte. Das Übernommene daran ist das "Wissen; das "Wissen, in dem die alte Zeit eine grosse, geheime Offenbarung zu be- sitzen glaubte, und das jetzt besserer Naturerkenntnis hat Platz machen müssen. Die religiösen Gedanken aber, die in Israel zu diesem Stoffe hinzugekommen sind, machen den Mythus erst zu dem, was er für uns bedeutet. Das babylonische "Wissen ist als Irrtum erwiesen; auf Israels Glauben aber ruht der unsrige. In der nachprophetischen Zeit, als das Babylonische aufs neue einströmte, war die Religion doch schon so stabil geworden, dass von einer wesentlichen Beeinflussung durch das Babylo- nische nicht die Rede sein konnte. Das in jener Epoche Über- nommene sind phantastische Bilder. Damals haben die Juden aufs neue begonnen, von Rahab und Leviathan zu erzählen. Der Schöpfungsmythus ist — wie es scheint — auch in einer eschatologischen "Wendung nach Israel gekommen und hat den Propheten und Prophetenschülern ein Bild des kommenden Gerichtes geboten. "Wir haben aus spätester Zeit leise Spuren, dass er auch für den Inhalt der Endhoffnung wichtig zu werden anneng. Damit beginnt eine neue Epoche des babylonischen Einflusses. Ap Joh 12. 1. Ap Job 12 ist nicht christlichen Ursprungs. Eberhard Yischer1) hat erkannt, dass Ap Joh 12 nicht- christlicher Herkunft ist. Diese Beobachtung, bei Yischer der Ausgangspunkt seiner Quellenscheidung in der Apokalypse, hat neben mancherlei Zustimmung 2) auch eine Reihe von Be- streitungen 3) erfahren und kann daher noch immer nicht als eine gesicherte Erkenntnis der Wissenschaft gelten. Es ist deshalb eine erneute Erwägung der Instanzen nicht überflüssig. Das Capitel erzählt von den Nachstellungen , die der Chri- stus, während er im Himmel geboren wird, durch einen unge- heuren Drachen erfährt, und von der Rettung des eben geborenen Kindes zu Gottes Throne; sodann von der Verfolgung und der glücklichen Flucht seiner Mutter. Für den, dem die exegetische Tradition nicht bekannt ist,. möchte die Frage kaum zu beantworten sein, auf welche Ereig- nisse aus der Geschichte Jesu diese Erzählung überhaupt be- zogen werden könne; und er würde sich sehr wundern, wenn er hörte, man deute das Capitel herkömmlich d) auf Jesu Geburt und Himmelfahrt! 1) Offenbarung Johannis eine jüdische Apokalypse in christlicher Bearbeitung 19 ff. 2) besonders Pfleiderer Urchristentum 331 ff. Spitta Offenbarung des Johannes 125 ff. 3) besonders Völter Offenbarung Johannis (Streitschrift) 9 ff, Bey- schlag Stud und Krit 1888 p 106 ff, Hügenfeld Ztschr f wiss Theol 1890 p 441 ff, Weizsäcker Apost Zeitalter- 363 f. 4) so zB Bleek Vorlesungen über die Apokalypse 275 , de Wette Offenbarung Johannis 2 119 f, Hengstenberg Offenbarung des heiligen Johannes I 607 f, Ebrard Offenbarung Johannes 360. B Weiss Biblische 174 Aber Jesus ist nach der evangelischen Erzählung nicht im Himmel, sondern auf Erden, in Bethlehem-Juda, geboren; und Theologie 5 557, Yölter Streitschrift 13, Entstehung der Apokalypse * 63, Hilgenfeld Einleitung in das NT 432, Ztschr f wiss Theol 1891 p 446 und viele andere. — Eine andere Auslegung giebt Kliefoth Offen- barung des Johannes 9 ff, der die Schilderung des Capitels als eine christliche Weissagung auf die Endzeit fasst: aus der , Christengemeinde des Endes' werde Christus, der Weltenrichter, geboren werden. Seine Geburt ist ,sein Werden zum königlichen Eichter über die gottwidrige Welt, sein Regierungsantritt im eschatologischen Sinne' 24. Er wird von der Endgemeinde , geboren', das bedeutet : .dies Werden des Erlösers zum Endrichter der Welt ist abhängig davon, dass die christliche Kirche zu der reinen und heiligen Gemeinde der Letztzeit wird' 25. ,Die Ent- rückung soll darstellen, wie, wenn der Herr im Begriff stehen wird als der Eichter der Welt und Weltmacht hervorzutreten, es dem Satan ganz unmöglich wird, dies zu verhindern' 27. — Diese Erklärung schei- tert daran, dass die christliche Gemeinde in keinem Sinne als Mutter Christi gedacht werden kann ; auch sind die allegorischen Erklärungen der Geburt wie der Entrückung Christi völlig willkürlich erfunden. — Eine ähnliche Deutung bot schon Ewald Johannes' Apokalypse 239: der Seher hoffe, dass die christliche Gemeinde (seiner Zeit) aus schmerz- lichem Eingen und Kämpfen den Messias der Herrlichkeit gebären würde. Diese Deutung ist aus denselben Gründen abzuweisen. — Düster- dieck4 395 f erkennt, dass hier nicht die wirkliche Geschichte Jesu erzählt wird ; der Seher wolle nicht Geschichte darstellen, sondern viel- mehr eine Idee illustrieren. Diese Idee soll ,der tötliche Hass Satans gegen den Herrn und dabei die Unantastbarkeit des Herrn' sein. Die Nachstellung durch den Drachen und die Entraffung des Kindes seien Ausmalungen dieser Idee, denen kein historisches Eaktum entspreche. — Eine eigentümliche Art jedenfalls, diese Idee, die doch Wahrheit sein soll, darzustellen durch eine erfundene Geschichte. Vielmehr musste der Seher, wenn er Jesu Unantastbarkeit illustrieren wollte, aus dem wirklichen Leben Jesu Beispiele dafür beibringen; erdichtete Bei- spiele beweisen nichts. Düsterdieck nennt das sonderbare Verfahren des Apokalyptikers eine .ideale' Darstellung; richtiger würde man es eine unbegreiflich phantastische Darstellung nennen. — Völter. früher ein entschiedener Vertreter der herkömmlichen Erklärung — ,Tod und Auferstehung Jesu finden wir in dieser bildlichen Darstellung so deut- lich als möglich ausgedrückt' Streitschrift 13 — , hat sich jetzt von den .unüberwindlichen Schwierigkeiten' dieser Deutung überzeugt, Problem der Apokalypse 154. Gegenwärtig erklärt er cap 12 aus der Lehre Cerinths, nach welcher der Christus von oben her auf Jesum bei der Taufe in Gestalt einer Taube herniedergekommen sei, um ihn dann vor Jesu 175 nicht als neugeborenes Kind zu Gottes Thron entrafft, sondern nachdem er etwa dreissig Jahre auf Erden gelebt hatte, zu Gott erhöht. "Was dies Capitel also von Christus sagt, passt auf den historischen Jesus in keiner Weise. — Xoch gravierender ist, was es verschweigt: es findet sich darin keine einzige deutliche An- spielung auf die Geschichte Jesu; von seiner Wirksamkeit in Gottes Kraft und von seinem Kreuzestode hören wir nichts. Es folgt also, dass das Capitel sich nicht auf Jesus bezieht, und demnach nicht christlichen Ursprungs sein kann *). Es ist nicht leicht zu begreifen, dass eine so einfache und schlagende Erwägung Widerspruch finden konnte: und dass man noch jetzt vielfach an der christlichen Deutung auf Jesu Geburt und Erhöhung festhält. Die ungeheuren Schwierigkeiten, die sich dieser Exegese entgegenstellen, sucht man zu überwinden, zunächst durch die Behauptung, dass Ap Joh 12 die Geburt des Christus nicht im Himmel, sondern auf Erden stattfinde2). Indess diese Behauptung Leiden wieder zu verlassen. Die .grosse und merkwürdige' Über- einstimmung zwischen Ap Joh 12 und der Anschauung Cerinths besteht nach Yölter darin, dass bei beiden der Christus von oben komme, nur ganz kurze Zeit auf Erden sei, und den Gefahren, die ihn bedrohen, durch Aufnahme in den Himmel entzogen werde cf p 156 f. Völter hält nach solchen und ähnlichen Übereinstimmungen eine Abfassung des Stückes 12 l—io durch Cerinth für wahrscheinlich p 164. Aber der Text sagt kein "Wort davon, dass der Christus sich mit einem Menschen ver- binde, kein Wort von Taufe und Taube, kein "Wort von dem Leiden des Menschen, den der Christus verlassen hat; nicht einmal davon redet er, dass der Christus auf die Erde komme cf unten p 175 A 2. Man erkennt, Ap Joh 12 enthält keinen Zug der Christologie Cerinths. Aber habe ich wirklich nötig, eine so halsbrecherische Hypothese zu widerlegen? 1) Einige dieser Argumente bereits bei Methodius conviv X virg, orat 8 4 bei Vischer 133 f (Harnaek's Nachwort). Die Unmöglichkeit der herkömmlichen Erklärung hat unter den Modernen vor Vischer be- sonders klar Kliefoth erkannt. 2) Erbes Offenbarung Johannis 6, Völter Entstehung2 62. — Völtei Problem 151 f hat sich schliesslich überzeugt, dass es sich hier um Vorgänge ,am Himmel" handelt, versucht aber jetzt, wenigstens das herauszubekommen, dass der Messias ,gleich nach seiner Geburt' auf 176 ist unrichtig. Von allen *) Ereignissen bis zum Sturz des Drachen 9 wird ausdrücklich gesagt oder stillschweigend voraus- gesetzt, dass sie im oder am Himmel geschehen2): Das Weib erscheint am Himmel, mit himmlischen Insignien geschmückt; auch der Drache erscheint am Himmel; vor Wut wirft er ein Drittel der Sterne des Himmels zu Boden; das Kind wird, sobald es geboren ist, zu Gottes Thron, der natürlich im Himmel zu denken ist, geflüchtet. Dann entbrennt im Himmel ein Kampf zwischen Michael und dem Drachen. Der Zusammenhang ver- langt also, auch die Geburt des Christus im Himmel vorzustellen. Damit aber ist jede Möglichkeit ausgeschlossen, diese Schil- derung mit dem historischen Jesus in Verbindung zu setzen 3). Weiter wird behauptet, dass Ap Joh 12 Jesu Predigt, Wirken und Tod als gleichgültig übergangen würden. Man dürfe eine Erzählung von diesen Dingen nicht in einer Erden gewesen sei : ,der zu Gebärende sei für die Erde bestimmt, durch die Geburt solle er dahin kommen, und da die Geburt ungehindert von Statten gehe, werde er auch durch dieselbe auf die Erde gekommen sein' p 152. Diese Argumentation vergewaltigt den Text: ihre Voraus- setzung, der Messias solle durch die Geburt auf die Erde kommen, ist eingetragen und falsch ; denn nach dem Zusammenhange kommt der Messias nicht durch seine Geburt, sondern durch seine nuoovaia 19 11 ff auf die Erde. Wie soll man sich aber vorstellen, dass der Messias, der ,am Himmel' geboren wird, durch die Geburt auf die Erde kommt! Und schliesslich, wenn der Schriftsteller sagen wollte, der Messias würde nach seiner Geburt am Himmel auch kurze Zeit auf Erden sein, so hätte er das eben ausdrücklich sagen müssen. 1) Auszunehmen ist allerdings die Flucht des Weibes in die Wüste e. Denn die Wüste ist natürlich kein ,Ort am Himmel' (gegen Völter Problem 151). Aber dieser Vers ist auch aus anderen Gründen verdächtig ef im folgenden. 2) Dies hat zuerst Pfleiderer 331 richtig gesehen ; darnach Spitta 127. 3) Hilgenfeld Zeitschr f wissschftl Theol 1890 p 444 erkennt an, dass Ap Joh 12 von einer überirdischen Geburt des Messias spricht ; aber er scheint nicht gesehen zu haben, dass dann dies Ereignis, bei christlicher Abfassung des Capitels, nur vor aller Zeit, am Anfange der Schöpfung, vor sich gegangen sein könnte; Christus ist ja doch ,der Anfang der Schöpfung' 3u. Dass aber die Apokalypse hier nicht vorzeitliche Er- eignisse schildern will, ist völlig deutlich. 177 Schrift erwarten, die es mit der Zukunft zu tun habe und demnach die Hauptsache erst durch die Wiederkunft Christi sich verwirk- lichen sehe *) ; in solcher apokalyptischen Betrachtung bliebe das lehrende Leben Jesu besser weg; auch Jesu Tod hätte hier keine Stelle, da er dem Apokalyptiker doch nur der Durchgangspunkt zur Erhöhung des Herrn gewesen sei 2). — Aber man übersieht, dass hier mit dem Tode auch die Auferstehung Jesu übergangen wird. Dies erste Wort aller uns bekannten urchristlichen Pre- digt soll hier einfach verschwiegen sein ! Und auch das Wirken Jesu in Gottes Geist Hess sich sehr wol in apokalyptischer Betrachtung, als ein Zeichen der Zeit, verwenden. Zum Über- Üuss beweist cap 11, in dem die beiden Zeugen weissagen, Wunder tun, sterben und auferstehn, dass alles dies auch in einem apokalyptischen Gesichte gesagt sein könnte. Oder man sagt3), nach dem Zusammenhange des Capitels läge auf diesen Zügen durchaus kein Nachdruck. Aber es lässt sich kaum ein Zusammenhang denken, in dem bei einer Be- schreibung der Schicksale Jesu nur Geburt und Himmelfahrt erzählt, und eine so harte und allgemein feststehende Tatsache der Tradition wie Jesu Tod vollständig verflüchtigt wäre. — Der Zusammenhang aber, den man gewöhnlich3) als Grund dieser höchst auffallenden Erscheinung angiebt, liefert die Erklärung dafür durchaus nicht. Die Erzählung von den Schicksalen des Messias — sagt man — sei nur Einleitung zu dem Folgenden; die Geburt und Erhöhung des Christus werde nur berichtet als Vorbild des Schicksals Israels : wie es der römischen Weltmacht nicht gelungen sei, den Messias zu beseitigen, so werde jetzt auch die Gemeinde gerettet. — Aber in diesem Zusammenhange wäre die Erzählung von Jesu Tod nicht gleichgültig, sondern gradezu notwendig gewesen: Jesu Kreuzigung ist doch das eigentliche Attentat der Weltmacht gegen den Christus Gottes; und Jesu Auferstehung der eigentliche Machtbeweis des Gottes, der das Pneumatische nicht untergehen lässt. Nichts kann die 1) Erbes 4 f. 2) Weizsäcker Apost Zeitalter2 363; so schon de Wette- 119f: Christi ,Tod, da derselbe blos den Leib betraf, und er noch dazu mit diesem auferstand, wird für nichts gerechnet'. 3) Weizsäcker3 363, Völter Streitschr 13. Gunkel, Schöpfung. 12 178 Gemeinde so sehr iu ihren eigenen Nöten trösten und festigen, als der Hinweis auf das Äusserste, was Christus erduldet hat, und auf die göttliche Tat der Auferweckung x). Aber auch von alledem abgesehen, hätten Jesu Predigt und Tod hier der Deutlichkeit wegen erwähnt werden müssen. Wie konnte sonst der Leser wissen, dass er zwischen Geburt und Hinwegnahme dreissig Jahre einzuschieben habe, und dass der in den Himmel Eingehende kein Kind, sondern ein erwachsener Mann gewesen sei? dh wie konnte er ohne ausdrücklichen Hin- weis auf die dazwischen liegende Zeit das Gesicht überhaupt auf den als Mann getöteten und auferstandenen Jesus beziehen? . Oder man stelle die Probe an und denke sich die Erwäh- nung von Jesu Predigt und Tod in unser Capitel eingestellt2). Der ganze Zusammenhang unmittelbar auf einander folgender Ereignisse würde dann gesprengt sein. — Der Drache steht vor dem schwangeren Weibe, um das Kind im Augenblicke der Geburt zu verschlingen. Als sie geboren hat, wird das Kind zu Gott .hin weggerafft', natürlich sofort nach der Geburt, ehe der Drache seinen Rachen öffnen konnte. Es liegt also in der Natur der Erzählung, dass zwischen Geburt und Hinwegnahme keine grössere Zeit verstrichen ist. Überdies ist dasselbe in dem Ausdruck r^Ttda^ gesagt, der die Eile bezeichnet, mit der das Kind vor den Nachstellungen gesichert wird 3). Dass der Christus als Kind in den Himmel aufgenom- men wird, ist ferner durchaus nicht ein gleichgültiger Zug. Cap 12 ist seiner Natur nach nicht selbstständig, sondern auf eine Fortsetzung *) angelegt, in der weiter erzählt wird, wie der Christus, in cap 12 noch ein Knabe und mit Mühe vor dem Angriff des Drachen zu Gott gerettet, später als Christus auf- tritt und in dem nun aufs neue sich entspinnenden Kampfe den 1) Vischer 23, Kliefoth in 22. 2) wie es zB Hengstenberg I 607 verlangt : .vor dem : und ihr Kind ward entrückt, ist hinzuzudenken: und der Drache setzte seine Ver- folgung fort, wie es nach der Evangelischen Geschichte von der Ver- suchung an geschah, bis zum Tode am Kreuze'. 3) Vischer 23. 4) Diese Erkenntnis, ohne die das ganze Capitel unverständlich ist, fehlt bei Weizsäcker- 490. Pfleiderer 332 351. Dieterich Abraxas 118 f. 179 Drachen überwindet. Diese Fortsetzung bietet cap 19 uff: die Zusammengehörigkeit beider Stücke ist durch 12 s 19 1.5 deutlich gekennzeichnet: dies Kind, so hören wir 12.5, soll einst die Heiden mit eisernem Stabe weiden: und 19iö sagt von dem erscheinenden Christus: der ist es, der die Heiden mit eisernem Stabe weiden wird. Die Zeit zwischen cap 12 und 19 ist also ausgefüllt durch das Heranwachsen des Knaben zu einem ge- waltigen, göttlichen Helden*). 'Wenn demnach der Christus in cap 12 als ein Kind erscheint, so ist das keineswegs ein trüge- rischer Schein, der nur durch Weglassen einiger, nicht not- wendiger Züge aus dem Leben Jesu hervorgerufen wäre, sondern ein durch den Zusammenhang des Ganzen gefordertes, not- wendiges Moment. So ergiebt sich, dass Lehren und Tod Jesu hier nicht etwa als gleichgültig übergangen sind, dass vielmehr der Zu- sammenhang ihre Ergänzung nicht erträgt. Oder sollte die Rettung des Christusknaben zu Gott eine leicht verständliche Allegorie des Geschickes Jesu sein, .der kaum aufgetreten, noch ehe er die eigentlich messianische Auf- gabe in Angriff nehmen konnte', getötet, aber zu Gott erhöht wurde?2) Aber wie kann man behaupten, dass für einen Mann, der hingeht, ohne sein Werk ausgeführt zu haben, ein Kind, das der Erde entrückt wird, eine mögliche Allegorie sei! Bei einem früh sterbenden Jüngling liegt der Gedanke an die Hoffnungen, die mit ihm sterben, nahe ; aber einem Kinde mutet 1) Dieser, im Zusammenhang notwendig zu ergänzende. Zug ist. soweit ich sehe, hisher nicht bemerkt. zB Völter Problem 147. 2} so Völter Streitschrift 13, Entstehung2 63. cf Beyschlag HOf, Weizsäcker Th Ltztg 1890 p 470, Hilgenfeld 446. Hilgenfeld nennt die Bettung des Christuskindes ein .himmlisches Urbild- der Himmelfahrt Jesu. Indess durch die Einführung der Anschauung vorn .Urbild- au dieser Stelle wird eine nicht geringe Verwirrung hervorgerufen. Gegen- stände, die ein himmlisches Urbild haben, existieren zweimal, im Him- mel und auf Erden. Ist also Christus zweimal geboren, und zweimal vor dem Drachen gerettet? — Nur der Curiosität wegen erwähne ich, dass Erbes 6 bei der Darstellung des Messias als Kindes auch daran erinnert, .wie zB nach dem ägyptischen Terminus der römische Kaiser, auch wenn er noch so alt war. .der schöne Knabe- hiess-. 12* 180 niemand ein Werk zu, und niemand beklagt, wenn es unmittel- bar nach der Geburt dahingeht, dass es sein "Werk nicht ausge- führt habe. So ist also die Assumptio des Christuskindes un- möglich ein Symbol für den vor Vollendung seines Werkes gekreuzigten Jesus l). Die Exegeten haben hier im Eifer des Deutens den Grundsatz ausser Acht gelassen, dass eine Allegorie, die als Allegorie vom Schriftsteller gemeint ist, ihre Erklärung deutlich an der Stirn tragen müsse. Aber auch davon abgesehen sind die Aufnahme des Kindes zu Gott und die Erhöhung Jesu keineswegs einander sehr ähn- lich. Jesu Auferstehung wird überall im NT, so oft dabei an übermenschliche Mächte gedacht wird, als ein herrlicher Triumph aufgefasst: Jesus ist der göttliche Held, der alle Mächte und Gewalten siegreich überwindet und über sie alle zur höchsten Höhe emporsteigt 2). Welcher Gegensatz zum Bilde des Christus von cap 12, des eben geborenen, völlig bülflosen Kindes, das durch Gottes wunderbares Eingreifen vor dem Drachen gerettet, dann durch Michael und seine Engel verteidigt wird, aber selber an dem Kampfe nicht beteiligt ist. — Und wieder ist dieser Zug der Hülflosigkeit des Kindes nicht zufällig, sondern in dem Zusammenhange notwendig gegeben: er steht im Gegensatze zu dem einstigen Kommen des Christus in göttlicher Kraft und Herrlichkeit, und er begründet, warum der Drache in der Zwischenzeit sein Schreckensregiment auf Erden ungehindert ausüben könne: Noch ist der Heiland ein schwaches Kind, er selber mit Mühe vor dem Drachen beschützt; erst in der Zukunft wird er ein Mann, und erst dann wird Er König werden in der Welt. — Dies Bild des schwachen Knaben von cap 12 ist alles andere eher als eine Allegorie auf den als sieggekrönten Triumphator zum Himmel fahrenden Jesus. Immerhin mochte diese allegorische Deutung so lange wenigstens discutierbar erscheinen, so lange man glaubte, der Messias werde in cap 12 auf Erden geboren und dann zu Gott 1) Ich untersuche dabei nicht, ob die Nichtvollendung des Messias- werkes durch Jesus überhaupt ein im NT möglicher Gedanke sei cf aber Job 174 1930. 2) Joh 123i Eph laof Col 2i5 Hebr 2u. Das Argument bei Kliefoth III 26. 181 dh in den Himmel gerettet: hier war doch wenigstens eine gewisse Ähnlichkeit mit der Himmelfahrt Jesu vorhanden. Aber wir haben gesehen1), dass der Messias von cap 12 im Himmel geboren wird, woselbst er bis zu seiner Erscheinung in der Endzeit 19nff bleibt. So fällt also jede Ähnlichkeit mit Jesu Himmelfahrt fort. Die Rettung des Kindes, die im Himmel ge- schieht — von einem Orte des Himmels zum andern — , und die Empornahme Jesu von der Erde haben nichts mit einander gemein. So muss es also bei der Vischerschen These bleiben, dass unter dem Christus von Ap Joh 12 unmöglich Jesus verstanden werden kann. Ebenso grosse Schwierigkeiten macht es, das Weib, die Mutter des Christus, christlich zu deuten. Das Weib ist jedenfalls das himmlische Zion, ,die (ideale) Gemeinde' 2). Ihre Verfolgung durch den Drachen 13 — ig kann, wenn christliche Deutung überhaupt gestattet ist, unmöglich etwas anderes als die Allegorie einer Christenverfolgung sein; denn es ist gemeinsame Überzeugung des NT, dass nur die an Jesus Gläubigen die wahren Kinder und Erben des oberen Jerusalem sind 3). Nun soll aber dieselbe Gestalt, die im zweiten Teile des Capitels als Personifikation der christlichen Gemeinde er- scheint, im ersten Teile die Mutter des Messias sein. So ent- steht eine nicht geringe Verwirrung: die christliche Gemeinde hat doch den Herrn nicht aus sich geboren? Man beseitigt diese Verwirrung nicht durch die Behauptung, das Weib sei nicht nur die gläubige Messiasgemeinde, sondern zugleich auch die 1) cf p 176. 2) In dieser Auffassung stimmen fast alle Modernen überein: die Frage ist nur, ob das alttestamentliche Israel oder die christliche Kirche oder eine Verbindung von beiden darunter zu verstehen sei. Über die verschiedenen Auffassungen referieren Kliefoth III 14 ff. Düsterdieck * 414 ff, Holtzmann Handcommentar IV2 339. 3) Von einer Christenverfolgung (meist von der Verfolgung der Urgemeinde) verstehen das Gesicht Bleek Vorlesungen 275 f. de Wette Commentar"2 120, Ewald Johannes' Apokalypse 243. Hengstenberg I 609 f, Hilgenfeld Einleitung 433, Weiss bibl Theol5 540 A 4, Weizsäcker Apost Zeitalter'2 363. Erbes 7 etc etc. 182 alttestarnentliche Theokratie x). Es bleibt die Unmöglichkeit be- stehen, dass dieselbe Grösse in derselben Allegorie die Christen- heit und die Mutter des Herrn zugleich bezeichnen soll 2). Noch grösser wird die Verwirrung, wenn man gezwungen ist, ,die Übrigen von ihrem Samen', gegen die sich der Drache wendet, als er von der Verfolgung des Weibes abstehen muss 3), christlich zu deuten. Da bisher nur von einem Kinde des Weibes, nämlich von dem Christus, die Rede war, so können ,die Übrigen' nur die andern Söhne Zions, also im Gegensatz zu dem Messias, der im Himmel weilt, das irdische Gottesvolk sein 4). In einer christlichen Schrift ist das Gottesvolk die Christenheit. So kommt also heraus: zuerst wird 13 — 16 in der Flucht des Weibes allegorisch dargestellt, wie der Drache die Christenheit verfolgt; dann als der Drache sieht, dass er ihnen nichts schaden könne, wendet er sich 17 — hier tritt in der Allegorie eine neue Figur auf — wieder gegen die Christen ! Diese völlig unerträgliche Wiederholung wird dadurch nicht gemildert, dass man unter dem Weibe die Christenheit im allgemeinen, unter ,den Übrigen' die einzelnen Christen versteht 5) ; das Weib ist ja doch schliesslich nichts anderes als der Inbegriff ihrer Kinder. Gewöhnlich unterscheidet man beide Grössen so, dass man unter dem Weibe die judenchristliche Urgemeinde, unter den ,Übrigen, die Gottes Gebote halten und das Zeugnis Jesu haben', die Heidenchristen 6) oder die Christen der Diaspora 7) versteht. 1) so Weiss bibl Theol 5 540 A 4 und die p 181 A 3 Genannten. 2) dies Argument bei Kliefoth III 14. 3) 17. 4) Die richtige Erkenntnis, dass ,die Übrigen' im Gegensatze zum Messias stehen, bei Züllig Offenbarung Johannis II 215, Düsterdieck4416. 5) Bleek 282, de Wette2 124, Beyschlag Offenbarung Johannis 190, Kliefoth III 57. 6) Düsterdieck4 417, Ewald 247, Weiss Einleitung in das NT'2 378, Ebrard 372. 7) Hilgenfeld Einleitung 433. — Erbes 7—10, der die Elucht des Weibes auf die Stephanus-Verfolgung deutet, versteht die ,Übrigen' die ,bisher noch nicht gläubigen' Juden! Sie haben das Zeugnis Jesu, bedeutet: sie haben es gehört. Solcher Exegese ist freilich alles möglich. — Nach Völter Problem 160 164 f stellt die Elucht des Weibes den Fall Jerusalems im Jahre 70 dar — cf dagegen oben p 181 — , die ,Übrigen' sollen dann die Christen sein 165 ff. Übrigens eine merk- 183 Aber diese specielle Fassung der ,Übrigen' ist durch nichts im Texte angedeutet, der sie einfach als Söhne Zions, die an Jesuin glauben, hinstellt. "Wenn man sich entschliesst, den Text so zu nehmen, wie er ist, so wird man dem Schlüsse nicht entgehen können, dass diese Dinge überhaupt von christlichem Stand- punkte nicht erklärt werden können. Vollends unmöglich aber ist es, die so charakteristischen Ein- zelheiten in der Beschreibung der Flucht des "Weibes christlich zu verstehen. Man deutet diese Schilderung gewöhnlich *) auf die Flucht der jerusalemischen Christengemeinde nach Pella 2) im Tituskriege. Das Tertium comparationis würde sein, dass bei beiden von einer Flucht die Rede ist, in der ein Strom eine Rolle spielt — Pella lag jenseit des Jordans. Diese Ähnlichkeit ist freilich nicht eben sehr auffallend; die Flucht über den Jordan hat sich in der Geschichte Israels mehrfach wiederholt 3). Alles Übrige aber ist verschieden; und wenn die Apokalypse berichtet, dem "Weibe seien zur Flucht in die "Wüste ,die beiden Flügel des grossen Adlers1 gegeben, der Drache habe, um das "Weib hinwegzuschwemmen, einen Strom aus seinem Rachen gespieen, aber die Erde sei dem "Weibe zu Hülfe gekommen und habe den Strom verschlungen, so sind diese so eigen- tümlichen Züge nicht mehr allegorisch, auf die Zeitgeschichte ■würdige Art, die Belagerung Jerusalems allegorisch zu schildern ; zu solchem .zeitgeschichtlichen Allegorisieren' cf p 183 ff. 1) Herder Maouv u&a Herders Werke ed Suphan IX 17-4, Ewald 247. Eenan Antichrist 325, Hilgenfeld 433, Holtzmann Einleitung3 415. Weiss Einleitung'2 378, Weizsäcker Apost Zeitalter- 364 etc. — Daneben existiert unter den Modernen noch eine andere Deutung, die hier nicht Allegorieen, sondern eine rein ,ideale: dh phantastische Dar- stellung sieht Bleek 280, de Wette2 120 f, Düsterdieck 4 412. — Diese Auffassung wird im Folgenden besprochen werden. Über Erbes und Yölter cf p 182 A 7. 2) über dies von Euseb h e 35 berichtete Ereignis cf Schürer Gesch des jüd Volkes I 519 f. 3) zB bei Ischbaal II Sani 2 s, David II Sam 17 22, Ismael ben Ne- thanja Jer 41ioff und I Macc 524: .und Judas der Maccabäer und sein Bruder Jonathan giengen über den Jordan und zogen drei Tagemärsche in die Wüste'. 184 zu deuten 1). Bei den andern aufgestellten 2) Deutungen, auf die Flucht der Christen nach Lydisch Asien 3) oder auf die Stephanusverfolgung oder auf die Tituseroberung ist nicht ein- mal der Strom mehr allegorisch zu nehmen. Fragt man höchlichst erstaunt, wie denn solche phantasti- schen Züge mitten in eine zeitgeschichtliche Allegorie kommen, so heisst es, das sei eben die eigentümliche ^Bildersprache' 4) der Apokalypse; in der apokalyptischen Vision erscheine der histori- sche Stoff nicht einfach übernommen, sondern dichterisch um- geformt 5) ; solche, übrigens alttestamentliche Vorbilder nach- ahmende Poesie habe man als Poesie zu schätzen, aber nicht durch geschmacklose Einzelausdeutung in die Prosa herabzu- ziehen. — Es ist jedenfalls eine eigentümliche Art von Poesie, die man hier in der Apokalypse zu finden glaubt. Die poetische Kunstform, um die es sich hier handeln würde, wo die Schicksale der Gemeinde im Bömerkriege unter dem Bilde eines vor einem Drachen fliehenden Weibes sollen beschrieben sein, ist die Allegorie. Wenn man nun das Ideal einer Allegorie darin findet, dass alle einzelnen Aussagen sich auf die dargestellte Sache deuten lassen 6), so müsste man die vorliegende, in der neben den wenigen Vergleichungspunkten eine Fülle von Undeutbarem steht, für ziemlich verunglückt erklären; durch eine fast unbe- greifliche Hypertrophie der Phantasie verleitet, habe der Künstler die Sache völlig verdorben. Jedenfalls wird man die Bewun- derung für solche ,Poesie' aufzugeben haben; das wäre nicht mehr .Poesie', sondern wüst und wirr ins Kraut geschossene Phantastik. Man berufe sich für solche Allegorieen nicht auf das Juden- tum! Wir haben jüdische Allegorieen genug7), um wissen zu können, wie das Judentum sie zu bilden pflegte. Da gewahren 1) Es ist natürlich nicht erlaubt, dabei etwa an .eine schwere Gefahr, welche der fliehenden Muttergemeinde am Jordan zustiess', die uns freilich nicht berichtet sei, zu denken Ewald 247, Eenan326: denn das hiesse Unbekanntes durch Unbekanntes erklären. 2) cf p 182 A 7. 3) Züllig II 216. 4i Vülter Entstehung2 64. 5) Yölter Entstehung2 83. 6) Jülicher Gleichnisreden Jesu 59 85. 7) Man vergleiche als Beispiele Henoch 85—90 IV Esra 11 f. 185 wir nirgend, dass das Bild in diesem Übermasse über die Linien der Deutung hinaus wucherte, sondern vielmehr das Umgekehrte: in das Bild dringen leicht, oft in einer für unser Gefühl unerträglichen Weise Züge der Deutung ein1); die jüdi- schen Allegorieen leiden an einem Vorwiegen nicht der Phantasie, sondern des Verstandes. Aber wenn man trotzdem diese phantastische Art von Allegorie den Apokalyptiker zutrauen will, so niuss man dann wenigstens auf das Verständnis solcher wirren ,Poesie' ver- zichten. Denn wenn hier wirklich Geschichtliches und Phanta- stisches neben einander steht, wer kann dann sicher sagen, wie weit das Geschichtliche, wie weit das Erdichtete gehe? Die einen2) behaupten: der Strom sei historisch, es sei der Jordan, aber die übrigen Züge seien erdichtet; die andern3) sagen: auch der Strom sei nicht mehr zu deuten; die dritten4): es sei überhaupt alles phantastisch. Wer mag sich anheischig machen, das zu entscheiden? Und wer würde aus der Schilde- rung der Apokalypse das geschichtliche Ereignis, auf das sie anspielen soll, herauslesen können, wenn diese Schrift unsere einzige Quelle dafür wäre? — Oder glaubt man, die Schwierig- keit der Deutung werde durch die Zeitferne bewirkt; die ältesten Leser, die Zeitgenossen jener Ereignisse, hätten es besser gehabt als wir? Aber auch jene ältesten Leser, die etwa die Flucht nach Pella oder die Stephanusverfolgung oder den Tituskrieg miterlebt hatten, konnten kaum auf den Gedanken kommen, diese so ganz andersartige Schilderung habe das, was sie erlebt hatten, zu bedeuten; auch um ihnen verständlich zu werden, hätte der Verfasser doch ein wenig deutlicher reden müssen. — So würde das Resultat sein : der Apokalyptiker hat vielleicht die Flucht nach Pella oder die Eroberung Jerusalems oder die 1) zB Henoch 86: Sterne fallen vom Himmel und weiden unter den Stieren, Kühe werden von Sternen trächtig und gebären Elephanten, Kamele und Esel: der Künstler wollte damit die Geschichte Gen 6 ab- bilden, dass die Engel mit den Menschentöchtern Kiesen zeugten. Oder 89 10: Stiere erzeugen wilde Tiere und Vögel, das bedeutet ohne Allegorie: Xoahs Nachkommen erzeugen die Völkerwelt etc. 2) so Herder, Ewald etc. 3) Völter Problem H50. 4) so Bleek, de Wette, Düsterdieck etc. 186 Stephanusverfolgung oder die Flucht der Christen nach Lydisch Asien oder irgend etwas anderes gemeint, hat aber das Zeit- geschichtliche so sehr mit erdichteten Zügen vermischt, dass es unmöglich ist, das Historische wieder herauszufinden; dh eine sichere historische Deutung ist unmöglich. So ist also auch für diese Züge die gebräuchliche christ- liche Auffassung als gescheitert zu betrachten. Schliesslich kommt hinzu, dass sich auch der Zweck des ganzen Capitels bei christlicher Abfassung schlechterdings nicht begreifen Hesse. Die Dinge, die hier geschildert werden, würden nach gewöhnlicher Annahme in die Vergangenheit des Sehers fallen; selbstverständlich ist das für Jesu Geburt und Himmel- fahrt; aber auch in der Verfolgung des Weibes sehen die meisten eine allegorische Schilderung eines geschehenen Ereignisses a). Was soll aber eine Schilderung vergangener Dinge in einer Apokalypse, deren Zweck es ist, die Zukunft zu enthüllen? Man erinnert an Analogieen in anderen Apokalypsen 2), wo solche Schilderungen nichts Seltenes seien. Es fragt sich, ob diese Analogieen wirklich zutreffend sind. Schilderungen ver- gangener Ereignisse haben in den jüdischen Apokalypsen fast regelmässig denselben, sehr verständlichen Zweck. Einem uralten Gottesmanne werden vom Schriftsteller Weissagungen in den Mund gelegt, die zunächst eine mysteriös gehaltene, aber für den Kundigen durchsichtige, lang ausgeführte Schilderung der Zeit geben, die zwischen Seher und Verfasser liegt, um dann mit einer kurzen Darstellung der Hoffnungen des Verfassers zu schliessen. So vermag der Leser an der Hand der Geschichte die Weissagungen des alten Propheten zu controlieren ; er er- kennt, je weiter er liest, mit steigender Bewunderung, dass sie alle aufs pünktlichste erfüllt sind; und er schöpft aus dieser Beglaubigung des alten Gottesmannes die sichere Überzeugung, 1) cf p 182 A 7, p 183 A 1. Weizsäcker Apost Zeitalter2 364 sieht liier eine Aufforderung an die Urgemeinde zur Flucht in die "Wüste. 2) Beispiele sind Dan 2 31 ff 7 8 11 f Henoch 85— 90 91—93 IVEsra 11 f Ass Mosia 2 ff Ap Bar 3 9f, 53 56—74. 187 dass man ihm auch für die gegenwärtig noch unerfüllten Weis- sagungen Glauben schenken dürfe 1). Diese Schilderungen der Vergangenheit sind also in Wirk- lichkeit gar keine Ausnahmen von dem allgemeinen Satze, dass die Apokalypse nur Zukünftiges enthält; denn nach der Fiction des Schriftstellers sind alle diese Ereignisse damals, als das Buch geschrieben wurde, zukünftig gewesen. Aber auch so haben sie in der Apokalypse nur deshalb eine Stelle, weil sie die eigentlichen Weissagungen, auf die es dem Schriftsteller letzt- lich allein ankommt, beglaubigen. Nun scheint es aber dennoch andere Fälle zu geben, die wirklich Ausnahmen von jener Generalregel darstellen. Im Traum schaut Xebukadnezar seine gegenwärtige Macht und die von Gott über ihn verhängte, zeitweilige Yerstossung vom Throne im Bilde eines grossen Baumes, der abgehauen wird 2). Und Henoch schildert im Anfange einer weltgeschichtlichen Allegorie die Zeit des ersten Menschenpaares 3). Hier stehen also doch wirklich in der apokalyptischen Vision neben dem Zukünftigen Dinge, die auch vom Standpunkte des Sehers gegen- wärtig oder sogar vergaugen sind? 4) Auch hier sind zwei ganz verschiedene Fälle zu unter- scheiden. Eine Vision, die im allgemeinen von der Zukunft handelt, kann sehr wol im Anfange die Gegenwart des Sehers, aber nur soweit es zum Verständnis des folgenden Zukunfts- bildes unbedingt nötig ist, in wenig Zügen darstellen. Eine solche Schilderung gegenwärtiger Verhältnisse ist zuweilen nötig, um das Subjekt, dessen zukünftige Schicksale in Betracht kommen, deutlich zu bezeichnen. Soll zB über Xebukadcezar irgend etwas geweissagt werden, so inuss die Vision zuerst Xebukadnezar soweit beschreiben, .dass deutlich wird, von ihm und keinem anderen solle das Folgende handeln. Ferner müssen die gegenwärtigen Verhältnisse des so bezeichneten Subjektes 1) Zu diesem oft, zB Hilgenfeld Einleitung in das NT 422 und in den neusten Danielcommentaren von Meinhold und Behrrnann, über- sehenen Zweck solcher Schilderungen cf Schürer II »310. 2) Dan 4. 3) Henoch 85. 4) Darauf hat sich Hilgenfeld Ztschr f wiss Theol 1890 p 444 berufen; cf auch Erbes 4. 188 so weit beschrieben werdea, als ohne diese die Weissagung nicht verständlich sein würde. Wenn zB von Nebukadnezar geweissagt werden soll, man werde ihm das Reich nehmen, so muss eine Schilderung seiner gegenwärtigen Herrschaft vorausgehn *) ; oder soll diesem Könige gezeigt werden, dass drei immer geringer werdende Reiche dem babylonischen folgen werden, so muss die Vision ein Bild geben, das dies Verhältnis anschaulich macht, in dem also auch das gegenwärtige babylonische Reich vor- kommt 2). Es liegt in der Natur der Sache, dass solche die Gegenwart schildernden Züge möglichst kurz abgemacht werden ; denn die Hauptsache ist das Folgende, die Offenbarung dessen, was die Zukunft bringen soll. Auch diese Fälle sind also im letzten Grunde keine Aus- nahmen; es bleibt dabei, dass der eigentliche Inhalt der Vision die Zukunft ist, und die Gegenwart darin nur so weit eine Stelle hat, als ohne diese ein Bild von der Zukunft nicht gegeben werden könnte. Ganz anders sind dagegen Stellen wie Dan 7 Hen 85 ff zu beurteilen. Bei solchen Pseudonymen Geschichtsweissagungen sind zwei Interessen zusammengeflossen: einmal das oben be- sprochene, durch eine eklatant erfüllte Weissagung den Seher zu beglaubigen; sodann das andere, dass durch eine umfassende Übersicht über die Perioden der Weltgeschichte dem Leser die Möglichkeit gegeben werden sollte, zu berechnen, in welchem Zeit- alter er gegenwärtig lebe, und darnach die Nähe des Endes zu bestimmen 3). Beiden Interessen entspricht es, dass der Schrift- steller solche Visionen durch einen Mann schauen lässt, der unmittelbar vor dem Anfange der in Betracht kommenden Ge- schichte gelebt hat. Aber mehrfach beobachten wir den Fall, dass hier eine Schwierigkeit entsteht, wenn jener Anfangstermin der Weltzeitberechnung und die Zeit des alten Sehers nicht ganz genau zusammenpassen. In solchem Conflict der Interessen hat der Apokalyptiker sich auf die Seite der Vollständigkeit gestellt und darüber die Fiktion, dass dies zu einer ganz bestimmten 1) Dan 47—9. 2) Dan 232. 3) Der Inhalt einer ähnlichen Vision Ap Bar 53 wird 562 so angegeben: indicans indieavit tibi fortis rationes temporum (= Welt- perioden). 189 Zeit geweissagt sei, mehr oder weniger stark verletzt. Verzeih- lich mag es sein, wenn Daniel, unter einem babylonischen Könige lebend, in dem Gesichte von den vier Weltreichen x) auch das babylonische, für ihn gegenwärtige, weissagt; ein sehr grober und fast lächerlicher Verstoss aber ist es, wenn Henocli -) im Eingange einer Geschichtsvision die Geschichte von Adam bis auf seine Zeit und sogar sich selbst prophezeit ! Solche Fehler mochte man nicht bemerken, weil der alte Seher soweit von der Gegenwart abstand, dass man die geringe Differenz zwischen seiner Zeit und dem Anfangstermin seiner Visionen übersehen konnte. Die letzteren Fälle also, wo alte Seher Gegenwärtiges oder gar Vergangenes ,weissagen', sind Fehler der schriftstellerischen Einkleidung. Es ist ein nicht geringes Misverständuis, wenn man aus solchen Fehlern gegen die Regel eine neue Regel ab- leitet: der Apokalyptiker dürfe in seinen Visionen auch beliebiges Gegenwärtiges oder Vergangenes schauen. — Solange das Juden- tum noch die geringste Anschauung von dem, was Weissagen heisst, bewahrte, konnte niemals der selbstverständliche Grund- satz verdunkelt werden, dass der Prophet nur Zukünftiges prophezeie; denn Gegenwärtiges oder Vergangenes prophezeien kann jedermann; und dass die Vision nur Dinge enthalte, die man ohne Vision nicht wissen könnte; sonst wäre das WTunder der Vision überflüssig 3). 1) Dan 7. 2) Henoch 85—88. Etwas anders ist die Geschiehtsvision in Ap Bar 53 zu beurteilen, in der zwar viel Vergangenes enthalten ist, die aber ausgesprochener Massen allen Wert auf die Periodeneinteilung, nicht auf die einzelnen Ereignisse legt. Hier wird also nicht die, jedermann bekannte, Vergangenheit, sondern vielmehr das göttliche Geheimnis der 24 Weltperioden offenbart. — Wiederum verschieden sind die Rückblicke der Sibylle, der Gott auch die ,Vorzeit' III 819 zu verkünden aufgetragen hat ; aber diese ,Vorzeit' ist für die Sibylle die " Zeit von der Weltschöpfung an bis auf Xoah I 5 — 290, das ist also eine Zeit, von der das gegenwärtige Geschlecht nur durch göttliche Offen- barung wissen kauu. Ich glaube, im Obigen Henoch 85—88 gerecht beur- teilt zu haben, indem ich ihm das zur Sibylle Bemerkte nicht anrechne. 3) Dies die Antwort auf Spittas Frage 29-1: .Warum können sich nicht schon eingetretene historische Ereignisse in visionären Er- 190 Wenden wir diese Erkenntnisse auf Ap Jon 12 an. Schil- derungen der Vergangenheit haben in der Apokalyptik den Zweck, Beglaubigung der eigentlichen Weissagungen zu sein; sie erfüllen diesen Zweck nur, wo sie als Weissagungen aus uralter Zeit, also unter dem Pseudonym eines alten Propheten auftreten. Wenn also die . Apokalypse behaupten würde, ein uralter Gottesmann habe diese Yision über Jesu Geburt und Himmelfahrt 2) und die ersten Geschicke der christlichen Ge- meinde geschaut, dann würde das Stück einen wol verständlichen Zweck haben: der Leser, von Bewunderung erfüllt, dass diese uralte Weissagung so genau eingetroffen sei, würde den übrigen Worten desselben Mannes gern Glauben schenken. — Aber solchen Anspruch erhebt das Capitel gar nicht; es will — so versichern die Verfechter seiner christlichen Herkunft — von einem Christen geschrieben sein 2). Auch die ältesten Leser sollen gewusst haben, dass hier ein Christ zu ihnen redet. Aber welchen Zweck soll dann das Capitel haben? Dass ein Christ von Jesu Schicksalen erzählen kann, das reisst niemanden zur Bewunderung hin : das ist völlig selbstverständlich. Eine Vision darüber würde dem Seher und den Lesern auf übernatürlichem Wege dasselbe noch einmal sagen, was sie auf natürlichem Wege schon wussten. Das wäre keine .Offenbarung'. Und wie konnte der Verfasser für seine Behauptung Glauben erwarten, er habe dies alles in der Vision gesehen, da doch jedermann wusste, er kenne diese Dinge genau ebenso, wie jeder Zeit- genosse sie kannte. Auch die allegorische Form solcher Schilderungen hat in den Apokalypsen guten Sinn; sie ist der Rest des Eindruckes, dass es dem Propheten gezieme, die Zukunft nicht mit prosai- scher Deutlichkeit, sondern in dunkeln ,Rätseln' zu weissagen. Aber welchen Zweck hatte es, Jesu Schicksale, die doch jeder- mann bekannt waren, so geheimnisvoll darzustellen, wenn der Verfasser gar nicht vorgab, sie zu prophezeien? Man vergleiche lebnissen aufs neue und in neuem, bedeutungsvollem Zusammenhange zeigen?' 1) wie zB Jesaias in der Ascensio Jesaiae (ed Dillmann) cap 3f. 2) Dabei ist es ganz gleichgültig, ob der Name Johannes Pseud- onym ist oder nicht. 191 damit, wie in den sicher christlichen Stücken der Ap Joh von Jesu gesprochen wird; da werden seine Schicksale entweder einfach mit Xamen genannt, oder mit den allgemein gebräuch- lichen Metaphern der christlichen Erbauungssprache bezeichnet l), aber nirgends wie hier künstlich verschleiert. Oder sollte es erlaubt sein, das Capitel nach Analogie von Dan 2 33 4: — 9 als eine Einleitung zu dem folgenden Zukunfts- gesichte zu betrachten? Aber wir haben gesehen, dass die Vision nicht irgend welche beliebigen Ereignisse der Vergangen- heit oder Gegenwart im Anfange darzustellen pflegt, sondern nur solche, ohne welche es unmöglich wäre, die Zukunft in einer Vision darzustellen. Aber solchen Charakter trägt cap 12 keineswegs. Im unmittelbar Folgenden setzen ganz neue Bilder ein; das ,TVeib" erscheint im Folgenden überhaupt nicht mehr. "Wenn das Capitel den Zweck haben sollte, Jesus, von dem dann die Zukunftsvision weissagen wollte, zu bezeichnen, so müsste es natürlich möglichst deutlich von ihm sprechen; das geschieht aber durchaus nicht. Der Xatur der Sache nach sind solche einleitenden Züge in einer Weissagung nur dann erträglich, wenn sie Gegenwärtiges oder unmittelbar vorher Vergangenes schildern ; diese Schilderung von cap 12 aber würde sich bei der herkömm- lichen Ansicht sogar über die letzten siebzig Jahre erstrecken. Das Capitel darf also nicht nach Analogie von Dan 232 4t— 9 erklärt werden. Oder sollte es schliesslich möglich sein, diese Schilderung des Lebens Jesu mit Stellen wie Henoch 85—87 zu vergleichen? Bei Henoch war es eine Ungeschicklichkeit des Schriftstellers, der gegen seine eigenen Fiktionen verstösst und aus Versehen seinen Seher Vergangenes prophezeien lässt. Das ist verständ- lich, wo es sich um Pseudonymie handelt. Aber davon ist hier keine Rede. Oder sollte wirklich der Verfasser von Ap Joh 12 einen Augenblick vergessen haben, dass er eigentlich schon nach Jesus lebe? - 1) cf die Beispiele in cap 12: für das erste .das Zeugnis Jesu' 17, für das zweite .das Blut des Lammes' 11. 2) Ebenso wenig kann man Ap Joh 12 mit dem .Perioden'-Gesiclite 192 Das Resultat ist also : Nur bei oberflächlicher Betrachtung kann die Geschichtserzählung, die Ap Joh 12 bei christlicher Abfassung geben würde, gewissen Partien jüdischer Apokalypsen ähnlich zu sein scheinen; sobald man ein wenig genauer zusieht und auch nach dem Sinn und Zweck dieser Stücke fragt, er- kennt man, dass cap 12, als Erzählung aufgefasst, ohne jede Analogie in der Apokalyptik sein würde. Und das mit gutem Grunde. Denn eine solche Vision von vergangenen Dingen würde in sich durchaus unmöglich sein. Damit ist wiederum erwiesen, dass cap 12 nicht von Jesu handelt. Sicher christlich sind in dem Capitel nur n und die Worte y.ai lyovxoiv Ttjv f-iciQTVQiav 'lyGov (resp 5/rjao<; allein) 17 x). Aber grade diese Stücke weisen sehr deutlich auf den nicht-christ- lichen Ursprung des Übrigen hin. Ein himmlischer Hymnus 10 12 feiert den Sturz des Drachen durch Michael: Jetzt hat Gott den Sieg davongetragen 10; darum wird der Himmel, den der Drache verlassen inusste, zur Freude aufgefordert, aber über die Erde, zu der er jetzt herabkommt, Wehe gerufen 12. In diesen Hymnus sind die Worte einge- schoben : sie aber — unsere (der Engel) Brüder dh die Gläubigen auf Erden — haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht ge- liebt bis zum Tode 11. Yischer2) hat richtig gesehen, dass die Worte den Zu- sammenhang stören: dia covxo vi bezieht sich über 11 auf 10 zurück; und dass sie von ganz anderen Voraussetzungen als das Vorhergehende und Nachfolgende ausgehen: dort ist der Ap Bar 53 (cf p 189 A 2) vergleichen ; von solcher Weltzeit-periodisierung ist ja in unserm Capitel gar keine Eede. — Auch mit den sibyllinischen Kückblicken auf die Urzeit hat unser Capitel nichts gemein; Jesu Geburt und Tod oder etwa die Flucht nach Pella sind keine , Offenbarung', wie es die Erzählung von der Schöpfung oder der Sintflut ist. 1) Spitta 131. Vischer 61 scheidet in 17 allein Y/jffof aus. Über diese, wol nicht sehr wichtige Frage gebe ich keine Entscheidung. 2) p 28 f. Schon de Wette'2 123 nannte den Vers eine Abschwei- fung. Dieselbe Beobachtung und die Ausscheidung des Verses auch bei Völter Entstehung2 68, Problem 146; cf auch Spitta 130. 193 Christus ein Kind, kurz nach seiner Geburt zu Gott gefluchtet, hier ,das geschlachtete Lamm'; dort wird "Wehe über die Erde gerufen, auf die der Drache jetzt herabkommt, um dann erst eine Verfolgung der Frommen zu beginnen 17, hier aber ist schon von einem Siege, den die Gläubigen über ihn davon ge- tragen haben, die Rede; dort wird der Drache durch Michael gestürzt, hier sind die Frommen die Sieger; dort ist der Drachen- sturz ein äusseres, Mythologischem* *) ähnliches Geschehen, hier die Besiegung des Teufels, auch im Märtyrertode, ein grossartiger Ausdruck für die inneren Erfahrungen des christlichen Lebens. Ebenso stört in 17 der Hinweis darauf, dass die Frommen das Zeugnis Jesu haben, den Zusammenhang. Im Vorher- gehenden war der Christus noch ein Kind; jetzt, während der Drache hier unten seine Wut auslässt, wächst er in der Verborgenheit des Himmels heran; und erst am Ende der Dinge wird er auf Erden auftreten 19iiff; wie kann da schon von dem ,Zeugnis', das er abgelegt hätte, die Rede sein? Und wieder ist ein grosser Unterschied zwischen dem Weltherr- scher und Drachentöter — das ist der Christus in cap 12 im Zusammenhange mit cap 19 — und zwischen dem ,Zeugen' dh dem Propheten Jesus 17. Der grosse Unterschied in der Haltung der beiden christ- lichen Stücke ,verrät aufs augenscheinlichste nicht bloss die Verschiedenheit der Verfasser, sondern auch die principielle Ver- schiedenheit ihrer religiösen Standpunkte' 3). Die beiden Stücke? besonders deutlich 11, zeigen, wie ein christlicher Leser die Er- zählung, die er fertig vorfand, so gut es gieng, sich zurecht gelegt hat; er fasste den Stoff als Allegorie auf und deutete den oder jenen Zug, ziemlich unbekümmert um den Zusammenhang des Ganzen; aber seine christlichen Gedanken standen von dem fremdartigen Stoffe viel zu weit ab, als dass er — nicht anders wie seine Nachfolger von heute — seiner vollständig hätte Herr werden können. Ich habe bisher vermieden, aus der Stellung des Capitels in der Disposition der Apokalypse irgend ein Argument zu 1) Das "Wort gebraucht de Wette2 121. 2) Pfleiderer 332. Gnnkel, Schöpfung. 13 194 nehmen und mich allein auf den durch die Natur des Stoffes gegebenen Zusammenhang beschränkt. Diese Zurückhaltung ist durch den gegenwärtigen Stand der literarkritischen Unter- suchungen über die Apokalypse dringend geboten; noch immer ist die Compositum des Buches eine offene Frage, die — wie ich glaube — ihre Lösung bisher nicht gefunden hat. Auch über den Zusammenhang unsere Capitels existieren die mannig- fachsten Anschauungen x); man streitet selbst darüber, ob es überhaupt die Fortsetzung eines Torhergehenden, oder ob es ursprünglich als selbstständiges Stück gedacht sei 2). Ausserdem wird durch eine Beobachtung über die Art der Apokalypse diese Vorsicht dringend gefordert. Die Apokalypse bietet, so wie sie gegenwärtig vorliegt, kein einheitliches, in fortlaufendem Zusammenhange verlaufendes Bild, sondern eine complicierte Zusammenstellung sehr vieler einzelner Visionen 3). An sehr vielen Stellen ist deutlich erkennbar, dass diese Einzel- visionen ihrer Natur nach selbstständige Grössen und ursprüng- lich nicht auf einander angelegt sind i). Damit ist für jede 1) eine Übersicht bei Völter Problem 133—145. 2) Erstere Meinung, natürlich die traditionelle, wird unter den Quellenkritikern vertreten durch Yischer 19 f, Spitta 122 ff, P Schmidt 13f; letztere durch Weizsäcker2 490 492, Völter Entstehung2 61 f Pro- blem 133 f, Erbes 84 f etc. 3) cf Weizsäcker 2 488 ff und Schleiermacher Einleitung in das NT 462: ,Wenn man dies alles (die vielen Ungleichheiten in der Apokalypse) erwägt, so giebt es doch schwerlich einen andern Schlüssel dazu, als dass hier eine Menge einzelner Visionen zusammengestellt ist, die gar nicht ursprünglich als Eins gedacht sind'. 4) cf Weizsäcker 2 489 ff. Weizsäckers Beobachtungen, die sich nur auf einzelne Teile der Apokalypse beziehen, lassen sich auf alle andern ausdehnen. So besteht in der sieben-Siegel-Yision ein innerer Zu- sammenhang nur zwischen den vier ersten Siegeln, die ein einheit- heitliches Gesicht ,von den vier Eeitern' darstellen. Das fünfte Siegel giebt eine ganz neue Scene, die Märtyrer unter dem Altar. Die neue Verfolgung die ihnen in Aussicht gestellt wird, und deren Schilderung wir im Folgenden erwarten, erfolgt indessen nicht. Vielmehr giebt das sechste Siegel dann wieder etwas ganz Xeues, die Zeichen am Himmel. Wenn hier die Sterne vom Himmel fallen 613. so setzt die Trompeten- vision voraus, dass sie noch am Himmel stehen 812. Die Versiegelung der Frommen 7 1—8 im sechsten Siegel setzt voraus, dass bisher noch 195 Untersuchung der Apokalypse die Methode bestimmt: Es ist stets zunächst der innere Zusammenhang des Stoffes festzu- stellen, die Grenzen der dem Stoff nach selbstständigen Einzel- vision sind aufzusuchen, das Einzelne innerhalb der Vision ist, soweit es möglich ist, aus diesem Zusammenhange zu erklären; und erst, nachdem diese Fragen beantwortet sind, ist es erlaubt, •den gegenwärtigen literarischen Zusammenhang zu untersuchen; dabei ist offen zu halten, dass derselbe erst später hinzuge- kommen sei *). In Befolgung dieser Methode 2) haben wir cap 12 von An- fang an als ersten Teil einer Vision erklärt, deren Schluss die- jenigen Stücke von 19n — 203 darstellen, die von der Besiegung des Drachen reden. Dazu kommt in der Vision der sechsten Schale die Kriegsrüstung des Drachen in 16 12— ig, ein passender Übergang zu der Schlacht in 19nff. In beiden Schlussstücken werden neben dem Drachen zwei Tiere genannt, die in cap 13 ausführlich beschrieben werden. Da dieselben in cap 12 noch nicht auftreten, so liegt die Möglichkeit vor, dass sie ursprünglich keine Plagen über die Erde gekommen sind, und steht also im "Wider- spruch zu den vier ersten Siegeln usw usw. 1) Hiermit ist noch keine literarkritisehe Theorie ausgesprochen; denn bei den Einzelvisionen ist mit der Möglichkeit, dass sie vor der Niederschrift in mündlicher Tradition existiert haben könnten, zu rechnen. Freilich muss jede wissenschaftliche, dh der Natur ihres Gegenstandes gerecht werdende Quellenhypothese von den obigen funda- mentalen Beobachtungen ausgehen. Nur dann, wenn der Unterschied von literarischem und stofflichem Zusammenhang festgehalten, und auf den letzteren der Hauptnachdruck gelegt wird, dürfen wir hoffen, aus der Verwirrung glücklich herauszukommen, in der die fast nur nach literarischen Zusammenhängen und ausserdem nach höchst zweifelhaften chronologischen Ansetzungen suchende Quellenkritik der Apokalypse stecken geblieben ist. 2) Demnach ist es ein methodischer Fehler, wenn Vischer umge- kehrt verfährt: .Es ist nur dann möglich, die Bedeutung dieser Vision richtig zu verstehen, wenn man erkennt, welchen Platz dies Capitel in der Anlage der Schrift einnimmt' 19. Ebenso ist es methodisch höchst bedenklich, etwa die Flucht des Weibes 13—17 von dem Vorhergehenden abzutrennen: bo Weizsäcker 2 364; Völter Problem 146 ff. Pfleiderer 332 f. Das heisst, das organisch Zusammengehörige mit dem Messer aus ein- ander schneiden. 13* 196 nicht zu der Geschichte vom Drachen gehörten; diese Frage kann an dieser Stelle noch nicht beantwortet werden x). Das im gegenwärtigen literarischen Zusammenhange un- mittelbar Vorhergehende, der Lobgesang der TiQeoßvTeqov 11 15— is, der den Anbruch des Gottesreiches und des Gerichtes über die Völker verkündet, ist deutlich eine Einleitung für die folgende Er- zählung von der Geburt und der Drachenbesieg ung des Christus2). Aber anderseits gehören lliöff und cap 12 keineswegs so eng zusammen, dass cap 12 etwa einen vorausgegangenen Abschnitt lliöff fordert; und llisff könnte seiner Natur nach die Einlei- tung zu jeder Schilderung des letzten Gerichtes über die Völker sein. Ferner trägt cap 1 2 auch dem Vorhergehenden gegenüber höchst originelle Züge: von einem himmlischen "Weibe, von einem Messias, der geboren wird, war bisher noch nicht die Rede; auch der Drache wird als eine neu auftretende Grösse beschrieben ; die ganze Erzählung setzt neu ein. Besonders stark unterscheidet sich cap 12 vom Vorhergehenden durch seine ganze .phantastische', an Mythologisches erinnernde Haltung. Demnach ergiebt sich, dass den Stoff angesehen mit cap 12 ein Neues beginnt3), und dass die Einleitung llisff erst später hinzugekommen ist. Wenn ich daher im Folgenden aus dem literarischen Zusammenhange von cap 12 argumentiere, so 1) Genaueres im Folgenden. 2) Spitta 123 hat ausserdem noch einen Zusammenhang zwischen cap 12 und 11 19 in dem Erscheinen der Bundeslade finden wollen, da nach rahbinischer Tradition haec arca futuro tempori adveniente Messia nostro manifestabitur (Abarbanel zu I Sam 44). Indess diese Verwen- dung der rabbinischen Stelle stützt sich auf ihren Wortlaut, nicht auf ihren Sinn. Die Erscheinung der Arche hat speciell mit dem Messias nichts zu tun; die Stelle will nur sagen, dass sie in der Endzeit er- folge; sie könnte ebenso gut sagen: ,wenn Gott sein Volk sammelt und ihm wieder gnädig ist' IIMacc27. Falls also wirklich dies Zusammen- treffen nicht zufällig ist — was ich zu glauben geneigt bin — , so liegt doch jedenfalls nur ein sehr äusserlicher Zusammenhang vor. — Ebenso ist die Verwendung der Dreizahl 12* || 87 8f 10 12 etc (Spitta 124) eine ganz lose Verbindung. Durch diese Beobachtungen wird also unsere Behauptung, dass cap 12 den Stoff nach neu sei, nicht betroffen. 3) Schon Bleek 116 und de Wette2 116 f haben den neuen Anfang in cap 12 bemerkt. 197 mache ich ausdrücklich auf die Möglichkeit aufmerksam, dass sich der Sinn der Vision, als sie in diesen Zusammenhang ein- gestellt wurde, verschoben haben könnte *). Gegenwärtig steht cap 12 im Zusammenhange der Posaunen- vision. Die Geburt des Christus wird berichtet nach der siebenten Posaune, von der es 10: ausdrücklich heisst, dass sie die letzte Vollendung bringe. Auch sind im Vorhergehenden schon lauter zukünftige Ereignisse geschildert. Demnach hat derjenige, der cap 12 diesem Zusammenhang eingegliedert hat, auch die Ge- burt des Christus für ein Ereignis, das die Zukunft bringen solle, gehalten. Dagegen hilft auch die herkömmliche Ausrede nicht, der Verfasser ergänze seine bisher ,proleptische' Schilderung durch eine ,Nachholung' ; denn es ist im Texte durch nichts angedeutet, dass der Verfasser hier den natürlichen Faden der Aufeinander- folge der Ereignisse abreisse und von den letzten Zeichen der Zeit auf einmal in die Vergangenheit zurückspringe. Derjenige also, der diese Vision hinter die siebente Posaune gestellt hat, kann jedenfalls die Geburt des Christus nicht für ein Ereignis der Vergangenheit gehalten haben, kann also nicht Christ ge- wesen sein. Vom Standpunkte des Judentums aber ist es völlig begreif- lich, dass die Geburt des Christus in einer Beschreibung der letzten Dinge berichtet wird. So gewinnen wir das Resultat, dass auch die Einreihung des Capitels in den Zusammenhang der Apokalypse jüdische Hand zeigt. Man wendet gegen den jüdischen Ursprung unsers Stückes ein, dass das Judentum nicht von einer doppelten Er- scheinung des Messias rede; dies sei vielmehr erst in der christ- lichen Gemeinde möglich gewesen, die auf das irdische Leben ihres Herrn zurückgeblickt und sein Wiederkommen erwartet hat 2). Diese Argumentation zählt die Geburt des Christus als seine erste Erscheinung auf Erden, wird also hinfällig, so- bald man erkennt, dass der Christus von Ap Joh 12 nicht auf 1) cf darüber weiter ain Schlüsse dieser Untersuchungen. 2) Völter Streitsc.hr 12 f Problem 154 Hilgenfeld 445 Erbes 5. 198 Erden, sondern im Himmel geboren wird l). Im Gegenteil,, cap 12 und die mit ihm zusammenhängenden Stücke, die nur eine ^Erscheinung- des Christus kennen, diejenige, bei der er den Drachen überwinden wird, zeigen eben damit an, dass sie auf den Standpunkte des Judentums und nicht des Christen- tums stehen2). Oder man behauptet, der geborene Messias weise auf christlichen Ursprung des Capitels hin 3). Es ist nicht nötig, die Voraussetzung dieses Schlusses, dass die Gebart des Messias Ap Joh 12 ein Ereignis der Vergangenheit sei, hier zu unter- suchen. Denn auch wenn diese Voraussetzung richtig sein sollte, ist damit keineswegs die christliche Entstehung des Stückes erwiesen. Dann würde das Capitel sagen : der Messias ist zwar schon geboren, aber bisher noch nicht aufgetreten; gegenwärtig weilt er noch ,irgendwo; in der Verborgenheit. Diese Anschauung vom Christus widerstreitet der christlichen, nach der Jesus schon einmal als Christus sich offenbart hat; sie ist aber aus dem Judentum mehrfach bezeugt 4). Unter diesen jüdischen Parallelen ist besonders eine von grossem Werte, die allen Zweifeln darüber, ob Ap Joh 12 im Judentum möglich sei, definitiv ein Ende macht. Schon Vischer hat auf Jer Berachot fol 5 cap 1 5) hingewiesen : der Messias sei 1) Übrigens wäre, auch wenn die Geburt des Christus Ap Joh 12 auf Erden stattfände, damit die jüdische Herkunft des Capitels noch keineswegs widerlegt; auch dann würde es sich hier nicht um eine doppelte .Erscheinung- handeln. Man hat unter einer .Erscheinung' Christi natürlich seine Erscheinung als Christus dh eine Offenbarung seiner göttlichen Macht zu verstehen. Das Christentum redet von zwei , Erscheinungen' des Christus, einer provisorischen, wo er manches von seiner göttlichen Macht gezeigt hat, und einer definitiven, wo er sich vor aller Welt ganz offenbaren wird. — Dagegen , erscheint' Christus in der Tradition von Ap Joh 12 nur einmal cap 19, nachdem er vorher auf Erden geboren ist, aber ohne sich damals zu offenbaren'. Es giebt keinen Grund, diesen Gedanken für unjüdisch zu erklären; jedenfalls ist er mit der christlichen Anschauung durchaus nicht identisch. 2) nach Spitta 127. 3) Weizsäcker Theol Ltztg 1890 p 470. 4) Schürer II 447 f. 5) cf die lateinische Übersetzung bei Lightfoot, Horae zu Mt 2i. 199 an dem Tage, an dem der Tempel zerstört worden sei, geboren, aber einige Zeit darauf seiner Mutter durch einen Sturmwind entführt. Diese Stelle ist allerdings Ap Joh 12 frappant ähn- lieh: das eigentümlichste Moment in der Schilderung unsers Capitels, dass der Christus unmittelbar nach seiner Geburt zu Gott entrafft wird, findet hier ein Gegenstück. Auch in der Zeitangabe sind beide parallel: in der Talmudstelle wird der Messias am Tage der Tempelzerstörung geboren; ähnlich ist es, wenn Ap Joh 12 unmittelbar auf die Geburt des Christus die Zeit folgt, wo der Drache auf Erden Gewalt hat. Dieser Um- stand ist um so bedeutsamer, als in dem Zusammentreffen beider Ereignisse ursprünglich ein Gedanke niedergelegt war: der Tag, wo das Böse seine Herrschaft beginnt, ist zugleich der Tag, wo das Gute geboren wird. Wenn also auch die feindliche Macht hier unten zu siegen scheint, seid getrost! Er ist schon vor- handen, der euch Hülfe bringen soll!1) Die Talmudstelle trägt in ihrer eigentümlichen abrupten Art die Züge halbverschollener Tradition; wohin und weshalb der Messias entführt wird, wird nicht gesagt; wir können es aus dem Zusammenhange und aus Ap Joh 12 ergänzen: die Feinde, die den Tempel zerstören, würden auch das Christuskindlein, das ihrer Herrschaft dereinst ein Ende machen soll, am liebsten umbringen, wenn es nicht dahin entfahrt würde, wohin ihre Hand nicht reicht. Eine Reihe von Zügen, welche die Talmudstelle von Ap Joh 12 unterscheiden, beweisen, dass wir es im Talmud mit einer selbstständigen Tradition zu tun haben. Der Hauptunter- schied ist, dass Ap Joh der Messias von einem göttlichen Weibe im Himmel, im Talmud von einem menschlichen Weibe auf Erden geboren wird. Damit wäre, wenn die der Talmudstelle zu Grunde liegende Tradition vollständig erhalten wäre, ein durchgreifender Unterschied für den ganzen Aufriss beider Er- zählungen gegeben. Dass dieser Stoff demnach in zwei, so unterschiedenen, Recensionen existiert hat, befremdet uns um so weniger, als wir wissen, dass das Messiasbild des Judentums 1) Dies ist .der eigentliche Grund' der Verknüpfung von Messias- gebart und Tempelzerstörung, gegen Baldensperger Zeitschr für Theol und Kirche IV 246 A 1. 200 zwischen einem irdischen Könige und einer Gestalt, die auf den Wolken des Himmels kommt, geschwankt hat. Dazu kommen eine Reihe concreter Einzelzüge. Im Talmud wird das Kind seiner Mutter durch einen Sturmwind entführt; das ist jedenfalls ursprünglicher als das farblose r^oTzäoÜri der Apokalypse. Yon der Tempelzerstörung ist nur im Talmud die Rede; der Zug beweist, dass man sich nach der Katastrophe Jerusalems anno 70 mit dieser Erzählung getröstet hat. Wenn schliesslich der Talmud als irdischen Geburtsort des Christus Bethlehem nennt, so kann man daraus durchaus nicht etwa eine Abhängigkeit von christlicher Tradition beweisen; diese Angabe ist bekanntlich im Judentume nach Micha 5i ein Stück der messianischen Dogmatik. Es entspricht dem literarkritischen Zuge der Zeit, dass man auch die Talmudstelle und Ap Joh in ein literarisches Abhän- gigkeitsverhältnis zu setzen versucht hat *) ; ein stichhaltiger Be- weis dafür ist nicht erbracht. Ich fasse das Resultat zusammen: die Talmudstelle stellt den Rest einer Ap Joh 12 verwandten, sonst im Talmud ver- klungenen Tradition dar; sie beweist also, dass die in Ap Joh niedergelegte Überlieferung einst im Judentum existiert hat. Dazu kommt ein sprachlicher Beweis. Dass cap 12 sehr stark hebraisiere, hat man längst gesehen; aber es ist auch wahrscheinlich, dass es aus einem semitischen Originale über- setzt sei 2). Demnach ist der Ort der Abfassung Palästina gewesen. 1) Völter Streitschrift 16 Problem 170 f erklärt die Talmudstelle sogar für eine ,Verspottung' von Ap Job. 12: Der ursprünglicbe Sinn der Legende sei, zu zeigen, dass der cbristliebe Messiasglaube ,eitel Wind' sei ! — Eine Widerlegung ist niebt notwendig. 2) Spuren ursprünglicb bebräischer (aramäiscber?) Abfassung in cap 12 : Die Construction eadivovoa y.cd ßaaavi^ousrrj rexeiv 2 ist ganz bebräiscbartig cf I Sam 4i9 r-Vr rrr. (cf Siegfr-Stade Hebr Wb). — Der im Griechischen sonderbare Ausdruck vlbv aoaeva 5 erklärt sich als wörtliche Übersetzung von -27 "p Jer 20 15. Im Hebräischen bedeutet p .Kind', ist also -=: nicht überflüssig. — In onov iyu Ixil tottov tjtoi- uuauirov e 14 ist 07701; Ixu Xachahmung eines hebräischen oe -rs. — Der Anfang von Vers 7 xul iytviro nöltuos Iv r« ovoavü, 6 Mr/aj\X 201 Als Resultat unserer bisherigen Ausführungen über Ap Joh 12 gewinnen wir also eine Bestätigung der Tischersehen These: das Capitel ist nicht christlichen Ursprungs; denn vom Standpunkt christlicher Abfassung wäre es nicht zu verstehen, und die herkömmliche Erklärung auf Jesu Geburt und Himmel- fahrt ist völlig unhaltbar. xcd ol üyytloi uvtov, tov noXtfxriacti uitü tov öoüxovtos hat den Exegeten sehr grosse Schwierigkeiten Dereitet. Die Lösung ist dem vom AT her- kommenden und an .Auffüllungen' gewöhnten Exegeten fast selbstver- ständlich. 6 Miyar[k xal ol ayytkot ccvtov ist ein eingesetztes Subjekt. Über den Zweck dieses Einsatzes wird im Folgenden gehandelt werden. Das übrig bleibende xal tytvtro nolfuo; tr rw ovouriö , tov no).furjacti {jutcc tov doii-s.ovTog ist ganz hebräisch gedacht z-'-r- D*»ö»a rtariVa -rr- parva ,da ward Kampf im Himmel, dass man kämpfte mit dem Drachen'. — In Vers 8 ist xcd ovx "ayvaiv = ■=:" sV- .aber gewann nicht den Sieg' (cf Düsterdieck 4 399) ein starker Hebraismus. — In Vers 10 «ort lytvero 7) oojTT)oi{( xal Ij Svrauig xcd rj ßatfileüt tov d-fov rjutSi' xal fj l$ovoic< tov Xoiotov ccvtov ist oanijQfa sehr schwierig (de Wette "2 122). Der Satz will sagen: Durch den Drachensturz hat Christus die Herrschaft, Gott die Macht und das Keich bekommen. Wie sonderbar aairrjoia in diesem Zusammenhange ist — Gott kann doch nicht .Heil' bekommen? — . kann man an der schwülstigen Erklärung Düsterdiecks 4 402 sehen. Na- türlich ist awTi]oCa Übersetzung eines hebräischen nynr nyvor\ Heil. Sieg (so Ewald 245). Ebenso in den Parallelen. — x«tipi[ 12 || lß).rt&r} 9 13 erklärt sich aus einem hebräischen — (aram rr.:), das auch von unfreiwilligem Herabsinken gebraucht wird (Ewald 245). — xatqav xcd xaigovs y.cu r,uiai y.uiQov 14, inuss nach dem Zusammenbang und nach den Berechnungen ,drei und ein halb Zeiten' bedeuten. Wie kommt der Plural zu der Be- deutung .zwei Zeiten'? Dieselbe Phrase ist Dan 725 Übersetzung des aramäischen ftt ;"■:£- --:-r ■;-?, Dan 127 des hebräischen *srvi =— ri -ryw; darin sind p-** und cpisn/a ursprünglich als Dual gedacht, der indess in der Consonantenschrift vom Plural nicht zu unterscheiden ist. Daher haben LXX 0 und auch die Punktation den Dual als Plural misver- standen; dies Versehen lag Dan 725 um so näher, als der Dual im späteren Aramäisch obsolet geworden ist. Im Folgenden wird gezeigt werden, dass Ap Joh 12 Daniel gegenüber selbstständige Tradition ent- hält. Das xcuoovg von Ap Joh gebt also nicht auf Daniel, sondern auf einen den Misverständnissen in Daniel parallelen Übersetzungsfehler zurück. — Aus dem starken Hebraisieren geht hervor, dass ein jüdisch denkender Mann das Capitel geschrieben; aus den Übersetzungsfehlern, dass es ursprünglich hebräisch abgefasst war. 2. Die zeitgeschichtliche Deutimg von Ap Joh 12. Das Urteil über diese Erklärung wird wesentlich gemildert, wenn man sie in dem Zusammenhange betrachtet, in den sie gehört: sie ist ein Beispiel der zeitgeschichtlichem Exegese. Anderseits würde es unmöglich sein, diese eine Erklärung an der Wurzel zu treffen, wenn man nicht zugleich die Methode widerlegt, deren legitimes Erzeugnis sie ist. Da die .zeitgeschicht- liche' Methode indess gegenwärtig als eine unanfechtbare Errungenschaft der modernen Forschung x) gilt und in der wissenschaftlichen Welt unbeschränkt zu herrschen scheint, so bin ich genötigt, hier etwas weiter auszuholeu : ich denke, meine Auffassung von der Apokalypse, die ich in diesem Zusammen- hange nur skizzieren kann, an anderer Stelle ausführlich dar- zulegen. Xach der zeitgeschichtlichen' Erklärung *) hat der Apoka- lyptiker in seiner Schrift die Ereignisse seiner Zeit und die Erwartungen, die sich aus der Zeitlage ergaben, in allerlei Bil- dern dargestellt. Demnach soll der eigentliche Inhalt der Apo- kalypse die Zeitgeschichte sein. Diese Auffassung stimmt also mit den übrigen Methoden der Auslegung, dh mit der kirchen- geschichtlichen Exegese und ihren modernen Abschwächungen, in der Behauptung überein, dass in der Apokalypse eine Ge- schichte bildlich dargestellt sei. ,Da dem Bildercyklus der Apk jedenfalls eine Geschichte entsprechen muss, hat man im Grunde nur eine Wahl zwischen einer für den Verfasser in Vergangenheit oder Gegenwart und einer für ihn in der Zu- kunft liegenden Geschichte' 3). Das Erstere ist die Anschauung der zeitgeschichtlichen, das Letztere die der kirchengeschicht- lichen Exegese. Die Aufgabe der zeitgeschichtlichen Erklärung 1) Völter, Entstehung- 1. Baldensperger Zeitsehr für Theol und Kirche IV 245. 2) Der Name seit Auberlen Prophet Daniel etc 390. 3) Holtzmann Comraentar "2 288. 203 wäre demnach, aus den bunten Bildern der Offenbarung die in ihnen künstlieh versteckten geschichtlichen Erscheinungen wieder herauszufinden. Diese Auslegung findet ihre Stütze namentlich in gewissen Partieen jüdischer Apokalypsen; Stücke wie Daniel 7f Henoch 85 ff IV Esra 11 f Ap Bar 53 ff sind deutlich zeitge- schichtliche Allegorieen. Auch in der Ap Joh sind einzelne Punkte sicher zeitgeschichtlich zu deuten. Das Tier cap 13 soll eine Allegorie auf das römische Reich sein, das Weib auf dem Tiere cap 17 die Stadt Rom bedeuten l). Es fragt sich aber, ob die ganze Apokalypse oder auch nur ein grosser Teil der- selben so erklärt werden darf. Sieht man genauer zu, so erkennt man, dass auch schon in der Gegenwart die zeitgeschichtliche' Exegese keineswegs Alleinherrscherin ist. Nicht alle Stücke der Apokalypse werden gegenwärtig auf Zeiterscheinungen gedeutet; sehr viele versteht man als ,ideale' Bilder, dh als Erzeugnisse einer — übrigens nicht völlig frei erfindenden, sondern durch prophetische und apokalyptische Vorbilder angeregten — Phantasie; so erklärt man zß die Scene im Himmel cap4f, das neue Jerusalem cap 21yff, vielfach auch die Heuschrecken cap 9iff, die sieben Schalen cap 16 usw. — Aber auch innerhalb der zeitgeschichtlichem Schilderungen selbst sollen neben den eigentlich zeitgeschicht- lichen- Zügen eine Reihe rein phantastischer stehen, welche die andern sehr häufig überwiegen 2). So soll zu dem Gesichte von dem fabelhaften Reiterheer cap 9 raff nach der gewöhnlichen Erklärung3) die Parthergefahr Anlass gegeben haben; aber das Gesicht selbst mit seinen vielen merkwürdigen Einzelzügen geht weit über diese vorausgesetzte Veranlassung hinaus. So bietet schon die zeitgeschichtliche Exegese eines ein- zelnen Forschers ein buntes Bild: da findet man zeitgeschicht- liche Allegorieen oder ideale Bilder, selten in reiner Form, um so häufiger in Mischungen: zeitgeschichtliche Stoffe, mehr oder weniger phantastisch ausgeschmückt, oder ideale Bilder mit mehr, oder weniger zahlreichen zeitgeschichtlichen Zügen. Alles dieses ohne erkennbare Ree-el bunt durch einander. Xoch vielfarbiger 1) Weiteres über diese Capitel in Abschnitt i. 2) cf das Beispiel p 184. 3) cf im Folgenden p 211, 204 •wird das Bild, wenn man die Erklärungen verschiedener Exe- geten zusammenstellt. Denn wenn auch alle in der Annahme übereinstimmen, dass diese beiden Stoffarten vorhanden seien, so weichen sie doch darüber, was im einzelnen als Phantasie- bild, was auf gleichzeitige Erscheinung zu deuten sei, mannigfach von einander ab. Was der eine als Dichtung deutet, erklärt der andere als zeitgeschichtliche Anspielung und umgekehrt. Trotzdem ist es bisher kaum zu einem eigentlichen Streite ge- kommen1), viel weniger zu der so notwendigen principiellen Erörterung, woran denn eigentlich der zeitgeschichtliche Stoff und das Phantasiebild zu erkennen seien. Während es also die herkömmliche wissenschaftliche' Me- thode bisher zu einer principiellen Klarheit über sich selbst noch gar nicht gebracht hat, hat sich die Praxis der Exegese so gestellt, dass man, soweit es einigermassen geht, .zeitge- schichtlich' deutet und, was sich gegen diese Erklärung zu sträuben scheint, für .phantastisch' ausgiebt. Freilich, wo die Grenze des zeitgeschichtlich' nicht mehr Deutbaren beginnt, ist kaum zu sagen; und der Umfang des Zeitgeschichtlichen' in der Apokalypse ist darum sehr schwankend. Während die Be- gründer der gegenwärtig herrschenden Methode, Lücke 2), Bleek, de Wette, weniger Ewald, in der Einzeldeutung sich grosser Zurückhaltung befleissigt haben — eine Tradition, die noch in der Gegenwart von Forschern wie Weizsäcker, Holtzmann 3), B Weiss 4), Jülicher 5) fortgesetzt wird — , steht die zeitgeschicht- liche Erklärung bei den modernen Quellenkritikern Yölter, Spitta, Erbes in voller Blüte, die damit in die zu Anfang des Jahrhun- derts herrschende rationalistische Exegese wieder zurückgefallen 1) Weizsäcker2 495 warnt ausdrücklich davor, die zeitgeschicht- liche Deutung auf Stoffe auszudehnen, die in "Wirklichkeit der Phantasie oder der alttestamentlichen Prophetie entstammen. 2) Lücke Einleitung in die Offenbarung des Johannes 825: .Be- stimmtere chronologische Andeutungen finden wir nur cap XI, 1 ff XIII, 3 XVII, 10. 11'. 3) Holtzmann versteht zeitgeschichtlich — abgesehen von cap 13 und 17 — die fünf ersten Posaunen, die in cap 11 bevorstehende Er- oberung Jerusalems, die Flucht des Weibes 126H und den Partherzug 16 12. 4) Weiss Einleitung2 380 ff. 5) Jülicher Einleitung 178 ff. 205 sind. Dennoch wird auch von den Letzteren, nur ein kleiner Teil des Buches zeitgeschichtlich' verstanden; und die Hauptmasse soll auch nach ihnen aus Phantasiebildern bestehen. Es mag demnach als eine wol aufzuwerfende Frage er- scheinen, ob die gegenwärtige Exegese der Apokalypse über- haupt noch den Namen einer zeitgeschichtlichen' verdiene. Dass diese Frage bisher nicht gestellt ist, erklärt sich einmal daraus, dass auf das zeitgeschichtlich zu erklärende Material, aus welchem die chronologische Datierung der Schrift zu gewinnen wäre, ein besonderer Accent gefallen ist. Die zeitgeschichtliche' Exegese verrät also schon durch diesen von ihr acceptierten Namen ihr einseitiges Interesse für literarkritische Probleme; dasselbe tritt freilich noch, stärker bei den übrigen Apokalypsen hervor, um deren Inhalt die moderne Forschung sich meist nur soweit bekümmert hat, als er für die Literarkritik in Betracht kommt. Dazu kommt, dass bei den modernen Forschern mehrere verschiedene Definitionen des Wortes zeitgeschichtlich' durch- einander gehen. Neben der oben *) erörterten, nach welcher in den Bildern der Apokalypse zeitgeschichtliche Ereignisse kunstvoll versteckt sind, steht eine andere, dass die Weissagung der Apokalypse — wie alle biblische Weissagung — durch die Zeitumstände und deren Beurteilung durch den Autor bestimmt, dass daher der Horizont des Sehers durch die Zeitgeschichte beschränkt sei 2). Ausserdem giebt es eine dritte Erklärung des Wortes, nach welcher die Apokalypse — wie jedes Buch — aus den Anschauungen ihrer Zeit zu erklären sei 3). Nun schliessen sich diese Definitionen zwar nicht notwendig aus; sie stimmen alle in dem Gegensatze gegen die kirchengeschichtliche Erklärung1 überein. Anderseits sind sie deutlich von einander 1) cf p 202. 2) Diese Definition zB Ewald 2 Düsterdieck 4 50 f Schmiedet Hand- cominentar II 1 2 39. 3) Es bandelt sich hier also nicht um die Frage, oh die zweite und dritte Erklärung eine für die Apokalypse brauchbare Methode geben; dies ist ja für die dritte selbstverständlich; die zweite soll im Folgenden kurz besprochen werden. Alle drei Erklärungen findet man neben einander Holtzmann Einleitung 3 414. 206 verschieden; die zweite ist viel allgemeiner als die erste, die dritte als die zweite; und wir werden nicht durch die Natur der Sache von der dritten zur zweiten oder von der zweiten zur ersten notwendig geführt. Es ist daher nicht erlaubt, mit diesen verschiedenen Definitionen ad libitum abzuwechseln. Will man die gegenwärtig in der Erklärung der Apokalypse herrschende Verwirrung überwinden, so ist dringend geboten, dass man eine einheitliche Definition des Wortes befolge; auch Namen sind der Wissenschaft nicht gleichgültig; denn grade sie verewigen häufig den Irrtum früherer Geschlechter 1). Diese Definition kann nur die erste, von mir an die Spitze dieser Erörterung gestellte, sein; denn sie allein würde etwas für die Apokalypse und die Apokalyptik Charakteristisches aussagen. Nun ist deutlich, dass der bei weitem grössere Teil der Apokalypse, der die ,idealen< Bilder enthält, in diesem Sinne des Wortes nicht zeitgeschichtlich verstanden wird. Der mis- bräuchliche gemeinsame Name darf also nicht darüber täuschen, dass es sich in Wirklichkeit um zwei ganz verschiedene Me- thoden handelt, zwischen denen die gegenwärtige wissenschaft- liche' Erklärung ohne erkennbare Kegel abwechselt: die eine sucht nach versteckten zeitgeschichtlichen Ereignissen, die andere erklärt den Stoff als eine phantasievolle Nachahmung alttesta- mentlicher Originale. In der Befolgung dieser beiden Methoden stimmen alle Forscher überein, so sehr sie auch in der Definition von zeitgeschichtlich' variieren. Die zweite Methode soll nachher an einem Beispiele ausführlich besprochen werden. Neben diesen beiden zeigen sich Ansätze zu einer dritten Erklärungsart. Man hat von Anfang an gesehen, dass das AT die Apokalypse nicht nur der Form, sondern auch dem Inhalt nach bestimmt, dass es dem neutestamentlichen Seher nicht nur eine Fülle von Bildern und ,Symbolen', sondern auch positive Erwartungen geliefert hat 2). Neuerdings hat man in grösserem 1) So ist es zB eine Verewigung der Verwirrung, wenn man noch gegenwärtig die eschatologische Hoffnung der Propheten, nachdem man längst eingesehen hat, dass der König Israels darin zwar ein Moment von nicht zu unterschätzender Bedeutung, aber doch nicht die Haupt- sache sei, noch immer .messianische Hoffnung' nennt. 2) Holtzmann Commentar - 292. 207 Masse auch die jüdische Apokalyptik zur Erklärung herange- zogen, deren Einfluss auf die Ap Jon .im Princip nie bestritten ist' !). Nun mag man vielfach noch geneigt sein, wo man deut- liche Berührung zwischen der neutestamentlichen und den jüdi- schen Apokalypsen findet, sofort literarische Abhängigkeit anzu- nehmen 2). Doch ist auch schon die bessere Erkenntnis aus- gesprochen, dass es ein .gemeinsames apokalyptisches Material' giebt, an dem auch die Ap Joh participiert hat3). Spitta hat den Beweis für die Richtigkeit dieser Anschauung an einzelnen Stellen geführt4). Eine Reihe von Unebenheiten und Unver- ständlichkeiten der Apokalypse werden deutlich, wenn man er- kennt, dass hier ,eine originale Production von apokalyptischem Materiale nur in beschränkter Weise vorliegt', und ,dass unsere Schriftsteller vielmehr aus festgeprägtem Materiale ihre Schriften hergestellt haben'3). Damit ist im Princip eine neue Methode für die Exegese der Apokalypse gegeben ; eine Methode, die sich von den beiden 1) Weiss Einleitung - 376. 2) So nimmt zB Völter Problem 460 literarische Beziehung zwischen Ap Joh 69 — n und IV Esra 43öf an, obwol eine Berührung im Wortlaut nicht vorliegt, und obwol auch dem Sinne nach keine der beiden Stellen sich deutlich als abhängig von der andern erweist, cf Spitta 298. 3) Spitta 301. 4) ZB die Vision von der Versiegelung der Knechte Gottes 7i— 8 war ursprünglich auf eine Fortsetzung angelegt, in der die vier Winde, die bis zu der Versiegelung , gehalten' worden sind, jetzt, nachdem diese geschehen, über die Erde losgelassen werden. Diese notwendige Fort- setzung folgt gegenwartig nicht ; die folgenden Plagen kommen nicht von vier Winden, sondern von sieben blasenden Engeln. Die Versiege- lung der Knechte Gottes ist also ein einzelnes, aus einem grösseren Zusammenhange herausgenommenes und hier aufgenommenes Stück, das freilich in dieser Isoliertheit gegenwärtig nicht mehr ganz verständlich ist, Spitta 315f. — Die tausend Jahre der Weltherrschaft der Gläubigen 20 4 ff hängen, wie bekannt, ursprünglich mit einer Weltära von sieben- tausend Jahren zusammen. Aber die Ap Joh selbst hat diesen Zusam- menhang nicht bewahrt, sondern die Zahl .tausend Jahre" als eine ab- gerissene und für sich allein unverständliche Xotiz überliefert. — Andere Beispiele Spitta 319 321 333 434. cf auch oben p 194 A 4 und im Fol- genden. 5) Spitta 315 434. 208 bisher geübten so stark unterscheiden muss, als die Anschauung von dem Wesen der Stoffe, die ihnen zu Grunde liegt, bei bei- den verschieden ist. Die beiden ersten Erklärungen stimmen darin überein, dass sie sich den oder die Verfasser der Apoka- lypse als Urheber ihrer Stoffe denken ; darnach wäre eine solche apokalyptische Schrift das Werk eines einzelnen Mannes, aus der Situation einer bestimmten Zeit entstanden, eine rein lite- rarische Grösse. Ganz andersartig aber sind Schriften, die im wesentlichen Codificationen einer Tradition darstellen ; der eigent- liche Urheber des in ihnen niedergelegten Stoffes ist nicht der Schriftsteller, sondern eine ganze Reihe von Geschlechtern; und der Stoff setzt in der Form, in der er gegenwärtig existiert, eine vielleicht jahrhundertjährige1) Geschichte voraus, in der auch mündliche Tradition eine Rolle spielen mag. Darnach muss die Auslegung verschieden sein: nach den beiden ersten Methoden wäre der Gegenstand der Forschung das in sich zu- sammenhängende Werk eines Schriftstellers, der aus seiner Gegenwart zu verstehen ist; bei einer codificierten Tradition besteht die Exegese darin, die vielleicht sehr complicierte und über einen langen Zeitraum sich erstreckende Vorgeschichte des Stoffes zu erforschen und daraus den gegenwärtigen Zustand der Tradition zu erklären. Zwischen beiden Erklärungsarten sind Übergangsformen denkbar; denn wenn es möglich ist, dass der letzte Schriftsteller das Material, so wie er es empfangen hat, treu niederschrieb, so ist anderseits auch die Möglichkeit gegeben, dass er nicht Knecht, sondern Herr seines Stoffes war und mit grösserer oder geringerer geistiger Freiheit das Vor- gefundene zu einem Neuen verarbeitete. Spitta nennt Fälle, in denen das Erstere geschehen ist 2). Es ist hier noch nicht der Ort, zu zeigen, wie weit diese ,traditionsgeschichtliche' Methode in der Ap Joh anzuwenden sei, nur die Forderung ist schon nach dem Obigen berechtigt, dass man diese Methode überall zu erproben habe. Es darf nicht als selbstverständlich gelten, dass der Apokalyptiker seinen Stoff frei erfunden, nicht einmal, dass er mit dem Vor- 1) Spitta 466. 2) cf die oben p 207 A 4 angeführten Beispiele. 209 gefundenen nach Belieben geschaltet habe; vielmehr ist bei jeder neuen Stoffmasse aufs neue die Frage zu erheben, ob sie sicli nicht aus einer Geschichte der Tradition besser als aus dem Geiste eines Mannes erkläre. Dabei hat man vor allem auf die Unklarheiten des gegenwärtigen Textes zu achten; man hat zu untersuchen, ob eine mündliche apokalyptische Tradition anzunehmen ist 1) , und in welcher Form der apokalyptische Stoff seiner Natur nach existiert hat. Zeitgeschichtliche" Erklä- rung aber ist nur da berechtigt, wo es sich um ein von dem Schriftsteller frei componiertes oder wenigstens umgearbeitetes Material handelt. Man ist vielleicht geneigt, sich darüber zu wundern, dass diese auf die Überlieferungsgeschichte achtende Methode bisher so sehr zurückgetreten ist; bis man die Gesetzmässigkeit dieser Erscheinung erkennt. Auch diese ist in dem literarkritischen Zuge der modernen biblischen Exegese begründet: man inter- essiert sich vorwiegend für literarische Fragen: als ,das Problem der Apokalypse' 2) gilt gegenwärtig das literarkritische; ,die bib- lische Urgeschichte' ist der Titel eines Werkes, das Untersuchun- gen über die Quellen der Urgeschichte bringt. Dabei hat man sich auch sonst mit der Geschichte der mündlichen Tradition weniger beschäftigt, als mit den Schriften, die solche Tradition buchen. Wir haben höchst complicierte Untersuchungen über die synoptische Frage wie über die Quellenschriften der Genesis, aber nur Ansätze zu einer Geschichte der urchristlichen Tra- dition von Jesus, und noch keine Geschichte der Entstehung und der Überlieferung der Vätersage. So haben wir auch in der Apokalypse eine Fülle von Quellenhypothesen , aber keine Geschichte der apokalyptischen Tradition 3). 1) Diese Möglichkeit ist — soweit ich sehe — überhaupt noch nicht in Betracht gezogen: auch nicht von Spitta. der schliesslich auch nur eine apokalyptische Tradition ,von Schrift zu Schrift1 kennt p 301. • 2) Der Titel von Voelters neuester Publikation. 3) Solche literarkritische Arbeiten haben natürlich ihr gutes Recht ; aber ihre Resultate werden nieist nur dann gesichert werden, wenn sie. wie es bei Wellhausens Untersuchung über das Alter von PC ge- schehen ist, in den Rahmen religionsgeschichtlicher Betrachtung ein- Gunkel, Schöpfung. !_}. 210 Es kam für die Begründer der wissenschaftlichen Exegese der Apokalypse hinzu, dass sie durch das Vorbild der alttesta- mentlichen Prophetie irregeführt wurden *) ; sie übersahen, dass Propheten und Apokalyptiker sehr verschiedene Stellungen zu mündlicher Tradition einnehmen. Die Propheten sind gewaltige, durch und durch individuelle, im Leben ihrer Zeit wurzelnde Personen, die aus ihrem Eigensten und für ihre Zeitgenossen reden. Ganz anders die Apokalyptiker, die von der hohen Ori- ginalität der Propheten nichts wissen und nicht einmal ihren Namen zu nennen wagen. Bei der grossen Yerschiedenheit beider Erscheinungen ist es daher sehr bedenklich, sie unter einen Gattungsnamen ,biblische Weissagung' zusammenzufassen Wenden wir uns nun zu den eigentlich ^zeitgeschichtlichen' Erklärungen, so tritt uns wiederum eine überaus complicierte Erscheinung entgegen. Denn nicht nur soll der zeitgeschicht- lich' erklärte Stoff — wie wir oben sahen — in mancherlei Verbindungen mit Phantasieschöpfungen existieren; sondern er selber soll gleichfalls höchst mannigfacher Natur sein. Einmal seiner Form nach: bald glaubt man in der Apokalypse Allegorieen zu finden ; bald deutet man im eigentlichen Sinne, in diesem Falle gewöhnlich so, dass man allgemeinere Schilderungen auf concrete geschichtliche Verhältnisse bezieht. Ebenso ist auch der zeit- geschichtliche Stoff seinem Inhalt nach verschieden: bald sollen es Erzählungen von vergangenen Ereignissen sein, bald Schil- gestellt werden. Jedenfalls aber darf alle Literarkritik nur als Vor- arbeit angesehen werden; sie bat nur so viel Wert, als sie zum histo- rischen Verständnis der betreffenden Schrift beiträgt und dadurch an ihrem Teile die eigentliche Aufgabe aller biblischen Untersuchungen dh die Erkenntnis der Religionsgeschichte fördert. So hat man sich gegen- wärtig, wo die Quellenuntersuchung in der Genesis zu einem gewissen Abschlüsse gekommen ist, darauf zu besinnen, dass damit für die eigentliche Aufgabe der Genesisforschung, die Geschichte der Ent- stehung und der Tradition der Vätersagen, nur die Vorarbeit ge- leistet ist. 1) So hat Ewald den Apokalyptiker ganz nach der Art eines ält- testamentlichen Propheten behandelt. 211 derungen der Gegenwart, bald Zukunftsbilder, die sich aus der geschichtlichen Lage ergaben. Die einzelnen zeitgeschichtlichen' Erklärungen stellen die mannigfachsten Combinationen zwischen diesen Erklärungsarten dar. Vielfach sind die zeitgeschicht- lichen Erklärer unter sich uneinig, ob das einzelne Stück nach der einen oder der andern Erklärungsart gedeutet werden müsse. Die einen *) erklären die dämonischen Heuschrecken 9i— n alle- gorisch auf die Parther; die andern2) versichern, es seien wirkliche Heuschrecken, etwa die vom Jahre 62. Oder die Flucht des Weibes cap 12, von der christlichen Exegese alle- gorisch verstanden, wird von den einen als ein Ereignis der Vergangenheit 3) , von den andern als ein Zukunftsbild aufge- fasst4). Trotzdem ist es auch hier bisher nicht zu einer prin- cipiellen Erörterung darüber gekommen, woran man in der Apokalypse allegorische und eigentliche Redeweise, woran man Zukunftsbild und Erzählung zu unterscheiden habe. Man be- ruhigt sich bei dem gemeinsamen Namen ,der zeitgeschichtlichen' Methode, der alle diese höchst mannigfachen Erklärungsarten zu decken scheint. — Aber auch wo die Erklärungsart dieselbe oder wenigstens eine ähnliche ist, besteht dann noch grosse Meinungs- verschiedenheit, welche concrete geschichtliche Tatsache gemeint sei. Die Heuschreckenvision cap 9 ist nach Spitta 5) aus der ungewöhnlichen Dürre des Jahres 40 zu erklären, nach Erbes 6) aus der Heuschreckenplage vom Jahre 62 usw. Das furchtbare Heer 9i3ff sind nach den meisten Exegeten die Parther. Die Vision bezieht sich auf die Furcht eines Parthereinfalls, als Caligula befahl, die Hälfte der Euphratarmee zurückzuziehen 7), oder auf den Siegesritt der Parther im Jahre 62 8) oder auf die Erwartung eines Partherkrieges in den letzten Tagen Vespa- sians 9). Die Schlangenschwänze dieses Heeres sind zu erklären aus dem Ausschlagen der parthischen Pferde nach hinten oder dem Schiessen beim Rückwärtsfliehen der Reiter oder der Sitte. die Schwanzhaare der Pferde gegen Ende zusammenzubinden10) usw. 1) Hilgenfeld 427. 2) Erbes 60 f. 3) so die gewöhnliehe Erklärung. 4) Weizsäcker"2 364. 5) Spitta 336 ff. 6) Erbes 61. 7) Spitta 338 ff. 8) Erbes 44. 9) Mommsen Köm Gesch Y 520 f. 10) Yolkmar Haweis Spitta bei Holtzinann Conim2 335. 14* 212 Oder wenn man die Märtyrer von 6 0 — 11 geschichtlich deutet, so denkt man dabei an die Opfer der neronischen Verfolgung x) oder an die ältesten Christenverfolgungen durch die Juden 2) oder irgend eine andere Verfolgung. Als Verfolger werden dabei gedacht Juden und Heiden3) oder Juden allein4) oder Heiden allein5); als Verfolgte Juden und Christen 6) oder Juden allein 7) oder Christen allein 8). Das grosse Schwanken in den ^Resultaten weist darauf hin, dass es einer Revision der Methode bedarf. Prüfen wir die Methode also an einzelnen Hauptbeispielen. Zunächst die Klasse der einzelnen historischen Züge, die mitten in phantastischen Schilderungen stehen sollen, Die beiden Zeugen, deren Leben, Tod und Auferstehung ll3ff beschrieben wird, nachdem eben vorher eine Eroberung Jerusa- lems in Aussicht gestellt war, sollen auch nach Völter nicht zeitgeschichtliche9) Figuren sein; nur den einen Zug, dass ihre Leichname unbeerdigt liegen bleiben, erklärt Völter10) als eine Anspielung auf das Schicksal der beiden Hohenpriester Ananus und Jesus, die in den letzten Tagen Jerusalems getötet, und deren Leichen gleichfalls nicht begraben wurden. Nun liegt allerdings eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem historischen Ereignisse und dem apokalyptischen Zuge vor. Viel grösser aber als die Ähnlichkeit ist die Verschiedenheit: die ,Zeugem sind nicht Hohepriester, und anderseits, was cap 11 von ihnen berichtet, dass sie drei und einen halben Tag auf der Strasse 1) Die gewöhnliche Meinung zB de Wette "2 77 Renan Antichrist 308 Holtzmann Commä 330 Weiss Einleitung2 382. 2) Spitta 300. 3) Völter Problem 58. 4) Spitta 300. 5) Die gewöhnliche Meinung. 6) Erbes 42 f. 7) Weyland Omwerkings- en Compilitatie-Hypothesen 82. 8) Die gewöhnliche Meinung. !>) Nach Eenan Antichrist 322 sind es die beiden Jakobus oder Johannes der Täufer und Jesus. 10) Entstehung ä 58f Problem 122, Pfleiderer 329; ebenso Bchöu Wettstein. Eichhorn, Herder (bei Holtzmann Comm 2 338). 213 liegen, dass alle Völker sie sehen, dass man sich über ihren Tod freut, weil sie zu Lebzeiten die Erde mit allerlei Plagen ge- schlagen haben, dass sie endlich nach drei und einem halben Tage auferstehen und zum Himmel fahren, alles dieses hat in der Geschichte jener Hohenpriester kein Analogem. Aber noch mehr: zu dem Bilde von den zwei Zeugen, gegen die das Tier des Abgrundes Krieg führt, die nach ihrem Tode auferstehn, haben überhaupt nicht zeitgeschichtliche Personen gesessen ; das sind Erwartungen, die ihrer Natur nach mit zeitgeschichtlichen Vorgängen gar nichts zu tun haben i) : in der Geschichte führt Rom gegen Völker, nicht gegen zwei Propheten Krieg. Es ist aber im hohen Grade willkürlich, einen einzelnen Zug aus dem ganzen Bilde herauszunehmen und ihn zeitgeschichtlich zu deuten; vielmehr ist für das eine Moment ebenso wie für alle andern in diesem Zusammenhange auf eine allerdings sehr merk- würdige apokalyptische Tradition zurückzuschliessen. Noch weniger geht es an, die Idee von dem höllischen Loche , aus dem die Heuschrecken 9 1 ff kommen , mit Erbes 2) von einem Loche bei Hierapolis, das giftige Dämpfe hervor- quellen Hess, abzuleiten. Zunächst ist es sehr willkürlich, grade an jenes Loch von Hierapolis zu denken ; warum nicht an irgend ein beliebiges andere? 3) Ferner legt der Zusammenhang der Vision durchaus nicht nahe, dass hier ein bestimmtes, geogra- phisch fixierbares Loch gedacht sei. Aus dem Loche bei Hiera- polis kommen böse Dämpfe, die man vielleicht als Ursache einer Pest denken mochte, aber nicht Heuschrecken mit Menschen- antlitz, Weiberhaaren und Löwenzähnen. Die Hölienöffnung, aus der solche Wesen kommen, sucht man der Natur der Sache nach nicht in der Nähe; ebenso kommt auch das schreckliche Heer 9 uff aus der Ferne, vom Euphrat. Und überdies war es ganz unnötig, für diesen ,Brunnen der Abyssus' eine zeit- 1) Daher ist auch "Weizsäckers (Apost Zeitalter2 360 f) Versuch, hier die Gedanken der judenchristlichen Gemeinde kurz vor dem Aus- zuge aus Jerusalem zu sehen, als gescheitert zu betrachten. 2) p 61, cf auch Holtzmann Comm 2 334. 3) Erbes nennt zB noch ein Loch bei Seleucia; warum nicht dieses oder die Solfatara bei Puteoli, an die Eenan Antichrist 316 denkt, oder jedes beliebige andere ? 214 geschichtliche Erklärung zu suchen; wissen wir doch, dass schon im AT und im Judentum der Hades den Namen jBrunnen1 führt, also auch wie ein Brunnen vorgestellt wird x). Die An- schauung aber, dass aus der geöffneten Hölle Rauch hervor- komme, ist auch bei den Rabbinen bezeugt2). Wiederum also der Fehler, dass aus zufälligen, gleichzeitigen Anlässen erklärt wird, was vielmehr als eine religiöse Überlieferung des Juden- tums verstanden werden muss; hier noch dazu an einem Punkte, wo das Letztere uns ausdrücklich bezeugt ist. Ebenso willkürlich ist es, in dem Namen ''AnoXkvtov 9n ,einen Stich auf den in Kleinasien viel verehrten Apollo' zu sehen3), "pna« ist schon im AT Name der §6'ol, und ]ArzoX- Xvcov ist nichts anderes als die wörtliche Übersetzung dieses Namens. Eine Anspielung auf Apollo dürfte man nur dann annehmen, wenn sie ganz anders deutlich hervorträte, und wenn sie — dies darf man doch zur Ehre des Apokalyptikers ver- langen — irgend welchen Sinn gäbe. Christus giebt dem gläubigen Überwinder einen weissen Stein, auf dem ein geheimnisvoller neuer Name steht 2 17. Erbes 4) vergleicht dazu die Kleider- und Speise-Marken , die Kaiser Titus bei Einweihung des Colosseums unter das Volk warf! Soll man nun wirklich glauben, dieser Vorgang habe im ganzen römischen Reiche so ungeheuren Eindruck gemacht und 1) Vwis II hia cf oben p 132 A 8 ; *ss LXX (/<*'«£> V 5524 69 ie. Bei den Späteren sind 113 und ^N3 Namen für die Hölle Erubin 19a bei Eisen- menger II 324. Über die Gleicbsetzung der alttestamentlicben i>is» und der apokalyptischen aßvaaoe cf den Namen Abaddon Ap Joh 9 11, der im AT Name der Vw», in der Apokalypse Name des Abyssusengels ist. Die Vorstellung vom Höllenbrunnen auch IV Esra 61 (Bensly): ,et ap- parebit Xüxxog tormenti', parallel ist das Bild vom xXCßavös (Backofen) IV Esra 61 clibanus geennae ostendetur cf auch Henoch 18 11. Daher die Vorstellung von den Schlüsseln des Todes und des Hades' Ap Joh I18, vom Schlüssel der Abyssus ApJoh20i, ebenso wie , Schlüssel des Brun- nens der Abyssus' Ap Joh 9i cf Weber Altsyn Theol 352 , Schlüssel der Auferweckung der Toten'. Die Hölle wird einem Topfe, die Welt dem Deckel des Topfes verglichen Weber 333. Über das Höllenloch, woraus Sammael mit seinen Teufeln zuweilen herauskommt cf Eisenmenger II 336 f. 2) Eisenmenger II 348. 3) Erbes 60 f. 4) Erbes 179. 215 solche unendliche Bewunderung auch unter den Christen erregt, dass man sofort das Bedürfnis empfand, auch von Christo etwas Ähnliches zu sagen! Vielmehr bedarf es für den "Wissenden keines Beweises, dass sich religiöse Anschauungen nicht auf solche geringfügige Veranlassungen hin zu bilden pflegen. Die religionsgeschichtliche Erklärung des ,neuen Namens' liegt nicht fern: man hat die ähnliche Aussage über Christus 19 12 zu ver- gleichen und sich zu erinnern, dass die Gläubigen in der End- zeit zur Ähnlichkeit Christi verklärt werden *). Weniger unmethodisch ist es, wenn Holtzmann 2) die Schlan- genschwänze der Pferde in 9 13 ff aus der Anschauung der Reliefs am Zeusaltar zu Pergamus erklärt, wo die Giganten statt der Beine Schlangen haben. Beide Male handelt es sich ja um mytho- logische oder der Mythologie ähnliche Conceptionen; auch ist an sich nicht unmöglich, dass apokalyptische Beschreibungen. von bildlichen Darstellungen abhängig seien. Aber dass grie- chische Kunst auf die Apokalypse eingewirkt habe, ist ohne Analogie und in sich durchaus unwahrscheinlich ; und völlig unbeweisbar ist es, dass die Schlangen b eine der Giganten den Apo- kalyptiker bestimmt hätten, seinen Rossen Schlangen schwänze zu geben 3). Auch hier ist die Voraussetzung der zeitgeschicht- lichen' Erklärung, dass der Verfasser den Zug frei concipiert habe, durchaus nicht selbstverständlich. Vielmehr ist es das Gegebene, auch hier die Apokalypse aus einer von ihr aufge- nommenen Tradition zu erklären; untersucht man aber den Ursprung dieser Tradition, so wird man auch jene Reliefs mit- besprechen müssen. Will man aus der Sphäre solcher, vielleicht geistvoller, aber willkürlicher Combinationen zu sicheren Resultaten gelangen, so wird man die Forderung einer strengeren Methode aufstellen müssen. Es genügt nicht, eine grössere oder geringere Ähn- 1) Die zweite Frage, weshalb dieser Nanie grade auf einem weissen Steine stehen solle, wage ich nicht zu beantworten; für diese An- schauung fehlt es einstweilen an einer Parallele, die man indess nur auf dem Gebiete religiöser Vorstellungen und Eiten wird suchen dürfen. 2) Comm- 335. 3) Auf einer babylonischen Bronze hat ein Ungetüm einen •Schlangen schwänz cf Perrot et Chipiez histoire de l'art II 363. 216 lichkeit mit einer ganz disparaten zeitgeschichtlichen Erscheinung aufgewiesen zu haben. Vielmehr hat man, ehe man überhaupt an die Möglichkeit zeitgeschichtlicher Deutung eines einzelnen Zuges denkt, zu erwägen, ob er nicht ebenso wie der Zusam- menhang, in dem er steht, dh aus der Geschichte der Tradition, zu erklären ist. Sodann dürfen Anspielungen an zeitgeschicht- liche Vorgänge nur dann angenommen werden, wo sich nicht nur eine frappante Übereinstimmung mit einem apokalyptischen Zuge zeigt, sondern wo es sich zugleich psychologisch verstehen lässt, wie grade dieser bestimmte Vorgang einen solchen Ein- druck gemacht habe, dass er seinen Reflex in eine apokalypti- sche Vision werfen konnte; schliesslich muss ein zeitgeschicht- licher Zug, der mitten in einem phantastischen Bilde steht, sich aus dem Übrigen deutlich herausheben. Wird die letzte For- derung nicht befolgt, so kommt man zu einem ,wirren Durch- einander' *) von geschichtlichen Vorfällen und idealen Vor- stellungen, das man der ,Phantasie' des Apokalyptikers vielleicht zutrauen mag, bei dem man aber jedenfalls auf ein historisches Verständnis völlig verzichten muss. Diesen methodischen Forderungen entspricht — wie an den mitgeteilten Beispielen gezeigt worden ist — keine der bisher aufgestellten Erklärungen. Eine zweite Klasse zeitgeschichtlicher Deutungen findet phantastische Zukunftsschilderungen, die aus bestimmten ge- schichtlichen Anlässen entstanden sein sollen. Das fabelhafte Reiterheer Ap Joh 9 13 — 21 wird, weil es vom Euphrat kommt, gewöhnlich *) auf die Parther bezogen. Aber was soll dann die phantastische Beschreibung der Rosse? Konnte man wirklich von den Parthern glauben, sie würden auf solchen Pferden reiten, die aus ihren Löwenköpfen Feuer, Rauch und Schwefel speien und mit ihren Schlangenschwänzen die Menschen beissen? Diesen Glauben dem Seher zuschreiben, 1) Pfleiderer 329 über das Gesicht von den beiden Zeugen: .Ich weiss hier keinen Eat als anzunehmen, dass dem Seher geschichtliche Vorfälle und ideale Vorstellungen in wirrem Durcheinander sich ver- mischten'. 2) Eenan Antichrist 317. Spitta 338 ff. Pfleiderer 326, Erbes 44; Holtzmann Commentar'2 335 usw. 217 das heisst, ein doch einigermassen befremdendes Überwuchern der Phantasie über die verständige Überlegung bei ihm an- nehmen. — Auch trägt die Vision gar nicht die Züge einer phan- tastischen Ausmalung einer Partherinvasion. Bei einer solchen Ausmalung müsste das Schreckliche, das die Parther in der ge- schichtlichen "Wirklichkeit hatten, um einige Grade gesteigert wiederkehren. Man vergleiche zum Belege dafür die propheti- schen Parallelen, zB Jes 5 26 — so Jer 5is — r? Jes 13 11 — ie und die Schilderung eines Partherzuges Henoch 56.5 ff. Ganz anders- artig aber als solche Schilderungen ist die apokalyptische Vision : da hören wir nichts von Mord und Raub und Verwüstung, überhaupt nichts von dem, was die Reiter tun, sondern nur von der Furchtbarkeit ihrer Rosse. — Dies Heer feuerspeiender Un- geheuer ist keine geschichtliche Grösse, sondern ein Stück mytho- logisch-apokalyptischer Tradition. — Demnach ist hier nicht nur die Erklärung auf die Parther völlig verunglückt, sondern jede zeitgeschichtliche Erklärung unmöglich. Ganz willkürlich aber ist es, die Vision sogar auf einen historischen Partherzug oder eine bestimmte Parthergefahr zu deuten; der Text giebt von einer geschichtlichen Situation nicht den Schatten einer An- deutung *). Das Gesicht von den furchtbaren Heuschrecken 9i — 11 stammt nach Spitta 2) aus dem Jahre 40, dessen ungewöhnliche Dürre die Besorgnis einer grossen Heuschreckennot für das folgende Jahr nahe legte. Aber die Heuschrecken, die man damals fürchten mochte, sind ganz andere als die Ap Joh 9 beschriebenen. Die kriechen nicht bei warmen Wetter aus Eiern aus, sondern sie gehen aus dem Rauche des geöffneten Höllenschlundes hervor; sie fressen nicht das Grün, sondern quälen die Menschen mit Bissen; sie sind Ungeheuer, pferde- 1) Als rein phantastisch ist die Vision aufgefasst von de Wette - 94, Bleek 112, Beyschlag Offenbarung Johannis 187 usw, eine Auffassung übrigens, die von der zeitgeschichtlichen1 Deutung nicht so verschieden ist, da auch bei der letzteren die meisten Züge aus der Phantasie des Sehers stammen sollen. Beiden Erklärungen ist gemeinsam, dass sie die Vision als Erzeugnis des betreffenden Schriftstellers betrachten, ohne an eine Übernahme aus der Überlieferung auch nur zu denken. 2) p 336 ff. 218 artig, mit Menschenköpfen, Weiberhaaren, Löwenzähnen und Skorpionschwänzen Diese dämonischen Wesen, über die Abad- don selbst König ist, haben also mit den Heuschrecken der Naturgeschichte nichts anders mehr gemein als den Namen. Die Furcht, solche Geschöpfe der Hölle könnten über die Erde kommen, ist also nicht entstanden in einer bestimmten histori- schen Lage, in einem auffallend dürren Jahre; vielmehr haben wir hier eine Tradition, die aus der Mythologie und nicht aus dem trocknen Wetter zu erklären ist r). Wenn 16 13 ff der Drache und die beiden Tiere frosch- gestaltete Dämonen aus ihrem Sachen entsenden, um die Könige der ganzen Welt zusammenzurufen, so hat das Spitta 2) auf die drei ,Heere' gedeutet, die man im Jahre 40 in Palästina erwarten konnte, das Heer des Petronius, die Hälfte der Euphratarmee und das Gefolge des Kaisers Caligula. Aber sollte der Apoka- lyptiker wirklich geglaubt haben, diese drei Heere würden durch Frösche zusammengerufen werden? 'Vielmehr, Heere, die durch Frösche versammelt werden, sind nicht historische, sondern mythologische Heere. Dieser Zug hätte jede zeitgeschichtliche Erklärung völlig unmöglich machen sollen. Auch hier also wird die zeitgeschichtliche' Exegese den Tatsachen nicht gerecht. Sie muss, um den grossen Abstand der angenommenen historischen Veranlassung und des vor- liegenden Zukunftsbildes zu erklären, der durch alttestamentliche oder apokalyptische Vorbilder erregten Phantasie des Sehers einen grossen Spielraum lassen 3). Aber grade bei dieser Gattung zeitgeschichtlicher Erklärung wird besonders deutlich, dass so ein unerträglicher oder wenigstens unentwirrbarer Knäuel von Geschichtlichem und Phantastischem entsteht. Denn welches Urteil müsste man über einen Mann haben, der im Ernste glauben konnte, die Parther, die demnächst kommen, würden auf feuerspeienden Pferden reiten; die Heuschrecken des nächsten Jahres würden Menschenköpfe und Weiberhaare haben; die drei Römerheere würden durch Frösche zusammengeholt werden ! Aber mag man 1) Ablehnung der zeitgeschichtlichen Erklärung bei de Wette - 97, Bleek 112 usav, auch hier indess ohne Kekurs auf eine Tradition. 2) p 400 f. 3) cf hiezu p 184. 219 auch den Apokalyptiker darnach für einen wirren Phantasten halten — • und das wäre wahrlich unter diesen Umständen ein sehr gelindes Urteil! — , so kann doch jedenfalls von einer sicheren, methodischen Erklärung solchen Wirrwarres nicht mehr die Rede sein. Nachdem sich die zeitgeschichtliche Erklärung in diese unüberwindlichen Schwierigkeiten verwickelt hat, mag es an der Zeit sein, die von Anfang an nächstliegende Deutung, aus der Tradition, jetzt wenigstens einmal zu versuchen. In einer dritten Gattung zeitgeschichtlicher Deutungen werden vorausgesetzte Situationen und damit zusammenhängende Erwartungen, die in der Apokalypse selbst allgemein geschildert werden, auf concrete geschichtliche Verhältnisse und Erwartungen bezogen. So werden zB die Seelen der Märtyrer, die nach Rache schreien 6 9 ff, als Opfer einer bestimmten historischen Verfolgung bezeichnet. Wir wissen aus IV Esra 435, dass auch dies Gesicht zur apokalyptischen Überlieferung gehört hat. Die Schilderung des Gesichtes selbst verrät uns nur, dass diese Seelen um Gottes willen geschlachtet sind, ohne dass irgend ein concreter Zug eine bestimmte Situation hervortreten Hesse. Dass es sich grade um die nach dem Brande Roms im Jahre 64 hingemordeten Christen handele — wie die gewöhnliche *) Deutung will — , wird durch nichts deutlich gesagt. Ebensowenig ist irgend eine andere der aufgestellten Erklärungen zu beweisen. Nicht anders ist das Gesicht 11 12 zu beurteilen: der Seher misst nach dem Vorbilde Ezechiels den Tempel aus: der soll als ein heiliges Asyl unangetastet bleiben in der furchtbaren Zeit, da die Heiden Jerusalem zertreten. Die Erwartung, die hier hervortritt, der Ansturm der Heiden in der letzten Zeit werde sich gegen Jerusalem richten, aber Gott werde in dieser Zeit ein Asyl bestehen lassen, gehört zu den von den Propheten ererbten eschatologischen Dogmen 2). Die Verse erklären sich also völlig als Ausdruck eines jüdischen Glaubens. Anderseits weist die Fassung des Gesichtes durchaus nicht auf eine histori- sche Situation hin: die Feinde werden ganz allgemein ,die Heiden' genannt ; über die Art ihrer Belagerung und Eroberung 1) cf p 212. 2) zB Joel 3 s. 220 Jerusalems verlautet nichts Concretes, mit Ausnahme der beiden Züge, dass der Tempel von ihnen verschont wird, und dass sie zweiundvierzig Monate die Stadt zertreten; beide Züge sind indess sicher dem religiösen Glauben und nicht der politischen Be- rechnung entsprungen. Es ist demnach willkürlich, das Gesicht auf die Titusbelagerung l) oder auf die Befürchtung eines Röraer- zuges gegen Jerusalem, etwa im Jahre 62 2) zu beziehen : völlig unmöglich freilich ist die Deutung auf die Eroberung Jerusalems durch Pompeius3), der ja Tempel und Stadt ,zertreten' hat *P Sal 2 1—5. Die ,grosse Menge' aus allen Völkern, die vor dem Throne und dem Lamme in weissen Gewändern und mit Palmen in den Händen stehen 7g — 17, hat Weizsäcker4) auf die Märtyrer der neronischen Verfolgung bezogen, und darnach das Gesicht chronologisch bestimmen wollen. Aber der Text schildert sie weder als Märtyrer noch spricht er in irgendwie deutlicher "Weise von einer historischen Verfolgung; ,die grosse Not', aus der sie kommen u, ist nichts anderes als die bekannte, letzte grosse Not, die nach jüdisch-christlichem Glauben der hier ge- schilderten Endverklärung vorausgeht Mc 13i95;. In diesen Fällen handelt es sich also nicht um Gesichte, die der Seher bei Gelegenheit einer bestimmten Situation frei erfunden hätte, sondern um Anschauungen, die schon längst vor ihm in der religiösen Überlieferung vorhanden waren. Nun ist an sich nicht unmöglich, dass derartige Traditionen zwecks Beleuchtung einer historischen Erscheinung aufgenommen würden. Indess ist diese Annahme nur dann gestattet, wenn entweder der Stoff selbst deutliche Hinweise, auf historische Situationen enthält — was, wie wir sahen, bei obigen Beispielen nicht der Fall ist — , oder wenn aus dem deutlich erkennbaren Zusammen- hange der Vision eine sichere chronologische Ausetzung gegeben ist; auch diese Argumentation kann einstweilen, so lange über 1) Die gewöhnliche Meinung Lücke 825 ff, Eenan 319, Hilgenfeld Einleitung 447, Weiss Einleitung2 384, Völter Entstehung2 58, Pfleiderer 328, Jülicher Einleitung 179 usw. 2) so Erbes 82. 3) Spitta 422 f. 4) Ap Zeitalter2 359. 5) ,Die Not' ,aWyxij' Henoch li. 221 die Composition der Apokalypse so viel Schwanken herrscht, gar nicht oder nur mit grösster Vorsicht angewandt werden. Ebenso pflegt man auch den avofiog und den v.axiyLov II Thess 23ff auf bestimmte historische Personen zu deuten. In Wirklichkeit müssen die Andeutungen des zweiten Thessa- lonicherbriefes als Anspielungen auf jüdisch-christliche apoka- lyptische Tradition verstanden werden. Dass das Judentum einen grossen allgemeinen Abfall für die letzte Zeit erwartete, ist bekannt. Seit Daniel x) heisst es, dass diese Vollendung der Bosheit sich in einem Menschen ver- körpern würde, der alles Heilige, selbst den Tempel Gottes in Jerusalem frech antastet 2). . Wir wissen, dass solche Gedanken noch in nachchristlicher Zeit das Judentum beschäftigt haben cf Schürer II 448. Auch die übrigen Züge des Bildes vom avofxog, die uns sonst in unsern mehr als dürftigen jüdischen Quellen nicht entgegentreten, sind sehr wol als Weiterausfüh- rungen dieser Tradition zu denken 3). Wenn der ävo(.iog sich selbst im Tempel Gottes als Gott proclamiert, so ist diese Ver- götterung eines Menschen die letzte Sünde, die das Judentum den Königen der Heiden zutraut cf Dan 6 Judith 3ö Act 12-jiff und schon Jes 14i3ff. Ferner, wenn der avouog kaum wie ein politischer König erscheint, sondern mehr als die verkörperte Macht des Bösen und der Verführung, so tritt darin eine Spiritualisierung des Politischen hervor, die wir auch sonst im Judentum der Zeit häufig genug bemerken ; ich erinnere zB an die parallele Entwicklung des Messiasbildes cf Schürer II 444 f. Die ävof.iog-Ev Wartung des II Thessalonicherbriefes ist also nicht die willkürliche Erfindung eines Einzelnen, sondern mil- der Ausdruck eines in langer Geschichte gewordenen und damals allgemein verbreiteten Glaubens. Eine erwünschte Bestätigung geben die beiden Parallelen aus alt-christlicher Literatur: in 1) 1136. 2) cf auch IIIMacc 1, 1' Sal 1. B) Schmiedeis (Handeoniinentar II 1- 39) Argumentation: Die Stelle sei Daniel gegenüber in vielem unabhängig, also zeitgeschichtlich zu verstehen, zeigt, wie sehr den modernen .kritischen' Forschern der Ge- danke der mündlichen Tradition abhanden gekommen ist. 222 den Johannesbriefen l) finden wir Anspielungen an dieselbe Tradition ; dort wird vom avTr/giotog, vom izldvog, vom tcveI^iu xov dvTizQiOTov als bekannten Dingen geredet; verwandt ist ferner die Schilderung der beiden Tiere Äp Jon 13, wo wir von der Vergötterung des ersten Tieres und der satanischen Yer- führungsmacht des zweiten hören. Diese drei neutestamentlichen Stellen vom Antichrist sind indess unter einander so charakte- ristisch verschieden2) und zeigen im Wortlaut so wenig Berührung, dass es völlig unmethodisch sein würde, an literarische Ab- hängigkeit zu denken ; wir haben die drei Äusserungen vielmehr für Varianten derselben Tradition zu halten. — Dazu kommt, dass diese Stellen durchaus nicht die Form momentaner, ad hoc erfundener Bilder, sondern vielmehr die Form der feststehenden Tradition tragen : man beachte vor allem, dass II Thess wie I Joh für diesen letzten grossen Frevler schon fest ausgeprägte und, wie vorausgesetzt wird, allgemein verständliche Namen ge- brauchen. — ■ Und um alle Unsicherheit abzuschneiden, wird II Thess 2s I Joh 43 ausdrücklich gesagt, dass die Tradition vom dvir/gtoTog ein Stück der christlichen Lehre gewesen sei. So sicher es also auch ist, dass bei der Entstehung- und bei der späteren Geschichte dieser Erwartung politische Situationen mitgewirkt haben — die Beurteilung der heidnischen Weltreiche durch das Judentum klingt in dem Bilde des avopog nach — , und dass diese Erwartungen in römischer Zeit durch den Eindruck des römischen Imperiums wachgehalten wurden, in dem man damals den Anfang der Erfüllung dieser Weissagung mit Grausen gewahren mochte; so ist doch anderseits die dvo^iog-Er Wartung älter als das römische Weltreich: keiner der Züge in diesem Bilde erinnert charakteristisch an dasselbe, die Vergötterung der Herrscher war längst vor dem Cäsarencult im Orient zu Hause. Dazu sehen wir grade im II Thessalonicherbriefe eine Form der Tradition vom Antichrist, die sich deutlich von dem politischen Ausgange dieses eschatologischen Bildes abwendet. Nun ist auch hier die Möglichkeit offen zu halten, dass solche 1) IJoh 218 22 43 117. 2) Ap Joh 13 redet von zwei Wesen, die beiden andern Stellen von einem; IJoh hat den Namen 6 ävTt'ynioTog, II Thess 6 «i'^ow/ro? t?7? droit las, 6 vtbg rrjg dnti)).ti«g, 6 ccrouog etc. 223 Tradition durch einzelne grosse zeitgeschichtliche Ereignisse aufs neue belebt und in ihrer Form alteriert worden sei. Diese Annahme ist indess methodischer Weise nur dann statthaft, wenn wirklich deutliche Anspielungen an bestimmte Ereignisse oder Personen im vorliegenden Text hervorträten. Davon kann aber nicht die Rede sein. Weder auf Caligula *), der daran dachte, sein Bild im Tempel aufzustellen 2), aber nicht in eigener Person sich in den Tempel zu setzen, noch auf den wiederkehrenden Nero 3) finden sich irgendwie sichere Andeutungen. Demnach sind die .zeitgeschichtlichen' Deutungen *) des avouog völlig verfehlt. Wir haben hier ein jüdisch-christliches Dogma, das aus der Geschichte der religiösen Reflexion zu verstehen ist, und sehr mittelbar aus der Geschichte der Cäsaren. Auch das Neue, das die Thessalonicher jetzt durch den Brief erfahren o, macht keineswegs zeitgeschichtliche Deutung notwendig. Die Vorstellung von vxaiyiov und yuaxi%ov ist uns sonst nicht bezeugt. Indess besitzen wir einige nähere und ent- ferntere Parallelen. Die himmlischen oder höllischen Mächte, die in der Endzeit auftreten sollen, sind nach jüdischem Glauben schon jetzt vorhanden : auf die Frage, warum sie dann aber in der Gegenwart noch nicht ,sich offenbarten', antwortet die Re- flexion, es müsse irgend etwas da sein, was sie einstweilen zurückhielte. Die furchtbaren Heuschrecken Abaddons sind schon gegen- wärtig vorhanden, in der Abyssus; aber sie können nicht heraus, denn der Schlund der Abyssus ist verschlossen; und erst, wenn er aufgeschlossen wird, kommen sie über die Erde Ap Joh 9if. Oder die vier Engel, die ein Drittel der Menschen töten sollen, sind schon ,bereit', am grossen Strome Euphrat; aber sie 1) Spitta 497 ff. Zahn Apok Stud in Zeitsch für kirchl Wissschft 1885 p 572. 2) Schürer I 421 ff. 3) Schmiedel 41 f. In nnooiaüe s liegt natürlich nicht . wie Schmiedel will, ein .Wiederkommen' angedeutet: nnooiaia ist nur dann ein Wieder erscheinen, wenn im Zusammenhange (etwa wie bei Ap Joh 17 8) von einem früheren Erscheinen die Eede war; das ist hier indess nicht der Fall. 4) Solche zeitgeschichtliche Erklärungen bei Schmiedel 39 ff. 224 sind gebunden. Wenn aber die Zeit erfüllt ist, werden ihre Bande gelöst Ap Jon 9isff. Ebenso werden die vier Winde, die in der letzten Zeit über Land und Meer Unheil blasen sollen, durch vier Engel ,gehalten' Ap Joh 7iff. ,In der Pistis Sopphia sind an die Pforten der Hölle Engel gesetzt, damit der Drache der Finsternis die Ordnung der Schöpfung störe' l). Man darf auch auf die dunkele und abgerissene Tradition von den beiden Zeugen Ap Joh 11 verweisen: das Tier kann erst — das scheint der Sinn von r zu sein — aus dem Abgrund kommen, wenn sie ihr Zeugnis vollendet haben. Dieselbe Anschauung gilt für die letzten ,1000 Jahre'. Der Drache wird in der Abyssus gebunden, verschlossen und ver- siegelt, bis er nach Verlauf der 1000 Jahre wieder losgelassen wird Ap Joh 20 s. Parallel sind ferner die Antworten auf die oft sehnsüchtig aufgeworfene Frage: ,warum kommt der Messias noch nicht?' 2). Mannigfache Aufschlüsse belehren über das retardierende Moment: Gottes Langmut oder sein Zorn über die Sünde Israels, oder anderes. Ganz ähnlich ist die Betrachtung, die II Thess zu Grunde liegt: Die letzte Bosheit, der grosse Bösewicht ist vorhanden, aber noch nicht völlig offenbar geworden. Warum? Es giebt eine Macht, die sich ihnen in den Weg stellt; erst wenn diese beseitigt ist, kann ,der Abfall' kommen. Es wird durch den Namen b v.axiywv angedeutet, dass auch diese Macht wie die Bosheit selbst sich in einer Person darstelle. Weiteres erfahren wir freilich in dieser Stelle nicht, die von den grossen Geheim- nissen der Endzeit, h> /.ivortiQio) — so wie es sich gehört — redet. Selbstverständlich weiss der Verfasser ganz genau, wer dieser ■wiiyiov sei. Die natürliche Annahme, dass er dieses Wissen durch eine Tradition von /.azeycov erhalten hatte, wird gesichert, wenn man beachtet, dass auch 6 y.ariyiov als geprägter Xame auftritt. Weiter dürfen wir vermuten, dass wie der avotuog kaum noch wie ein Mensch auftritt, so auch der vMtiyiov wol ein himmlisches Wesen sein wird; wir könnten uns dann das 1) Dieterich Äbraxas 113. 2) II Pt 39, Weber altsynagogale Theologie 335, Eisenrnenger II 670 ff. 225 /.ariyeiv nach Art des Kampfes Michaels gegen den Engel von Persien denken cf Dan 10 13. Schliesslich ist daran zu erinnern, dass die beiden Zeugen von Ap Joh 11 in vielem eine ähnliche Stelle wie der y.aTeywv einnehmen; sie gehen der Erscheinung Christi voraus, und sie führen mit dem Tiere einen Krieg, in dem sie besiegt und getötet werden; auch in dem Zusammen- hange von Ap Joh 11 folgt auf ihren Tod eine Zeit, wo das Tier auf Erden herrscht, bis Gott dem ein Ende macht. In ApJohll haben Avir also eine sehr nahe verwandte Tradition ; wir dürften darnach den -/.aieycov , Elias' nennen x). Jedenfalls ist der /.aceyiov keine geschichtliche Person; weder Aristobul, Bruder des Königs Agrippa I, oder Agrippa selbst, die bei Caligula gegen die Errichtung seines Bildes vor- stellig wurden8), noch der römische Staat oder Kaiser Galba3), der die "Wiederkunft Neros aufgehalten haben soll. Aristobul oder Herodes Agrippa sind doch ein wenig zu winzig, um den Anti- christ hemmen zu können, den nachher Christus vernichtet ! Und Galba hemmt nicht die "Wiederkunft, die , Offenbarung' Neros; er würde höchstens mit ihm kämpfeD, nachdem Nero wiederum aufgetreten ist. Diese zeitgeschichtlichen' Exegesen, die so willkürlich sind, dass sie sich beinahe der "Widerlegung ent- ziehen, kann man nur unter der Bedingung entschuldigen, dass eine zeitgeschichtliche' Deutung die einzige Möglichkeit einer Erklärung zu sein schien4); sie fallen sofort, sobald ein anderer Weg der Lösung gezeigt wird. Damit sind auch alle literar- kritischen Resultate 5), die man aus solchen Deutungen gezogen hat oder ziehen könnte, ohne weiteres widerlegt. Ich komme zu einer neuen Gattung: man findet Ereignisse der letzten Vergangenheit in allgemein gehaltenen oder phanta- stisch ausgeschmückten Visionen. 1) Hiermit ist natürlich nur die Art, wie man sich den Y.aTh%wv zu denken habe, erklärt; aber noch nicht der Ursprung dieser Vor- stellung aufgehellt. Auch diese Vorstellung wird im letzten Grunde aus der Mythologie kommen. 2) Spitta 499. 3) Schmiedel 42 f. 4) Schmiedel 39: ,Nur die zeitgeschichtliche Deutung hat wissen- schaftliches Kecht'. 5) Schmiedel 10, Spitta 500. Gunkel, Schöpfung. 15 226 So bezieht man die vier apokalyptischen Reiter cap 6 ge- wöhnlich ») auf bestimmte, bereits geschehene Kriege, Hungers- nöte und Pestilenzen 2). Nun ist der Ursprung der Vision deut- lich; es sind die vier Reiter des Sacharia3), die hier eschatologisch aufgefasst werden : sie sind bestimmt, die letzten schweren Nöte über die Erde zu bringen. Die Farbe ihrer Rosse ist, so gut es gieng, mit den bestimmten Plagen combiniert, die eine andere Tradition 4) an die Hand gab. So ist das Gesicht als eine Com- bination zweier apokalyptischer Stoffe zu verstehen. Wenn dabei Einzelheiten für uns vielleicht unklar bleiben, zB Yers 2 in seiner gegenwärtigen Gestalt und die bestimmte Angabe ßc, so ist auf eine Yorgeschichte der Vision zurückzuschliessen, aus der sich das gegenwärtig Zusammenhangslose oder Unverständliche er- klärt 5). — Die zeitgeschichtliche' Exegese hat es an dieser Stelle recht bequem gehabt: die Schilderung der Plagen ist allgemein genug; und es dürfte so leicht keine Zeit geben, in der nicht irgendwo im weiten römischen Reiche ein Krieg, eine Pest oder eine Hungersnot gewesen wäre. Will man also die Vision vielleicht auf die Zeit des Claudius 6) oder vielleicht die des Nero 7) oder- irgend eine andere beziehen, so wird man bei einigem Suchen in den Historikern die notwendigen Kriege, Pestilenzen und Hungersnöte sicherlich finden. Es war zB zwischen 40 und 50 ein Miswachs 8), aber auch eine Teuerung 1) Renan Antichrist 307 f, Erbes 39 ff, Völter Entstehung2 55 ff, Problem 94, Holtzmann Comm2 328 f. 2) Sehr abweichend sind die Meinungen über den ersten Reiter; eine methodische Untersuchung wird davon auszugehen haben, dass derselbe nach dem Zusammenhang die erste Plage über die Erde bringt, eine Plage, die den folgenden natürlich analog zu denken ist, und dass er ebenso wie die übrigen Reiter, die Engel des Krieges und der Teue- rung, Tod und Hades nicht eine geschichtliche Grösse, sondern ein himmlisches Wesen darstellt. Wenn sich von hier aus keine klare Deutung aller Züge des Bildes gewinnen lässt, so ist die Möglichkeit zu erwägen, ob der gegenwärtige Text schon nicht mehr ganz einfach sei, sondern durch irgend welche Geschichte die gegenwärtige compli- cierte Gestalt erhalten habe. 3) lsff 6iff. 4) Jer 21? 14 12 etc. 5) Die zeitgeschichtliche Erklärung wird abgelehnt de Wette 2 70 ff, Bleek 112, Ewald 170 ff, Pfleiderer 325. 6) Spitta 294 ff. 7) die gewöhnliche Meinung. 8) Völter Entstehung1 42 ff. 227 in der zweiten Hälfte der Regierung Neros l), ausserordentlich gross; war die Teuerung im Jahre 68 2) ; man kann auch daran denken, dass 61/62 in Britannien eine Hungersnot herrschte, oder dass die Reiter der Parther 62 wegen einer vorangegangenen Heuschreckennot Mangel litten, oder dass die jüdischen Priester, denen der Hohepriester Ananus die Zehnten mit Gewalt weg- nahm, hungern mussten 3). — Eine Pest war in Asien 60/61 4), in Rom 65 5); will man das Gesicht auf die Zeit des Claudius beziehen, so macht die Pest auch keine Schwierigkeit 6). — Kriege sind ja eigentlich immer geführt, Partherkriege, oder der grosse britannische Aufstand 61 oder die jüdische Erhe- bung '') oder eine gefürchtete Rebellion Galliens oder Asiens 8) oder, was man sonst will. Schliesslich sind ja auch bei dem Sikarierwesen in Palästina Menschen durch das Schwert umge- kommen 8). Solche Erklärungen schliessen einander natürlich nicht aus; sie treten im Gegenteil gewöhnlich combiniert auf. Einige Schwierigkeit machen nur die wilden Tiere a Völter 9) deutet sie auf die Bestien der Arena; Erbes10) hält eine allegorische Erklärung für möglich: vierhundert unschuldige Sklaven des Pedanius Secundus wurden 62 in Rom abgeschlachtet: Italien erzog nicht mehr Menschen, sondern wilde Tiere! Alle diese Erklärungen unterscheiden sich von einander nur in dem Grade der Willkür11); ein wirklicher Beweis, der sich natürlich auf eine deutliche und charakteristische Ähnlichkeit zwischen bestimmten Zeitereignissen und der Schilderung des Gesichtes stützen müsste, ist von niemandem gegeben und bei keiner der Erklärungen möglich. Demnach ist die zeitgeschicht- liche Erklärung der vier Reiter als gescheitert zu betrachten. Während bei diesen Erklärungen der Fehler darin bestand dass man sich erlaubt hat, 'ohne Beweis unbestimmte Schilde- rungen auf bestimmte Ereignisse zu deuten, so entsteht ein 1) Völter Entstellung2 55 ff. 2) Eenan 308. 3) Erbes 40. 4) Erbes 41. 5) Völter Entstebung 2 55 ff. 6) Spitta 294 ff. 7) Eenan 307. 8) Erbes 39 ff. 9) Entstehung2 55 ff. 10) AI. 11) Besonders willkürlich ist die zeitgeschichtliche Deutung der wilden Tiere, die nach den prophetischen Vorbildern selbstverständlich als eine Landplage gedacht sind. 15* 228 andersartiger Fehler, wenn man so stark phantastische, ganz concret lautende Stücke wie das Gesicht von den sieben Schalen .zeitgeschichtlich' versteht. Da soll sich die Verfinsterung des Reiches des Tieres 16 10 auf den die Sonne verdunkelnden Aschen- regen beim Ausbruch des Vesuv 79 beziehen *). Aber der Text redet von eiuer Verfinsterung im ganzen römischen Reiche, dagegen sagt er nichts von einem Vulcan oder einem Aschen- regen. Oder das Sterben der Fische im Meere 16 s wird auf dasselbe Ereignis gedeutet; aber 16 3 sterben ja die Fische, weil das Meer zu Blut wird usw. Man darf sich, auch wenn man auf die Genauigkeit zeitgeschichtlicher Exegesen nicht viel hält, doch darüber wundern, dass solche Deutungen überhaupt möglich sind. Bei diesen Erklärungen ist die stillschweigende Voraussetzung, die, soweit ich sehe, von allen Forschern geteilt wird, dass in der Ap Joh überhaupt Tatsachen der letzten Vergangenheit oder der Gegenwart nicht nur vorkommen könnten, sondern nach der Analogie des Daniel auch vorkommen müssten. Dem sind aber die Beobachtungen entgegenzuhalten, die oben 2) für einen concreten Fall angestellt worden sind und hier verallgemeinert werden müssen. Die Vision enthält ihrer Natur nach nur Unbe- kanntes ; die Prophezeiung nur Zukünftiges ; Gegenwärtiges nur, soweit es zum Verständnis des Zukunftsbildes schlechterdings unerlässlich ist. Wenn der Seher — wie man es sich gewöhnlich 3) vor- stellt — mit diesen Schilderungen die Absicht verband, aus den Zeichen der Zeit die Nähe des Endes zu beweisen, so musste er entweder auf ältere, bekannte Weissagungen hinweisen und dann seinerseits die Argumentation hinzufügen: so erkennet ihr denn, dass der erste Teil jener Weissagungen erfüllt ist; ihr aber, die ihr alles dieses sehet, hebet eure Häupter empor und wisset : eure Erlösung steht vor der Thür 4). So hat der Apo- kalyptiker jedenfalls nicht geschrieben. — Oder, wrenn er das 1) Erbes 179. 2) p 186 — 1D2. 3) Holtzmann Commeutar- 295, Einleitung1 414, Völter Entstehung"3 2 usw. 4) nach Luc 21 31 Mt 2433. 229 schon Erfüllte noch einmal als Weissagung aussprechen wollte, so rausste er fingieren, aus einer früheren Zeit, ehe alles dies erfüllt war, zu schreiben, dh er musste seiner Schrift den Namen eines alten Gottesmannes geben. Denn dass ein Zeitgenosse Vergangenes prophezeit, ist ebenso unerhört wie völlig zweck- los: wie darf Der Glauben erwarten, der Dinge weissagt, die jedermann kennt! Die Forscher also, die in der Ap Jon solche Schilderungen der Vergangenheit annehmen, hätten zugleich die Forderung aufstellen müssen, dass jene .Weissagungen' ursprüng- lich unter einem alten Pseudonym geschrieben seien; dazu ist von niemanden der Versuch gemacht. Man hat sich bei dem sehr oberflächlich betrachteten Beispiele des Daniel beruhigt, ohne darauf zu achten, dass Daniel und Ap Joh hier gerade in dem charakteristischen Punkte auseinandergehen, dass in jener Schrift ein alter Seher, in der Apokalypse aber ein christ- licher Zeitgenosse reden will. Hieraus ergiebt sich also, dass es in der Ap Joh überhaupt keine Schilderungen der Vergangenheit geben kann, sofern man nicht von dem betreffenden Stücke annehmen darf, dass es aus einer, ihrerseits unter einem alten Pseudonym geschriebenen Apokalypse in unser neutestamentlich.es Buch gekommen sei. Sehr sparsam ist in der .zeitgeschichtlichen' Erklärung eine fünfte Klasse vertreten, welche die apokalyptische Schilderung oder einen einzelnen Zug darin allegorisch auslegt. Diese Selten- heit allegorischer Erklärungen erklärt sich aus dem allgemeinen Zuge evangelischer historischer Wissenschaft, die auch im AT die allegorische Deutung bis auf wenige, schwächliche und wol bald verschwindende Reste — die sogenannten .typischen- Er- klärungen — ausgerottet hat und speciell in der Ap Joh von Anfang an im bewussten Gegensatz gegen die bisherige .kirch- liche', allegorisch deutende Erklärung aufgetreten ist l). Prin- cipielle Klarheit ist freilich auch hier für die Ap Joh noch immer nicht erreicht. Das beweisen einzelne allegorische Erklärungen, die noch immer wieder auftreten. So werden zB die Zeichen des sechsten Siegels — die Erde 1) cf aber auch p 234. 230 erbebt, Sonne und Mond verlieren ihr Licht, die Sterne fallen vom Himmel, der Himmel rollt auf — als eine allegorische Be- schreibung der ,ini Jahre 68 mit Neros Untergang über das Römerreich hereingebrochenen, anscheinend tötlichen Krise'1) aufgefasst. Solche Erklärung verstösst gegen den ausserhalb der Ap Joh allgemein anerkannten Grundsatz historischer Exegese, dass nur dasjenige Schriftstück allegorisch ausgelegt werden darf, welches diese Erklärung deutlich selber fordert. Da nun die Hungersnot, der Krieg, die Pest der ersten Siegel im eigent- lichen Sinne genommen werden müssen und auch von allen Modernen so genommen werden, so ist es unerlaubt, beim sechsten Siegel plötzlich die allegorische Erklärung anzuwenden 3). Dazu wissen wir ausdrücklich, dass solche Zeichen am Himmel nach jüdisch-christlicher Eschatologie dem Ende vorausgehen zB Luc 21 25. Schliesslich ist die Deutung grade auf Neros Tod durch nichts im Texte nahegelegt. Noch willkürlicher ist es natürlich, wenn man aus einer ganzen Schilderung nur einen einzigen Zug herausnimmt und allegorisch versteht; so die oben3) mitgeteilte Deutung der wilden Tiere 6 s auf das vertierte römische Volk. So, wenn man den ersten der vier Reiter als den Partherkönig Vologaeses erklärt 4). Innerhalb der Ap Joh nehmen cap 13 und cap 17 (nebst ihren stofflichen Zusammenhängen) eine besondere Stellung ein; sie erfüllen die oben aufgestellte Bedingung, denn sie wollen Allegorieen geben und zwar Allegorieen auf die (Gegen- wart und) Zukunft einer geschichtlichen Grösse. Das erste Tier cap 13 ist das römische Reich, das Weib auf dem Tiere cap 17 1) Beyschlag Stud und Krit 1888 p 133. 2) Wenn moderne Exegeten die Engel der Teuerung, des Krieges usw als ,allegorische Figuren' (Düsterdieck- 250) fassen, so verraten sie dadurch nur, dass sie den jüdisch-christlichen Glauben, solche Plagen würden durch Engel bewirkt, nicht mehr verstehen ; in Wirklichkeit ist der Engel des Krieges ebensowenig eine , allegorische Figur' wie der Engel des Abgrundes 9ii, der Engel des Feuers 14 18 etc etc. 3) p 227. 4) Völter Entstehung'2 55 Problem 92, Erbes 38 f, Holtzmann Conim2 329, cf oben p 226 A 2. 231 die Stadt Rom. Hier also ist die zeitgeschichtliche und zwar die allegorische Erklärung notwendig gefordert ebenso wie in Dan Tf^Henoch 85 ff IV Esra 11 f etc. Diese Capitel, die für den Zusammenhang dieser Unter- suchungen nicht nur aus Gründen der Methode, sondern zu- gleich ihrem Inhalt nach wertvoll sind, werden nachher aus- führlich behandelt werden. Ich rede demnach hier nur über die Art, sie zu erklären. Damit, dass in ihnen allegorisch-zeit- geschichtliche Deutung gefordert wird, darf natürlich nicht der Willkür, die alles in allem finden kann, Thür und Thor geöffnet sein. Vielmehr ist die Aufgabe historischer Exegese auch hier keine andere als die, den ursprünglichen Intentionen des Ver- fassers gerecht zu werden ; wenn derselbe seine Gedanken also nicht mit klaren "Worten ausgesprochen, sondern vielmehr in Allegorieen versteckt hat, so hat sich der Exeget bei der Deu- tung ganz besonderer Vorsicht zu befleissigen. Xun ist zB für cap 13 unbestreitbar, dass ein Teil desselben — für den Verfasser natürlich die Hauptsache — von der Zukunft handelt, und dass es stark von apokalyptischer Tradition abhängig ist. Damit ist gegeben, dass nicht das ganze Capitel, sondern nur einzelne Züge desselben auf Zeitereignisse gedeutet werden dürfen. Das Aufsteigen des ersten Tieres aus den Meere ist ein auch im Buche Daniel auftretender Zug *). Zeitgeschichtliche Deutung ist hier also zur Erklärung des Ursprunges des Zuges nicht notwendig, sicherlich aber nur dann erlaubt, wenn wirklich eine schlagende Ähnlichkeit constatiert werden kann. Völter 2) sah in dem aus dem Meere aufsteigenden Tiere eine Allegorie auf Kaiser Hadrian: in dem Xamen Hadrian habe man eine Beziehung auf das Adriameer gefunden Orac Sib 5 47 852 lOiraff — aber von solchen Wortspiel ist doch hier schlechterdings keine Rede — ; ferner sei der Kaiser auf seiner Reise 129 vom Meer her nach Kleinasien gekommen — aber die Apokalypse 1) Dan 72 cf auch IV Esra 11 1. 2) Entstehung2 72f. In der eisten Auflage p 23 fand Volte? darin eine Anspielung auf Antoninus Pius, der als Kaiser auch den Namen Hadrian führte. Jetzt, Problem 205 ff, deutet er das Tier auf Domitian. ■wobei er die Anspielung auf die Adria aufgegeben hat. 232 sagt kein Wort davon, dass das Tier auf Reisen sei, und wenn man das Tier überhaupt von einem römischen Kaiser, nicht von dem römischen Weltreich, deutet, so darf man in seinem Heraufsteigen aus dem Meere nur die Art seiner Thronbesteigung und nicht ein beliebiges Ereignis aus seiner Regierung abge- bildet sehen. Spitta i) sieht in dem Tiere eine Allegorie auf Caligula und erklärt so die 132a beschriebene Gestalt: Jene groteske Zu- sammenschweissung von Teilen des Pardels, Bären und Löwen zu einem Ungeheuer passe in der Tat auf keinen der fraglichen Herrscher besser als auf Caligula', den auch Sueton ein monstrum nenne. Aber wenn man die wahnsinnige Bizarrerie eines Herrschers allegorisch schildern will, ist es dann auch nur einigermassen * verständlich geredet, wenn man von ihm sagt : er habe Bärenfüsse und Löwenrachen gehabt und sei im übrigen einem Pardel ähnlich gewesen? Spitta weiss natürlich auch, dass diese Züge im Daniel ein Analogon haben; aber warum dann annehmen, dass sie etwas anders sind als ein Stück apo- kalyptischer Tradition? Es mag sein, dass zu der Schilderung von dem Stempel, den die Anbeter des Tieres auf Hand und Stirn nehmen, irgend ein Ärgernis, das damals die Gemüter der Frommen aufregte, Anlass gegeben hat. Aber wie darf man behaupten, es sei damit die jüdische Kopfsteuer gemeint, und da Domitian dieselbe zum ersten Male hart und grausam eingetrieben habe, so sei das Orakel unter Domitian zu setzen2)? Ist es denn wirklich für das Bezahlen einer Steuer ein deutliches Bild, dass man einen Stempel auf Hand und Stirn bekommt? Und übrigens ist ja die Kopfsteuer den Juden schon von Vespasian auferlegt. So lange die Erklärer dieses Capitels nicht strengere Methoden befolgen, wird, auch die gegenwärtige Situation dauern, dass man das Capitel auf die Zeit bald des Caligula, bald des Nero, bald des Galba, bald des Vespasian, bald des Domitian, bald des Trajan, bald des Hadrian, bald des Antoninus Pius 3) deutet, wobei 1) p 368. 2) P Schmidt Composition der Offenbarung Job. 47. 3) cf die Übersiebten bei Holtzmann Einleitung3 416, Commentar 299 f 303 und im Folgenden. 233 eigentlich alle Erklärungen ungefähr mit derselben ^Methode' arbeiten und daher auch ungefähr denselben Wert haben. Ziehen wir das Facit: gegenüber der vielgestaltigen, überall aber an Willkür und Ungenauigkeit sich gleichbleibenden her- kömmlichen Erklärungsart ist dringend die Forderung grösserer Accuratesse und strengerer Methode zu erheben. Wird diese Forderung erfüllt, so ergiebt sich : abgesehen von einzelnen Stücken in cap 13 und 17 (und ihren Zusammenhängen) bewährt sich keine einzige zeitgeschichtliche Exegese. Das bedeutet: die zeitgeschicht- liche Erklärung ist bankerott, der weit überwiegenden Summe der Passiva stehen als Activa nur gewisse Stücke in cap 13 und 17 gegenüber. Damit ist gegeben, dass alle chronologischen An- sehungen und Quellen hypothesen, die sich auf solche .zeitge- schichtlichen' Erklärungen stützen, so weit sie nicht durch die obigen Ausführungen ohne weiteres hinfallen, jedenfalls einer neuen methodischen Durchsicht bedürfen. Denn von Scheidung und chronologischer Fixierung der Quellen kann natürlich erst dann geredet werden, wenn die Methode, die zu untersuchende Schrift zu verstehen, einigermassen gesichert ist. An vielen Stellen unserer Untersuchungen bat sich uns als beiläufiges Resultat ergeben, dass die traditionsgeschichtliche Erklärung berufen ist, die zeitgeschichtliche in Zukunft zu ersetzen ; die Anwendung dieser neuen Erklärung auf die Apokalypse behalte ich mir für eine andere Stelle vor. Anderseits erscheint es mir als eine Pflicht der Pietät, aus- drücklich hinzuzufügen, dass die zeitgeschichtliche Exegese das grosse Verdienst hat, mit den bis dahin herrschenden kirchlichen Erklärungen endgültig gebrochen und damit ein künftiges histori- sches Verständnis der Apokalypse vorbereitet zu haben. Diese Ex- egese hat einmal wirklich das Recht besessen, sich als .die wissen- schaftliche' Exegese der Apokalypse zu bezeichnen und wird eine bedeutende Stelle in der Geschichte der evangelischen Forschung behalten, auch wenn sie sich nicht als ihr letztes Wort erweisen sollte. Während die zeitgeschichtliche' Exegese sich dem In- halte nach, den sie in der Apokalypse findet, von der bis dahin herrschenden kircheugeschichtlichen stark unterscheidet, hat sie sich anderseits in der Form der Erklärung von derselben nicht 234 deutlich losgemacht: vielmehr hat man hüben wie drüben den Eindruck, dass die Apokalypse uneigentlich rede, und dass ihre Visionen nicht, so wie sie lauten, genommen, sondern irgendwie gedeutet werden müssten. In dieser Beziehung ist die zeitge- schichtliche' Methode als letzte Nachwirkung der kirchlichen allegorischen Erklärung aufzufassen; es liegt eine ununterbrochene Kette von exegetischer Tradition bis auf den heutigen Tag vor. Diese Erwägung dient dazu, die Existenz einer so veralteten Methode zu begreifen, zugleich aber, die Unmöglichkeit derselben für die gegenwärtige historische Forschung zu erweisen. In diesen Zusammenhang der .zeitgeschichtlichen' Exegese muss man auch die oben besprochene christliche Exegese von Ap Joh 12 stellen, um sie zu verstehen und dann um so sicherer zu widerlegen. Sie ist eine zeitgeschichtliche Exegese: sie deutet das Capitel auf Ereignisse der Zeit des Sehers, Geburt und Himmelfahrt Christi und die Flucht nach Pella; genauer ist sie eine zeit- geschichtlich-allegorische Erklärung, gehört also zu einer seltener vertretenen Gattung dieser Exegese. Alle die oben nachgewiesenen Fehler, die bei Aufstellung dieser Exegese gemacht sind, haben in der methodologischen Auseinandersetzung eine Fülle von Parallelen erhalten. Das Vorurteil, die Ap Joh könne auch — nicht pseudonyme — Schilderungen der Vergangenheit enthalten, bestimmt nicht nur die Exegese von cap 12, sondern auch andere Abschnitte. Dass die Vision selbst und das zeitgeschichtliche Ereignis, das dazu in irgend einem Verhältnis stehen soll, durchaus nicht gut zusammenstimmen, sondern höchstens gewisse äusserliche Ähn- lichkeit haben, ist ebenso wie an cap 12 auch an allen andern Beispielen gezeigt worden. Ebenso ist die völlig unstatthafte, weil ganz uncontrolierbare Vermischung des Zeitgeschichtlichen und des ,Phantastischen', die cap 12 besonders bei der Flucht des Weibes hervortritt, in der zeitgeschichtlichen Exegese fast die Regel. - Alle diese Einzelfehler waren von dem principiellen Fehler jener Erklärung abzuleiten, dass sie als Werk eines einzelnen Schriftstellers aufgefasst hat, was in Wirklichkeit aus einer Ge- 235 schichte der Tradition zu verstehen war. Ebenso steht es auch Ap Joh 12. Einen Stoff, den der christliche Verfasser aus der jüdischen Literatur genommen, und dem er nur wenige Worte hinzugefügt hat, hat man als sein originelles Werk behandelt. In einzelnen finde ich nicht, dass die christliche Deutung von Ap Joh 12 methodisch verwerflicher wäre, als irgend eine andere der oben besprochenen oder der sonst aufgestellten. Vielmehr hat diese wenigstens die Entschuldigung für sich, dass sie — so lange christliche Abfassung des Capitels als selbstver- ständlich galt — die einzig mögliche Deutung zu sein schien, und dass sie in den allegorisierenden Zusätzen des christlichen Überarbeiters einen Kechtstitel zu haben glaubte. 3. Ap Joh 12 ist nicht jüdischen Ursprungs. Eine andere Erklärung dafür, dass noch gegenwärtig eine christliche Deutung des Capitels möglich ist, liegt darin, dass es auch unter der Voraussetzung jüdischen Ursprunges nicht be- griffen werden kann. Zwar eine Reihe der oben besprochenen Schwierigkeiten, die uns die Annahme christlicher Entstehung des Capitels un- möglich machten, fallen dann ohne weiteres fort: vom Stand- punkt des Judentums ist es völlig begreiflich, dass die Geburt des Messias nach der siebenten Posaune erwartet wird1); und auch das Übrige, was auf christlichem Boden einfach undenkbar war: dass der Christus im Himmel geboren, dass er als Kind vor dem Drachen zu Gottes Thron gerettet wird, um erst als erwachsener Mann auf Erden zu erscheinen 2), alles dieses ist auf jüdischem Standpunkt wenigstens nicht unmöglich. Aber damit ist das Capitel noch keineswegs erklärt; es erhebt sich nun die Aufgabe, den Ursprung der ganzen Conception, auch dieses Messiasbildes, und die vielen so merkwürdigen Einzel- heiten des Capitels von jüdischen Voraussetzungen aus zu ver- stehen 3). 1) cf p 197. 2) cf p 173—181. 3) Überall da, wo man die Unzulänglichkeit einer Tradition er- 236 Die Vertreter jüdischer Abfassung haben dieser Aufgabe, mehr oder weniger vollständig, nachzukommen versucht. Vischer und Pfleiderer geben eine Erklärung einzelner Hauptpunkte, Spitta eine systematische Exegese; dabei constatiert Vischer mit einer Nüchternheit, die dem glücklichen Entdecker jüdischer Bestand- teile in der Apokalypse zum besondern Ruhme gereicht, dass sich einzelne Züge des Capitels auch jetzt noch der Deutung entziehen l), während Spitta und Pfleiderer mit der Annahme jüdischen Ursprungs alle Schwierigkeiten überwunden zu haben glauben 2). Alle drei Erklärer stimmen in der Behauptung übereiu, dass der Abschnitt nicht zeitgeschichtlich' verstanden werden dürfe3). Natürlich; das Capitel handelt von lauter himmlischen, aussermenschlichen Grössen und Vorgängen — ein Umstand, der von Anfang an jede zeitgeschichtliche Erklärung hätte ans- schliessen sollen; ausgenommen ist dabei nur die Verfolgung der ,Übrigen' 17, die vielleicht eine historische Begebenheit oder Situation andeuten könnte. Da nun die Einzelexegesen, die von den drei Genannten gegeben werden, zum grössten Teile dieselben sind, die auch auf dem Standpunkte christlicher Abfassung auftreten, jedenfalls aber dieselbe Methode der Erklärung auf beiden Seiten herrscht, so ist es erlaubt, ihre Erklärungen als Beispiele dafür anzu- sehen, wie man gegenwärtig die nicht zeitgeschichtlich' zu ver- stehenden Abschnitte zu deuten pflegt. Ich lasse mich daher kannt bat, entsteht die von jedermann in der Theorie anerkannte, aber in der Praxis durchaus nicht immer ins Auge gefasste Aufgabe, ein Eichtigeres an die Stelle der Tradition zu setzen, und dies neu erkannte Positive in den geschichtlichen Zusammenhang, in den es gehört, ein- zureihen. Wer zB die Erzählungen der Genesis für Sagen oder auch nur für sagenhaft hält, hat die Pflicht, der Entstehung der Sagen oder sagenhaften Züge nachzugehen dh die Geschichte der Genesissagen zu untersuchen. Wenn die Kritik, dh die Prüfung der Tradition, nicht vielfach auf die Bestreitung der Tradition sich beschränkt hätte, würde sie sich den Manien der .negativen' Kritik nicht, oder wenigstens nicht mit Recht, zugezogen haben. 1) p 30. 2) Pfleiderer 332. 3) Pfleiderer 331: .nur ideale Bilder ohne geschichtlichen Grund' cf Spitta 361. 237 zugleich durch ein allgemeineres Interesse leiten und ergänze die oben gegebenen methodologischen Erörterungen, wenn ich einige dieser Erklärungen und besonders ihre Methode ausführ- licher bespreche. Das Capitel wird — das scheint der gegenwärtigen Forschung das Natürliche zu sein — als eine freie Compositum des Ver- fassers aufgefasst. Da zu derselben aber nicht zeitgeschichtliche Ereignisse die Veranlassung gegeben haben sollen, und ander- seits die Bilder der Apokalypse doch nicht einfach aus der Luft gegriffen sein können, so sucht und findet man die Anregung, durch welche die Phantasie des Verfassers in Bewegung gesetzt worden sei, im AT : in Anlehnung1 an das AT seien die apokalypti- schen Bilder entstanden. Demnach besteht die Erklärung solcher Partieen der Apokalypse gewöhnlich darin, dass man die alt- testamentlichen Stellen nachweist, an welche der Apokalyptiker im einzelnen Falle ,angeknüpft' habe. Dabei hält man offen, dass der Verfasser das so gewonnene phantastische' Material zur Illustra- tion von Gedanken verwandt habe, die man aus ihrer bunten Einkleidung herauszulesen versucht. Nach dieser ,Anlehnungs'- Methode werden von der modernen Exegese alle nicht zeit- geschichlich gedeuteten Abschnitte verstanden. Dieselbe Methode herrscht freilich noch auf viel weiterem Gebiete: in der Aus- legung der Apokalypse ist sie auch auf kirchlichem' Standpunkte gebräuchlich !); auch im übrigen NT wird sie vielfach zur Er- klärung einzelner Stellen und ganzer Gedankenreihen verwandt. Hiernach stellt man sich also die Entstehung von Ap Job 12 so vor: der Verfasser habe eine Fülle von einzelnen Bildern im AT vorgefunden, seine eigene Arbeit aber habe darin bestanden, dies Übernommene phantastisch weiterzuführen und zu einem seine Ideen illustrierenden Mosaikbilde zusammenzustellen 2). 1) Kliefoth und Hengstenberg legen in dieser Beziehung nicht wesentlich anders aus als etwa de Wette, Düsterdieck oder Holtzmann et' die unten angeführten Beispiele. 2) Xach derselben Methode hat Dillniann das Buch Henoch erklärt. Dillmann ist überzeugt, ,dass alle ,die Lehren der Weisheit', welche er [Henoch] in seinem Buche giebt, auf exegetischen Forschungen in den Bibelbüchern ruhen- XIV cf p XV. 238 Nun bedarf die hohe Bedeutung des AT für das nach- kanonische Judentum wie für das älteste Christentum, speciell für die Apokalyptik keiner Untersuchung; ist doch die Apokalyptik überhaupt nur unter der Voraussetzung, dass die Prophetie voran- gegangen, zu begreifen, und auch im einzelnen leuchten bei sehr vielen apokalyptischen Bildern die prophetischen Originale, nach denen sie angelegt sind, deutlich genug hindurch. Dabei ist der Fall nicht selten, dass in einer apokalyptischen Vision eine Fülle von alttestamentlichen Reminiscenzen zusammengewoben erscheinen: lehrreiche Beispiele solcher Schriftstellerei sind Ap Joh4, die Scene im Himmel, und cap 18, das Gericht über die grosse Hure. So sicher nun auch dieser Einfluss des AT auf die Apoka- lypse ist, so fragt es sich doch, wie weit er auf die einzelnen Teile derselben sich erstreckt, und wie er psychologisch vorzu- stellen ist. Man ist vielfach geneigt, alles in der Apokalypse als alt- testamentlichen Nachklang zu erklären und für jede apokalyp- tische Aussage die alttestamentliche Urstelle zu suchen, wie man denn überhaupt den Einfluss des AT auf das Judentum und das Urchristentum vielfach — soweit ich sehen kann — sehr überschätzt. Diesem Irrtum, der seinen protestantischen Ursprung nicht verleugnen kann, ist entgegenzuhalten, dass selbstver- ständlicher Weise das älteste Christentum, aber auch das Juden- tum lebendige Religionen sind, mit selbstständigen religiösen Bedürfnissen, in denen ein Buch zwar viel, aber nicht alles bedeutet. Grade das Lebenskräftige, geschichtlich-Wirksame, dli das Bedeutsame in ihnen, so sehr es auch durch die Lektüre der ,Schrift' genährt oder wenigstens beeinflusst sein mag, hat seinen letzten Grund nie in dem Buche, sondern in den Per- sonen, ihren Erfahrungen und Erlebnissen, und in der Geschichte. in der sie wurzeln. So ist auch die jüdisch-christliche Apo- kalyptik mehr als nur eine Alttestamentliches fortsetzende Epi- gonenbewegung. Der Hinweis auf den jüdischen Glauben an die Auferstehung, an die Hölle, an ein ewiges Leben im Himmel, — Überzeugungen, die nicht alttestamentlich, aber auch nicht einmal aus dem AT organisch hervorgewachsen sind *) — genügt, um zu zeigen, dass in der jüdischen Apokalyptik neben dem aus 1) cf im Folgenden. 239 dem AT Ererbten eschatologische Anschauungen stehen, die dem AT gegenüber von hoher Originalität sind. Es folgt für die Methode der Apokalypsenerklärung, dass es durchaus nicht ge- boten ist, die Einzelheiten überall aus dem AT zu verstehen, sondern dass wir mit der Möglichkeit eigentümlich-jüdischer, dem AT gegenüber selbstständigen Traditionen zu rechnen haben. Aber auch da, wo sicher alttestamentlicher Einfluss vorliegt, ist es notwendig, über die Art, wie das AT gewirkt hat, klar zu sehen. Dem Gelehrten unserer Zeit scheint vielleicht das Natürliche zu sein, den Apokalyptiker sich nach seinem eigenen Yorbilde so vorzustellen, dass er neben seinen Manuscript die Bibel liegen gehabt habe, um in ihr nach Bedürfnis hin und her zu blättern; wobei man vielleicht die Möglichkeit, dass er aus dem Gedächtnis citiert habe, zugeben mag. Schon in diesem Falle direkter Abhängigkeit vom AT hat man zwischen mannig- fachen Arten zu unterscheiden: dem wörtlichen Citat, der Über- nahme des Gedankens, der Benutzung des Motivs, der Anspielung, der Exegese, der Weiterausführung, der Combination mit andern Stellen usw. Dazu kommt noch die Möglichkeit, dass das AT an einzelnen Stellen nur indirekt eingewirkt habe: der Schrift- steller kann von einer Tradition, die ihrerseits aus dem AT ent- standen war, abhängig sein. Die herkömmliche Exegese redet — auch ausserhalb der Apokalypse — in solchen Fällen ganz gewöhnlich von , Anlehnung' oder ,Anknüpfnng' *), dh sie be- gnügt sich mit der Beobachtung alttestamentlichen Einflusses, ohne die Art desselben sich genauer zu vorzustellen. — Von diesen Arten direkter oder indirekter Abhängigkeit vom AT hat man deutlich die Fälle zu unterscheiden, in denen der Verfasser eine schon im AT auftretende Überlieferung niederschreibt, ohne desshalb vom AT abhängig zu sein. Jedenfalls muss gefordert werden, dass da, wo die Herkunft eines apokalyptischen Zuges aus einer bestimmten alttestamentlichen Stelle behauptet wird, wirklich, wenn nicht deutliche Berührung im Wortlaut, so doch wenigstens frappante Übereinstimmung im Gedanken vorliegt, 1) Der gegenwärtig in der neutestamentliclien Theologie ausge- dehnte Gebrauch dieser Worte ist gefährlich, weil er der Oberflächlich- keit in der Beobachtung Vorschub leistet; er wäre darnach am besten ganz aufzugeben. 240 und dass solche Entstehung des apokalyptischen Bildes aus Nachahmung des AT innerlich wahrscheinlich erscheint x). Prüfen wir nach diesen Forderungen die von Spitta, Pflei- derer und Tischer zu cap 12 aufgestellten Exegesen. Die Worte des Verses 2, das Weib schreie in den Schmerzen der Geburt, sollen nach Spitta2) eine , Anlehnung an den Ausdruck Micha 4io'3j sein, wo ja auch wirklich vom Geschrei des ge- bärenden Israel gesprochen wird 4). Aber die Geburtsschmerzen Israels sind in der Michastelle bildlich gemeint: wie eine Ge- bärerin soll Israel schreien. Das Schreien der Gebärerin ist ein Bild für die ängstlichen Bufe, die der durch plötzliches Unglück Überfallene ausstösst. Demnach ist zwischen der Michasteile, die Zions Angst mit Geburtsschmerzen vergleicht, und der Apo- kalypse, nach der das Weib wirklich in den Wehen liegt, ein grosser Unterschied. Wie kommt man nun zu der Behauptung dass grade diese Michastelle der Ap Joh zu Grunde liege? Ist das Bild von den Wehen so selten, dass dadurch die beiden Stellen als innerlich zusammengehörig erscheinen? Durchaus nicht; dies Bild ist im AT sehr geläufig. — Oder ist vielleicht die Anwendung dieses Bildes auf Israel für Micha 4 10 cha- rakteristisch? Auch Jer 4 31 22 23 LXX sprechen, natürlich bildlich, von Wehen Israels. — Oder ist der Ausdruck in beiden Stellen frappant ähnlich ? Eine irgendwie charakteristische Ähn- lichkeit tritt nicht hervor. — So entbehrt also die Beziehung auf Micha 4 10 jeglicher Begründung. 1) Wie oberflächlich es oft mit den Anknüpfungen' genommen wird, zeigt Yölters Beispiel, der Entstehung 2 109ff 138f 160f 176 die alt- testamentlichen Stellen nennt, die in der Apokalypse ,beniitzt' 161 seien; in den , Zusätzen und Berichtigungen' aber eingesteht, dass er in die Stellenverzeichnisse nicht bloss solche aufgenommen habe, von denen die Apokalypse abhängig sei, sondern auch solche, in denen irgend eine Ähnlichkeit mit der Apokalypse zu constatieren sei. Diese Verwechse- lung von Anknüpfungspunkten' und Parallelen findet man in den Commentaren zu Ap Joh nicht selten. 2) Spitta 352. o, Micha 49: Weshalb schreist du denn so laut? Wehen haben dich erfasst wie bei der Gebärerin. 10 Winde dich und kreisse, Tochter Zion, wie die Gebärerin. 4) ebenso schon Hengstenberg I 598, Völter Entstehung2 62, Problem 149 f, Holtzmann Commentar2 339. Erbes 4. 241 Ausser Micha 4io soll hier .Anknüpfung' an Stellen wie Jes 54 lff !) vorliegen, wo von dem Kreissen und Gebären Israels die Rede ist. Die Stelle ist besonders unglücklich gewählt, denn hier heisst es ja: dass Israel zahlreiche Söhne bekommen werde, obwol sie nicht geboren und gekreisst habe! Übrigens erscheint die Auffassung von Ländern und Städten als Müttern ihrer Ein- wohner — so dass die Poesie ihnen ein Kreissen und Gebären zuschreiben mag — im AT als so selbstverständlich, und ist noch in später Zeit so geläufig 2), dass es vergebens aufgewandte Mühe sein würde, die bestimmte alttestamentliche Stelle zu suchen, aus welcher der Apokalyptiker diese Vorstellung ge- schöpft habe. Schliesslich aber kommt hinzu, dass in der Ap Joh eine ganz andersartige Vorstellung vorliegt: das himmlische Zion kommt Ap Joh 12-2 nicht als Mutter der Israeliten, sondern als Mutter des Christus in Betracht 3). Man mag zugeben, dass die citierten Stellen eine gewisse Ähnlichkeit mit Ap Joh 122 haben; aber keine grössere Ähn- lichkeit, als die vielen anderen Stellen, auf die andere Exegeten geraten haben. Redet doch auch Jes 667 — 9 4) von Zions Kreissen und Gebären, freilich nicht von der Geburt des Christus. Oder Micha 5 lff 5) und — was hier zu bestreiten nicht der Ort ist — auch Jes 7 u 6) mögen von der Geburt des verheissenen Königs handeln, nennen aber jedenfalls nicht Zion als seine Mutter. Oder Jer43i 30 e 4924 Hos 13 13 7) Jes 26 17 8) verwenden das Bild der Geburtswehen, während in Ap Joh 12 die Wehen nicht als Bild, sondern als wirkliche Tatsache auftreten. Die meiste Ähnlichkeit bietet noch das von Völter 9) herangezogene Protevangelium, Gen 3u — ig, wo ,von den Geburtsnöten des Weibes, weiter von 1) ebenso Düsterdieck4 416. 2) Gal 426. 3) Spitta citiert eine dritte Stelle aus Sohar zu Ex 21 22, ,wo das schwangere Weib auf Israel gedeutet wird, der Mann, welcher das "Weib stösst, so dass ihre Frucht abgeht, auf Sammael und die abgegangene Fracht auf die Gemeinde des Exils' 352. Aber diese Allegorie redet nicht vom Messias, ist also nicht eine Parallele zu Ap Joh 12. 4) Düsterdieck 4 416, Völter Problem 480, Holtzraann Handcomm'2 339, Erbes 4. 5) Düsterdieck 4 416. 6) Völter Problem 480. 7) Hengstenberg I 598. 8) Hengstenberg I 598, Holtzmann Handcommentar 2 339, Völter Problem 480. 9) Problem 150. Gunkel, Schöpfung. 16 242 ihrem Samen, namentlich aber von der Schlange und der tötlichen Feindschaft, die zwischen ihr und dem Weibe und ihrem Samen bestehen soll, die Rede' ist. Aber wer darf sich unterfangen, zu behaupten, der Verfasser habe die Genesisstelle wirklich vor Augen gehabt! Denn grösser als die Ähnlichkeiten sind doch die Unter- schiede *). In allen diesen Stellen, die übrigens mit Leichtigkeit noch vermehrt werden könnten, bleibt die für die Ap Joh charak- teristische Zusammenstellung des himmlischen Zions und des Chri- stus als Mutter und Kind ohne jede Analogie. Und die Frage, warum dem Weibe grade in diesem Zusammenhange besonders qualvolle Wehen zugeschrieben werden, kann aus alttestament- licher Anknüpfung nicht beantwortet werden. Sollte also wirklich eine der genannten Stellen dem Verf asser von Ap Joh 12 vor- geschwebt haben, so hätte doch seine Phantasie sie so charakte- ristisch verändert wiedergegeben, dass es für uns eine durchaus unlösbare Aufgabe wäre, den Ausgangspunkt für den völlig uncontrolierbaren Flug seiner Phantasie zu bestimmen. Es ent- steht also hier eine Schwierigkeit, ganz verwandt derjenigen, die wir für die eigentlich zeitgeschichtlichen Erklärungen gefunden haben, bei denen auch schliesslich der Hauptaccent auf die Phantasie des Schriftstellers fallen musste 2). Der Drache, der vor dem schwangeren Weibe steht, wirft mit seinem Schwänze ein Drittel der Sterne vom Himmel auf die Erde. Dieser Zug ist als ganzer und in seinen Einzelheiten in der biblischen Literatur so eigentümlich, dass er besonderer Erwägung bedarf. Spitta bringt zur Erklärung desselben einen ganzen Schwärm alttestamentlicher Stellen heran 3). Das Herab- 1) Dort ein himmlisches Weib, hier die Stammmutter der Mensch- heit ; dort Feindschaft des Drachen gegen das Kind, hier Kampf zwischen Schlangensamen und Weibessamen ; der Drache ein Ungeheuer der Tiefe, der arra dagegen im gegenwärtigen Berichte der Ahnherr des Schlangen- gescblechts usw usw. 2) cf p 183 f 203 216. 3) Die Häufung solcher Anknüpfungspunkte' ist überhaupt für die ganze Methode charakteristisch. Man würde nicht auf so viele Stellen hin und her raten, wenn man mit strengerer Methode nicht nach etwelchen Parallelen, sondern nach der die Sache zureichend erklärenden Grund- stelle suchte. Völter Entstehung 2 erklärte das Capitel aus alttestament- 243 fallen der Sterne erscheine auch sonst, neben anderen Hinmiels- erscheinungen, als ein Zeichen des Endes Jes 344 Joel 2io 3 4 Am 89 x); indess hier kommt es sicher nicht als ,Zeichen der unmittelbar bevorstehenden Parusie' in Betracht, der Christus ist ja noch nicht einmal geboren. Ap Job 124 hat also mit solchen or^iela tov aiwvog nichts gemein. — Spitta fügt hinzu, dass jenes ,Herabwerfen der Sterne vom Himmel vielleicht seinen nächsten Anlass in Dan 810 habe, wo das kleine Hörn bis an den Himmel wächst und Sterne herabstösst' 2). Die Verwandt- schaft beider Stellen ist deutlich; aber die Schilderung der Ap Joh, der Drache habe die Sterne mit dem Schwänze herunter- gezogen, ist so viel anschaulicher als die fast unvorstellbare des Daniel, dass es methodisch sehr bedenklich erscheint, Ap Joh hierin als das Secundäre anzusehen 3). — Schliesslich bringt Spitta noch eine dritte Vorstellung herbei, die .sicher mit zu dem Zustandekommen des visionären Bildes beigetragen' habe; es ist die vom Leviathan, dem Drachen, der nach Spitta Sonnen- und Mondfinsternis bewirkt Job 3s 26 13 Jes 27 1, der ögor/Mv und ocpig heisst, und dem auch *F 74 u mehrere Häupter zu- geschrieben werden4). Wiederum ist die Verwandtschaft des apokalyptischen Drachen mit solchen Wesen des Volksglaubens 5) anzuerkennen; damit aber ist noch keineswegs erwiesen, dass liehen Nachklängen und ein wenig Zeitgeschichte, ohne dass ihm eine Lücke in der Erklärung zu bleiben schien ; in seiner neuesten Publikation nimmt er die Christologie Cerinths hinzu ; nachträglich ist er dann durch Dieterich noch auf den ähnlichen Apollomythus aufmerksam ge- worden, den er nun zu allen andern Erklärungen unbefangen hinzufügt, ohne zu sehen , dass sie sich unter einander ausschliessen. In diesen Dingen macht es die Menge nicht. 1) Spitta 302. 2) so auch Bleek 274 Ewald 243 Züllig II 209 Hengstenberg I 604 Holtzmann Handcomm '2 340. Völter Problem 480 fügt noch Jes 14i3f hinzu. 3) Diese Art der Betrachtung mag allerdings den Literarkritikern einigermassen ketzerisch klingen ; Ap Joh ist doch literarisch um vieles jünger als Daniel, also, wenn verwandt, doch jedenfalls von Daniel ab- hängig? Die Frage wird im Folgenden beantwortet werden. 4) Züllig II 194 210 erinnert noch an Jer 5134 Ez 293 5 Jes 51 9; Hengstenberg I 602 citiert V 74raf Jes 27 1 Jer 5134 Ez 293f; andere anderes. 5) Dass Leviathan auch Job 3s nichts mit Sonnen- finsternis zu tun hat, ist oben p 59 A 1 gezeigt worden. 16* 244 der Verfasser der Ap Joh jene volkstümlichen Vorstellungen aufgenommen und für seine Zwecke verwandt habe, noch weniger freilich, dass er sie einfach aus dem Buche Job — so scheint sich Spitta l) den Hergang vorzustellen — abgeschrieben habe. Denn weder lassen sich die Einzelheiten des Verses wirklich als Weiterausführungen jener alttestamentlichen Vorstellung er- klären — wie kam der Verfasser auf die so merkwürdigen Züge, dass der Drache ein Drittel der Sterne mit dem Schwänze heruntergepeitscht habe? — , noch ist die Einordnung des Zuges in den Zusammenhang aus dem AT begreiflich — dass der Teufel den Christus verschlingen will, versteht man ja; aber was haben ihm die Sterne getan ? 3) und war es denn für den Apo- kalyptiker so selbstverständlich, den Satan und den alten ,Son- nenfinsternisdrachen' gleichzusetzen? Auf diese Fragen giebt es wie oben p 242 keine andere Antwort als die Zuflucht zu der unberechenbaren Phantasie 3) des Apokalyptikers. Man ge- stehe also lieber ein, dass man, obwol man gewisse verwandte Vorstellungen aufweisen könne, doch eine ausreichende Erklärung des Verses nicht zu bieten vermöge. Dass dem Auftreten des Messias seine Geburt und seine sofortige Flüchtung zu Gott voraufgehen, soll sich nach Vischer 4) aus gelehrter Combination verschiedener Schriftstellen erklären: nach den einen werde der Messias aus Davids Geschlecht, also auf Erden geboren, nach den anderen werde seine Ankunft als eine plötzliche vorgestellt; nach Daniel erscheine der Menschen- sohn, den man auf den Messias bezogen habe, auf den Wolken 1) Spitta 353 Z 9—11 von unten. 2) Man darf nicht mit Spitta 354 169, um die Feindschaft des Drachen gegen die Sterne begreiflich zu machen, ,die Heere im Himmel', die den Christus bei seiner Parusie begleiten 19 u, den Sternen gleich- setzen und die Schilderung als eine Nachahmung von Jud 520 ansehen. Die himmlischen Krieger 19 14 auf weissen Eossen haben, wenigstens für den Apokalyptiker, nichts mit Sternen gemein. 3) so findet Diisterdieck 4 393 in dem Texte nicht einen gestimmt bezüglichen prophetischen Gedanken', sondern ,nur den sprechenden Zug eines poetischen Gemäldes'. Man glaube doch nicht, mit dem Wort ,poetiselr alle Fragen erledigt zu haben. 4) p 26 245 des Himmels, komme also vom Himmel her. Alle diese Vor- stellungen seien hier zu einem Gesammtbilde vereinigt, wonach der Messias zuerst auf Erden geboren, dann in die Verborgen- heit und zwar die des Himmels entrückt werde, um schliesslich vom Himmel her plötzlich hervorzutreten. Diese Construction setzt für Ap Joh 12 die Geburt des Christus auf Erden voraus, fällt also, nachdem diese Voraus- setzung als falsch erwiesen ist J). Aber auch abgesehen von diesem Irrtum in einer Einzelheit ist die ganze Construction methodisch verfehlt. Denn einerseits wäre die Behauptung, dieser Teil des Capitels ruhe auf combinierten Bibelstellen, nur dann berechtigt, wenn der Text erkennbare Hindentungen auf solche Stellen ent- hielte; von solchen Anspielungen ist aber keine Rede. Viel- mehr widerspricht der Text dem Sinne der angenommenen Bibelstellen durchaus: die Geburt des Christus aus Davids Ge- schlecht wird weder ausdrücklich angegeben noch auch still- schweigend vorausgesetzt, auch ist die Mutter des Christus kein irdisches, sondern ein himmlisches Weib. Anderseits müsste der Text, wenn er wirklich auf die angegebene Weise entstanden wäre, die Spuren gelehrter Reflexion an sich tragen; aber auch diese unerlässliche Forderung wird keineswegs erfüllt. Der an charakteristischen Einzelheiten so überaus reiche Text ist sicher- lich kein Product grübelnder Schriftgelehrsamkeit; und der Zweck des Abschnittes ist nicht der theoretische, verschiedene christologische Dogmen zu combinieren, sondern der prak- tische, zur Hoffnung und zur Geduld zu ermahnen 2). — Demnach ist Vischers Vermutung völlig haltlos; und die Frage, wie der so eigentümliche Glaube entstanden sei, dass der Chri- stus sofort nach seiner Geburt vor des Drachen Xachstellung zu Gott entrückt werde, bleibt nach wie vor ohne Antwort. Der Kampf Michaels mit dem Drachen Ap Joh 12: soll nach Spitta 3) Anknüpfungspunkte' in volkstümlichen Vorstel- lungen haben; als Beweis werden Stellen angeführt, wo als Vorzeichen grosser Ereignisse und auch des Weltendes unter anderen portenta auch Scharen kämpfender Männer in den 1) p 176. 2) cf p 180. 3) p 358 f, darnach Holtzmann 2 340. 246 Wolken erscheinen J). Aber mit solchen Vorzeichen hat der Streit Michaels nur den einen Zug gemein, dass es sich auch bei ihm um einen Kampf im Himmel handelt; alles Übrige ist verschieden. Demnach vermag man ebensowenig zu beweisen, dass der Apokalyptiker solche portenta im Auge gehabt habe, wie dass er an den Dan 12 1 angedeuteten Kampf Michaels2) oder an den Streit Satans und Michaels um die Leiche Mosis3) oder etwa an Sach 34) oder an den Sturz der abgefallenen Engel5) gedacht habe. Auch die merkwürdige Schilderung von der Flucht des Weibes 12 13 — 16 macht dieser ,Anlehnungs'methode keine Schwie- rigkeiten. Nach Spitta6) soll der Verfasser Züge benutzen, ,die offenbar der Errettung Israels aus Ägypten entnommen sind' 7). Wie dem Weibe die Flügel des grossen Adlers zur Flucht in die Wüste gegeben wurden u, so sei auch Israel nach Ex 194 Dt 32 11 durch die Wüste auf Adler sättigen getragen 8). Aber 1) zB Orac Sib III 804 h1 veqekij ) In den Geschichtsvisionen zB ist die allegorische Einkleidung 254 tätigkeit ist stets in denjenigen Grenzen zu denken, in denen der Glaube des Schriftstellers an die Wahrheit seiner Worte nicht unmöglich gemacht wird. Der eigentliche Stoff der Zukunfts- erwartungen, an denen sich der gläubige Leser in allen Nöten der Zeit in Hoffnung und Geduld festhalten soll, kann von den Apokalyptikern nicht willkürlich erdichtet sein. Man wird vielleicht gegen diese Beweisführung das Beispiel der Propheten x) einwenden, die doch auch zugleich , Dichter' gewesen seien. Nun scheint mir diese Vergleichung der Apo- kalyptik mit der Prophetie und die beliebte Zusammenfassung beider unter dem Namen der ,biblischen Weissagung-' nicht un- gefährlich zu sein 2), da es sich doch bei beiden im Grunde um sehr verschiedene Dinge handelt, — wo fände sich zB bei einem Jesaias oder selbst bei einem Ezechiel ein Capitel, das nur von ferne Ap Joh 12 ähnlich wäre? Aber in dem Punkte stimmen doch Apokalyptiker und Propheten überein, dass sie beide den Anspruch erheben, Wahrheit zu bringen; man soll ihren Worten glauben, und zwar ohne Abzug glauben. Mag auch die Form der Prophetenreden eine dichterische sein, niemals würde ein Prophet eine Auffassung seiner Worte gebilligt haben, welche einen Teil davon als Dichtung, die gar nicht auf Glauben berechnet sei, eliminiert hätte3); geschweige, dass ein solches Überwuchern der Phantasie, wie es die Exegeten in Ap Joh 12 finden, bei den Propheten Analogieen hätte. Schliesslich gilt die obige Argumentation auch für diejeni- gen, die den Namen, den die neutestamentliche Apokalypse trägt, und die Form der Zukunftsbilder als Visionen für fingiert halten und daher gegen Schlüsse, die von der unbedingten Wahrhaftigkeit des Apokalyptikers ausgehen, einigermassen mis- trauisch sind. Denn hier handelt es sich nicht um die Wahr- rneistens selbstständige Zutat des Apokalyptikers; dagegen ist die Schil- derung der Vergangenheit durch die geschichtliche Tradition, die der Zukunft durch die eschatologische Überlieferung gegeben. 1) zB Bleek 142 Beyschlag Offenbarung 181 und oft. 2) cf p 210. 3) ebensowenig etwa wie die Psalmen, obwol Gedichte, deshalb Wahres und Erdichtetes neben einander entbalten. 255 haftigkeit des Schriftstellers, sondern darum, die Absicht seiner Schrift zu verstehen. Es mag; sein, dass der vorangesetzte Name und die Form der Yision Fiktionen sind, die dem Verfasser selbstverständlich und verhältnismässig unschuldig zu sein schienen ; aber diese Fiktionen lassen sich psychologisch erklären : er wünschte diesen Bildern, an die er selbst glaubte, auch in den Augen seiner Leser Autorität zu geben. Viel einschneidender aber ist die Frage: woher schöpft er diesen Glauben an den Inhalt seiner .Gedichte', wenn er ihn selber frei erfunden hatte ? Auf diese Frage giebt es keine Antwort. Demnach existieren nur zwei Möglichkeiten: die Zukunfts- bilder der Apokalypse sind entweder eine referierende Beschrei- bung des Gesehenen und Gehörten1). Hat man aber aus der Art dieser .Gesichte' Bedenken geschöpft, an die Wirklichkeit solcher Visionen zu glauben 2) — und weitaus die meisten mo- dernen Forscher werden diese Bedenken teilen — , so muss man sich nach einer andern Autorität umsehen, die den Apokalyptiker der Wahrheit seiner Bilder versicherte. Diese Autorität kann keine andere sein als — die Tradition. So erhalten wir das Kesultat: Die bisher aufgestellten Er- klärungen, die Ap Joh 12 vom jüdischen Standpunkt aus alt- testamentlichen Reminiscenzen deuten wollten, sind als geschei- tert zu betrachten. Damit aber ist zugleich ein positiver Satz gegeben. Die Voraussetzung jener Exegeten war, dass das Capitel eine freie Composition des Verfassers sei3); wir haben gesehen, dass es von dieser Voraussetzung aus nicht verstanden werden kann. So ergiebt sich der Schluss, dass diese Voraus- setzung aufzugeben ist. Ap Joh 12 ist also ein Stück der jüdisch- apokalyptischen Tradition. Der Schluss gilt zugleich für eine grosse Zahl anderer Stücke in der Apokalypse. Zu demselben Resultat führt eine andere Argumentation. Es giebt gewisse Symptome, au denen man die Codifikation einer Tradition und das selbstständige Werk eines Schriftstellers unterscheiden kann 4). Die Geschichte, welche ein überlieferter 1) Kliefoth 1 137. 2) Weizsäcker Apost Zeitalter 2 488. 3) cf p 237. 4) Über diese Dinge ist bereits in der Kürze im Torhergehenden 256 Stoff bereits erfahren hat, ehe er uns in der Schrift begegnet, hat ganz gewöhnlich Spuren hinterlassen, die dem geübten Auge diese seine Vorgeschichte verraten. Es liegt in der Natur der mündlichen Tradition, wenn sie auch noch so zähe von Geschlecht zu Geschlecht geht, dass sie gewissen Veränderungen unterliegt; solche Auslassungen, Zusätze, Verschiebungen, welche spätere Ge- schlechter an dem alten Stoffe vorgenommen haben, verraten sich in der vorliegenden Codifikation dadurch, dass der Zusammenhang der Erzählung, der einst lückenlos gewesen ist, gegenwärtig irgend welche Unklarheiten oder Sonderbarkeiten aufweist, oder dass einzelne Züge, die zur Zeit ihrer Entstehung ihren guten Sinn ge- habt haben, weder aus dem vorliegenden Zusammenhange deut- lich sind, noch als allgemein bekannt gelten können, und daher sonderbar abrupt und unverständlich aussehen. Wie man das Alter eines Gemäldes an der Xachdunkelung erkennt, so erkennt man das Alter einer Tradition au solchen Verdunkelungen'. Bei jeder Untersuchung einer Überlieferung ist bei diesen Ver- dunkelungen einzusetzen; das letzte Ziel der Forschung aber ist, den ursprünglichen Zusammenhang zu reconstruieren und die Gründe seiner Veränderung anzugeben, dh die Geschichte der Tradition zu schreiben. Beispiele bietet in reicher Fülle die Genesis. In der über- lieferten Paradiesesgeschichte ist die Schlange ein Tier, von der das gegenwärtige Schlangengeschlecht abstammt ; aber ihre Feind- schaft gegen Gott und ihr geheimes Wissen lässt darauf schliessen , dass sie einst mehr als ein Tier gewesen 1) und — bei der im Monotheismus wurzelnden Abneigung der israeliti- schen Religion gegen das Mythologische — aus einem Dämon oder einer bösen Gottheit zum Tiere degradiert sei. — In welcher Beziehung der Garten Eden zu Jahve stehe, sagt die gegenwär- tige Erzählung nicht, aber die Art, wie Jahves Erscheinen im Garten als selbstverständlich erzählt wird, legt den Schluss nahe, dass dieser Garten in früheren Recensionen Jahves Wohnung gewesen sei, eine Anschauung, an der eine spätere Zeit Anstoss nehmen musste. — Oder die Erzählung von Abrahams Zug p 6 gehandelt worden. Die dort gegebene Behandlung von Gen 1 p 6 -14 diene zugleich als Beispiel für die hier auseinandergesetzte Methode. 1) cf hierüber p 148. 257 nach Ägypten Gen 12 uff berichtet uns nicht, wodurch Pharao eigentlich erfahren habe, welche Sünde er begangen habe; wir haben Parallelen genug, um zu wissen, was ausgefallen ist. Es ist ein Orakel der ägyptischen Zauberer J), das die spätere Zeit, die in den heidnischen Gottesmännern nur Betrüger sah, ausgelassen hat. — Keich an Beispielen solcher Verdunkelungen ist Genesis 1. Untersuchen wir daraufhin Ap Joh 12. Zunächst einige Fälle, in denen der Zusammenhang- ge- stört ist. Nachdem der Christusknabe zu Gott gerettet ist, ,entsteht ein Kampf im Himmel, dass man kämpfte mit dem Drachen' :. Welchen Zusammenhang diese beiden Ereignisse haben, wird im Texte nicht gesagt; trotzdem ist es, auch wenn man keine grossen Anforderungen an eine solche Erzählung stellen will, fast unumgänglich, dass zwischen beiden einmal eine Verbin- dung gewesen sei; man wird sich dieselbe so zu denken haben, dass der Drache dem Kinde nachstürzt, dass aber ein himm- lisches Heer, um den Knaben zu schützen, dem Drachen ent- gegentritt. Der Erfolg des Kampfes ist dann, dass nicht nur der Knabe gerettet, sondern dass der Drache sogar aus dem Himmel, in dem er also bisher mächtig war, hinausgeworfen wird. So ist deutlich ein Fortschritt der Handlung gegeben. — Dieser ganze Zusammenhang lässt sich aus dem Texte sehr wol noch erraten, aber auch nur erraten. Nun ist der Drache gestürzt; trotzdem beginnt er jetzt auf Erden seine schreckliche Herrschaft. "Warum geschieht seine Überwindung, auch auf der Erde, nicht sofort durch das himm- lische Heer, das ihn herabgeworfen hat, sondern erst nach ge- raumer Zeit — nach dreiundeinhalb Zeiten — durch den Chri- stus? Diese Fragen, im Zusammenhang der Erzählung not- Avendig aufzuwerfen, sind um so wichtiger, als die Gläubigen, unter der Herrschaft des Drachen schmachtend, sicherlich nach himmlischer Erlösung sehnsüchtig ausschauen. Auch hier giebt der Text nicht deutlich eine Antwort; aber wieder liegt die Lö- sung nicht weit. Das himmlische Heer vermochte den Drachen zu stürzen, aber nicht, ihn auf Erden zu bezwingen. Nur 1) ganz analog I Sam 62— 9. Gunkel, Schöpfung. 17 258 der Christus ist stark genug, ihn hier endgültig zu bändigen. "Waruni aber die Zwischenzeit dreiundeinhalb? warum kommt er nicht sogleich? Es muss zwischen cap 12 und 19 etwas geschehen sein, wodurch der Christus die Kraft zum Drachen- kampfe bekommt. Da nun cap 12 den Christus als ein schwaches Kind schildert, cap 19 dagegen als einen siegreichen Helden, so ist vorauszusetzen, dass er in der Zwischenzeit zum Manne aufgewachsen sei. Die Erlösung vom Drachen kann erst kommen, wenn der Christus erwachsen ist. — Man beachte, dass diese das Einzelne verbindenden Gedanken, so sicher sie auch der Erzählung ursprünglich zu Grunde liegen, doch im Texte weder ausdrücklich ausgesprochen noch auch nur angedeutet sind. Das Weib flieht vor dem Drachen in die Wüste 6 13. Warum in die Wüste ? Der Text lässt nichts darüber verlauten. Trotz- dem ist es uns möglich, den Zug zu deuten: für die Wüste ist charakteristisch, dass sie wasserlos ist, das Weib aber flieht natürlich dorthin, wo sie sich vor dem Verfolger sicher fühlt; wir schliessen also, dass das eigentliche Element des Drachen, in dem er mächtig ist, das Wasser sei. — Diese Combination wird durch die folgende merkwürdige Erzählung, dass der Drache aus seinem Eachen einen Strom ausgespieen habe, den aber die Erde, zur rechten Zeit hülfreich eintretend, verschlungen habe, völlig bestätigt. — Dazu stimmt schliesslich, dass der Drache 203 in der Abyssus, dh dem Urocean (oinn) gebunden und versiegelt wird; der Zug soll beschreiben, dass er dorthin wieder zurückgebracht wird, wohin er gehört. Seine Herrschaft über die Erde, geschweige denn im Himmel, war widerrechtlich angemasst. — Im Hintergrunde dieser Züge liegt also die An- schauung, dass der Drache ein Wasserungeheuer sei; aber diese Anschauung ist in der Ap Joh selbst nicht mehr enthalten. Ein zweiter Ausschluss über die Natur des Drachen lässt sich daraus entnehmen, dass er Sterne vom Himmel herunter- wirft 4. Dass seine Wut sich grade gegen die Sterne richtet, muss in seinem Wesen begründet sein: er muss ein Ungeheuer der Finsternis sein, das dem Lichte feindlich ist; dazu passt einmal, dass er nach 203 zur aßvaaog gehört, mit der die Tor- stellung von Finsternis — wie bekannt — verbunden ist, ander- seits, dass das ihn überwindende Heer vom Himmel auf weissen 259 Pferden, in weissen Gewändern erscheint 1913t1) — Weiss ist die Farbe des Lichts. Demnach ist der Drache ursprünglich ein Wesen der fin- steren Wassertiefe gewesen, ohne dass aber diese seine Natur in unserm Texte irgendwie deutlich hervorträte. Besonders ist der Zusammenhang im Anfange des Capitels lückenhaft. Der erste Teil des Capitels erzählt die vergeblichen Versuche des Drachen, das Kind des Weibes zu verschlingen. Aber der Grund, weshalb der Drache grade diesem Kinde nach dem Leben steht, wird weder ausdrücklich angegeben noch deutlich vorausgesetzt. Dennoch kann auch hier der Zusammen- hang aus den zerstreuten Einzelheiten noch mit Sicherheit re- construiert werden: der Knabe ist bestimmt, dereinst König der Welt zu werden 12s 16u 19 12 15 ig; gegenwärtig aber herrscht der Drache weit über die Abyssus hinaus : er gebietet über die Könige der ganzen Erde 16 u 19i9 2O3; er hat, als das Kind geboren wird, sogar Macht im Himmel; demnach bekämpft der Drache in dem Kinde den, der ihn einst von Thron und Reich verdrängen soll. Dieses Motiv ist also durch den Zusammenhang gefordert, wird aber im Texte nicht mehr ausdrücklich ausgesprochen. Völlig fehlt eine Andeutung darüber, woher der Drache von dieser Bestimmung des Kindes schon vor seiner Geburt wisse? Dies Wissen ist keineswegs selbstverständlich; oder vermögen die Himmlischen so wenig, ihre Geheimnisse zu verbergen? cf I Kor 2 e— s. Hier ist also eine Lücke; wir vermissen eine Ein- leitung, die erzählt haben muss, wie der Drache zu diesem Wissen gekommen ist. Ebenso sind die, wie es scheint, besonders qualvollen und langwierigen, Geburtsschmerzen des Weibes 2 im Zusammenhange nicht motiviert; zwar mag man ihren Zweck für das Folgende erraten: das Schreien der Gebärerin sollte den Drachen an- locken, die lange Dauer der Wehen ihm Zeit, herbeizukommen, geben. Damit ist indess die Ursache dieser besonders schmerz- vollen Wehen nicht erklärt. Ebenso, wenn ein Leser sich darüber verwundern würde, 1) Ob dieser Zug zu unserer Tradition oder zu der — im Folgen- den zu behandelnden — Überlieferung von cap 13 gehört, ist nicht auszu- machen, für die Sache freilich gleichgültig; cf weiter im Folgenden. 17* 260 dass das himmlische Heer seinen künftigen König so wenig beschützt, dass es Mutter und Kind den Attentaten des Drachen aussetzt, so könnte auch hier aus dem Texte keine Antwort gegeben werden. Das Herunterwerfen der Sterne scheint die Herrschaft des Drachen im Himmel malen zu sollen, ist also der späteren Be- schreibung seiner Herrschaft auf Erden 13 ff parallel; aber auch dieser Zug entbehrt der deutlichen Motivierung: warum dieser Angriff gegen die Sterne, grade bei der Geburt des Christus? Es scheint, als ob dieser Zug ursprünglich einer anderen Scene der Erzählung angehört habe. Demnach setzt unser Capitel überhaupt eigentümlich abrupt ein: ein Drache steht vor einem schwangeren Weibe, um ihr Kind im Augenblick der Geburt zu verschlingen. Wir erfahren dabei nicht recht, wer dies Weib sei — erst aus einer Com- bination von 5 und 17 könnte man vermuten, dass der jüdische Re- dactor sich darunter Zion vorgestellt habe — , ebensowenig hören wir, wer der Drache sei — erst 9 giebt der Redactor darüber eine ausdrückliche Erklärung. Das Weib ist schwanger; wir hören nicht, von wem. Der Drache befehdet ihr Kind; es wird nicht gesagt, weshalb. Er reisst dabei Sterne vom Himmel; wir erfahren nicht, warum grade bei dieser Gelegenheit. Mutter und Kind sind dabei in grösster Gefahr; wir hören nicht, wie sie in dieselbe kommen konnten. — Das ist nicht die Exposition einer planmässig angelegten, vernünftigen Erzählung; vielmehr beginnt das gegenwärtige Capitel mit einer Scene, die in diesem Zusammenhange ursprünglich nicht die erste gewesen sein kann. Der ursprüngliche Anfang ist verloren *). 1) Dazu kommt noch das merkwürdige Verhältnis, in dem die Aussagen über das Weib am Anfange und Schlüsse des Capitels zu ein- ander stehen. Am Anfange erscheint das Weib am Himmel, mit Stern- Insignien geschmückt; im zweiten Teile flieht sie über die Erde hin. Es wird nicht erzählt, wie sie auf die Erde gekommen sei; auch kann man sich unmöglich vorstellen , dass diese Flucht in die Wüste im Sonnenkleide geschehen sei. Die erstere Schwierigkeit ist wiederum nur durch Annahme einer Lücke zu heben; die Lösung der zweiten wird man schon in der ursprünglichen Eelation, die bei der Schilderung 12 1 ein Cultusbild vor Augen hatte cf im Folgenden p 273, zu suchen haben. 261 Wir beobachten demnach in diesem Capitel fast durchweg-, dass der Zusammenhang der Erzählung, obwol zum grossen Teile für uns noch erkennbar, doch stark verdunkelt ist. Der- jenige, der dieses Capitel niedergeschrieben hat, kann selbst keine klare Anschauung von dem ganzen Organismus dieser Erzählung gehabt haben. Zu dieser Beobachtung stimmen die beiden weiteren, schein- bar sich widersprechenden, dass in dem Capitel ganz abge- blasste und daneben höchst concrete Züge stehen. Das Kind wurde entrafft 5; durch wen? oder wodurch? auf welche Weise? Man beachte das unbestimmte Passiv. ,Es entstand ein Kampf im Himmel, dass man kämpfte mit dem Drachen' r1); wer sind die, die gegen den Drachen zu Felde zogen? Der Drache wurde geworfen 9, von wem ? Wieder das Passiv. ,An ihrem Orte' wird das Weib dreiundeinhalb Zeiten er- nährt; von wem? auf welche Weise? wiederum das Passiv u. Der Zusammenhang verlangte nicht, den Platz, wo das Weib in der Wüste geborgen wurde, näher zu bezeichnen; wenn man aber einmal von diesem Orte spricht, so tut man das doch nur, weil man irgend etwas von ihm zu sagen weiss. Was soll also das blasse ,an ihrem Orte'? Ganz unanschaulich ist es, wenn es heisst: der Knabe sei gerettet zu Gott und zu seinem Throne 5 — ist ein königlicher Thron der Ort, wo ein Kind aufgezogen wird? — ; und wenn dem Weibe die beiden Flügel des grossen Adlers gegeben wer- den 14 — nochmal dies Passiv; und wie soll man sich das vor- stellen? Das der Anschauung Nächstliegende, dass ,der grosse Adler' sie auf seine Flügel genommen habe, ist durch den Text ausgeschlossen; der vielmehr zu verlangen scheint, dass das Weib plötzlich geflügelt geworden sei. Aber das ist kaum mehr eine mögliche Anschauung. Wir constatieren also eine Keihe von Fällen, in denen die Erzählung so eigentümlich unanschaulich berichtet, dass die Vermutung unabweisbar erscheint, sie sei einst concreter ge- wesen, und durch denselben Umstand, durch den der Zusammen- hang des Ganzen verwischt sei, seien auch die hellen Farben des Details blasser geworden. 1) cf oben p 200 A 2. 262 Diese Vermutung wird sicher, wenn man bemerkt dass neben diesen Zügen andere höchst concrete stehen, die gegen- wärtig von jenen unanschaulichen höchst merkwürdig abstechen. So, wenn die Erscheinung des Weibes beschrieben wird: sie war bekleidet mit der Sonne, sie hatte den Mond zu ihren Füssen und auf ihrem Haupte einen Kranz von zwölf Sternen 1. Man erklärt dieses Bild nicht durch Erinnerung an den Joseph- traum Gen 37 gf1), in dem zwar Sonne, Mond und die zwölf Sterne (des Tierkreises) als ein Bild der Urvaterfamilie er- scheinen; aber doch das Charakteristische unserer Stelle, dass die Sterne Kleid und Schmuck des ,Weibes' sind, völlig fehlt. Gestehen wir also, dass dieser Zug aus dem Zusammenhange sowol wie aus den uns bekannten Traditionen Israels nicht zu deuten ist. Ebenso die rote Farbe des Drachen 3, ein Zug, der auch sonst in verwandter Tradition wiederkehrt 173, den man nicht deutet, indem man irgend etwas Beliebiges, was auch rot ist, etwa das Blut 2) oder den roten Imperatorenmantel 3) oder das Feuer 4) oder etwas anderes danebenstellt. Da der Drache die Verkörperung des bösen Princips ist, so darf man Jes lis ver- gleichen, wo Rot die Farbe der Sünde ist, eine Angabe freilich, die ihrerseits wiederum uns undeutlich bleibt. Ein Drittel der Sterne reisst der Drache herunter 4. "Warum ein Drittel? Wiederum ist der Hinweis etwa auf eine unver- ständliche Vorliebe des Verfassers für die Zahl ,ein Drittel' 5) keine Erklärung. Man darf dem Capitel, in dem so manches steht, was wir entweder gar nicht oder wenigstens nicht auf den ersten Blick verstehen, schon zutrauen, dass auch diese Angabe ursprünglich einen guten Sinn besessen habe, und dass nur die gegenwärtige Gestalt der Tradition daran schuld ist, wenn der Zug sinnlos zu sein scheint. Ebenso ist die Vorstellung von ,dem grossen Adler' u uns sonst unbekannt und aus dem Capitel nicht deutlich. Ebenso, dass als Boten an die Könige der Erde aus dem Rachen des Drachen Frösche hervorgehen 16 13. 1) de Wette2 118, Bleek 273, Holtzmann 2 339 etc. 2) Spitta 352 f, de Wette2 118 etc. 3) Volkmar. beides zur Auswahl bei Holtzmann2 340. 4) Ebrard 356. 5) Spitta 124. 263 Der Christus trägt, wenn er zum Drachenkarnpfe vom Himmel herunterkommt, den Namen des Herrn der Welt x) nicht etwa an der Stirn oder am Diadem, sondern auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte 19 ig2) — höchst eigenartige und uns zunächst ganz dunkele Anschauungen. Allen diesen Zügen ist das gemeinsam, dass sie durch den Zusammenhang ebensowenig Licht empfangen, wie sie auch in dem uns sonst bekannten apokalyptischen Stoffe wenige oder gar keine Parallelen haben. Man kann diese Erscheinung nur so erklären, dass es sich hier um die letzten Reste einer ur- sprünglich höchst originellen, gegenwärtig aber halbverschollenen Tradition handelt. Dabei fragt es sich sehr, ob der Verfasser von cap 12 von der Tradition, die er gebucht, also doch für wertvoll gehalten hat, wesentlich mehr verstanden hat als wir, die Leser des neunzehnten Jahrhundert. Diese vielleicht ein wenig befremdliche Behauptung mögen zwei Beispiele erhärten. Der Ort, wo der Drache die Seinen zusammenführt, und wo also auch wol die Schlacht stattfindet, heisst ^4ouayedvjv 16 10. Die herkömmliche Exegese ist auch hier wie sonst mit Erklärungen rasch bei der Hand. Man sagt : das Wort bedeute ,Berg Megiddo' 3), 1) Die Zugehörigkeit dieses Zuges zu unserer Tradition ist nicht sicher cf im Folgenden. 2) Der Sinn ist natürlich, dass der Name zweimal 1) auf seinem Gewände 2) auf seiner Hüfte steht, nicht etwa : ,auf dem Gewände und zwar an der Stelle, wo die Hüfte ist', ,also wol am Gürtel' (!) Düsterdieck 4 535 Holtzmann - 354. Eine ähnliche moderne Yerblassung des Textes ist es, wenn die rote Farbe des Tiers 17 3 , weniger' auf das Tier selbst, als .wohl' auf die Decke, die auf dem Tiere liegen mag, bezogen wird Holtzmann Handcomm- 349, Züllig II 315, de Wette - 152, Spitta 447. 3) Dies ist seit Beza die gewöhnliche Erklärung. Eine andere Deu- tung TOM ts Stadt Megiddo wird von Hilgenfeld Einleitung 440 ver- treten; auch gegen diese gilt der im Folgenden ausgeführte Grund, dass eine innere Beziehung zwischen der Stadt Megiddo und der letzten Schlacht nicht nachzuweisen ist. — Die von x in Stades ZAW 1887 p 170 A 1 geäusserte Vermutung y.cd aw^yaysv avrovs ttg Ao- uayeäcov sei Übersetzung von ;r;-: -r- -s =;::-- .und er wird sie auf Seinem kostbaren Berge (= Kanaan) zusammenbringen' scheitert daran, dass unsere Tradition Aouctytöoiv als Namen fasst, und wir gar keinen Grund 264 der Name sei eine Anspielung an die Schlachten der Debora und des Josia. Indess fragt es sich, ob es überhaupt einen ,Berg Megiddo' gegeben hat; sonst wird nach Megiddo ein Wasser und ■eine Ebene genannt; in der Ebene Megiddo haben auch die genannten Kämpfe stattgefunden; der Megiddo nächst liegende grössere Berg ist der Karmel, warum aber nicht dieser Name, wenn er wirklich gemeint war? Aber auch wenn ein ,Berg Megiddo' existiert hätte, wäre doch kein Grund abzusehen, warum grade an diesem Orte die Entscheidungsschlacht über die Welt- herrschaft stattfinden sollte. Man darf doch annehmen, dass dieser Name nicht nur eine müssige Spielerei ist, sondern irgend welchen Sinn hat; aber welchen inneren Zusammenhang soll man finden zwischen jenen Kämpfen aus Israels Yorzeit und dieser eschatologischen Schlacht? *). Man hätte, ehe man voreilig zu irgend einer beliebigen Er- klärung griff, zunächst die Natur eines solchen Namens ins Auge fassen sollen, um für das Weitere Anhalt und Richtung zu haben. — Dieser Name — wie hinzugesetzt wird, ,hebräischer' Herkunft — , dem griechischen Leser jedenfalls nicht verständ- lich, wird in einer griechischen Schrift mitgeteilt, ohne dass eine Erklärung hinzugefügt würde. Man bedenke, was das bedeutet. Der Name gilt, als solcher, selbst wenn seine Bedeutung gar nicht verstanden wird und auch gar nicht verstanden werden kann, als eine wertvolle, der Mitteilung und Kenntnis würdige Sache. Man kann an diesem einen Beispiele die eigentümliche Stimmung, in der das Judentum seine apokalyptischen Traditionen haben, dieser Tradition zu mistrauen. — Noch gezwungener ist die Er- klärung Ewalds 294 fnwan» = 304 = wnsn rrai- ; — da müsste sich der Apokalyptiker allerdings seine Leser als ,gute Denker und Eechner' gedacht haben! — Homrnels Herleitung aus WH in Neue kirchl Zeitschr 1890 p 406 A 3 ist sprachlich unhaltbar, usw usw. 1) Spitta 403 versucht auch hier zeitgeschichtliche' Erklärung: unter Caligula konnte man hier in einem bestimmten Momente die Ver- einigung dreier Eömerheere erwarten cf oben p 218. Aber solche durch Frösche zusammengerufenen Heere bestehen sicherlich nicht aus römi- schen Soldaten. — Nach Spitta kommt zur Erklärung von Armagedon zusammen 1) jene Situation, 2) die Erinnerung an die Deboraschlacht, 3) Stellen wie Ez 38 s 21 392 4 17; zur Beurteilung solcher Häufung von Erklärungen cf oben p 242 A 3. 265 sich erzählt hat, völlig genügend erkennen. Man hat bei diesen Aufschlüssen über die Zukunft den Eindruck gehabt, dass es sich bei ihnen um unendlich tiefe ,Geheininisse' handele cf 13 is 17 ef 9; in diesen Büchern fliesst ,die Quelle der Einsicht, der Brunnen der Weisheit und der Strom der Erkenntnis' IV Esra 1447; ein ,Mann des Wolgefallens' Dan 923 10 11, ,selig vor vielen', wem sie offenbart sind, IV Esra 10 57; aber doch, wer diese Offenbarung bekommt, erschrickt Ap Bar 53 12, verwundert sich höchlichst Ap Joh 17 g. Nicht jedem darf man sie offen- baren, nicht dem Volke, sondern nur den , Weisen' IV Esra 14 «f, nicht den Unmündigen, sondern nur den Reifen IKor26f; denn nur der .Wissende' Dan 12 10, ,wer Verstand hat' Ap Joh 13 is, .Augen zum Sehen' und ,Ohren zum Hören' 3 1% mag sie ver- stehen. Bei dieser Stimmung, hier vor grossen wunderbaren Ge- heimnissen zu stehen, verlangte man natürlich nicht, dass solche geheime Weisheit prosaisch leicht verständlich sei; im Gegenteil ,im Finstern sind Mysterien zu Haus'. Auch für das, was er mit klaren Worten hätte sagen können, wählt der Apokalyptiker gerne die allegorische Einkleidung, um dem Stoffe die Form des Geheimnisses zu geben. So konnten auch Dinge, die man eigentlich nicht verstand, mit weiter überliefert, werden; man schätzte sie wegen ihrer Dunkelheit nicht gering, im Gegenteil, man war geneigt, grade deshalb in ihnen ein tiefes göttliches Ge- heimnis zu ahnen; und man mochte sich im übrigen trösten, dass Gott seiner Zeit, in den Tagen, wo dies alles geschieht, ihren Sinn offenbaren werde. Die Kenntnis dieser eigentümlich scheuen Stimmung gegenüber der Tradition ist wichtig zum Verständnis eines grossen Teils der Apokalyptik, auch der Ap Joh. So muss man es demnach auffassen, wenn ApJohl6i6 der geheime und für den Griechen völlig unverständliche Name Armagedon mitgeteilt wird. Hiernach ist auch die Frage nicht mehr abzuweisen, ob der Schriftsteller selbst, der diese Tradition gebucht hat, den Namen verstanden habe. Man hat Grund dafür, das nach Analogie sonstiger apokalyptischer Geheimnamen für sehr unwahrscheinlich zu halten. Und wenn er die Deutung des Wortes kannte, warum teilte er sie nicht mit? In anderen Fällen wird doch die , Erklärung' hinzugefügt, zB beiAbaddonOn1). 1) Apokalyptische Geheirtmanien sind Taxn Ass Mos 9l; Arzareth 266 So gewinnen wir das Resultat, dass ,Armagedon' ein Stück apokalyptischer Geheimtradition ist, wahrscheinlich dem apo- kalyptischen Schriftsteller, sicher den griechischen Lesern un- verständlich. Der moderne Forscher hat also nur dann ein Recht, seinerseits eine Deutung zu versuchen, wenn er die Her- kunft der Tradition kennt, und dann aus dem Zusammenhange der ursprünglichen Überlieferung eine Erklärung sich ergiebt. Darf man a priori raten, so würde man etwa annehmen, dass der Name mit der Natur des Drachen irgendwie zusammen- hänge : das Ungetüm versammelt sein Heer an dem Punkte, wo es sich am mächtigsten fühlt, und der vom Himmel herab- kommende Christus greift es, um es endgültig zu besiegen, in seinem eigenen Reiche an. Wenn aber auch schliesslich keine Deutung mehr für uns möglich wäre, so scheint es mir wert- voller, dies zu constatieren und den Grund des Manquos ein- zusehen, als mit irgend einer völlig haltlosen .Erklärung' sich zu beruhigen. Ganz ähnlich ist das Resultat über die geheimnisvolle Zahl dreiundeinhalb Ap Job 12 u 6. Woher kommt sie? Der Chor der Exegeten antwortet : aus Dauiel J). Und was bedeutet sie? Die neutestamentlichen Forscher erwidern: dreiundeinhalb sei als ,die gebrochene Sieben' die Unglückszahl. Der schauer- liche Klang des Xamens .gebrochene Sieben' scheint die Forscher ein wenig hypnotisiert zu haben, so dass sie nicht gesehen haben, dass dieser Name in Wirklichkeit etwas sehr Gewöhnliches be- säet — brechen heisst .teilen', man erinnere sich an das Wort (= r-rs v-x Schürer II 452) IYEsra 1345 Sg; Esau IT Esra 6s, Edom oder Babel für Eom; -rrs (== Eomulus ZDMG Bd 39 p 343) als Name des Antichrists Schürer II 448 etc. Anfänge schon im AT, zB ,Bahao', ,Leviathan' (cf im Vorhergehenden p 38 45ff), die rirs-Sprachen etc. Sehr viele Geheimnamen finden sich im Henoch zB das Schöpfungswort Beqä (Variante Akäe') 69 13 15. Eine Geheimtradition, die man im neutesta- mentlichen Zeitalter sicher nicht mehr verstand, ist das ßSäkvypa Trjg £ot]ua>o{tos Mc 13 u etc etc. lj Dan 7 25 927 12" cf 8u 12nf. 267 .Bruclr — , und sehr unschuldig ist — oder ist es wirklich etwas so Schreckliches, die Zahl Sieben zu halbieren? l). In der alttestamentlichen Forschung ist es gebräuchlich, diese Zahl, die im Daniel die Dauer der frevelhaften Herrschaft des elften Hornes bezeichnet, zeitgeschichtlich- zu erklären; man behauptet, so lange habe die Religionsnot unter Antiochus ge- dauert. Es sind eine grosse Menge verschiedener Berechnungen aufgestellt; aber keiner derselben ist es gelungen, die Zahl drei- undeinhalb wirklich in der Geschichte nachzuweisen 2j. — Alle diese Versuche sind gescheitert, weil sie von Anfang an falsch angelegt waren. Die Voraussetzung dieser Berechnungen, dass diese Zahl eine zeitgeschichtliche' sei, ist nach dem Zusammenhange des Daniel selbst deutlich ein Irrtum. Es ist die Zahl der Unter- drückung der Gemeinde und des Attentats gegen die Religion; wenn sie verflossen ist, folgt unmittelbar das Gericht, in dem die Herrschaft des Antiochus und das Reich Javan zerstört wird, und das Regiment über die "Welt an die Heiligen kommt 7-_v,ff. Demnach ist nur der Anfangstermin dieser Zahl historisch zu fixieren, es ist der Beginn der Religionsnot unter Antiochus; aber der Endtermin liegt in der Zukunft, das ist der Beginn der letzten, seligen Zeit 926 10 u, wo die Toten auferstehen 12 lf. Die Zahl dreiundeinhalb wird also den Zeitgenossen des Buches 1) Die ,Heiligkeit' der Zahlen liegt ursprünglich nicht an ihnen seiher, sondern stets daran, dass sie für bestimmte heilige Gegenstände charakteristisch sind. Sieben ist ursprünglich deshalb heilig, weil man sieben Planeten zählte, die man als Götter verehrte; zwölf, weil der Tierkreis aus zwölf Sternen besteht, usw. Von da an sind diese Zahlen im Laufe einer langen Geschichte auch auf andere Objekte, zuerst solche, die ihrer Natur nach durch sie bestimmt sind — so die sieben Wochen- tage, die zwölf Monate — , übertragen; schliesslich ist der Ursprung der Zahlen vergessen, und die Zahlen selber heilig geworden. Will man also den Ursprung der Zahl dreiundeinhalb bestimmen, so muss man erforschen, für welches Objekt diese Zahl charakteristisch ist. 2) Eine Übersicht gegebener Erklärungen bei Meinhold Daniel 304: dazu kommen noch die Berechnungen Cornills Theol Stud und Skizzen aus Ostpreussen II 26 ff und Behrmanns Daniel 50 55. Mein- hold 304 schliesst mit ,non liquet', aber ohne die Ursache des Scheiterns der Berechnungen einzusehen. 268 Daniel zum Tröste vorgehalten: die letzte Drangsal wird nach Gottes Rat nicht länger dauern. Die Leser sollten, da der An- fang gegeben war, ausrechnen, wie lange das Ende noch ver- ziehen würde. Der moderne Forscher aber, der diese Zahl zeitgeschichtlich' berechnen will, hat die Natur der Zahl und das eigentümliche Pathos, mit dem sie im Daniel ausgesprochen wird cf 12 äff, nicht verstanden. Eine andere Erklärung der geheimnisvollen Zahl etwa aus dem Zusammenhange des Daniel, ist nicht abzusehen. Aus Daniel lässt sich über diese Zahl nur sagen, dass sie die Dauer der letzten Herrschaft des Bösen ausdrücke, welche dem Reiche Gottes unmittelbar vorhergehen würde1); warum aber das Böse 1) Ausser im Daniel findet sich die Zahl noch für die Zertretung Jerusalems Ap Joh 11 2 (zweiundvierzig Monate) und die Predigt der beiden Zeugen 11 3 (eintausendzweihundertundsechzigTage); für die Dauer ihres Todeszustandes Ap Joh 11 9 (dreiundeinhalb Tage); für die Herr- schaft des Tieres Ap Joh 135 (zweiundvierzig Monate); für die Dauer der Hungersnot zur Zeit des Elias Luc 425 Jak 5i7 (drei Jahre sechs Monate). IYEsra 14nf [die Zahlen n und 12 differieren; Vers 12 scheint nach Aeth zuverlässiger zu sein: superant eins duae prae (zu lesen praeter) medium decimae partis (Am Sg)] giebt eine Weltberechnung, wonach noch dreiundeinhalb Weltzeiten bevorstehen. Die dreiundeinhalb Tage bis zur Auferstehung Ap Joh 11 9 erinnern an die drei Tage des Jonas 2i und an die Auferstehung ,nach dreien Tagen' in der evange- lischen Tradition. Zu diesem Materiale gehören schliesslich noch die y.uiool iS-vdüv Luc 21 24 und das jueroor y\kiy.iaq tov Xocgtov (cf darüber im Folgenden) Eph 4 13. — In den meisten dieser Fälle bezeichnet die Zahl wie im Daniel die Dauer der Schreckensherrschaft des Bösen, der xcaool tftvwv. Wie es kommt, dass dieselbe Zahl zugleich auf die Predigt der Zeugen und auf die Zeit bis zu ihrer Auferstehung ange- wandt wird, wird aus unserer Überlieferung nicht deutlich. — In der alttestamentlichen Eliasgeschichte kommt die Zahl ursprünglich nicht vor; die Hungersnot, die Elias verkündet hat, nimmt nach dem alt- testamentlichen Berichte im dritten Jahre ein Ende I Eeg 18 1. Die Zahl dreiundeinhalb ist also hier aus der eschatologischen Überlieferung nachträglich in die geschichtliche eingedrungen. Der Grund solcher Übertragung ist darin zu suchen, dass man sich das Auftreten des Elias in der letzten Zeit nach dem Muster seiner Wirksamkeit unter Ahab dachte und daher auch umgekehrt die Erzählung von Elias nach den eschatologischen Überlieferungen modelte. Sonach gewinnen wir durch Kückschluss aus Luc 425 Jak 5 17 eine apokalyptische Tradition, dass 269 grade dreiundeinhalb ,Zeiten' daure1), ist aus Daniel völlig unerklärlich. Da nun der Verfasser des Daniel selbst an diese Zahl glaubtr so ist nicht anzunehmen, dass er sie willkürlich erfunden habe; auch für ihn wird die Zahl dreiundeinhalb schon eine Tradition gewesen sein. Irgendwo, in irgend welchem Zusammenhange muss die Zahl einen guten Sinn gehabt haben; es gilt, diesen Zusammenhang zu suchen. In Ap Joh 12 14 kommt die Zahl nun in einem Zu- sammenhange vor. So lange wird das Weib bewahrt. Ander- seits herrscht so lange der Drache. Die Dauer dieser Herrschaft aber — so haben wir gesehen 2) — ist zugleich die Zeit, in welcher der Christus zum Manne aufwächst: bei Christi Geburt hat das Schreckensregiment der Drachen auf Erden begonnen Elias einst in der Endzeit wiederkommen und dreiundeinhalb Zeiten predigen würde; eine Tradition, die mit der von Ap Joh 11 3 ver- wandt ist. 1) Die Tradition hat die Zeiten als Weltperioden oder als Jahre oder als Tage aufgefasst. Auch die dreiundeinhalb Jahre sind ver- schieden berechnet, Ap Joh 113 12e als eintausendzweihundertundsechzig Tage; im Daniel liegen drei Berechnungen vor: auf eintausendeinhundert- undfünfzig Tage 8i4, auf eintausendzweihundertuudneunzig Tage 12n, auf eintausenddreihundertfünfunddreissig Tage 12 12. Dass es überhaupt verschiedene Berechnungen dieser Zahl geben konnte, ist in der Un- sicherheit des jüdischen Kalenders — Einzelnes gehört nicht hierher — , dass es sie in Wirklichkeit gegeben hat, in der, je nach verschiedener Zeitlage verschiedenen eschatologischen Rechnung begründet. — Die drei Rechnungen im Daniel stammen demnach aus verschiedenen Zeiten : 11 und 12 sind Glossen von verschiedenen Händen. In diesen Glossen ist eine ganze Geschichte niedergelegt: Die Zeit der Erfüllung verzog; aber der Glaube wankte nicht. Man schloss, dass es eine andere Rech- nung der Verheissungszahl geben müsse, die die Wahrheit sei. Man setzte nach neuer Rechnung einen neuen Termin an. in dem nun doch endlich ,das Gericht' kommen müsse. Diese beiden Glossen sind also ein Denkmal der Enttäuschung und des unwandelbaren Glaubens der maccabäischen Zeit. Nicht ohne Rührung kann man sehen, wie kurz die Termine sind, in denen man damals das Ende zu hoffen wagte. Denn ursprünglich werden die ,Tage' wirkliche Tage gewesen sein; erst eine spätere Zeit mochte dann wieder die Tage deuten, um grössere Zeiträume zu gewinnen. 2) cf oben p 258. 270 12 12; am Tage seiner Mannbarkeit, dh am ersten Tage, wo er helfen kann, wird es vernichtet; dürfen wir doch erwarten, dass der Gott ebensosehr begehrt, Hülfe zu bringen, als die Menschen begehren, sie zu erlangen. Nach der im Hymnus 12i2 hinzu- gefügten Erklärung ist diese ,kurze Zeh? auch dem Drachen wol bekannt. Nun ist zwar aus dem Zusammenhange für uns zu- nächst nicht klar, warum diese Zeit des Aufwachsens Christi gerade dreiundeinhalb ist. Aber man erinnere sich, wie viele dunkle, un deutbare und doch sicher uralte Züge wir bereits in dieser Tradition gefunden haben. "Wir haben daher keinen Grund, den einzigen Weg, den wir sehen, zu verschmähen und zu vermuten, dass in der ganzen, merkwürdig treu erhaltenen Überlieferung dieser eine Zug willkürlich aus Daniel eingesetzt sei. Dazu kommt, dass die in Ap Joh 12 6 angegebene Berechnung auf 1260 Tage mit keiner der danielischen Berechnungen über- einstimmt, also auch nicht aus Daniel abgeschrieben sein kann. Demnach ist anzunehmen, dass auch diese geheimnisvolle Zahl, ebenso wie der Xame Armagedon, ursprünglich zu der Tradition von Ap Joh 12 gehört und daselbst ursprünglich in gutem, aber gegenwärtig verdunkeltem Zusammenhang gestanden habe. Und wiederum ist im hohen Grade unwahrscheinlich, dass der Schriftsteller von Ap Joh 12 den ursprünglichen Sinn dieses Zuges noch durchschaut habe. Eine Lösung auch dieses Kätsels kann nur gefunden werden, wenn man den Ursprung der ganzen Tradition kennt, und weiss, für welche göttliche Gestalt es cha- rakteristisch ist, dass sie in dreiundeinhalb Zeiten aufwächst. So trägt das Capitel selber alle Spuren, an denen die Über- lieferung im Unterschiede von dem Werke eines Schriftstellers zu unterscheiden ist. Ein Beweis, dass Ap Joh 12 Tradition enthält, ist ferner aus den Anspielungen an diesen Stoff und aus den Entlehnungen aus demselben zu führen. Solche Anspielungen sind: Bei Daniel die Zahl dreiundeinhalb. Die Tradition dreiund- einhalb wird im Daniel ohne Zusammenhang, dagegen Ap Joh 12 in einem Zusammenhange mitgeteilt; so folgt, dass Daniel eine unserm Capitel verwandte Überlieferung benutzt hat. 271 Ferner ist oben *) gezeigt worden, dass das Herunterwerfen der Sterne Dan 810 merkwürdig unvorstellbar, dagegen Ap Job 123 höchst anschaulich erzählt wird, dass also Daniel auch hierin von der Tradition der Ap Joh abhängig ist. "Wenn man dem Christus nach Ap Joh 12 einen Namen geben wollte, so müsste er ,Sohn des Weibes' heissen. Diesen Namen führt der Christus bei Henoch 62 s, ein Name, der jeden- falls nicht aus Gen 3 1.5 — wonach er , Weibes s a in e' lauten müsste — entlehnt ist. Die jüdische Eschatologie nennt die dem Ende voraus- gehenden Drangsale ,Christuswehen'. Das Bild von Wehen als der Trauer, die zur Freude verwandelt wird Joh 16-2of, ist deut- lich; aber bei dem Ausdruck ,Christus wehen' bleibt unklar, wer dabei als die Gebärerin vorgestellt werde. Demnach ist zu vermuten, dass der Terminus nicht ad hoc geprägt, sondern viel- mehr aus anderem Zusammenhange übernommen und erst nach- träglich auf die letzten Nöte gedeutet ist. Ap Joh 12, wo die Wehen, in denen der Christus geboren wird, eine bedeutsame Rolle spielen, bieten einen Zusammenhang, wie man ihn zur Erklärung des Ausdrucks ,Christuswehen' gebraucht. Eph 4 13 gilt als Ziel der Christen, elg ccvöqcc xiletov, elg uixQOv rjhxiag tov 7th\Qc6iiazog xov Xqiotov zu gelangen. Dem Worte ist es parallel, wenn die Christen in und mit Christo auferweckt und erhöht Eph 2 s, wenn sie mit ihm beschnitten, mit ihm begraben sind Col 2 11 ; solche Aussagen über die Christen setzen Christi Auferweckung, Erhöhung, Beschneidung, Begräbnis als Ausgangspunkte der Specnlation voraus. Wir würden aus solchen Stellen darauf schliessen, dass man von Christus selbst dergleichen erzählt habe, auch wenn wir keinen weiteren Bericht darüber hätten. Ebenso ist ein Wort wie Eph 4 13 nur zu denken, wenn es damals eine Lehre über die Tjliy.ia Christi selbst bereits gegeben hat. Die ylixia Christi muss in der Ap Joh 12 zu Grunde liegenden Tradition eine grosse Rolle gespielt haben. Demnach erkennt man noch an manchen Spuren, dass die Tradition von Ap Joh 12 einst beliebt gewesen ist. Apokalyptische Termini wie Messias wehen, Weibessohn sind daraus entnommen. Eschatologische Speculationen über die Frage, wann das Ende 1) p 243. 272 der Welt komme, sind dadurch angeregt; auf solche Frage hat man aus unserer Tradition die Antwort genommen: wann die dreiundeinhalb erfüllt sind, und Jiat darnach die Zahl berechnen wollen. Auch die Speculation von Eph 4 13, so ganz andersartig sie auch ist, hat doch dieses eschatologische Interesse an der r]liY.ia Christi zum Ausgangspunkt. Hiermit ist freilich das Capitel noch keineswegs erklärt; vielmehr ist dadurch seine Erklärung nur zurückgeschoben. Denn aus der Behauptung, ein Stück sei Tradition, folgt für die Exegese nur, dass es nicht aus dem Gedankenkreise des Schriftstellers, sondern aus einer vor ihm liegenden Periode zu verstehen sei. Aus welcher Zeit ist cap 12 zu deuten? Zur Beantwortung dieser Frage ist es zunächst geboten, die ursprüngliche Form der Überlieferung, soweit es noch möglich ist, zu reconstruieren. Wir haben in der vorhergehenden Untersuchung das Neben- einander von höchst concreten und ganz blassen Zügen beob- achtet und in den ersteren die gut erhaltenen Reste der alten Tradition erkannt. Da wir als selbstverständlich annehmen dürfen, dass die ursprüngliche Recension — wie alles Ursprüng- liche — einheitlichen Stil besessen habe, so ergiebt sich, dass wir uns diese nach Art der concreten Züge zu denken haben. Welcher Art sind nun diese concreten Züge? Für sie alle ist ein gewisses brennendes Colorit, das Sym- ptom einer leidenschaftlich erregten Phantasie, charakteristisch. Überlässt man sich diesem ästhetischen Eindrucke, und fragt weiter, wo man zu diesen Zügen Analogieen zu suchen habe, so muss die Antwort lauten: in der Mythologie. Der Drache, der das göttliche Kind verschlingen will, der mit dem Schwänze Sterne vom Himmel herunterpeitscht, der einen Strom aus seinem Rachen speit, den dann der Mund der Erde verschlingt; die Frösche, die aus den Rachen des Untiers hervorgehen, um Botschaft zu verkünden; der grosse Adler;, das Himmelsheer auf weissen Rossen ; der Name ,Weltherr< auf Hüfte und Kleid des göttlichen Helden; die Versiegelung des Drachen 273 in der Abyssus, und alles andere, was in dieser Erzählung an- schaulich ist, trägt unverkennbar mythologischen Charakter. Auch das Weib erscheint nach seinen merkwürdigen Insignien wie eine himmlische Göttin, Parallelen zu diesem Bilde müssten wir in cultischen Darstellungen solcher Göttinnen suchen x). Wenn wir nun ein Eecht haben, die ursprüngliche Gestalt der gegenwärtig nicht mehr deutlichen Züge uns nach Art der erhaltenen zu denken, so müssen wir behaupten, dass die Er- zählung ursprünglich noch weit farbiger, mythologischer ge- wesen sei, als sie es gegenwärtig ist. Die gegenwärtig verdun- kelten Zusammenhänge und abgeblassten Einzelzüge sind ur- sprünglich mythologischer Natur gewesen; und eben in dieser ihrer Natur erkennen wir nun auch den Grund, weshalb sie uns in solchem abgeschwächten Zustande erhalten sind. Derselbe Schluss ergiebt sich, wenn wir jene in der uns vor- liegenden Tradition nicht oder nur halb erhaltenen Züge selbst beobachten. Zunächst diejenigen, welche, wie wir im Vorher- gehenden gesehen haben, gegenwärtig ausgelassen, aber — mit grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit — aus dem Zu- sammenhange zu ergänzen sind. Da ist der Drache ein Ungetüm der finsteren, lichtfeindlichen Wassertiefe, der sich aber die Herrschaft auf Erden und sogar im Himmel angemasst hat. Das ist eine aus orientalischer Mythologie uns wolbekannte Anschauung. Ganz mythologisch ist es, wenn die Himmlischen ihm gegenüber keineswegs all- mächtig sind; am Anfange der Erzählung sind sie sogar im Himmel selber vor dem Drachen nicht sicher; ihren künftigen König geben sie den Angriffen des Feindes preis, und nur durch ein dazwischen Tretendes wird er gerettet; der Drache kann es sogar wagen, dem Knaben bis zum Orte seiner Bergung zu folgen; und auch, nachdem sie ihn glücklich vom Himmel gestürzt haben, sind sie unvermögend, seine Herrschaft auf Erden zu. brechen. In demselben Tone redet die Tradition von Christus: eben geboren ist er — nicht anders wie jedes andere Kind — schwach und hülflos; er bedarf einer bestimmten Zeit zum Wachsen, die man eben in Geduld abwarten muss, ebenso wie 1) zB Leto trägt einen Sternenschleier Dieterich Abraxaa 120 A4. Gunkel, Schöpfung. 1^ 274 bei allen andern Kindern menschlichen und göttlichen Geschlechts. Seine Bestimmung kennt der Drache — man könnte sich etwa denken: durch einen Orakelspruch, der über die Frucht des Weibes ausgesprochen war; seine Geburt ist besonders qualvoll — vielleicht durch einen Fluch, der auf seiner Mutter lag. Man darf auch voraussetzen, dass die ursprüngliche Recension nicht nur von seiner göttlichen Mutter, sondern auch von seinem göttlichen Yater geredet hat 1). Ebenso mythologisch sind die gegenwärtig abgeblassten Züge zu denken : das Kind wird gerettet, dann verteidigt, der Drache wird gestürzt, seine Mutter versorgt durch himmlische Wesen 2). Eins derselben wird genannt: es ist ,der grosse Adler'. Ebenso sind die Orte, wo der Christus geborgen wird, und wohin das Weib flieht, mythologische Orte, nicht anders als der einzige, der genannt wird: Armagedon. Alle diese Züge sind mythologischer Natur; der Grund ihrer Ausmerzung oder Abblassung ist ganz deutlich : es ist die Scheu des monotheistischen Judentums vor der Mythologie. Dasselbe Motiv sehen wir auch in einem andern Umstände wirken. Die Flucht und Rettung des Weibes wird in cap 12 zweimal berichtet, 6 vor dem Drachensturze, in aller Kürze; sodann 13 — 16, nach dem Drachensturze, in grösserer Breite. Nun ist von vorneherein wenig wahrscheinlich, dass in einem ein- heitlichen Berichte dasselbe Ereignis zweimal erzählt wird; auch ist die Stellung eines Zuges im Zusammenhange durchaus nicht 1) Vielleicht — ich bitte dies ganz bescheidene /Vielleicht' nicht zu übersehen — steht auch die Tradition, die dem Christus eine .Braut' zuschreibt, die ihm nach Besiegung des Drachen zugeführt wird 21 2 cf 21 9, mit der von uns verfolgten Tradition im Zusammenhange; man dürfte damit vielleicht den Namen auf der ,Hüfte' verbinden. — Sicher ist, dass der Gott-Überwinder, obwol der Weltherrscher, in der Über- lieferung als ein spät geborener Gott erscheint. 2) Bei den himmlischen Wesen, die den Drachen bekämpfen 7, lassen sich noch drei Stadien erkennen : die ursprüngliche Tradition nannte bestimmte göttliche Wesen; das Judentum hatte dieselben zunächst ausgelassen, später aber kamen die specifisch jüdischen Grössen ,Michael und seine Engel' hinein. Die ältere, treuere Über- lieferung lässt das Anstössige aus; eine spätere, weniger treue bringt specifisch Jüdisches hinein. 275 gleichgültig, besteht doch der Hauptreiz einer guten antiken Erzählung darin, dass sie zeigt, wie eins aus dem andern ge- kommen ist. Dass der zweite Bericht der ursprünglichere sei, entscheidet der Zusammenhang: der Drachenkampf 7 ist — wie wir oben p 257 gesehen haben — in der vorauszusetzenden mythischen Tradition die unmittelbare Fortsetzung der Erzählung von der Rettung des Knaben 5 gewesen. So gewinnen wir deutlich für das Ganze eine Steigerung der Wut des Drachen: sein eigentlicher Feind ist der Knabe, der ihm einst gefährlich werden wird; ihn will er bei seiner Geburt verschlingen, ihm stürzt er, als er entrafft wird, nach. Als nun der Knabe definitiv seiner Macht entrückt ist, wendet er sich in blinder Wut gegen die Mutter, obwol ihm von dieser keine Gefahr droht. Als auch diese gerettet ist, bekriegt er wenigstens die übrigen, ihm ganz ungefährlichen Kinder des Weibes. Demnach ist der zweite Bericht der ursprünglichere. Dafür zeugt auch die Betrachtung seiner Art: der erste 6 ist abgeblasst und ganz kurz, der zweite 13 — ib ist weitläufiger und hat viele mythologische Züge. Damit ist auch das Verständnis für den Grund dieser merk- würdigen Wiederholung gegeben. Wer 6 hinzustellte, wollte damit das ganze Stück beschliessen — 6 kommt in der Erzäh- lung des Ganzen so weit wie 16 — ; er kürzte also nicht nur die mythologische Erzählung von der Flucht des Weibes, sondern Hess zugleich den ganzen Bericht über den Sturz des Drachen aus, der ebenso mythologischen Charakter trägt; es schien ihm genügend zu sein, von der Rettung des Kindes und seiner Mutter erzählt zu haben. Wir haben demnach in unserm Texte zwei Varianten, e und 7 — 16 >), von denen die erstere aus dem Motiv der Scheu vor dem 1) Dies der richtigere Ausdruck; dass ,v 6 und u Doppelgänger' ßind Dieterieli Abraxas 118 A 2, ist nicht unrichtig, aber ungenau. — Die Schwierigkeit hat Spitta 133 durch Auslassung von 6 heben wollen, ohne indess eine zureichende Erklärung für die Einsetzung dieses Verses angeben zu können. Weizsäcker 2 490, Pfleiderer 332 f, Völter Problem 146 f wollen durch Absehneiden des ganzen zweiten Teils i3ff resp uff 18* 276 Mythologischen die Erzählung erheblich verkürzt hat. Dass zwei Varianten im Texte neben einander überliefert sind, ist keine merkwürdige Erscheinung: im AT finden wir nicht selten zwei Lesarten desselben Wortes neben einander, in der LXX zwei und mehr Übersetzungen desselben hebräischen Textes; grösseren Umfanges sind die Varianten der Erzählungen in der Genesis, die doppelte Überlieferung über Sauls Königswahl usw. Demnach ist Ap Joh 12 eine Tradition mythologischer Art. Nun hat aber das Judentum zwar allerlei mythologische Überlieferungen anderer Völker übernommen und umgebildet, aber nicht selbstständig Mythen erzeugt ; ferner trägt das Capitel selbst — wie wir gesehen haben l) — nicht die Spuren eines originell erzeugten Stückes, sondern die einer stark abgeblassten Tradition. Sobald daher der mythologische Charakter der Über- helfen, indem sie den Drachensturz als die letzte oder vorletzte Scene des Ganzen auffassen: hierbei wird indess übersehen, dass der Sturz des Drachen auf die Erde ohne Mitwirkung des Christus noch nicht die eigentliche Überwindung des Drachen ist, dass vielmehr auf die Er- zählung von der Geburt des Christus ein weiterer Bericht von seinem definitiven Sieg über den Drachen folgen musste; schliesslich dass die Reihenfolge : Verfolgung des Kindes, der Mutter, der Übrigen eine wolüberlegte Steigerung enthält. — Noch gewaltsamer verfahrt Diete- rich 118, indem er aus dem ,mystischen Wirrwarr' , dieser geflissentlich unklaren Offenbarung' — nach dem Muster des griechischen Apollo- mythus — als ursprüngliche Reihenfolge l — 4 u — 16 5 (6 17 12b?) 7 — 12a herausbringt. Diese Reconstruction unterliegt denselben Bedenken wie das kritische Experiment "Weizsäckers, Pfieiderers, Völters. Dazu reisst die Umsetzung von 14 — 16 die Verfolgung 4 und die Bettung 5 des Kindes auseinander. Zu solcher Verrenkung des Textes wäre Dieterich nicht gekommen, wenn er nicht voreilig Ap Joh 12 nach Muster des griechi- schen Mythus umgemodelt hätte, ferner wenn er die Möglichkeit der ,Corruption' durch Tradition erwogen hätte, und wenn er — das ist ein Punkt, der nicht ganz verschwiegen werden darf — mit etwas mehr Re- spekt an die Apokalypse herangegangen wäre. Eine Forschung, die die Verwirrung des Capitels auf die Jeder klaren Gestaltung ausweichenden Gedankensprünge' des Apokalyptikers zurückführt, mag dadurch der Notwendigkeit enthoben sein, über die Gründe der ,Corruption' genaue Rechenschaft zu geben cf p 120 A 3, müsste aber zugleich auf die Er- klärung eines solchen Schriftstückes verzichten. 1) cf p 257—263. 277 lieferung constatiert ist, ist zugleich der ausserj üdische Ursprung derselben gegeben. Xun giebt es zwar in dem Capitel eine Reihe von Einzel- heiten, die sicher jüdischer Herkunft sind. Untersuchen wir, welche das sind, und dann, in welchem Verhältnis sie zu der mythologischen Tradition stehen. Da werden einige Personen des Mythus jüdisch gedeutet: das göttliche Kind ist der Christus; das wird durch ein Citat aus W 29 ausdrücklich gesagt 12.5 19 iö; Einzelheiten aus der Beschreibung seiner Erscheinung 19nff stammen aus dem christo- logischen Dogma des Judentums, zB das blutbefleckte Kleid 13 *). Der Drache wird 129 20-2 als der sogenannte ,Teufel und Satan' gedeutet cf 12 12; 10b heisst er mit anderem Namen Qategor, der die Frommen vor Gott verklagt. Sicher tritt auch jüdische Deutung hervor, wenn dem Drachen 123 sieben Köpfe und zehn Hörner und auf seinen Köpfen sieben Kronen zugeschrieben werden. Dieser Zug ist nach Dan 7eff Ap Joh 13 1 zu verstehen, wo die Häupter 2) oder die Hörner 3) Könige bedeuten. Dass auch hier die sieben Häupter sieben Könige vorstellen, wird ausdrück- lich dadurch angedeutet, dass die sieben Köpfe sieben Kronen tragen 4). Demnach wird hier der Drache als Personifikation des Weltreiches verstanden, über welches sieben Könige herrschen sollen 5). Das himmlische Heer, das den göttlichen Knaben verteidigt, soll ,Michael und seine Engel; sein 12:. Die ,Übrigen von ihrem Samen' werden durch den Zu- 1) Aus Jes 63 1—3. — In dieser Beschreibung 19 11 ff ist das über- nommene und das hinzugefügte Jüdische nicht sicher abzugrenzen; ausserdem fliesst hier noch eine andere, der ersten verwandte mytho- logische Tradition ein cf hierüber im Folgenden. 2) so Dan 7 6 cf II2. 3) so Dan 77 cf U Ap Joh 13 1. 4) Anders zB Ap Joh 5 6. wo das Lamm zwei Hörner hat, aber keine Kronen darauf, oder 19 12, wo Christus , viele Diademe' trägt — der Zug soll bedeuten, dass er ,König der Könige' sei v 16 — , aber die Zahl der Diademe nicht angegeben wird. .5) weiter über diese Symbole bei der Untersuchung über Ap Joh 13 17. 278 satz ,die Gottes Gebote bewahren' als die frommen Juden ge- deutet 12 17. Die Bindung des Drachen am Schlüsse der Erzählung er- folgt durch einen Engel, der vom Himmel berabkommt 20 i x). Durch diese Deutung der handelnden Personen ist auch die jüdische Auffassung einzelner Ereignisse des Capitels aus- gedrückt. Darnach hat man die Besiegung des Drachen durch den jungen göttlichen Helden als die Besiegung des Teufels durch den Christus verstanden; die Fortsetzung der mythologischen Überlieferung bilden im Judentum die tausend Jahre der Herr- schaft des Christus, der letzte Angriff durch Gog und Magog etc, das sind vom Mythus ursprünglich unabhängige eschatologische Traditionen. Die ersten Yerse des Cap 12 schildern nach jüdi- schem Yerständnis natürlich die Geburt Christi, der vorletzte die Verfolgung der Juden durch das Weltreich 12 17. Ausdrücklich wird die jüdische Deutung für den Sturz des Drachen ausge- sprochen ; derselbe wird als die Besiegung des Teufels, der bisher Gott die Macht im Himmel streitig machte 10a, und als die Entfernung des Anklägers aus Gottes Umgebung 10b durch einen Hymnus gefeiert, zugleich aber als der Beginn der Leiden der Erdenbewohner bezeichnet 12. Hiermit ist aber keineswegs der ganze Stoff in jüdische Deutung aufgegangen; es fehlt vor allem eine ausdrückliche Deutung des Weibes und dessen, was von ihrer Flucht erzählt wird. Man erklärt herkömmlich das Weib als das himmlische Zion; und wirklich ist nicht einzusehen, wie das Judentum, wenn es diese Grösse überhaupt deutete, sie anders hätte auffassen sollen. Trotzdem leidet diese Erklärung an grossen Schwierig- keiten. Das Judentum hat an die Stadt Zion im Himmel als eine reale Grösse geglaubt; aber als ,Weib' vorgestellt ist Zion eine Allegorie 2). Nun hat aber diese allegorische Gestalt einen Sohn, der den Christus, also eine wirkliche Person darstellen soll. So 1) Im ursprünglichen Mythus wird es der Gott seiher getan hahen. 2) eine ,personificierte Idee' Pfleiderer 331. 279 entsteht, namentlich im Folgenden, wo die Schicksale der Mutter und des Kindes durcheinander spielen, eine sonderbare Ver- wirrung von Allegorischem und "Wirklichem, die man — wofern man sie überhaupt annehmen will — jedenfalls nicht mehr als- die ursprüngliche Conception eines Schriftstellers begreifen kann *). Harnack 2) hat diese Schwierigkeit für die christliche Deutung gesehen, freilich ohne zu erkennen, dass sie seine eigene — jüdische — ebenso betrifft. Ebenso dauert die für die christliche Deutung völlig unüber- windliche Schwierigkeit 3), was die Yerfolgung der ,Übrigen' nach der Flucht des Weibes bedeuten soll, auch auf jüdischem Boden fort 4). Wenn diese Flucht mehr sein soll als eine inhaltslose Phantasmagorie — was man doch wol erwarten darf — , kann sie nichts anderes als das himmlische Abbild einer Yerfolgung Israels darstellen; anderseits müssen aber auch die ,Übrigenl die Juden sein; aber dann wird ja zweimal — nur unter ver- schiedenen Bildern — von der Yerfolgung des Gottesvolkes gesprochen. In solche Schwierigkeiten verwickelt man sich, wenn man nicht streng die Methode 5) befolgt, Deutungen nur da zu geben, wo sie entweder in der Natur der Sache liegen oder vom Schriftsteller ausdrücklich angegeben siud. Yielmehr ist zu sagen, dass der Yerfasser wahrscheinlich das Weib, sicher ihre Flucht nicht gedeutet hat, weil er sie nicht deuten konnte. 1) Die christliche ai%vy(a von Xoiaibg und Ixxlijafa dh die Zu- sammenstellung einer göttlichen Person und einer — ursprünglich — als Allegorie gedachten Grösse ist kein Grund gegen die obige Argu- mentation, sondern ist auf einem ganz parallelen Wege zu stände ge- kommen. 2) im Nachwort zu Vischer 134. 3) cf oben p 182 f.. 4) Daher auch dieselben unmöglichen Deutungen, hier wie dort.. Vischer 30 deutet das Weib und die Übrigen auf Gesammtisrael und die einzelnen Juden cf dagegen oben p 182. Nach Spitta 129 f beschreibt die Flucht des Weibes die Schicksale des himmlischen Gottesvolkes, die Verfolgung der .Übrigen" die des empirischen Israels, wodurch aber die Aussagen über das Weib ein frei in der Luft schwebendes, phantasti- sches Gemälde ohne Bedeutung und Zweck werden. Pfieiderer 332 hilft durch Abtrennung des zweiten Teils des Capitels cf p 275 A 1, wodurch aber das inhaltlich Zusammengehörige auseinander gerissen wird. 5) Zur Methode 73 f und im Folgenden. 280 Ebenso lässt sich kaum sagen, was er sich eigentlich unter der Verfolgung und Rettung des Kindes gedacht habe. Ein Stück, das von Anfang an allegorisch gemeint ist, würde natürlich die Deutung, für die es berechnet ist. in allen Hauptpunkten deut- lich zeigen müssen. So folgt also, dass die jüdische allegorische Erklärung, von der aus das Ganze nicht verstanden werden kann, nicht ursprünglich zu unserer Tradition gehört, sondern erst nachträglich hinzugekommen ist. Derselbe Schluss ergiebt sich, wenn man auf das Verhältnis der gegebenen Deutungen zu einander und zu dem Zusammen- hange der Tradition achtet. Die Xäherbestimmung .der alle Völker weiden soll mit eisernem Stabe' 5 gehört ebenso wie die andere ,die Gottes Ge- bote bewahren' 17 nicht zu dem Zusammenhange des Ganzen; nach welchem vielmehr der Drache das Kind verfolgt, weil es ihn stürzen soll, und seine Brüder aus ohnmächtiger Wut, weil sie seine Brüder sind, drangsaliert. .Michael und seine Engel' 7 erweist sich auch literarisch an- gesehen als späterer Zusatz l). Die beiden Erklärungen, die für den Drachen gegeben wer- den: Satan und Qategor und anderseits das Weltreich, Rom-), schliessen einander zwar nicht so aus, dass sie etwa von ver- schiedenen Händen stammen müssten; es ist auf jüdischem Standpunkte nicht so unmöglich, den ,Engel des Abgrundes' und den Engel Roms zu identifizieren 3); vielmehr glaubte der jüdische Erklärer, mit dieser Gleichsetzung das eigentliche Wesen Roms erkannt zu haben. Anderseits hat der Erklärer diese Doppeldeutung nicht auf das Detail anzuwenden vermocht, son- dern das Einzelne verschieden, bald auf den Teufel, bald auf 1) cf p 200 A 1. 2) p 277. 3) Man erinnere sich an den jüdischen Glauben an Engel als .Völkerherren' Dan 10 13 etc und vergleiche besonders *P 6831 cf oben p 66 ff und die Doppelbedeutung von Bahab: .Ägypten' Jes 307 und .Götzen' 1' 40s cf oben p 39 f. Auch Eisenmenger II 805 citiert jü- dische Traditionen (Jalkut chadasch fol 80 col 4 num 20), wonach Sam- mael (der Teufel) zugleich der .Fürst- -- von Edom dh der invyr, r-z-.-z (Born) ist. 281 Rom gedeutet. Der Krieg des Drachen gegen die .Übrigen' ist als der Krieg Roms gegen die Juden verstanden; aber das Wesen, dessen Fall 10 12 besingen, ist sicher nicht Rom. Auch für den Drachen stürz werden zwei Deutungen vor- getragen: in 10a und 12 ist der Drache der mächtige Gegner Gottes, der bisher Gottes Macht selbst im Himmel in Frage ge- stellt hat; die Folge seines Sturzes ist, dass jetzt Gott die Macht bekommt. Dagegen in 10b ist der Drache der Qategor, der ver- klagend vor Gottes Thron stand, und dessen Sturz die Folge hat, dass Gott nun nicht mehr zürnt. Es ist möglich, dass 10b jüdische Glosse von zweiter Hand ist, aber nicht notwendig: ein wenig Verworrenheit ist dem Manne, der anderseits auch Rom und den Teufel identificiert hat, schon zuzutrauen. Das aber ist nicht mehr eine organische Deutung, wie wir sie in einer vom Schriftsteller verfertigten Allegorie erwarten, in der natürlich dieselbe Grösse immer nur dasselbe bezeichnen kann. Besonders deutlich ist der einzige grössere Passus, den der jüdische Redaktor eingeschoben hat, als Zusatz zu erkennen; das ist der Hymnus über den Drachensturz 10 12. Der Hymnus redet von der Macht, die Christus jetzt bekommen hat; aber der Christus ist an diesem Punkte der Erzählung noch ein Knabe, der noch keine Herrschaft ausüben kann, und dessen Reich, das er als Mann einst antreten wird, auch nicht auf jenen Drachensturz, sondern auf seinen eigenen Sieg über das Ungetüm gegründet sein wird. Ferner deutet der Hymnus den Sturz des Drachen als die Entfernung des Qategors; aber damit werden zwei Anschauungen einander gleichgesetzt, die ihrem eigentlichen Wesen nach ganz verschiedenartig sind1): der Drache war im Himmel mächtig durch die Gewalt seines ungeheuren Leibes — ein Beispiel solcher Gewalt war es, dass er die Sterne mit dem Schwänze vom Himmel herunterwarf; der Qategor aber war 1) Düsterdieck4 403 hat gesehen, dass der überwundene Wider- sacher durch die Benennung xcaijyojo .von einer neuen, in y 3 ff gar nicht berührten und jener Darstellung auch ganz fremdartigen Seite' bezeichnet wird, ohne indess den Grund einer so auffallenden Tatsache zu untersuchen. 282 mächtig, weil er die Frommen vor Gott mit giftigen Reden ver- läumdete; demnach sind Qategor und Drache zwei völlig ver- schiedene Gestalten : dieser ein Ungetüm mit Rachen und Schweif, mit Hörnern und Köpfen, jener aber ein böser Geist, der neben andern Engeln vor Gottes Thron steht 1). So ergiebt sich, dass die jüdischen Deutungen nicht zum ursprünglichen Zusammenhange gehören, sondern erst nach- träglich hinzugekommen sind. Zugleich sehen wir, in welcher Weise das Judentum sich eines solchen Materiales bemächtigt hat. Das moderne Bestreben, in solchem Stoffe alles möglichst auf dieselbe Weise zu deuten 2) , ist damals unbekannt. Man deutet, was man versteht; das Übrige, das deshalb noch nicht für wertlos gehalten wird, lässt man ruhig stehen 3). Und man deutet von Fall zu Fall, ziemlich unbekümmert um den Zu- sammenhang der Deutung und des Stoffes. Demnach ist das Resultat, dass Ap Joh 12 ein ausserhalb des Judentums entstandener, aber vom Judentum übernommener Mvthus ist. 4. Babylonische Stoffe im späteren Judentum. Damit erhebt sich die Frage, in welchem Volke dieser Mythus ursprünglich zu Hause sei. Bei solchen Untersuchungen ist die grösste Vorsicht von Nöten. Es würde nicht genügen, einen beliebigen Mythus aus irgend einer uns bekannten Mythologie, der etwa grössere oder 1) Man beachte, dass der Jude xarr/ywo, duißokos oder auraväg sagt 1291012 20 2, während die Tradition vom Soüxwv oder vom auptg spricht. Damit haben wir einen sprachlichen Beweis dafür, dass das tausendjährige Keich und Gog und Magog cf 207 10 nicht mehr zu un- serer Tradition gehören. 2) Man vergleiche die Commentare. 3) Charakteristisch für das eklektische Verfahren des jüdischen Deuters ist, dass die Deutung auf den Teufel erst 9 erfolgt, um dann 202 wiederholt zu werden. Wenn die Erklärung systematisch wäre. würde diese Deutung natürlich schon 3 gegeben sein. Aber der Ver- fasser deutet, was ihn interessiert. 2S3 geringere Ähnlichkeiten mit Ap Joh 12 hätte, herauszugreifen und ihn für das Original von Ap Joh 12 auszugeben. Viel- mehr wird eine methodische Untersuchung die Übernahme des einen Stückes aus fremder Religion nur dann behaupten, wenn sie dasselbe für andere, ähnliche Traditionen des Judentums und besonders des apokalyptischen Judentums wahrscheinlich machen kann; und wenn sie ferner im stände ist, die Einwirkung dieser fremden Religion auf die jüdische geschichtlich zu verstehen. Dieterich J) hat auf die Ähnlichkeit von Ap Joh 12 mit dem griechischen Mythus von Apollos Geburt 2) hingewiesen, der nachweisbar in Kleinasien und grade in Ephesus im zweiten Jahrhundert bekannt gewesen ist, und daran die Behauptung geknüpft, der in Ephesus schreibende hellenistisch-christliche Verfasser habe den Leto-Apollo-Mythus gekannt und in seinem Sinne auf den wunderbaren Knaben von Bethlehem ausge- deutet. Die von Dieterich constatierte Ähnlichkeit ist ohne Zweifel höchst frappant und war auch dem Verfasser dieser Zeilen be- reits vor der Lektüre des ,Abraxas' aufgefallen. Es scheint auch mir unzweifelhaft, dass das Zusammenstimmen beider Mythen nicht zufällig sein kann, sondern in einem geschicht- lichen Zusammenhange begründet ist. Dennoch halte ich die von Dieterich gegebene Lösung für einen, nicht ganz geringen, Irrtum. Die Voraussetzungen, von denen Dieterich ausgeht, sind unrichtig. Man darf nicht von einem ,hellenistischen Christen' 3) als dem Verfasser des Stückes reden. Das Capitel ist vielmehr, wie wir gesehen haben, jüdischer, nicht christlicher4) Herkunft; es stammt nicht aus der Diaspora, sondern aus Palästina; und schliesslich ist es nicht das Werk eines Mannes, sondern die Codifikation einer Tradition. Demnach dürfte man sich nicht vorstellen, dass etwa ein einzelner Mann im zweiten Jahrhun- dert in Kleinasien den Mvthus übernommen hätte; sondern man 1) Abraxas 117 ff Nekvia 217 A 3. 2) Hygin fab 140 bei Dieterich Abraxas 117. 3) Dieterich Abraxas 118. 4) Dieterich Abraxas 122 A 2 hat zu seinem eigenen Schaden die Yischersche Hypothese zu gering taxiert. 284 niüsste annehmen, dass der griechische Mythus etwa im letzten Jahrhundert vor Christus in Palästina eingedrungen wäre. Auch diese Annahme würde Dieterich vielleicht wagen; will er doch selbst im Buche Henoch griechischen Einfluss con- statieren *). Aber solchen Vermutungen stehen die grössten Bedenken entgegen. Dass das palästinensische apokalyptische Judentum einen griechischen Mythus übernommen haben sollte, ist in hohem Grade unwahrscheinlich. Das palästinensische Judentum ist viel weniger als das der Diaspora griechischem Wesen gegen- über aufgeschlossen gewesen; hatte es doch seine Religion gegen einen griechischen Despoten auf Tod und Leben verteidigen müssen. Aber auch da, wo man sich von griechischer Cultur imponieren Hess, war es nicht die Religion, sondern vielmehr die Philosophie der Hellenen, der man nicht ganz widerstehen konnte. Das Judentum Palästinas verachtete die Götter Javans viel zu sehr, als dass es ihre Mythen übernommen hätte 2). Am wenigsten aber war diejenige Richtung des palästinensischen Judentums, welche Bücher wie den Henoch gezeitigt hat, und aus der auch der Grundstock der Ap Joh stammt, disponiert, griechische Göttergeschichten nachzuahmen. Man lese die Worte dieser Apokalypsen über den Götzendienst. Die Götter der Hei- den sind nichts als Gold und Silber, Holz und Steine, oder es sind böse Dämonen Ap Joh 9 20 Henoch 99t. Wehe denen, die das ewige Erbteil ihrer Väter verachten und ihre Seelen an die Götzen hängen ! Die haben an der kommenden ,Ruhe' keinen Teil Henoch 99 u. Draussen bleiben die Hunde und Giftmischer und Hurer und Mörder und Götzendiener und alle, welche die Lüge lieben und tun Ap Joh 22 15 cf 21s. Wehe dem, der auch nur vom Fleisch des Götzenopfers isst oder dazu die Leute 1) Nekyia 218 ff cf im Folgenden p 286 A 1. 2) Auch in dem hellenistischen Judentum sind mir von Mythen- reception nur solche Fälle bekannt, wo die Götter als Menschen auf- gefasst, und ihre Geschichten als Menschengeschichten gedeutet werden ; so erscheinen Kronos, Titan, Japetos etc als ,Könige' der Menschen Or Sib III 110 ff; ,Hermes' ist nach Artapanus ein Beiname des Moses; die Herculessage wird bei Malchus mit der Abrahamgeschichte ver- bunden etc cf Schürer II 735 738. 285 verführt! Ap Joh 2ao. — Dies Judentum ist demnach durchaus nicht synkretistisch gestimmt; vielmehr ergeht die Mahnung auch an die Heiden: Fürchtet Gott allein! Ap Joh 1-i: — n. — Dass dieselben Männer, die so von den Göttern reden, zugleich bereit waren, heidnische Mythen, deren heidnischen Ursprung sie kannten, zu übernehmen, wird man für ganz undenkbar halten müssen 1). Dieterich 2) hat sich gegen den Vorwurf, seine Identificie- rung von Ap Joh 12 und des Apollomythus sei ein ,wildes Verfahren', zu verteidigen gesucht. Man wird ihn doch von dem Vorwurf, hier religionsgeschichtlich einigermassen unmetho- disch verfahren zu sein, nicht freisprechen können. Theologen aber, die Dieterichs Behauptung wiederholen, sollten vorher den Charakter der Ap Joh genauer erwägen. Auch im Einzelnen hat Dieterich vielfach das Verständnis von Ap Joh 12 verfehlt. Er hat in den ,mystischen Wirrwarr' des Capitels Luft und Licht bringen wollen, indem er es nach dem Vorbilde des Letomythus zurechtstellte. Er ist dabei mit Umstellungen3), W eglassungen 4) und Umdeutungen 5) recht energisch zu Werke gegangen; dieser Versuch, der in Wirk- lichkeit eine Mishandlung der Ap Joh ist, lehrt, dass Ap Joh 12 und der Apollomythus starke Verschiedenheiten besitzen, die man nicht übersehen darf. Es sind verschiedene Mythus-Re- censionen. Mit diesen Bemerkungen soll die Ähnlichkeit beider Stoffe nicht geleugnet, und Dieterichs Verdienst, auf dieses Zusammen- treffen zum ersten Male hingewiesen zu haben, nicht geschmä- lert werden. Die Frage, die er aufgeworfen und allzu schnell beantwortet hat, bleibt bestehen. Es ist hier nicht der Ort, dies Problem, das nur in einem anderen Zusammenhange besprochen werden könnte, zu entscheiden; nach welcher Seite hin ich ge- 1) Dies Argument gilt gegen Dieterich, auch für den Fall, dass Ap Joh 12 — wie er glaubt — von einem Hellenisten herrührte. 2) Nekjia 217 A 3. 3) cf oben p 275 A 1. 4) So versichert er zu 9: ,tlg tt\v yfjv hat keinen Sinn' p 120 A 1 und lässt demnach dies Wort und 12b aus etc. 5) So identifiziert er das gerettete Kind und den Michael 7, der dem Drachen entgegentritt! p 119 A 2. 286 neigt bin, die Antwort zu suchen, wird der Kundige leicht er- kennen *). Wollen wir solche Irrwege vermeiden, so ist es geboten, uns zunächst nach ähnlichen Stoffen in der apokalyptischen Literatur umzusehen. Wir haben für Ap Joh 12 eine eigentümliche phantastische, groteske Haltung charakteristisch gefunden. Dieselbe Färbung tritt uns in nicht wenigen Stücken der Ap Joh entgegen. Da sind Himmel und Erde mit phantastischen Gestalten erfüllt. Der Brunnen des Abgrunds öffnet sich, und aus seinem Eauche kommen merkwürdige Heuschrecken hervor; es sind Eosse mit Menschengesicht und Weiberhaaren , zugleich mit Löwenzähnen und Skorpionschwänzen 9i — 12. Oder ein ent- setzliches Reiterheer stürmt vom Euphrat her auf die Menschen 1) Ganz ähnlich liegt die Sache in einem anderen Falle. Dieterich Nekyia hat die urchristliche Anschauung von Hölle und Paradies mit den griechischen orphisch-pythagoreischen Anschauungen verglichen und dahei eine ganze Reihe von höchst eigentümlichen und frappierenden Parallelen constatiert. Überlässt man sich dem Eindrucke der von Diete- rich gezogenen Parallelen und der vielen anderen, die zwischen dem von ihm gesammelten Material und der jüdisch-christlichen Eschatologie gezogen werden können, so kann man kaum bezweifeln, dass auch hier ein geschichtlicher Zusammenhang vorliegt. Dagegen scheint mir Dieterichs Schluss, dass demnach die urchristliche Vorstellung von Paradies und Hölle durch Griechisches stark beeinfiusst sei, sehr zweifel- haft zu sein. Für das Judentum wenigstens halte ich Dieterichs Ver- such für völlig gescheitert. Die Flüsse des Totenreiches Henoch 176, die Dieterich Xekyia 218 f für griechischer Herkunft hält, findet man schon im Psalter cf hs'hz •?r;j hervor, der im Estherbuche 3: durch das hebräische Wort V*na = Los gedeutet wird. Dass eine solche Deutung notwendig war, be- weist, dass der Jude das Wort -vig von Natur nicht verstand. 1) Eisenmenger II 328 ff. 2) Diese septem viae werden in der von IV Esra mitgeteilten Tra- dition so eigentümlich abstrakt geschildert, dass sie nur als eine Ab- blassung ursprünglich concreterer Vorstellungen verstanden werden können; diese zu Grunde liegende Anschauung muss die von den sieben Höllen sein; ebenso wie die entsprechende Theorie von den Septem viae der Belohnung der Gerechten [VI 64 ff] aus der Anschauung von den sieben Himmeln erwachsen ist. 3) Brandt Mand Eel 182. 4) Feuchtwang ZA IV 42 ff, Jensen Kosmologie 233. 310 Denmach war der Name und das Fest selber fremdländischer Herkunft. Damit aber ist auch der fremdländische Ursprung der mit dem Feste verbundenen Estherlegende gegeben. Die Heimat des Festes und der Erzählung ist im Orient zu suchen. Wir haben also in ,Purim' und ,Esther' einen neuen Beleg für unsere Beobachtung, dass das Judentum in vorchristlicher Zeit fremden orientalischen Einflüssen offen gestanden hat. Man hatte bisher versucht, die Heimat des Festes aus dem Worte ,Pur' zu erschliessen. Lagarde *) hatte Purim mit dem persischen farwadigän, Zimmern 2) mit dem babylonischen Worte puhru und dem Neujahrsfeste in Verbindung gebracht. Eine befriedigende Erklärung des Namens ist — so weit ich sehe — noch nicht gegeben 3). Yon anderer Seite her hat Jensen die Frage zu lösen ver- sucht. Jensen 4) hat den Nachweis geführt, dass .Hanian* zugleich der Name des elamitischen Hauptgottes (Humba = Humban = Humman), und dass ,Wasti', in der Esthergeschichte Name der ver- stossenen Königin, auch der Name einer elamitischen Göttin sei. Er stellt ferner mit ant, Hamans Weibe, die Göttin Kirisa, Hum- mans Gemahlin, zusammen ; ebenso Mardochaj 5) mit Marduk und Esther mit Istar 6) ; die letztere Gleichung wird durch die Beob- 1) Purim in den Abhandlungen der Kgl Ges der Wissenschaften zu Göttingen XXXIV. 2) Zimmern ZAW XI 157 ff. 3) Die letztere Identificierung halte ich für gescheitert. Baby- lonisch puhru würde ,Versammlung, Mahl' bedeuten; — iE aber bedeutet nach Esther 3t ,Los'. Das babylonische Neujahrsfest fällt in den An- fang des Nisan, das Purimfest auf den 14 15 Adar cf unten. — 4) Wiener Zeitschr für die Kunde des Morgenlandes VI 47 ff 209 ff. 5) -:-"•: MaoSo/aTog = zum "-- gehörig. 6) Die babylonische Göttin Istar, bei den Palästinensern r-r?>; die Gottheit der Liebe und des Venussternes, heisst bei den Mandäern s-r— Isträ cf Brandt Mand Schriften 45 A 6. in den Targumen -—:s oder s-^rcs cf Levy Trg Wb, bei den Zabiern ntcs Gesenius Thes 1 134, auf jüdisch-babylonischen Zauberschalen kommt der Plural sr-rc-s vor (nach einer Mitteilung des Herrn Dr Stube). Demnach ist -res im Esther- buche spätere Schreibung für Istar erwiesen: ,vocatum est nomen eius Esthera nomine stellae Veneris' Trg II ad Esther27 bei Gesenius ThesI134. 311 achtung gestützt, dass auch der Beiname Esthers Hadassa dh die Myrthe(n-Geschinückte) nach Jensen wahrscheinlich in einem baby- lonischen Wort für Braut — hadassatu — seinen Ursprung hat. Hienach hat Jensen behauptet, dass die Esthergeschichte ein babylonischer Mythus sei. Diese Behauptung erscheint nach dem Obigen vom religions- geschichtlichen Standpunkte aus im hohen Grade plausibel. Zur richtigen Beurteilung des Mythus ist zu bemerken: Da die Esthergeschichte als Legende des ,Purim'festes auf- tritt, so ist wahrscheinlich, dass auch in Babylonien der Istar- mythus die Legende des dem Purimfeste entsprechenden baby- lonischen Festes gewesen sei. Die ursprüngliche Istarerzählung ist ein Mythus; die Esther- geschichte ist Sage ; dh die Götter sind Menschen geworden, und die Dimensionen ihrer Handlungen sind in das Menschliche projiciert worden. Die Esthergeschichte spielt am Hofe eines persischen Kö- nigs; demnach ist die ursprüngliche babylonische Tradition mit Persischem vermischt worden. In dieser synkretistischen Gestalt ist sie zu den Juden gekommen x). Die Aufgabe der Forschung ist , zu untersuchen , welche Form der ursprüngliche babylonische Mythus besessen habe. Es ist vielleicht nicht überflüssig, zu betonen, dass es auch für solche Aufgabe Gesetze giebt. Die Keconstruction eines derartigen alten Mythus kann dem Forscher nur dann gelingen, wenn er an einer Fülle von Beispielen beobachtet hat, in welcher gesetz- mässigen Weise Mythen von Geschlecht zu Geschlecht überlie- fert werden, von Nation zu Nation wandern und schliesslich aus Mythen Sagen werden. Es giebt eine Methode der Mythen- forschung, gegen die man ebenso wenig Verstössen darf wie gegen die Methode der Philologie. Zum Verständnis des babylonischen Mythus hat Jensen richtig erkannt, dass darin eine uralte Befreiung Babyloniens vom Joche der Elamiter nachklingt. Dagegen sind seine übrigen Gleichungen nicht glücklich. Jensen hat den Mythus mit dem babylonischen Zwölf-Tafelepos 1) Die vorstellenden fundamentalen Erkenntnisse werden von Jensen in dem von Nowack Archäologie II 200 citierten Briefe ausgesprochen. 312 zusammengeworfen, dessen Held der sterbende und wiederer- stehende Eabani = Marduk sei ; das Estherfasten sei die Leichen- klage um Eabani; das Fest des Mythus sei das babylonische Neujahrsfest, das vom Judentum recipiert und wegen der Colli- sion mit Passah um einen Monat vorgerückt worden sei. Das einstweilen bekannte Material erlaubt solche Schlüsse nicht. Die Gleichsetzung mit dem Eabanimythus schwebt bei dem Mangel schlagender Ähnlichkeiten in der Luft; vielmehr trägt jener Mythus ganz anderen Charakter als die uns über- lieferte Esthergeschichte: die Hauptperson des Istarmythus ist Istar, nicht Marduk. Ebenso wenig erlaubt unser Material den Schluss, dass die Legende ursprünglich zum Neujahrsfeste gehört habe: der Mythus des babylonischen Neujahrsfestes ist uns be- kannt, es war der Schöpfungsmythus; von der Esthergeschichte aber wird ausdrücklich berichtet, sie gehöre zu dem Feste des 14/15 Adar1), also nicht zum Neujahrsfeste; es erscheint mir unmethodisch, eine überlieferte Tatsache zu Gunsten einer sehr fragwürdigen Vermutung umzustossen. Der Fehler dieser Gleichungen ist, dass sie voreilig aufge- stellt sind ; erst ist zu fragen , was die Esthergeschichte selber lehre; dann mag es Zeit sein, zu untersuchen, wie sich das uns zu Gebote stehende babylonische Material dazu verhalte. Man kann die ursprüngliche Gestalt des Mythus — natür- lich nur vermutungsweise — zu reconstruieren versuchen, indem man das Jüdische, sodann das tiefer liegende Persische entfernt und so auf den ursprünglichen babylonischen Untergrund zu kommen sucht, und indem man zugleich das Menschliche ins Göttliche zurücküberträgt. Die jüdische Zutat ist deutlich. Das Judentum hat diese Geschichte, die von einer Niederlage der Feinde der Babylonier oder der Perser berichtete, auf seine Feinde, dh auf die ,Heiden' bezogen und seinen Hass gegen die Heiden, wie sein Bedürfnis, von ihnen bewundert und geehrt zu werden, zugleich auch seinen Monotheismus in die Erzählung eingetragen. 1) Auch die Behauptung Jensens, dass das ursprünglich eintägige Purirufest durch Verbindung mit dem Xikanortage zweitägig geworden sei, ist unmöglich. Purim fand am 14 15 Adar statt; der Nikänortag fällt auf den 13 Adar cf Nowack II 195. 313 Persischer Herkunft ist die Einkleidung des Stoffes in eine Hofgeschichte ; auch die Gestalt des Königs, der in der Legende eine Null ist, mag persische Zutat sein x). Der' Mythus erzählt von dem Siege der babylonischen Götter über die elamitischen. Dabei ist das Eigentümliche, dass die rettende Tat nicht durch Marduk geschehen ist, sondern durch Istar2); nicht durch Mannes Mut und Kraft, sondern durch Weibes Schönheit und List. Istar hat den Haman bei einem Gastmahl in die Hand seiner Feinde gegeben ; darauf fiel das ,Mardukvolk' über seine Bedränger her. Jensen hat dabei auf die Parallele der Judithgeschichte hingewiesen: verwandt ist in beiden der Tod des Bedrängers durch die List eines Weibes beim Gastmahl und die darauf folgende Niederlage der Feinde. Aber obwol nicht der Befreier, ist Marduk dennoch durch Hamans Tod zu königlicher Ehre gekommen. Der Mythus mag erzählt haben, wie Istar, nach Hamans Tode, Marduk die Herr- schaft übergab. Jensen hat gesehen, dass in diesem Mythus Historisches nachklingt3): eine uralte Knechtung Babyloniens durch Elam und die Vertreibung der fremden Herren. Knechtschaft und Befreiung sind historisch beglaubigt. Im Mythus wird Marduk durch Hamans Untergang der König; dem muss in der Geschichte entsprechen, dass seit dem elamitischen Freiheitskriege Babel, Marduks Stadt, die Königin 1) Jensen setzt voraus, dass der menschliche König an die Stelle eines Gottes getreten sei; das ist nach dem Obigen nicht notwendig. "Weswegen dieser Gott grade Samas gewesen sein soll, weiss ich nicht. In der Estherlegende weist nichts auf einen Sonnengott hin. — Was in der Erzählung sonst noch persisch sein mag, entzieht sich meiner Beurteilung. 2) In der Legende ist Mardochaj Yetter der Esther 27. [Dasselbe Verhältnis besteht nach der einen babylonischen Tradition zwischen Marduk und Istar: Marduk ist Sohn Eas, Istar nach einer Tradition Tochter Anus (nach anderer eine Tochter Sins), Ea und Anu sind Brü- der cf oben p 17.] Z 3) Dies nationale Element ist freilich — soweit Kückschlüsse aus der Estherlegende erlaubt sind — nicht, wie Jensen will, dem Mythus erst nachträglich beigemischt, sondern vielmehr der eigentliche Inhalt des Mythus. 314 geworden ist. Auch dieser Schluss wird durch die Geschichte bestätigt. Es ist bezeichnend, dass dasselbe grosse Ereignis, das am Anfange der Geschichte Babels steht, in dem Schöpf ungs- mythus ebenso wie in diesem Istar-Mythus wiederklingt. So darf man vermuten, dass auch das Andere historisch ist, dass Elam vertrieben worden ist durch Istars Stadt, nicht durch Marduks Eesidenz, obwol diese durch jene Befreiung die königliche Herrlichkeit bekommen hat. Der Tag des Festes wird vom Mythus so motiviert gewesen sein, dass Haman das Mardukvolk an einem bestimmten Tage hatte vernichten wollen, dass aber derselbe Termin der Tag seines Unterganges geworden ist. Zum Mythus mögen noch gehören: die Namen ,der böse Haman' 761), das ,Mardukvolk' 3 6. So etwa würde man sich den ursprünglich babylonischen Istar-Mythus zu deuken haben. Ich betone nochmals, dass es sich bei solcher Eeconstruction um Vermutungen handelt. Und selbst der Basis der Eeconstruction fehlt, so lange der Name -na nicht befriedigend erklärt ist, die letzte Bestätigung. Nachdem wir im Vorhergehenden einzelne kosmologische Elemente in der Apokalyptik als babylonisch fixiert haben, nähern wir uns nunmehr unserm Thema, der Untersuchung von Ap Joh 12, indem wir dieselbe Frage für die Eschatologie des Judentums auf werfen. Wir haben bereits im ersten Teile dieses Buches einzelne Spuren des babylonischen Chaosmythus im spätesten Judentum aufgewiesen. Im Gebete des Manasse wurde die Fesselung des Meeres in der Urzeit mit sehr archaistischen Zügen beschrieben 3). Ebenso altertümlich redet Henoch 60 16 von dem Zaume, an dem ein Geist das Meer wie ein Ungetüm festhält 3). Die von uns mehrfach constatierte eschatologische Wen- dung des Mythus fanden Avir auch in Jes 27 i und W Sal 2; in beiden Stellen ist der Mythus, nach prophetischem Brauche, auf einen politischen Feind Israels bezogen 4). 1) Der ,Feind' 76, ,der Feind der Juden' 3io 8i 9io. 2) cf p 95. 3) p 52. 4) cf 88 f. 315 Die eigentümliche Originalität aller dieser Stellen machte uns deutlich, class der babylonische Chaosmythus dem Juden- tum noch in sehr später Zeit bekannt gewesen ist l). Andere Stellen zeigten uns den zur Weissagung gewordenen Chaosmythus ohne politische Deutung. IV Esra 6 52 2) deutet ge- heimnisvoll darauf hin, dass Leviathan und Behemoth noch eine Bestimmung haben : servasä ea, ut fiant in devoralionem, quibus et quando vis. Also diese Ungeheuer sollen einst getötet und dann verzehrt werden ; wann ? von wem ? Gott, der den Beschluss über sie gefasst hat, weiss es. Ebenso geheimnisvoll redet von diesen Ungeheuern auch Henoch 609f3). Als Henoch den Engel nach der Macht 4) jener Ungetüme fragt, antwortet der Engel 10: ,Du Menschensohn, du verlangst hier zu ivissen, tcas verborgen ist1. Man sieht also, dass die Kunde von dem letzten Auftreten Leviathans und Behemoths im Judentum als ein tief geheimes "Wissen gegolten hat. Doch haben wir noch in unsern Quellen einige Andeutun- gen, die uns diese Mysterien verraten. Ap Bar 29 berichtet von den Ereignissen der letzten Zeit, von der Offenbarung des Messias, und fährt dann fort: et revelabitur Behemoth ex loco suo, et Leviathan ascendet de mari, duo cete (vJtTr\) magna, quae creavi die quinto crea- tionis, et reservavi eos usque ad illud tempus; et tunc erunt in escam omnibus qui residui fuerint. Die Stelle erläutert IT Esra 6 52. Die Zeit, da Leviathan und Behemoth sich offenbaren' sollen, ist die letzte Zeit: wann der Messias kommt. Dann sollen sie gegessen werden von den ,Übriggebliebenen', denen das Heil zu sehen vergönnt sein wird 5) ; der Genuss des Fleisches dieser Ungeheuer wird Ap Bar als erster unter den Genüssen der ,residui' genannt6). 1) für !P Sal 2 cf 80. 2) Der Text ist oben p 64 mitgeteilt, 3) Der Text von Henoch 6O7— 9 oben p 63; die Fortsetzung des" Textes gebe ich nunmehr im Folgenden. 4) soll wol heissen: nach der Bestimmung? 5) Mc 13 13. 6) Im Folgenden Ap Bar 29sff die Beschreibung ihres Trankes — es ist die bekannte Stelle von dem wunderbar reich tragenden "Wein- stock — ; dann des Wolgeruches , der die Seligen erquickt, und des Manna, das sie anstatt des Brotes essen. 316 Dabei ist zu beachten, dass auch diese Stelle nichts darüber ■sagt, in welcher Weise Leviathan und Behemoth ums Leben kommen sollen. So tief ist das Geheimnis, dass man sich scheut, es dem Profanen zu offenbaren; der Kundige weiss es ohnehin. Etwas mehr erfahren wir aus der Antwort, die Henoch 6024f von dem Engel bekommt *) : 2 4 Diese zwei Ungeheuer sind bereitet, gemäss der Grösse Gottes gefüttert zu werden, damit das Strafgericht Gottes nicht umsonst sei2): es werden die Söhne mit ihren Müttern und die Kinder mit ihren Vätern getötet werden. 25 Wenn aber das Strafgericht des Herrn der Geister an ihnen zu Ende ist, dann wird es (überhaupt) zu Ende3) sein; dann wird das Gericht stattfinden nach seiner Barmherzigkeit und Geduld. Der Sinn der Stelle scheint zu sein: Einstweilen werden die beiden Ungeheuer von Gott noch gefüttert; denn Gott hat ein gewaltiges Strafgericht über sie vor; damit dies Strafgericht nicht umsonst (ohne Grund) über sie komme, müssen sie (gegen die Menschheit) ein furchtbares Verbrechen begangen haben: Söhne sammt Müttern, Kinder sammt Vätern werden (von ihnen) gemordet werden. So wird dann mit Fug und Recht ein furcht- bares Strafgericht Gottes über die beiden Ungetüme ergehen. Dies Zornesgericht aber ist das letzte, das Gott über die Welt hält; nachdem so der Zorn sein Recht bekommen, wird nun Gottes Barmherzigkeit und Nachsicht sich offenbaren können. Die Zeit, da Leviathan und Behemoth auftreten, ist nach 25 die Zeit unmittelbar vor dem Weltende d). Die Erwartung des Apokalyptikers scheint demnach zu sein: dem Weltende wird eine Zeit, da Leviathan und Behemoth auf Erden entsetz- lich hausen, vorhergehen; aber darauf folgt das Strafgericht Gottes über sie; nachdem dieses geschehen, kann nun auch Gottes Heil sich zeigen. 1) Die Frage und vorläufige Antwort 60 9 f und die definitive Ant- wort 24 f ist durch den Einsatz n — 23 auseinander gesprengt. 2) Der zwischen 25a und b eingeschobene Satz , damit das Straf- gericht des Herrn der Geister nicht umsonst über jene komme', in 25 ohne Sinn, scheint eine Variante zu 24b zu sein. 3) Dies der Sinn des äthiopischen Wortes, wie Herr Profess.or Prätorius mir gütigst mitteilt. 4) nicht, wie Dillmann Henoch 183 will, die Sintflut. 317 Die eigentümliche Dunkelheit unseres Textes mag durch die mehrfachen Übersetzungen, durch die er hindurchgegangen ist , mitverschuldet sein *) ; ist aber zT auch durch die Art dieser Tradition gegeben: nur ev uvottiqiv) kann man von solchen Dingen sprechen; man beachte dabei vor allem, dass auch hier der Untergang Leviathans und Behemoths nicht be- schrieben wird. Auch bei den Kabbinen kehrt die Tradition von Leviathan und Behemoth wieder. Die beiden Ungeheuer müssen sich in der letzten Zeit gegenseitig bekämpfen ; oder Gabriel wird mit Gottes Beistand eine Jagd auf Leviathan anstellen. Dann geben ihre Leiber den Seligen das köstliche Mal, von dem sehr viele Stellen sprechen. Auch dass Leviathan ein Ungetüm der Urzeit ist, ist noch nicht ganz vergessen. Eine Tradition hält fest, dass der (weibliche) Leviathan im Anfang getötet sei, und combiniert damit das Mal, das sein Körper im »an abis geben wird: der Leib des getöteten Tieres ist in der Urzeit eingesalzen worden und wird so für die Endzeit aufbewahrt a). Es ist im Vorhergehenden gezeigt worden, dass diese Tra- ditionen im letzten Grunde aus Babylonien stammen. Manches in denselben mag Hinzufügung der späteren Zeit sein , die den uralten Stoff durch grübelnde Combination und durch phan- tastische Ausschmückung vermehrt hat. In dieser Weise aber lässt sich nicht die ganze spätjüdische Leviathan-Tradition er- klären. Vielmehr hat diese Überlieferung eine ganze Reihe ursprünglicher Züge bewahrt. Besonders wichtig ist, dass der Leviathan-Mythus hier zwar in eschatologischer Wendung, aber ohne politische Ausdeutung vorliegt; wir haben hier also eine Form des Mythus, wie sie den Propheten bereits vorgelegen haben muss 3). Anderseits ist der Mythus in dieser Gestalt im AT nicht enthalten, sondern wird von demselben nur vorausgesetzt, kann also auch nicht daraus geschlossen sein. Dazu kommt eine Reihe von Einzelheiten: die Tradition, dass Leviathan das Meer, Behemoth die Wüste beherrscht; dass 1) cf oben p 63 A 3. 2) cf Weber Altsyn Theol 195 370 384, Grünbaum zur vergleichenden Mythologie ZDMG XXXI 274 ff. Eisen- menger II 872 ff. 3) cf p 87. 318 Leviathan weiblich, Behemoth männlich ist1); ist doch sogar die ursprüngliche Bedeutung Leviathans im Judentum nicht ganz unbekannt gewesen 2). So folgt, dass das Judentum eine vom AT unabhängige Tradition vom Leviathan besitzt. Die babylonische Erzählung vom Leviathan ist als Weissagung für die Endzeit in das späteste Judentum aufs neue eingedrungen. Gegen diese Auffassung wird man um so weniger Bedenken hegen können, als wir schon im Vorhergehenden darauf hinge- wiesen haben, dass der babylonische Chaosmythus sogar noch im Manichäismus 3) und Mandaismus 4) fortgelebt hat 5). Eine Reihe weiterer Belege kommt hinzu, zunächst der Traum des Mardochaios in den Zusätzen zu Esther. Add Esther LXX cap 1a — 10. 4 Und das war sein Traum 6) : siehe Lärm und Getöse, Donner und Erdbeben und 7) Schrecken auf Erden. 5 Und siehe, zwei grosse Drachen traten auf, beide im Begriffe zu kämpfen, und machten gewaltigen Lärm. 6 Bei ihrem Lärmen aber rüsteten sich alle Völker zum Kriege, das Volk der Gerechten zu bekriegen. ''Das war ein Tag von Dunkel und Finsternis: Not und Drangsal, Bedrängnis und grosser Schrecken auf Erden. 8 Da ward das ganze ge- rechte Volk erschreckt und fürchtete schon sein Verderben; sie machten sich zum Tode bereit 9 und schrieen zu Gott. Aus ihren Thränen8) aber entstand wie aus kleiner Quelle ein ge- ivaltiger Strom, Wassers die Menge, 10und9) Licht, und die Sonne gieng auf; die Ströme 10) aber giengen immer höher u), bis sie die Stolzen verschlangen1*). 1) cf oben p 63 f. 2) p 47 A 1. 3) p 54. 4) p 56. 5) Dass das Judentum heidnische Abbildungen von Drachen auf Gefässen und Siegelringen kannte, ist im babylonischen Talmud aus- drücklich bezeugt; die Stellen bei Ball in "Wace Apocrypha II 348. 6) Die Übersetzung folgt dem Texte von Swete (B) ; Ausnahmen sind angegeben. 7) y.cd sca A etc Fritzsche. 8) ißörjfjav nnbg rbv &tbv. clnb ök rrjs ßofjg cwtcjv ist .gewählt' gesagt Fritzsche. 9) /.tu tptos A, zweites Subjekt zu iyivsro cf 10 3. 10) Die gewöhnlichen Texte lesen rantivoi, Lucian norafioC, was vorzüglich passt. Diese Eecension enthält sonst für Add Esther einen 319 Die Deutung des Traumes, die LXX 10 6— 9 hinzugefügt wird, erklärt den Strom als Esther, die beiden Drachen als Mardochaios und Haman; ,die sich (im Gesichte) versammelt hatten, das Volk der Juden zu verderben, das sind die Heiden; die aber (im Gesichte) zu Gott schrieen und gerettet wurden, das ist mein Volk'1). Die Herkunft der Vision aus dem Chaosmythus2) ist sehr deutlich : dem Namen ,grosse Drachen' ÖQaxwTeg /.teyaloi entspricht bTun jrjnn Ez 293; sie machen Lärm und verbreiten Schrecken wie lF 7423 Job 41 17 Ez 32 32 W 89 10 65s etc cf oben p 84 97; sie treten auf am Tage des Dunkels cf Jes 17 u *F46 und weiter Ez 32: Job 3 s . 5) Der vom Schriftsteller beabsichtigte Dual ist von der Puneta- tion als Plural misverstanden cf oben p 200 A 2. 325 Es gehört gegenwärtig nach einer Arbeit von mehreren Generationen zum sicheren Besitze J) der theologischen Wissen- schaft, dass dies Capitel unter dem vierten Tiere die Griechen- herrschaft, unter dem elften Hörne Antiochus Epiphanes und unter dem, was von diesem Hörne erzählt wird, die Religions- not unter Antiochus versteht, und dass der Verfasser des Buches unter diesem Könige geschrieben hat. Damit ist der Ausgangspunkt für das Verständnis dieses Capitels gegeben. Der Zweck des Gesichtes ist, die in der Verfolgungszeit des Antiochus Lebenden zu trösten: ihr Verzweifelnden, denen der Tyrann die Beligion nehmen will, die das Weltreich unbarm- herzig zertritt, die ihr über die blasphemischen Worte des Frevlers erschreckt, die ihr sehnsüchtig zum Himmel blickt und ,wie lange, Herr?' fragt, höret die Vision des Daniel. Der alte Prophet weissagt von den Keichen, die über alle Welt und auch über euch kommen sollen; er verkündet aufs genaueste das, was euch jetzt betroffen hat. So höret denn zuerst, dass ihr Recht habt mit eurem Seufzen. Es ist jetzt wirklich ,eine Zeit der Drangsal, wie sie noch nie auf Erden gewesen*' 2) ; die letzte schreckliche Offenbarung des Bösen. Aber wisset, dass, was ihr jetzt erlebt, Gottes Wille ist; er hat alles dies nach seiner unerforschlichen Weisheit verordnet und vor vielen Geschlechtern seinem Propheten im Gesichte ge- zeigt. Ergebt euch in Gottes Willen, denn ,das Verhängte muss geschehen'3). Jetzt ist die Zeit seines Zornes4); haltet seinem Zorne still! Aber bedenket dabei, dass ihr auch schon jetzt in Gottes Hand seid. Nichts von alle diesem geschieht wider Gott; auch der Tyrann und sein gräuelvolles Regiment ist von ihm geordnet. Und dann höret auch den Trost. Es ist eine Zeit gesetzt: wenn diese Zeit um ist, wird Javan vergehen, und der Böse- wicht gestürzt; und dann kommt die Weltherrschaft — an Euch! 1) Freilich ist der Widerspruch gegen diese Erkenntnis noch nicht verstummt und wird auch zunächst wol nicht aufhören. 2) 12 1. 3) 1136. 4) 8 19. 326 Die eigentliche Weissagung des Capitels ist demnach, dass auf die Verfolgung des Antiochus nach Ablauf eines noch aus- stehenden kurzen Termins die Weltherrschaft der Juden folgen würde. Diese Weissagung konnte natürlich nur derjenige Leser verstehen, der die Geschichte des elften Hornes als seine Gegen- wart verstanden hatte. Um dies Verständnis sicher zu stellen, hat der Apokalyptiker die Deutung einzelner Züge im zweiten Teile des Capitels aus- drücklich angegeben. Die vier Tiere sind die vier Weltreiche, die der Verfasser von Babel bis auf Javan zählt l), Die zehn Hörner sind die zehn Könige Javans 2). Damit man ja nicht die Hauptsache, dass das elfte Hörn Antiochus Epiphanes vorstellt, verfehlen möge, werden eine ganze Eeihe von Einzelheiten für ihn ausge- sagt: nach den zehnen kommt ein elftes Hörn, der elfte Herrscher; drei der früheren Hörn er dh drei seiner Vorfahren 3) werden vor ihm ausgerottet; die Taten des Hornes sind die Religionsver- folgung. Nachdem aber die Weltreiche ihre Zeit vollendet haben, kommen die Heiligen zur Herrschaft: also stellt der Menschen- sohn das Volk der Heiligen dar4). 1) Wie er sie zählt, ist für unsern Zweck gleichgültig; dass er aber vier einzelne, ihm und seinen Lesern wolbekannte Reiche im Auge hat, also auch das zweite und dritte mit Namen hätte nennen können, sollte man nicht bezweifeln, gegen Behrmann zu Daniel 75. Behrmann fragt : .welchen Zweck hätte es für den Verfasser und den ursprünglichen Leserkreis des Buches gehabt, hier eine Anspielung auf ferne Ver- gangenheit zu machen?' Die Antwort ist oben auf p 186 gegeben: je mehr möglichst bestimmte, bereits erfüllte Weissagungen gegeben werden, je mehr ist der Seher als ,treuer Zeuge' beglaubigt. 2) Auch hier ist es völlig sicher, dass der Verfasser von zehn be- stimmten Königen redet, gegen Behrmann zu 7 s. Wie er die Zahl herausgebracht hat, untersuche ich hier nicht; die Lösung dieser Frage kann nur im Zusammenhange mit cap 11 gegeben werden, wo der Ver- fasser auf bestimmte Könige Javans hindeutet und damit uns sein Wissen und seine Beurteilung der Diadochengeschichte enthüllt. 3) Auch das sind natürlich bestimmte Könige, gegen Behrmann zu 7 8. 4) Auch dies ist in der Deutung mit aller Klarheit ausgesagt, gegen Behrmann zu 7 u. 327 Damit sind freilich nur einige der Züge aus der Vision gedeutet. Man erwartet natürlich, dass alle übrigen Züge ebenso in die Deutung aufgehen. Der praktische Wert der "Weissagung wird ja um so grösser, je mehr Einzelpunkte geweissagt sind1); und dem, der den Schlüssel der Deutung hat, müsste — so er- warten wir — der geheime Sinn aller dieser Bilder sofort in die Augen fallen. Diese Erwartung wird nun aber nur sehr teilweise erfüllt. Wenn wir auch annehmen, dass wir manches, was der Apo- kalyptiker andeuten wollte, nicht mehr recht verstehen, so die drei Rippen, die doch wol die drei Stammprovinzen des zweiten Reiches, die vier Köpfe, die wol die vier persischen Könige 11.2 bedeuten; wenn wir auch ferner bei Einzelheiten mit der Mög- lichkeit der Textverderbnis rechnen 2); so lässt sich doch nicht leugnen, dass Einzelnes in der Vision gar nicht auf Deutung berechnet ist. Warum kommen die Tiere aus dem Meere? In der Wirk- lichkeit ist nur Javan vom Meere her gekommen; die übrigen Reiche vom Lande. Was sollen die vier Winde, die das Meer kreissen machen? 1) cf oben p 186f. Darum die ausführlichen Weissagungen in cap 11; deren Sinn die neuesten Danielcommentatoren Meinhold und Behrmann nicht verstanden haben. — Dass diese Exegeten in diesem und ähnlichen Fällen dem Apokalyptiker so wenig gerecht werden, ist in ihrer Scheu begründet, sich entschlossen und consequent auf den kritischen Standpunkt zu stellen. Die Devise ,pone haec dici de An- tiocho, quid nocet religioni nostrae ?• ist zwar aus der gegenwärtigen Situation verständlich, aber doch sehr ungenügend. Die Kritik soll nicht nur nicht schaden, sondern sie soll nützen. Positives schaffen, Verständnis bringen. Sie nützt aber nur, wenn man sie entschlossen betreibt. 2) Die ,Ausraufung' der Flügel des ersten Tieres passt nicht in den Zusammenhang, der vom Antritt des Weltregiments handelt: die Vernichtung seiner Herrschaft kommt erst in Vers 12. Ich vermute Cor- ruptel in •-— r. Ebenso ist ----- j-'- 5 ganz unverständlich ; man ver- mutet || 1 ein Wort = .auf das Hinterteil'. In Vers 8 (ebenso 20) scheint ein Prädicat der Augen ausgefallen zu sein: Augen, die hochmütig blickten Jes 10 12 II ;zz- hhac zt cf die Deutun? Dan 823. 328 Was bedeutet, dass das erste Tier die Haltung und den Verstand eines Menschen bekommt? Warum sind die Reiche grade durch diese Tiere: Löwe, Adler, Bär, Panther, dargestellt? Wie erklärt sich, dass dem vierten Reich keine bestimmte Tiergestalt entspricht? So sicher es ist, dass ,des Menschen Sohn' nach der Deutung des Apokalyptikers selbst ein Bild Israels sein soll, so ist es doch ein sehr merkwürdiges Bild für ein irdisches Volk: ein Menschensohn, kommend mit den Wolken des Hünmels x). Schliesslich ist ein Hauptpunkt des Capitels, die geheime Zahl dreieinhalb, aus dem Zusammenhange ganz unerklärlich. Fasst man den Eindruck, den diese Argumente machen, zusammen, so folgt, dass Dan 7 nicht eine vom Schriftsteller er- fundene Allegorie, sondern ein von ihm übernommener und allegorisierter Stoff ist. Welcher Stoff aber Dan 7 zu Grunde liegt, kann nach den bisherigen Ausführungen nicht zweifelhaft sein. Tiere, die aus dem Wasser emporsteigen und gottfeindliche Weltreiche be- deuten, sind uns aus dem Obigen wolbekannt, Dan 7 ist mit Jes 30t Ez 29 32 f-6831 874 Jes 27i *F 74 W Sal 2 2) aufs nächste verwandt3) und daher auch ebenso wie diese Stellen zu beurteilen. Nun ist oben gezeigt worden, dass diese Stücke den babylonischen Chaosmythus enthalten, der eine Weissagung geworden war und herkömmlich auf einen politischen Feind gedeutet wurde. Dasselbe gilt also auch für Daniel 7. So folgt, dass auch Dan 7 im letzten auf den babylonischen Tiämatmythus zurückgeht. Man beachte, dass unter den ver- wandten Stellen eine ganze Reihe in sehr späte Zeit gehört; Jes 27 1 ^6831 fallen etwas früher, '*¥ Sal 2 sogar noch später als Daniel, *F 74 in dieselbe Zeit. So können wir con- 1) Dies Bedenken erklärt, dass man immer wieder versucht hat, den Menschensohn als Messias zu erklären, so letztlich wieder Behrmann. 2) cf oben p 87. 3) Diese Verwandtschaft ist auch von den Danielexegeten stets anerkannt worden. Entferntere Verwandtschaft besteht zwischen Daniel 7 und Jes 17 12— u Jer 423—26 Hab 3 s I1 46 Jes 59i9f (cf oben p 100 —110 138) cf auch Add Esther 14— 10 (cf oben p 318). 329 statieren, dass dieser Stoff grade in spätjüdischer Zeit besonders beliebt gewesen ist. Im Einzelnen stimmt Dan 7 mit den übrigen Recensionen im Folgenden überein: Es sind ,Tiere' -,vri wie W 6831 nm, IVEsra 6^f aniniae, Ap Bar 294 Henoch 60t -/.»jr/,, die aus ,dem grossen Meere' «a-t iw wie Jes 51 10 -31 tnrrn, W 74iaf Job 3 s 7 12 Er (cf oben p 83), *F 18 17 Hab 3 15 Add Esth I9 izpnn O"»», hervorsteigen -jpbo 3 wie Ap Bar 294 (Leviathan ascendet de marij cf IVEsra lli 133 Syr. Vor ihrem Emporkommen machen die Winde tvh des Himmels das Meer kreissen 2; in Gen 1 schwebt im Anfange der Geist im brütend über den Wassern. Hier ist also ein uralter Zug treu bewahrt. Das "Wort ma findet sich in ähnlichem Zu- sammenhange Ez 322 Job 38 s. Diese Tiere herrschen, obwol zum "Wasser gehörig, auch auf der Erde; auch dies ist ein uraltes Motiv, das auch V Sal 233 nachklingt. Ihre Herrschaft ist ein Regiment der Schrecken; die Tiere sind Gottes und der Menschen Feinde. Dasselbe in Ez 29 32 *P 6831 Jes 27 1 f 74 *P Sal 2 cf Ez 32 32 «F 74s 10 is 23 89 11 W Sal 2i 25 etc. Das gottwidrige Wesen der Tiere stellt sich am deutlichsten im vierten Tiere dar: Es ,zertritt' mit den Füssen, was es nicht gefressen hat :; der Ausdruck odi wiederholt sich in etwas anderem Zusammen- hange Ez 322 W 6831. Das elfte Hörn lästert Gott; auch dies ein ständiger Zug im Chaosmythus cf *F 74 is W Sal 2s2f Ez 29 s etc. Es führt Krieg gegen die Heiligen und überwindet sie n yQaqig clv&Qwnov Jes 81 cf /ueTQov üv&Q(ü7iov Ap Joh 21 17 gewöhnliche Rechnung. Lesefehler sind vielleicht xcu Hälft 11 -asn für ~sr: cf p 351 A 2 und i&uvpüo&r] önlobi tov &r]o(ov 3 r-nn "^:s!,: na-pi verlesen für SnTraw ,die ganze Welt entsetzte sich über das schliessliche Geschick des Tieres' (darüber nämlich, dass es am Leben blieb). Die Construction d-avfiuCtadcu dniont ist weder im Griechischen noch im Hebräischen, soweit ich weiss, be- legt, r-^ns heisst der endliche Ausgang einer (kritischen) Sache, das schliessliche Geschick einer Person. 3) Vischer 85. 4) cf Behrmann Daniel p XXXIX. 359 plausibel genug wäre. Dazu kommen wörtliche Berührungen 13ö Dan 7s, 13? Dan 7211). Anderseits haben die Capitel viele originelle Züge, zB cap 17 die rote Farbe des Tiers, die Namen der Lästerung, die Verwunderung; cap 13 den ,Pseudopropheten'7 das abgeschlagene Haupt, die Bundesgenossen, so dass die An- nahme literarischer Abhängigkeit allein nicht genügen würde. Demnach constatieren wir, dass cap 13 und 17 Daniel gegen- über zT selbstständige Tradition enthalten, zT auch literarisch- abhängig sind. Die Grenzen des Einen gegen das Andere sind nicht überall sicher auszumachen. Sicher erscheint mir die Ab- hängigkeit bei 135 13 t; man beobachte, dass das Lästern des Tieres zweimal, in den parallelen Versen sa und e geschildert wird; daran ist Vers sa der Danielstelle im Wortlaut sehr ähn- lich; dagegen ist der von Daniel im Wortlaute abweichende Vers auch seinem, eigentümlich mythologischen Inhalte nach höchst originell; hier mag Tradition und aus Daniel Über- nommenes neben einander stehen 2). Das Verhältnis der Tiercomposition von Ap Joh 132 zu den vier Tieren Daniels ist von den Literarkritikern bisher stets so erklärt worden, dass die Ap Joh die vier Tiere aus Daniel ge- schöpft und zu einem Mischwesen zusammengezogen habe. Anders aber steht die Sache für uns, nachdem wir in Ap Joh eine teilweise von Daniel unabhängige Tradition constatiert und anderseits in unserer Untersuchung von Dan 7 als wahrschein- lich gefunden haben, dass die vier Tiere des Daniel aus einem Tiere durch Differenzierung entstanden sind 3). Wir werden demnach urteilen müssen, dass hier Ap Joh gegenüber Daniel das Ursprüngliche bewahrt hat. Schwieriger ist das Verhältnis der sieben Köpfe und zehn Hörner in cap 13, 17 und 12 zu Daniel, wo das vierte Tier gleich- falls zehn Hörner hat, und die vier zusammen sieben Köpfe be- sitzen. Das Zusammensein von sieben Köpfen und zehn Hörnern 1) 13 s aro/uct XttXovv fieydka = Dan 7 s pai hbton zz' LXX 0 Grauet XaXovv utyi'O.u; Ap Joh 137 Tioirjaat, nöXiuov iutk tiov aylarv xtu vixftaat ttvrovs = Dan 7 21 ~V r';:-- po-ip-a» 2-- s—". 2) Die Angabe des Termins 5b ist wenigstens nicht wörtlich aus Daniel genommen ; ob sie selbstständige Tradition ist, vermag ich nicht zu sagen. 3) cf oben p 332 f. 360 ist, weil unvorstellbar, sicher nicht originell. Die Diademe werden ursprünglich auf den sieben Köpfen gewesen und von da erst auf die Hörner übertragen sein; denn Diademe gehören auf den Kopf. Ferner passen die Diademe ihrer Natur nach nicht auf das Haupt eines Tieres, sondern entstammen einer zeitge- schichtlichen Deutung. Es ist charakteristisch, dass wir in diesem, am häufigsten zeitgeschichtlich gedeuteten Punkte x) in eine Geschichte hineinsehen, die so compliciert ist, dass wir sie nicht mehr zu enträtseln vermögen. Der Hauptsache nach sind demnach cap 13 und 17 Varianten der Danieltradition. Nun ist Daniel 7 selber ein Glied in einer grossen Kette, der Geschichte der Überlieferung des babylonischen Chaosmythus. Dadurch kommen auch cap 13 und 17 in einen grossen Zusammenhang. Demnach sind Ap Joh 13 und 17 Absenker von dem Stamme des babylonischen Chaosmythus. Für dieselbe Behauptung ist eine zweite Reihe von Beweisen aus der Yergleichung von cap 13 und 17 mit der babylonischen Tradition und mit den alttestamentlichen Anspielungen zu ge- winnen. Zunächst diejenigen Züge, in deuen sich für die apokalypti- schen Traditionen mehr oder weniger deutliche babylonische und alttestamentliche Parallelen finden. Da hören wir von einem Ungetüm, das zur Abyssus gehört 17s. Es heisst 11; ,das Tier2), das aus der Abyssus empor- steigt'. Das ist ein Name wie Jes 27 i Ez 322 cf 293 ,der Drache im Meere'. Das Attribut rö avaßaivov bt t^g aßvooov setzt voraus, dass die eigentliche Stätte des Tieres die Tiefe der Abyssus sei, woselbst es auch gegenwärtig weile, und woher es in der letzten Zeit emporsteigen werde cf 17 s y.al [xellei ava- ßaiveiv3) i/, i^g aßvaoov. "Aßvoooq, ist das griechische Äqui- 1) Sieben (Ptolemäer-)Könige zählt auch Or Sib in 192 318 608, die zehn Hörner als Seleuciden kennt III 397. 2) zum Ausdruck ,Tier' cf ¥* 6831 Dan 73 cf oben p 329. 3) zum Ausdruck uvaßcdrtiv cf Ap Joh 13 1 Dan 7 3 IV Esra 11 i 13 3 Syr Ap Bar 294. 361 valent für sinn, den hebräischen Terminus des Urmeers, baby- lonisch Tiämat. Ebenso heisst es Ap Bar 29 4: Leviathan ascen- det de mari. Mit täirm wechselt er zB fF 89io 74i3 Job 7 12, mit aßvaaog d-a/.aoocc Ap Joh 13 1; so sind auch wol zu fassen die vdaia TtoXlä Ap Joh 17 1 l) = btbti £3*3in || B^nn Ez 26 19 31 15, in Stellen, die dem Mythus mehr oder weniger nahe stehen zB 'f'lSir Hab 3 15 Add Esth I9 etc, cf am öinri Jes 51 10 Gen 7 11 etc und mi «731 Dan 7a. Das Tier hat sieben Köpfe 13 1 173; Leviathan ist mebr- köpfig f 74m; auch eine babylonische Tradition kennt eine mythologische ,siebenköpfige grosse Schlange', welche unmittelbar neben der ,grossen Schlange des Meeres' erwähnt wird2). Die Beschreibung des Tieres 132 erinnert an Babylonisches; ein Löwenmaul hat Tiämat auch in einer der uns erhaltenen babylonischen Abbildungen 3). Das Andere, Stücke vom Pardel und Bär, ebenso wie die Zehnzahl der Hörner4), lässt sich einstweilen nicht über Daniel hinaus verfolgen. Doch können wir aus unserm geringen Material erkennen, dass die Tradition über Tiämats Gestalt mehrfach geschwankt hat 5). Dies Tier hat von der Abyssus aus auf Erden Besitz er- griffen, wo es die Gottheit lästert und die Menschen bedrückt. Dasselbe setzen viele hebräischen Parallelen voraus; namentlich die ,Lästerung' ist ein immer wiederkehrender Zug W 74 18 W Sal 2 32f Dan 7 s. Ähnliches in den babylonischen Traditionen. Dabei ist 13 6 das Lästern des ,Zeltes' Gottes und ,der im Himmel 1) cf oben p 345 A 4. 2) cfobenp42. [Mit dieser siebenköpfigen babylonischen Schlange haben schon Delitzsch Paradies 148 nnd Schrader in Riehms Hw2 328f das Tier der Apokalypse zusammengestellt.] Z 3) II Tim 4 17 ist ,der Löwe' ein Name des Teufels cf IPt 5 s. 4) Dass die babylonische Tradition ein Hörn der Tiämat kennt, ist bereits oben p 332 gezeigt worden. 5) Mäni (Flügel Mani 86) beschreibt die Gestalt des Wesens der Finsternis so: Löwenhaupt, Drachenleib, Yogelflügel (p 194 genauer Adlerflügel), Fischschwanz, vier Reptilienfüsse. Bei den Mandäern hat Ur der ,König der Finsternis' Lowenkopf, Drachenleib, Adlerflügel, die Flanken der Schildkröte, Hände und Füsse des Unholds (sas-sV) und ist zweigeschlechtig; ,in dem Hauche seines Mundes kocht das Eisen'. (Brandt Mandäische Eeligion 43, Mandäische Schriften 226.) 362 Zeltenden' auch dem an Polytheismus anklingenden Ausdruck nach uralt: das Tier lästert die Götter des Himmels cfDanl.1361). Dem ,Tiere' ist ein zweites Wesen zugesellt, wie im AT Rahab und Tannin Jes 51 9, Leviathan und Behemoth Job 40 f, Leviathan und hat-Tannin Jes 27 1, und wie im Babylonischen Tiämat und Kingu neben einander stehen. Dies zweite Tier übt die Macht des ersten ,vor ihm' dh in seinem Namen und Dienste aus 13 12 2). Nach dem Yorbilde dieses Yerhältnisses hat auch der Redactor, der cap 12 und 13 verbunden hat, das Verhältnis des Drachen und des ersten Tieres gedacht. Tiämat hat Kingu ihre Macht übertragen. Das zweite Tier kommt von der Erde, das erste vom Meere; ebendasselbe von Behemoth und Leviathan Job 40f Ap Bar29i IVEsra 649 — 52 Henoch 60 7 — 9. Im Babylonischen nicht belegt. Das zweite Tier lässt Feuer vom Himmel fahren; Kingu scheint ein Feuergott zu sein 3). Für die zwei Lammeshörner giebt Dan 83 eine Parallele; aber auch Berossus erzählt von Chaoswesen, die Ziegenhörner gehabt hätten 4). Zum letzten Kampfe holen sich die Tiere Bundesgenossen herbei 16i3f 16 19 19 17 12; ebenso hören wir in den älteren Re- censionen von den ,Helfern Rahabs' cf p 8 22. Auf das Gericht über die Tiere folgt ein neuer Himmel und eine neue Erde 21 1. Hier hat die apokalyptische Tradition noch das Uralte festgehalten, dass diese Geschichte ursprünglich eine Schöpfungsgeschichte war, was auch in den alttestamentlichen Recensionen zuweilen durchklang 5). Höchst charakteristisch ist dann die Fortsetzung: ,aber das Meer war nicht mehr da'. Das Wort ist nur zu verstehen, wenn ,das Meer' in der früheren Welt das gottfeindliche Princip ge- 1) Zum Ausdruck 136 tovs ii> rw ovoccno ay.r}vovvT«g cf 12 12 darf man vielleicht daran erinnern, dass die Häuser, in denen die Gestirne wohnen, in den babylonischen Abbildungen Bohrhütten gleichen [cf zB The Cuneiform Inscriptions of Western Asia Vol V 57]. Z 2) cf oben p 358 A 2. 3) [vgl dazu Delitzsch in Beiträge zur Assyr 2 434 Anm.] Z 4) cf oben p 17 [und die Texte über , Göttertypen' Zeitschr für Ass 9 (1894) p 116 f.] Z 5) cf oben p 84 und 329. 363 wesen ist. Wir haben hier also eine Anschauung vom Meere, die sich nur aus dem Zusammenhange des Chaosmythus erklärt. So erhalten wir das Hecht, eine weitere Keihe von Zügen der Capitel, die in den anderen Recensionen nicht belegt sind, für den Mythus in Anspruch zu nehmen. Cap 13 lässt zwischen den Zeilen von einem Kampfe lesen, der vor der eigentlichen Besiegung des Tieres stattgefunden hat. Ein Haupt wurde darin dem Tiere abgeschlagen, aber das Tier blieb am Leben. Die "Welt verwunderte sich l), das Tier froh- lockte, die Götter höhnend, über seiue Unbesiegbarkeit. Im babylonischen Mythus wird Ähnliches erzählt; Anu und Ea wurden zum Kampfe gegen Tiämat aufgefordert; doch scheint es nicht zum Streite gekommen zu sein. Hier haben wir also eine Variante, die uralte Färbung trägt. Das Wort, das die Welt ausruft: ,Wer gleicht dem Tiere? wer kann es bekämpfen?1 — in babylonischer Rückübersetzung ein Yers von vier He- bungen, der Vers der babylonischen Epen — könnte wortgetreue Überlieferung sein 2). Ebenso ist die rote Farbe des Tieres 17 s3) sicherlich alte 1) Man beachte, dass die Herrschaft Behemoths über die Tiere des Feldes Job 4020 — freilich in unsicherem Texte — mit einem ähn- lichen Worte i'"ix-:- , sehen ihm staunend zu' beschrieben wird. 2) In einer mandäischen Quelle (cf Brandt Mandäische Schriften 231 f) wird der Übermut Urs ganz ähnlich beschrieben; er sprach: giebt es einen, der grösser ist, denn ich? giebt es einen, der mir gewachsen ist? ... . Oder ist einer, der stärker wäre als ich? So will ich auf- stehen, will mit ihm kämpfen; will ich aufstehen, will kämpfen mit ihm-. ,Ich will emporsteigen zu dieser leuchtenden Erde, und mit ihrem König will ich kriegführen, will nehmen seine Krone und sie mir ums Haupt binden, und werde sein König der Höhe und der Tiefe' (cf */' Sal 233). — Auch Job 41 scheinen Anspielungen an solche Kämpfe Leviathans gegen die Götter vorzuliegen cf oben p 55 f. 3) Das grosse Tier, das dem Hermas Vis IV begegnet, ist den apokalyptischen Tieren jedenfalls verwandt. Aus einem die Sonne ver- dunkelnden Staube Ap Job 92 tritt es hervor; es sieht aus wie ein Walfisch y.fjrog Henoch 60 7, aus seinem Maule gehen feurige Heuschrecken hervor Ap Joh 16 13 92ff 7ff, es hat einen Kopf wie eine Schildkröten- schale (cf p361 A5); als Hermas durch seinen Glauben und den Schutz 364 Tradition, aber im Babylonischen bisher nicht belegt Der Sinn dieser Farbe ist nicht mehr deutlich. Nach der Überwindung der Tiere wird in beiden Traditionen 21 2 o von der Hochzeit des Gottes-Überwinders gesprochen ; wobei 9 das Weib den Namen ,die Braut' J) zu führen scheint. Dieser Zug würde vorzüglich in uralte mythologische Tradition passen: nach dem Kampfe der Heldendank, die Braut; nach der Besiegung des Chaos und der Neuordnung der Welt begründet der Gott eine neue Götterdynastie. Die ,Namen der Lästerung' 17 3 5 13 1 darf man vielleicht als etwas den ,Besitz'tafeln Paralleles auffassen 2). Das Weib sitzt in einer Wüste 173. Wir finden mehrfach in den Chaoserzählungen ein Nebeneinander von Wasser und Wüste, so bei Berossus, im AT W 74 u Ez 29s 324—6; nach Henoch 60 t— 9 lebt Leviathan im Meere, Behemoth in der Wüste des über die Tiere gesetzten Engel Qtyoi glücklich an ihm vorüber ist, begegnet ihm eine Jungfrau, geschmückt wie aus dem Brautgemache kommend, ganz in weisse Gewänder gehüllt cf Ap Joh 21 2 9. ,Dies Tier ist der Typus der grossen kommenden Not'. Es hat auf dem Haupte vier Farben: schwarz, feuer- und blutfarbig, golden, weiss, die nachher cap 3 als die Welt, die Verfolgung, die Geprüften und Bewährten, der kommende Äon allegorisiert werden. Nach Harnack Patr apost opera III p LXXVI hat Hermas die Ap Joh nicht gekannt. — Bei dem roten Tiere denkt Spitta, nachdem er ihm die Hörner und Köpfe genommen hat p 183, an einen Esel p 447. 1) IV Esra 726 ist von der , Braut' nicht die Eede. Lat Syr et apparebit sponsa ,et' om Maz apparescens civitas jj vutu(f r\ ipaew/tivt}, verschlimmbessert aus ?j vvv ui] (fcuvoutvt] arm ar aeth 527 manifesta- bitur urbs quae nunc non apparet; parallel ist ,et ostendetur quae nunc subducitur terra'. 2) cf dazu oben p 22. Auch in der mandäisehen Erzählung vom Kampfe des Hibil-Ziwä mit Krün, dem erstgeborenen Könige der Finster- nis, einer Erzählung, die Brandt Mandäische Schriften 150 f mit dem babylonischen Tiämatmythus vergleicht, ist von dem ,Passe' die Bede, dh einem Siegelringe, ,auf welchem geschrieben und gemalt war der Name der grossen Finsternis, der verborgen war, den er nicht gesehen hatte von dem Tage, da er gepflanzt worden, an'. Diesen ,Pass' muss Krün, von Hibil-Ziwä besiegt, ihm aus seiner Schatzkammer heraus- geben: durch diesen ,Pass', den alle Wesen der Tiefe anerkennen, ge- winnt der göttliche Held die Eückkehr zur Oberwelt. 365 Dendäin. Man darf vermuten, dass hier uralte Xaturanschauung hervortritt: in der Urzeit, ehe die segnende Gottheit das Frucht- land geschaffen hatte, war die "Welt Wasser und Wüste. Das Chaoswesen erscheint cap 17 als Weib, auf dem Tiere sitzend. Da Tiamat ein Weib ist *), könnte dieser Beschreibung sehr wol eine alte cultische Darstellung zu Grunde liegen. Es ist in der Eeligionsgeschichte sehr gewöhnlich, dass ältere Keligion die Götter als Tiere dargestellt hatte, dass aber eine spätere Zeit die höhere, anthropomorphische Abbildung vorzog und das Tier, das aus der Überlieferung überkommen war, mit der menschlichen Gestalt des Gottes in irgend eine Beziehung setzte: dann hält die Gottheit das Tier in der Hand, oder sie hat es auf dem Kopfe, oder sie trägt irgend ein vom Tierkörper genommenes Zeichen, oder sie steht oder sitzt darauf2). Man beachte, dass die Göttin in der Tradition von Ap Joh 17 dieselbe Farbe hat wie das Tier, auf dem sie sitzt. Dabei mag das Weib irgend 1) Berossus ywalxa cf oben p 18. 2) Man vergleiche die Abbildungen in Eiehins HW 250 108 113 129, ferner in Rosebers Lexicon der griecb und röm Myth 1194 das Bild des Juppiter von Doliche mit Donnerkeil und Beil auf dem Stiere = Marduk (cf dazu die Abbildung Biebm Hw 129). besonders das Bild der pbönicischen Anat, die auf dem Löwen sitzt HW 111. — Die Manier. die Götter auf Tiere zu stellen, stammt nach Ed Meyer (in Bosebers Lex 1191) aus Babel und ist von dort nach Syrien und Cilicien ge- drungen. Als cbarakteristisch-babyloniseb wird diese Manier auch von Dtjes 46 1 2 verspottet: 1 Bei bricht zusammen, Nebo stürzt. Ihre Bilder waren auf Tiere gestellt, ihre (Gussbilder?) dem Yieh aufgeladen; Eine Last für das ermattete und erschöpfte, -das zusammenbricht, niederstürzt zugleich. Da bleibt die Last nicht heil, sie selber aber werden zerschmettert. (Für ::ts':: vielleicht orsTitoöa ; die 2 ps plur ist sicher verkehrt. LXX hat vor rz-y ein paralleles Wort, für "»a»a ist ~z~z zu lesen.) Der Prophet meint, die Tiere hätten nun lange genug ihre Götter getragen und würden jetzt, müde geworden, ihre Last fallen lassen, wobei Gott und Tier zu schaden kommen. Dem wird Jahve gegenübergestellt, der nicht getragen wird, sondern selber trägt, und zwar in Ewigkeit trägt. 366 etwas in der Hand gehalten haben, was man sich als Becher deutete und mit ihrer trunkenen Unzucht oder ihrem Blutdurst in Beziehung setzte. Das Weib führt den Namen : die grosse Hure x). Man darf vielleicht daran erinnern, dass im babylonischen Mythus Tiämat ihren Sohn Kingu zum Gemahl erwählt hat2). Sie heisst ferner: die Mutter der Huren 3) und der Greuel der Erde. Nach Damascius -1) heisst dies Urwesen ,Mutter der Götter'. Nicht undenkbar wäre es, dass der apokalyptische Name eine jüdische Verdrehung des babylonischen wäre; oder soll man daran denken, dass d:.e furchtbaren Chaosungeheuer Kinder der Tiämat sind5)? Die Zeichen des zweiten Tieres 13 13— 17 6) haben im Baby- lonischen einstweilen keine Parallele. Doch da hier weder jüdische Dogmen noch zeitgeschichtliche Anspielungen deutlich hervortreten, scheint mir das Wahrscheinlichste zu sein, dass auch hier mythische Züge zu Grunde liegen, vielleicht indess stark jüdisch verarbeitet sind. Man wird an der vorgetragenen Deutung dieser Capitel nicht dadurch irre werden, dass eine ganze Reihe von Punkten in dem uns bekannten babylonischen Material nichts oder nur entfernt Analoges hat 7). Dies zeigt eben nur, dass der Mythus in sehr vielen Varianten die Jahrtausende hindurch existiert hat. Zudem muss offen gehalten werden, dass die persische Überlieferung, durch welche der Mythus vielleicht hindurchge- gangen ist, einzelne neue Züge angesetzt hat. Wenn demnach die ganze Anlage und eine Fülle einzelner Punkte in diesen Capiteln mit der babylonischen Urtradition 1) Wie die jüdische Tradition diesen Namen sich zurecht gelegt hat cf p 347 A 3. 2) Im Mandäischen ebenso Brandt Mand Schriften 187 f. 3) cf p 347 A 2. 4) cf oben p 17. 5) Wie im babylonisch-aramäischen nach armenischer Tradition das Weib Om orqaje ,Mutter der Unterirdischen' cf oben p 18, oder wie im Mandäischen Qin ,Mutter der Finsternis' heisst Brandt Mand Sehr 146. 6) cf p 351 A 3. 7) Ich mache die Assyriologen auf diese Punkte aufmerksam. 367 übereinstimmen, so haben dennoch die Capitel ihre höchst charakteristische Eigenart. Der Hauptunterschied ist, dass die uns bekannte babylonische Erzählung in der Urzeit spielt, während die Schilderungen der Ap Joh Offenbarungen über die letzten Dinge sind. Wir haben diese eschatologische Benutzung des Chaosmythus bereits mehr- fach constatiert, zuletzt Dan 7 Ap Bar 29 4 IV Esra 649 — 52 Henoch 6024fi). Solche Übertragung des Urmythus in die letzte Zeit mag den Modernen sonderbar erscheinen; dem Judentum und dem ältesten Christentum ist eine derartige Identifizierung der ersten imd der letzten Dinge nichts Fremdes. Wie die alte Welt, der erste Himmel und die erste Erde2), am Anfange durch Gottes Wort geschaffen sind, so erwartet man für die letzte Zeit eine neue Schöpfung3) nunn --na 4) 7.aivr\ y.zioig 5), in der ein neuer Himmel und eine neue Erde 6) entstehen. So wird eine u7tov.aio.OTua ig navxatv, durch die das Alte vergeht und Alles neu wird, der Schöpfung am Anfange gegenübergestellt. Diese zweite Schöpfung wird ganz nach Analogie der alten gedacht. Wie der alten AVeit zB ein Stillschweigen vorausgieng, so heisst es auch von der letzten Zeit: et convertetur saeculum in antiquum silentium diebus VII sicut in prioribus initiis. ita ut nemo derelinquatur 7). Wie an der Spitze der alten Menschenwelt eine Person 1) cf oben p BUS 328. 2) Ap Joh 21 1. 3) Henoch 72 1. 4) Weber Altuyn Theol 382. 5) II Kor 5i7 Gal 615 = öivitoa nldaig Barn 613. — Der Aus- druck .Xeuschöpfung; ist ursprünglich vom Makrokosmus genieint, dann auf die Menschen der letzten Zeit, schliesslich auf den einzelnen Menschen, in dem auch .alles neu' wird, übertragen. 6) Jes 65 17 6622 Henoch 91 16 cf IV Esra 7 31. 7) IV Esra 7 30 cf Ap Bar 3 7 et saeculum redibit ad silentium pristinum. Dies uranfänglicbe .Schweigen' wird IV Esra 730 cf 639 auf das Schweigen, bevor eine Menschenstimme erscholl, gedeutet und daher auf sieben Tage — die Tage vor Schöpfung der menschlichen Sprache Gen 2 19 — berechnet. Ursprünglich war es wol die aiyr] Gottes, die dem köyog voraufgieng Sap Sal 18 uf Ignat ad Magnes 82. 368 stand, deren Handeln und Leiden das Geschick seiner Nach- kommen bestimmte; so wird die neue Menschheit inauguriert durch eine neue Gestalt, deren Bild sie tragen wird x). Wie Sünde und Tod des ersten Adam, des alten Menschen 2) für die frühere Epoche entscheidend waren, so wird es Gerechtigkeit und Leben des neuen Menschen, des zweiten Adam für die zweite sein. Wie die alte Schlange3) die ersten Menschen verführt hat, so wird sie, ehe Christus (wieder-)kommt, die Menschheit noch einmal verführen i). Das Paradies, in dem das älteste Menschenpaar gewohnt hat, wird in der letzten Zeit wieder Wohnsitz der Menschen werden IV Esra (61) 7 53 8 52 5), dann werden sie am Lebens- baum, von dem sie in der Urzeit nicht gekostet haben, Anteil bekommen Ap Joh li 22-2 u is 21 2 Henoch 24 f IV Esra 852. Ebenso werden der Auszug aus Ägypten, die erste Erlösung Israels, und die Erscheinung des Messias, die letzte Erlösung, mit einander verglichen. Die Plagen, die der Endzeit vorher- gehen, werden nach Analogie der ägyptischen gedacht, und der zweite Erlöser -p-iriN bsna Christus nach Analogie des ersten jiWTO Moses6). Ähnlich ist es, wenn das grosse Gericht der 1) Dies das Schema der jüdisch-christlichen Adamspeculationen. 2) 7-s-r —s -:•---:- an» (cf Levy Xeuhebr Wb sv tros und -:-:--} d 7TQ(ijTog liSuu 6 tayuxog IdSctfi I Kor 1545, 6 ngdürog üv&ownog 6 dti-rtoog uv&ownog I Kor 1547, 6 nahabg avfrownog 6 viog (y.cavög) üvd-oumog Col 39f (Eph 422ff 2 15). Der ,neue Mensch' ist ursprünglich eine gött- liche Gestalt ii ovoavov I Kor 1547, dann die Verkörperung eines Ideals geworden. 3) 6 oifig 6 uQyuiog Ap Joh 129, "MMpn im "Weher Altsvn Theol 211, ••rx-r. "jt.zt. Levy sv ans. 4) nXuvciv Ap Joh 129 20 io etc. 5) Denselben Gedanken stellt Henoch 85 — 90 dar : die älteste Menschheit wird allegorisch dargestellt als weisse Farren, von denen aber allerlei wilde Tiere, Löwen, Tiger, Hunde, Wölfe etc erzeugt werden; das soll die Depravation der Menschheit darstellen; auch die frommen Israeliten erscheinen nur als weisse Schafe; zum Schlüsse aber werden alle Tiere des Feldes wieder verwandelt und werden alle weisse Farren ; so kehrt das Ende zum Anfang zurück. 6) Weber Altsyn Theol 344 348 350 355 cf die spätjüdische Tradi- tion bei Eisenmenger H 808 ,die künftige Erlösung wird wie die erste r-rs-r sein'. 369 Sintflut uud das Weltgericht am Ende parallel erschein« n: .wie die Tage Xoahs, so wird die Erscheinung des Menschensohnes sein* x); nur dass die alte Welt durch Wasser zerstört wurde, die gegenwärtige aber für ein Gericht durch Feuer aufbewahrt wird a). Der diesen Einzelheiten zu Grunde liegende allgemeine Satz, dass das Eschatologische dem Urzeitigen gleich sein werde, ist mit begriffsmässiger Klarheit ausgesprochen in einem von Barn 6 13 angeführten Girat aus unbekannter Schrift: Idov noiCo xa. toyaia ojg rä Ttgcova. Er selber, das 3^4lq-a und '£}, der Erste und der Letzte, gestaltet das Letzte so, wie das Erste gewesen war 3). Will man wissen, wie das Ende sein werde, so muss man fragen, wie der Anfang gewesen sei. Umgekehrt ist man überzeugt, dass alle letzten Dinge von Uranfang an dagewesen sind. Das himmlische Jerusalem, das am jüngsten Tage her- niederkommt Ap Joh 21 2, ist mit dem Paradies zusammen ge- schaffen Ap Bar 4s; der Kirche der letzten Zeit entspricht eine h:/.h]Gia Ttoc'hr II Clem 14; Christus, das Ziel aller Dinge, ist zugleich ihr Schöpfer; die Namen derer, die Gott des Endheils würdigen will, sind von Anfang an von Gott ins Lebensbuch geschrieben Ap Joh 13 s (der numerus der Prädestinierten IV Esra 436); alle Güter des kommenden Äons existieren vor Grundlegung der Welt I Pt lao Mt 25 ai Col ls II Tim Inf usw usw 4). So trägt also ein grosser Teil der neutestamentlichen Speculationen — die Christologie, die Prädestinationslehre, die Lehre vom Urständ usw — diese Form der Gleichsetzung des Ersten und des Letzten5). 1) Mt 2437, dort auf das plötzliche Verderben bezogen, das die ahnungslosen Weltkinder überfällt. 2) II Pet 36f. 3) Wie dieser Grundsatz entstanden sei, und welchen Grund er eigentlich habe, vermag ich nicht zu sagen. Es ist sehr unwahrschein- lich, dass die Urmythen erst in Israel eschatologisch verwandt seien. Vielmehr dürfen wir mit grosser Sicherheit postulieren, dass diese Über- tragung schon in babylonischer Tradition geschehen sei, cf oben p 87 318. In Israel können wir diese eschatologische Verwertung der Mythen von der Zeit des Jesaias ab constatieren cf oben p 87. 4) Der Leser bemerkt, dass hier nur die Form, nicht das religiöse Interesse des ,Präexistenz'gedankens behandelt wird. 5) Die Zusammenstellung ,des Ersten und des Letzten' zB auch Gunkel, Sehöpfnng. 24 370 In diesen Zusammenhang gehört es, wenn nun auch der uralte Chaosmythus eschatologisch aufgefasst wird. In der End- zeit wird sich wiederholen, was in der Urzeit gewesen ist: der neuen Schöpfung wird ein neues Chaos vorhergehen; die Un- getüme der Urzeit erscheinen auf der Erde zum zweiten Male. Dabei hat man ein Bild des alten Mythus aufgenommen: schon der alte Mythus, der in den Sturmfluten der Gegenwart eine, wenn auch schwächliche Wiederholung des uralten Chaos sah l), hatte hie und da davon gesprochen, dass das Ungetüm der Urzeit nur ,beruhigt', in der Abyssus .gefesselt', .mit Riegel und Thor verschlossen' sei, und sich der göttlichen Macht zu Zeiten zu entziehen versuche 2). Dieses Bild setzte man fort: das Chaostier, im Anfange von Gott im tiefen Abgrund gefesselt, wird in der Endzeit loskommen und auf die Oberwelt empor- steigen' 3), aber dann, wie einst vor der Schöpfung, aufs neue von Gott überwunden werden. Dann aber wird es zu einer definitiven Beseitigung des Chaos kommen; in der neuen Welt soll sich der alte Kampf nicht wiederholen 4). Das erste Mal ward ,das Meer' nur überwunden und in die göttliche Ordnung miteingefügt5); das zweite Mal ,ist das Meer nicht mehr da' Ap Joh 21 i 6). Das erste Mal ward das Ungetüm in der Abyssus gebunden 7) ; das zweite Mal wird es in den Feuersee geworfen Ap Joh 19-20 cf 20 10 u Dan 7 n, wo seine Existenz aufhört — ,es gehet ins Yerd erben' Ap Joh 17 s 8). Henoch 60 n Or Sib III 819 f 827, hier als die Hauptteile der Offen- barung-, des grossen göttlichen Gehehnwissens. 1) cf oben p 51 f 91 ff etc. 2) cf oben p 36 39 51 f 61 86 cf 91 ff. 3) Dies der Sinn des Ausdruckes dvaßaireiv cf p 360. 4) Dem ist parallel: der alte Himmel und die alte Erde waren vergänglich, aber der neue Himmel und die neue Erde bestehen ewig vor Gott Jes 6622 Hen 72i 91 ief. 5) cf oben p 91—95. 6) Der Zusatz ,aber das Meer ist nicht mehr da' beweist, dass die eschatologische Wendung des Mythus zu einer Zeit geschehen ist, wo man die ursprüngliche Bedeutung des Meeres als des gottfeindlichen Princips noch verstand. 7) cf oben p 86. 8) Die spätere Apokalyptik, in der mancherlei verschiedene Tradi- tion in ein Bild zusammengezogen sind, redet von einem doppelten An- griff der Heiden gegen das Gottesvolk, daher auch von einem doppelten 371 Schon mit dieser eschatologischen Wendung ist aller Wahr- scheinlichkeit nach der Mythus zum Judentum gedrungen *). Völlig sicher ist wenigstens dies, dass der Stoff nicht erst, um ihn auf das Weltreich deuten zu können, in die Endzeit über- tragen ist; Henoch 602if IV Esra 649—52 etc liegt jene escha- tologische Wendung vor, ohne dass damit eine Allegorese auf das Weltreich verbunden wäre. Da die Tradition auch im Judentum als eine Offenbarung gilt, so ist es natürlich, dass sie, wo wir sie aufgezeichnet finden, in der Form etwa einer Engelrede Henoch 60 5 9ff oder der Vision eines Propheten auftritt Ap Joh 13 17 2). Das Judentum hat sich diese Tradition angeeignet, indem es sie mit seiner Esehatologie in Beziehung setzte und die An- schauungen des Mythus entweder einfach übernahm, so die Neuschöpfang am Ende der Welt 3), oder die Grössen des alten Mythus mit solchen, an die es selber glaubte, vertauschte; dabei ist der Gott- Überwind er, ursprünglich Marduk, Christus geworden, seine Braut Jerusalem, das Chaos das Weltreich, dh in der Epoche der Apokalypse Rom 4). Wir verweilen bei dem Wichtigsten und dem Modernen am fernsten Liegenden, bei der Gleichung Chaos = Rom. Dieselbe ist so zu stände gekommen. Man hörte von einem schrecklichen Auftreten des Ungetüms in der Endzeit. So kommt es, wenn man alles zusammenrechnet, zu drei Erscheinungen des , Teufels'. Dabei wird das Verhältnis der zweiten zur dritten nach Analogie des Verhältnisses der zweiten zur ersten vorgestellt, Der überwundene Drache wird in der Abyssus .verschlossen' 20 2f, kommt aber nach den 1000 Jahren wieder los 20 7, wird dann nochmals überwunden und — dies ist dann end- lich das Definitive — in den Feuersee geworfen 20 10. 1) cf p 369 A 3. 2) Die Einkleidung in die Vision ist in cap 17 besser als in cap 13 durchgeführt. Freilich läuft auch cap 17 manches Unschaubare mit unter, der Becher voll Greuel der Hurerei, die Trunkenheit vom Blute der Heiligen. 3) Dies Dogma findet sich zuerst Jes 65 17. 4) Andere Grossen kommen bei der sehr dunkeln Tradition Ap Joh 11 hinzu, die sicher ursprünglich auch vom Chaosdrachen handelte und daher in denselben Mythenkreis wie die Tradition von cap 13 und 17 gehörte. 24* 372 Wesen, das dem Ende vorausgehen solle. Man war seit langer Zeit gewohnt, dies Wesen auf das jeweilige Weltreich zu deuten. Unter dem Drucke der Griechenherrschaft hatte man Javan darunter verstanden. Jetzt war eine neue Zeit gekommen: Javans Herrschaft war dahingegangen; das grosse Gericht und Israels Weltregiment waren noch immer nicht gekommen ; Roms Cäsaren beherrschten die Welt. Da ward die Weissagung aufs neue lebendig. Und die Juden jener Zeit erkennen mit Ent- setzen und Ereude zugleich: das geweissagte Tier ist Rom, dies Rom mit seiner Weltherrschaft, mit seiner Menschenvergötterung, mit seinem gotteslästerlichen Hochmut, mit seinem Hasse gegen Gottes Yolk. Sogar Einzelheiten sind eingetroffen: das abge- schlagene Haupt ist der gemordete erste Kaiser. So gehen Gottes Weissagungen in unsrer Zeit in Erfüllung: das Ungetüm der letzten Tage ist schon vorhanden. — Man hat die Tradition benutzt, um genauere Aufschlüsse über die Zukunft zu erhalten *), und die alte Frage: wie lange noch? zu beantworten. Aber mag das Ende nahe sein, es ist noch nicht da. Vieles von dieser Weissagung ist in der Gegenwart noch nicht erfüllt. In dunkeln Worten sprach das Orakel von einer letzten ungeheuren Sünde, in die ein zweites Wesen, dem Tiere ähnlich, aber in seinem Dienste, die ganze Welt durch Lügenkünste verstricken werde. Das Tier soll der Gott der Menschen geworden sein; erst dann kann das Ende kommen. Dieses letzte Geheimnis der Sünde aber ist noch nicht offenbar, erst die leisen Anfänge dazu sind im Werden. So sieht man in die Zukunft: die Erlösung ist vor der Thür; aber vorher steht das Regiment des Bösen auf Erden, unter dem die Gläubigen viele Leiden erdulden müssen: es wird Krieg führen, so sagt die Weissagung, gegen die Heiligen. Was aber soll man in diesen Zeiten tun? Man glaube nicht, durch eigenes Handeln dem göttlichen Verhängnis ent- gehen zu können. Das Ungetüm herrscht und unterdrückt, so ist es Gottes Wille, bis seine Zeit um ist. So widersetzt euch nicht, leistet keinen Widerstand! ,Wer gefangen nimmt, wird selbst gefangen. Wer mit dem Schwerte tötet, fällt selbst durchs Schwert. Darin besteht die Geduld und der Glaube der Heiligen' 1) ef die Berechnungen der Zahl dreieinhalb p 266—270 und die der Köpfe oder Hörner des Tieres p 342—344. 373 13 io. So hat das Judentum — und nach ihm das Urchristen- tum — Kraft der Hoffnung und der Ergebung aus dieser Offenbarung gesogen. Das Judentum hat diese Tradition vom Tiere des Meeres als ein unendlich tiefes Geheimnis betrachtet Hen 60 io IV Esra 652 *); und auch jene Deutung auf Rom nur leise von Mund zu Ohr geraunt. Cap 17 gilt sie als ,Geheimnis' 17 5. eine , Weisheit' für den Jümdigen' 179; auch die hinzugefügte Er- klärung giebt sie nicht mit dürren Worten an, sondern weist nur mehr oder weniger deutlich darauf hin. Noch dunkler redet cap 13 davon; kein Wort der Erklärung, aber ein Hin- weis, dass hier Tiefen verborgen sind : wer Ohren hat, höre ! 9 2) dh Leser, merke auf, dies bedeutet etwas. Man braucht, um diese eigentümliche mystagogische Haltung zu verstehen, nicht auf die Furcht vor Rom,' die deutlichere Sprache verbot3), hin- zuweisen; das ist die Art, mit der man von solchen Dingen redet; so hat man schon vom wiederkehrenden Leviathan ge- sprochen Hen 60 10, cf oben p 315 — 317. Aus dieser Stimmung erklärt sich, dass das Judentum, das ja nur einen Teil des ganzen Stoffes sich zu deuten vermochte, 1) cf oben p 315—317 und 335. 2) Das Wort , Ohren' steht hier mit Beziehung, es sind ,hörende, Ohren (Mt 13 isf), die dergleichen , aufnehmen' (Mt 11 14) können (der Ausdruck ovg ist also parallel rovg Ap Joh 179 oder ocxfia 13 18 179); und der Satz .wer Ohren hat, höre' ist also dem anderen ,der Leser denke nach' Mc 13 u verwandt; er steht, wenn ein geheimes Wissen mit- geteilt wird, auf das man den Zuhörer aufmerksam machen mochte, ohne es ihm indess expressis verbis erklären zu wollen. Dies ist auch der Gebrauch des Wortes in den Evangelien Mt 11 15. häufig nach Gleichnissen, weil diese als Allegorie gedeutet und als Geheimwissen aufgefasst wurden Mt 139 cf isf 43 Mc 7 16 etc cf Jülicher Gleichnisreden Jesu 121 ff. Schliesslich ist das Wort in abgeblasstem Sinne gebraucht Ap Joh 2n 17. Das Wort ist seiner Xatur nach in apokalyptischer Literatur zu Hause : es ist daher nicht notwendig, dasselbe, weil es auch in den Evangelien vorkommt, für christlichen Ursprungs zu halten und daher aus cap 13 zu entfernen Vischer 64 Spittal40f. Man nimmt, wenn man die Verse 13 9f streicht, dem Capitel das Herz, den usus practicus cf Erbes 23. 3) Yölter Entstehung8 76. Erbes 32 f etc. 374 auch das Unverstandene mit überliefert hat cf oben p 265 335. Freilich nur einen Teil. Yergl eicht man unsere Capitel 13 und 17 mit dem babylonischen Mythus selbst, so sieht man, dass in jenen Capiteln nur geringe Bruchstücke des Ursprünglichen erhalten sind. Yor allem ist die Herkunft dieser Tradition aus der alten Chaoserzählung sehr stark verdunkelt. Man hat schon in alter Zeit nicht anders wie in der Gegenwart die Capitel lesen können, ohne die Entstehung dieser Tradition auch nur zu ahnen. Hätte aber jemand im Judentume und Urchristentum e diesen ur- sprünglichen Sinn gekannt, so würde er die ,Weisheit', dass Rom, das Ungetüm der Endzeit, zugleich auch das Ungetüm der Ur- zeit gewesen sei, als ein unaussprechlich tiefes Geheimnis be- trachtet haben. Unmöglich indess ist das nicht; denn noch in sehr viel späterer Zeit ist die Gleichsetzung Chaos = Rom bekannt ge- wesen. Bereschith rabba c 2id wird zur Stelle ,Finsternis war auf der Tehom' bemerkt: ,das bedeutet das frevelhafte Reich (Rom), das ebenso unerforschlich (grenzenlos?) ist wie der Ab- grund fcainrvn i?:d -ipn nb ■)*»« hyunrs mnba it 1). Hiernach ist das (.ivorr^iov des Tieres in cap 17 zu ent- rätseln. Als der Seher das Ungetüm sieht, verwundert er sich sehr; der Engel aber erklärt ihm das grosse Geheimnis: ,das Tier, das du sahst, war und ist nicht und soll aufsteigen aus der Abyssus und ins Verderben gehen-. Anstatt den Xamen des Tiers zu nennen, giebt der Engel in unbestimmten AVorten 1) aus Levy Xeuhebr Wb sv :■--. Hier ist also die Gleichung ='rr = Eom noch bekannt; ihr ursprünglicher Grund, dass das End- ungeheuer zugleich auch das des Anfangs sei, ist vergessen, und ein anderer Grund zur Erklärung der merkwürdigen Gleichung nachträglich erfunden. — Eisenmenger II 678 f citiert aus Sanhedrin fol 97 b: ,nach 4291 Jahren von der Erschaffung der "Welt werden die Kriege der Drachen =-:-:r und die Kriege des Gogs und Magogs aufhören, und in der (dann noch) übrigen Zeit werden die Tage des Messias sein'. Nach der Auslegung Abarbenels sind die ,Drachen' die Könige der Erde, die mit einander und gegen Israel kämpfen. — So lange haben solche Traditionen fortgedauert ! 375 die Geschichte desselben. Das ist die Lösung eines Rätsels durch ein neues Rätsel. Der Grund einer so merkwürdigen Erscheinung liegt auf der Hand: nur dem Wissenden sollen die Worte deutlich sein; wer ein Wesen kennt, auf das diese Ge- schichte passt, soll wissen, dass das Tier dies Wesen ist. Wer aber in diese Dinge nicht eingeweiht ist, wird auch aus der mitgeteilten Geschichte die Deutung nicht entnehmen können. Unsere Erklärung hat auszogehn von dem einzigen concreten unter diesen Worten ,und soll aufsteigen aus der Abyssus'. Das Wort ist das charakteristische Prädicat des Chaoswesens Ap Job 11t cf Dan 73 Ap Job 13i Ap Bar 294. Dass das Tier von cap 17 das Chaosungetüm ist, wird sicher, wenn die Geschichte des Tiers als Geschichte des Chaoswesens begriffen werden kann. Das Tier war — vor der Schöpfung; in der Gegenwart ist es nicht mehr — der Schöpfergott hat es in. den Tiefen der Abyssus gebunden; aber es soll aufsteigen aus dem Abgrunde — die letzte Zeit sieht zur Verwunderung aller Menschen das längst nicht mehr Geschaute wieder auf Erden erscheinen; dann aber geht es ins Verderben — bei seinem zweiten Erscheinen wird es definitiv vernichtet. Die Probe ist also gelungen; dass das Weltreich die neue Erscheinung des alten Chaos sei, das ist das grosse schauerliche Geheimnis, über das der Seher sich nicht genug verwundern kann, und das er nur in ganz dunkeln Worten anzudeuten wagt. Demnach hat der Verfasser1) von cap 17 von jenem ursprüng- lichen Sinn der Tradition noch gewusst und dem Kenner er- kennbar in die Vision hineingeheimnisst. Hiernach können wir uns auch an das Zahlenrätsel Ap Joh 13 is wagen. Ebenso wie der Verfasser von cap 17 hat auch der von cap 13 eine Erklärung (oocfia)2) hinzugefügt; und ähnlich wie in cap 17 in dunkeln Worten der Schleier halb 1) Sicher ist das nur für den ersten Verfasser des Capitels; ob die Späteren das Geheimnis durchschaut haben, entzieht sich unserer Kenntnis. 2) Zu diesem Ausdruck cf Daniel 922. .Weisheit' ist ein term techn im apokalyptischen Geheimwissen zB IYEsra 1447 Henoch 37i3 4 IKor 2v. 376 gelüftet wird, -wird auch in eap 13 nicht der Name des Tieres, sondern nur seine .Zahl' mitgeteilt. Auch diese Zahl redet nur zu den Kundigen; wer das Tier schon kennt, mag sie nach- rechnen und sich davon überzeugen, dass er im Besitze der , Weisheit' sei; wer es aber nicht kennt, der kann aus der Zahl allein so gut wie nichts über das Tier entnehmen. Ehe man eine Lösung des aufgegebenen Rätsels unter- nimmt, hat man festzustellen, nach welcher Richtung man suchen müsse; sonst möchte ein neckischer Zufall dem Forscher ein beliebiges Wort, das im Zusammenhange der Vision auch wol einen Sinn giebt, und dessen Zahl zufällig auch 666 ist, in die Hand spielen. Es ist die Zahl ,des Namens' des Tieres; wir erwarten also nicht irgend eine Bezeichnung, die allenfalls auf das Tier passt. sondern einen terminus technicus. Dies liegt auch in der Natur der Sache: das Wort ist aus der Zahl nur dann zu raten, wenn der Kreis der möglichen Worte ein sehr beschränkter ist. Wer die Sache kennt, muss auch das Wort kennen *). ,Der Name' soll eine Bezeichnung der Weltmacht sein; ist also sicherlich kein Personenname. Man wende dagegen nicht ein, dass nach Vers is die Zahl ein aoi&udg avS-oiortov sein soll. Dies Wort bedeutet nicht Personenname, was viel- mehr uvd-qwTtov heg oder zivog heissen müsste, sondern ist im Sinne von gewöhnlicher Zahl' zu nehmen 2). Für den Inhalt des Namens hat man einen Anhalt in der Parallele 17 s, wo das ,Geheimnis' des Tieres ist, dass es das alte Chaos ist, das wiederum aus dem Abgrund emporsteigt. In welcher Sprache haben wir den Namen zu erwarten?3) Die Überlieferung ist jüdischer Herkunft; daher ist die Tradition 1) Auch die Orthographie des Wortes muss die gewöhnliche sein; dem Wissenden soll die Lösung nicht erschwert, sondern möglichst er- leichtert werden. 2) cf p 358 A 2. Darnach wird der -i-:s -::■: von einer andern Art zu rechnen unterschieden; wir wissen nicht recht, welche von welcher. Diese Übersetzung von doid-ubg dvO-oomov bei Bleek 291 Ewald 260 Holtz- mann Comni "2 344 Düsterdieck * 447 etc. 3) Hierüber mannigfache Verhandlungen. 377 über die Xanienszahl, wenn alt, hebräisch zu deuken1). Es kommt hinzu, dass in cap 13 eine Reihe sehr stark hebraisie- render Stellen vorkommen; auch das Wort agiü/uög ard-ocortor ist im Griechischen kaum zu verstehen 2). Zahn 3) neigt zu der Annahme, dass solche Zahlenberechnung griechischen Ursprungs und erst in späterer Zeit zu den Rabbinen gedrungen4) sei; das Erstere mag dahingestellt bleiben; das Letztere aus unseren sehr spät und spärlich fliessenden Quellen zu folgern, ist eini- germassen bedenklich; zudem finden sich schon im AT Buch- stabenspielereien 5) und höchst wahrscheinlich auch Anwendun- gen der Kunst ,Geniatria' 6). Den aufgestellten Forderungen entspricht der Xaine öinn rro-ra*rp, das Chaos der Urzeit. = inn ist terminus technicus des Chaos7); es entspricht dem griechischen, in diesem Zusammenhange regelmässig auf- tretenden aßvooog Ap Joh 11: und besonders 17 s. Es ist das Wort, das man zunächst erwartet. Das Beiwort -oianp ist das ständige Attribut der Grössen der Urzeit, die in der letzten Zeit entweder selbst wieder auf- treten oder wenigstens ein Gegenstück haben; so iaimpn =-n 6 TtgcoTog av$QC07zog, -ri^Tpn ©rt3 6 ocpig 6 agycdog, antiquuni silentium pristinum silentium, ij Ttqiixri ey^lrjala, 6 rtocövog otgarog /.cd rt fcgcoTi] yr\, -jr^N-in bto naies-in nbiftun 8). Das Attribut 1) Zum eigentlichen Grundstock der Tradition gehört die Zahl der Natur der Sache nach nicht, was überdies die Stellung der Xotiz an dem Schluss des ganzen Capitels, nicht hinter der Schilderung des ersten Tieres beweist. 2) cf oben p 358 A 2. Auch wenn das Capitel ursprünglich grie- chisch geschrieben sein sollte, so war doch den Juden die heilige Sprache, das Hebräische, für solche Zahlenberechnungen näher liegend als das profane Griechisch. 3) Zeitschr für kirchl Wissschft 1885 p 564 ff. 4) Ewalds Vermutung 261 f, die Gematria stamme aus dem alten Babylonien, hat sich inzwischen als unrichtig erwiesen; die alten Ba- brlonier haben keine Buchstaben, sondern eine Silbenschrift. In jün- gerer Zeit freilich hat man in Babylonien aramäisch gesprochen nnd geschrieben. 5) so die rsrs-Sprache und die alphabetischen Gedichte. 6) Gen 14 u die dreihundertundachtzehn Knechte Arahams; drei- hundertundachtzehn = iw*n, so schon Bereschith rabba c 43 f. 7) cf p 360 f. 8) cf p 367 ff. 378 steht also nicht müssig, sondern soll ausdrücklich bezeichnen, dass das Ungetüm, das in der Zeit unmittelbar vor dem Ende erscheint, dasselbe sei, das einst in der Urzeit schon einmal dagewesen ist 1). Die Zahl der Buchstaben rrzrz-p Cfln ist 666 2). Die Probe, die der Verfasser selbst dem Leser ermöglicht hat, ist also gelungen. An dieser Berechnung sollte man er- kennen, ob man die richtige Deutung wisse. Wir haben dem- nach hier, wofern das noch nötig ist, eine letzte Bestätigung für die vorgetragene Auffassung. Uns ist die Lösung der in cap 13 und 17 aufgegebenen Rätsel nur deshalb möglich gewesen, weil wir in den andern Überlieferungen einen sicheren Anhalt besassen. Die ältesten Leser aber, die nicht über religionsgeschichtliches Wissen ver- fügten, konnten diese Dinge nur verstehen, wenn sie ihnen schon anderswoher bekannt waren. So sieht man noch einmal am Schlüsse dieser Untersuchung, dass es jüdische Kreise gegeben hat, in denen unser Stoff mündliche Überlieferung, genauer Ge- heimtradition gewesen ist. Man ist ängstlich bemüht gewesen, 1) Grammatisch ist zu bemerken: —r.r fem; weil ursprünglich Eigenname, ohne Artikel; auch n-yratp ohne Artikel wie sonst na"' :■" Gen 7 11 *P 367 etc. — Natürlich hat der Verfasser sich auch über die drei Sechsen ,gewundert'. — Über die Orthographie mit oder ohne 1 schwankt die alttestamentliche Überlieferung (sechsmal plene. viermal defectiv); Levy Neuhebr "Wb hat nur die scriptio plena. 2) p 40o" n 5 • 6 = 40 = 451, p 100 - 4 -. 40 v6 : 50 - 10 - 5 = 215, Sa = 666. 666 ist die durch Irenaeus und die Codices besser beglaubigte Lesart. Die andere, 616, hat natürlich eine andere Lösung im Auge. Man änderte die Zahl, weil man mit 666 nichts anzufangen wusste und dagegen durch die Zahl 616 einen passenden Namen zu gewinnen glaubte (nach Zahn Zeitschr für kirchl Wissschft 1885 p 569). Dieser Name ist räiog KctToan (nach Zahn 571). — Diese Lösung ist freilich ungenau ; sie identifiziert Kaiser und Tier ; indess solche Exakt- heit, wie wir sie bei dem ursprünglichen Schriftsteller suchen, dürfen wir natürlich nicht von einem Späteren verlangen, der froh war, wenn er ein von 666 sich nicht allzuweit entfernendes und dem Sinne nach auch nur einigermassen passendes Wort gefunden hatte. Diese Lesart scheint doch aus der Zeit des Caligula zu stammen; damals hat also unser Capitel schon in griechischer Sprache bestanden. Von weiteren Eingriffen des Caliguladeuters in den Text findet sich keine Spur. 379 auch wenn man diese Dinge aufschrieb, das Geheimnis zu hüten. Als die Kreise ausgestorben sind, ist ,die Weisheit: mit ihnen zu Grabe getragen 1). 5. Die Tradition von Ap Joh 12 ist babylonischen Ursprungs. Kehren wir nunmehr zu dem eigentlichen Thema unserer Untersuchung, zu Ap Joh 12, zurück. Wir hatten bereits ge- funden, dass dieses Capitel eine ausserjüdische Tradition mytho- logischer Art enthält2). Nunmehr können wir bestimmt sagen, aus welcher Mythologie es stammt. — An einer Keihe von Spuren ist der Einfluss babylonischer Religion auf die Apoka- lyptik, auch auf die Ap Joh festgestellt worden, zuletzt in den cap 13 und 17. Die Tradition dieser Capitel aber — so haben wir gesehen3) — ist der von cap 12 nahe verwandt. So schliessen wir, dass auch die Tradition von Ap Joh 12 babyloni- schen Ursprungs sei. Ein zweiter Beweis für dieselbe Behauptung ist aus einem Vergleich des cap 12 mit Dan 7 zu bringen. 1) Irenaeus kennt die Lösung des Zahlenrätsels nicht; er weiss nur von Eatereien auf AkiiXvoq oder Tenor. Dies eonstatiert Zahn Zeitschr für kirchl Wissschft 1885 p 575 ausdrücklich, freilich um dar- aus zu folgern, der Apokalyptiker selber habe die Lösung nicht gekannt, weil der Geist sie ihm nicht mitgeteilt habe p 576. Anderen Forschern wird als der richtige Schluss erscheinen, dass zur Zeit des Irenaeus die Tradition über 666 bereits verloren war. Jedenfalls darf in der Frage, ob das Kätselwort griechisch oder hebräisch sei, die Autorität des Ire- naeus und seiner Überlieferung von Johannes nicht in die Wagschale geworfen werden (gegen Zahn 562) ; denn wenn er keine Tradition über das Wort selber hatte, so besass er auch sicherlich keine über die Sprache dieses Wortes. Man beachte übrigens, dass Irenaeus V 30 1 sich für griechische Eechnung ausdrücklich auf die Tradition jener Männer berufen hat, welche den Johannes von Angesicht zu Angesicht gesehen hätten; es ist das nicht unwichtig zur Beleuchtung dieser ,Tradition'. 2) cf oben p 276. 3) cf oben p 337. 380 Beide Capitel haben folgende parallele Züge: Die Tiere steigen aus ,dem grossen Meere' Dan 72, der Drache gehört zur Abyssus. Das vierte Tier hat zehn Hörner wie der Drache; die vier Tiere haben zusammen sieben Häupter, das ist die Zahl der Häupter des Drachen. Die Tiere üben auf Erden ein Gott und Menschen feind- liches Regiment ans; ebenso der Drache. Das vierte Tier führte Krieg gegen die Heiligen, der Drache gegen die Brüder des Christus, die Gottes Gebote halten. Die festgesetzte Zeit ihrer Herrschaft ist zwei Zeiten, eine Zeit und eine halbe Zeit1). An stelle der Tiere erhält schliesslich das Regiment des Menschen Sohn, der auf den Wolken des Himmels erscheint; der Drache wird gestürzt von dem Sohne des , Weibes', der vom Himmel herabkommt. Ferner ist parallel, dass Dan 810 das kleine Hörn Sterne vom Himmel herabwirft, was Ap Joh 12 der Drache mit seinem Schwänze tut 2). Die Tiere sind vom Judentum auf die Weltreiche gedeutet; dieselbe Deutung hat neben einer andern auch der Drache er- fahren3). Der Menschensohn stellt nach Dan 7-2? das Volk der Heiligen dar, das nach den Weltreichen zur Herrschaft kommt; durch den Sohn des Weibes werden seine Brüder vom Regi- mente des Drachen erlöst. Anderseits hat Ap Joh 12 so viele charakteristische Mo- mente vor Daniel voraus, dass es keineswegs als eine Nach- ahmung von Dan 7 begriffen werden kann 4). So folgt , dass auch Ap Joh 12 und Dan 7 der Tradition nach nahe verwandt sind. Da nun für Dan 7 die babylonische Herkunft bereits bewiesen ist5), so ist dasselbe auch für Ap Joh 12 zu be- haupten. 1) cf oben p 266—270. 2) cf oben p 243 271. 3) cf oben p 277. 4) Dies ist für die dreiundeinhalb Zeiten und das Herabtverfen der Sterne bereits p 270 f gezeigt worden. 5) cf oben p 328. 381 Eine dritte Reihe von Beweisen ergiebt sich, wenn wir cap 12 mit dem babylonischen Mythus und seinen Absenkern im AT und in dem spätorientalischen Überlieferungen ver- gleichen. Wir legen dabei natürlich die älteste Gestalt des Mythus zu Grunde, auf die wir von cap 12 her zurückschliessen konnten 1). Der Drache ist — so haben wir gesehen 2) — ursprünglich das Ungeheuer der finsteren Wassertiefe gewesen, dem Lichte und der Erde feind. Damit sind die charakteristischen Eigen- schaften der babylonischen Tiämat genannt. Zudem fällt 203 ausdrücklich das Wort aßvooog, woselbst das Tier seinen eigent- lichen Sitz hat3); äßvooog = amn = Tiämat. Dies Wesen führt den Namen öqü/mp, hebräisch -p:n; das ist ein Name des Chaosungetüms in der hebräischen Tradition4). Eine sieben- köpfige im Grunde mit Tiämat identische Schlange kennt auch die babylonische Tradition 5). Der Drache hat einen furchtbaren Schweif, mit dem er schlagen kann 6) ; in der persischen Tra- dition 7) hat das Ungetüm einen Krokodilschwanz, in der mani- chäischen einen Fischschwanz. Dieser Drache hat von der Abyssus aus sich eine Herr- schaft auch auf der Erde angemasst 8) ; er liegt mit den Mächten des Himmels im Streite; denen es indess nicht glückt, ihren Feind zu besiegen 9), bis der junge Held ersteht, der das Un- getüm überwindet und Himmel und Erde befreit. Das sind die Grundzüge auch des babylonischen Chaosmythus: Tiämat ,em- pört' sich gegen die ,oberen Götter'; Anu und Ea können sie 1) cf die Ausführungen p 257 — 263. 2) cf oben p 258 f. 3) cf oben p 258. 4) öoüy.wv W Sal 229, Add Esth lö, ,Dracbe' zu Babel. ,-:r Jes 51 9 Job 7 12 etc cf oben p 82: ö äoäxcov 6 uiyag Ap Job 129 cf 3 = ':—,- -:r- Ez 293. 12 15 beisst das Ungetüm 6 oqig cf 129 6 oifig 6 uo^aiog = bebr attan Am 93 Job 26 13 Jes 27 1. 5) cf p 361 A 2; über die Hörner p 361 A 4. 6) In der bekanntesten babylonischen Abbildung hat Tiämat einen, ungefährlichen, Vogelschwanz, auf einer anderen anstatt des Schwanzes eine Art Unterarm mit Hand cf Kiehni H W 1262. Beachte übrigens die besondere Hervorhebung des , Schwanzes' in der ,Variante' zum babylo- nischen Schöpfungsepos. 7) cf die Abbildung Eiehms HW ll"71. 8) cf oben p 258. 9) cf oben p 257 f. 382 nicht besiegen ; aber Marduk, Eas Sohn, wird ,Rächer der Götter' J). Diese Grundzüge sind in der hebräischen Überlieferung, wenn auch verdunkelt, festgehalten2); ganz deutlich sind sie in den spätorientalischen Recensionen 3). Dabei ist charakteristisch, dass der Gott-Überwinder ein relativ junger Gott ist; in cap 12 wird das deutlich voraus- gesetzt: die Mächte des Himmels und der Tiefe sind schon vor- handen und im Kampfe begriffen, als er erst geboren wird; ja selbst unter seinen , Brüdern' ist er der Jüngste4); diesem Jüngsten gelingt, was den Älteren unmöglich war. Denselben Zug hat die babylonische Erzählung: Marduk, obwol ein spät- geborener Gott, wird doch durch seinen Tiämatsieg der König unter ,den Göttern, seinen Vätern'. Dasselbe haben auch die mandäischen Überlieferungen festgehalten 5). Ferner ist charakteristisch, dass das Chaosungetüm zum Kampfe sich ,Helfer' herbeiholt; im Babylonischen die elf un- geheuer der Tiämat6), im AT ,die Helfer Rahabs' 7), ApJoh 16 u die Könige der ganzen Welt 8). Zuletzt wird der Drache gefesselt, und in die aßvooog ge- worfen, die über ihm verschlossen und versiegelt wird 203 xai eßalev avröv elg tr\v aßvooov v.ai z-aXeioe v.ai iog^gayiOEv sfsavio atrov. Fast mit denselben Worten wird Or Man 3 die Fesse- lung des Meeres vor der Schöpfung beschrieben: 6 7iEÖrtoag zrjv d-dkaooav , 6 v.lEioag rr\v aßvooov v.ai Gffoayiod- f.ievog avTrji> x oXrp> zu vermuten2), dass derjenige, der diese Erklärung hinzu- gefügt hat, diesen Xamen von der Paradiesesschlange verstan- den habe. So wird auch jiiöjon ~n:r; in der rabbinischen Überlieferung gedeutet3). Indess ist zwischen dem Drachen von Ap Joh 12, diesem schrecklichen Ungetüm, das mit seinem Schweife die Sterne herunterwirft, und der listig verführenden Paradiesesschlange ein solcher Unterschied, dass man vermuten darf, der Beiname des Drachen: Schlange der Urzeit, habe ihn ursprünglich als Chaosschlange bezeichnen sollen, und sei erst nachträglich, als man den Xamen nicht mehr recht verstand, auf die Paradiesesschlange gedeutet. Demnach stimmt Ap Joh 12 mit der babylonisch-israelitischen Chaostradition in dem allgemeinen Rahmen der Erzählung, in einer Reihe der handelnden Personen und besonders in dem Schlüsse des Berichts, der Überwindung des Drachen durch den jungen Helden, überein; so haben wir durch diese Yergleichung einen neuen Beweis dafür gewonnen, dass Ap Joh 12 aus ba- bylonischer Tradition herkommt. Nun enthält Ap Joh eine Fülle von Zügen, die weder in dem uns bekannten babylonischen Mythus noch in den von uns aufgezeigten abgeleiteten Recensionen auftreten. Es handelt sich dabei nicht um nebensächliche Dinge ; vielmehr gehört dazu das Centrum von Ap Joh 12, die Geschichte von der Geburt des Drachenbesiegers. Daher ist auch die ganze Anlage von cap 12 von allen bisher besprochenen, ausführlicheren Tra- ditionen charakteristisch verschieden i). Während in diesen der 1) Brandt Mand Sehr 131 153 154 155 161 162 172 182 f. 2) cf oben p 368. 3) ef Levy a v --:. 4) Man vergleiche die babylonische Eecension, ferner Dan 7 und Ap Joh 13 17. 384 Gott-Überwinder erst im zweiten Teile der Erzählung auftritt, um die Dinge zur Entscheidung zu bringen, ist er Ap Joh 12 von Anfang an die Person, um die sich alles dreht. Während dort das Thema des Mythus die Entstehung der Welt aus dem Chaos war, ist hier das Thema der Gott-Überwinder, seine Ge- burt und sein Drachenkampf. Demnach würde der Stoff von von Ap Joh 12, wenn man ihn sich als babylonischen Mythus vorstellt, kaum als eine neue Receusion der uns bekannten Tradition, sondern vielmehr als ein zum Cyclus der babyloni- schen Schöpfungserzählung zugehöriger Mythus betrachtet wer- den müssen *). Aber auch dieses Charakteristische des Capitels ist in der ganzen Traditionskette, die wir aufgezeigt haben, nicht völlig isoliert; in den alt- und neutestamentlichen Recensionen des Mythus finden sich einzelne Anklänge, die grade die Ereignisse um die Geburt des Gottes betreffen. Das Herabwerfen der Sterne haben wir auch Dan 8ioa), dort in einer jüngeren Umdeutung, constatiert. Dass ein Kampf der Himmlischen gegen das Ungetüm vor dem Christussiege stattgefunden hat, erzählt 127— 9. Aber auch 133 11? reden von solchem Kampfe. Bei der so originellen Erzählung von der Flucht des Weibes wird ein Nebeneinander von Wüste und Meer für die Zeit vor der Weltschöpfung vorausgesetzt, das auch sonst bezeugt ist 3). Besonders beachtenswert ist, dass die mit dem Zusammen- hange unserer Erzählung eng verflochtene Zahl dreiundeinhalb der jüdischen Tradition ganz geläufig ist 4). So folgt, dass auch das in cap 12 Originelle nicht anders zu beurteilen ist, als das, was dies Capitel mit den anderen Recensionen des Mythus gemein hat. Ap Joh 12 ist dem- nach ursprünglich ein babylonischer Mythus. Dabei ist freilich die Möglichkeit, auf die wir auch für andere analoge Traditionen schon mehrere Male5) hingewiesen haben, 1) Dasselbe Urteil gilt für die dunkle Tradition von Ap Joh 11. 2) cf oben p 243 271. 3) cf oben p 83. 4) cf oben p 268 A 1. 5) cf oben p 293 A 3, 302 A 1, 3il. In älterer Zeit war Ägyptisches eingeflossen cf oben p 90. 385 dass Elemente aus anderer Mythologie nriteingeflossen sind, auch hier nicht auszuschliessen. Beachtet man den Charakter der Tradition von Ap Joh 12 und erwägt, dass das palästinen- sische Judentum der späteren Zeit wol nach Osten, aber viel Aveniger nach Westen hin religiösen Einflüssen offen gestanden hat1), so wird man zunächst persische Mythologie dabei in Frage ziehen müssen; in diesem Falle würde das Zusammen- wachsen des Babylonischen und Persischen — nach dem Muster der Esthergeschichte — wol in Babylonien geschehen sein 2). Die Beantwortung dieser Frage liegt dem Bibel- forscher ferne. Doch kann aus dem mir zu Gebote stehenden Materiale behauptet werden : der babylonische Schöpfungsmythus hat sicherlich so viele Recensionen und Episoden besessen, von denen wir wenig genug wissen, dass das Fehlen der Geburts- geschichte in der uns bekannten babylonischen Überlieferung nichts gegen den Ursprung derselben aus Babylonien erweist. Eine Notwendigkeit, auf gemischte Tradition zu erkennen, liegt in unserm Capitel, das einen guten, geschlossenen Zusammenhang zeigt 3), nicht vor. Wie haben wir uns nun den Stoff von Ap Joh 12 als ba- bylonischen Mythus vorzustellen? Wir können bei der Beant- wortung dieser Frage der Natur der Sache nach vielfach nur Vermutungen und Fragen aufstellen; doch, hoffe ich, wird der Assyriologe diese Handreichung des Theologen nicht ver- schmähen4). Zunächst die handelnden Personen. Der Drache ist in der babylonischen Tradition Tiämat ; man darf postulieren, dass sie auch in dieser Tradition rot war. Was bedeutet diese Farbe? Der junge Gott, der den Kampf der Götter zur Entschei- dung bringt, ist Marduk. 2) cf oben p 285. 2) cf oben p 311. 3) cf oben p 257 275. 4) Diese Ausführung setzt die oben 257—270 gegebenen Jtecon- structionen' voraus. Gnnkel, Schöpfung. 25 386 Sein Vater heisst im Babylonischen Ea. Hier wird er nicht genannt; bei der Geburt war er nicht zugegen. Warum schützte er Mutter und Kind nicht? Vielleicht war er nicht — in modernem Sinne — der Gemahl des ,Weibes'. Die Mutter wird als Himmelsgöttin beschrieben ; die Einzel- züge: ihr Kleid die Sonne, ihr Fussschemel der Mond, ein Kranz von den zwölf Sternen des Tierkreises auf ihrem Haupte, scheinen einem Cultusbilde entnommen zu sein J). Der Name der Mutter Marduks ist Damkina2). Hier heisst sie das , Weib'. Dieser Name scheint nicht, erst im Judentume gebildet zu sein, das mit ihm nichts anzufangen weiss 3) ; er weist auf eine Um- deutung hin, die der Mythus schon in vorjüdischer Zeit erfahren hat1;. Was sind das für Speculationen ? Neben Vater und Mutter Marduks existieren eine Reihe himmlischer Wesen, die Götter der Oberwelt. Unter ihnen ist — wenn das nicht jüdischer Zusatz ist — ein Höchster, Thro- nender 5). Ausserdem wird noch speciell von .dem grossen Adler gesprochen ; ist er das Sternbild .des Adlers', der am ,Mittelhimmel' 813 mit weit ausgebreiteten Flügeln 12u schwebt? Warum ist grade der Adler bei Marduks Geburt hülfreich 6) Ist er vielleicht das Tier des Marduk ? v) 1) [cf zB die nicht identische, aher ähnliche Darstellung auf einem gravierten Metallplättchen des Berliner Museums (cf Mittheilungen aus den orientalischen Sammlungen der kgl Museen zu Berlin Heft XI 43), wo eine Gottheit (Istar?) in die. Sonne gekleidet erscheint, über ihr der Mond und sieben Sterne. — Ähnliche Darstellungen auch sonst oft auf den babylonischen Siegelcylindern, cf zB Collection de Clercq I Xr 308 326(ter) 327 332; eine Darstellung mit dem Mond unter den Füssen der Gottheit zB ibidem II Xr 41.] Z — Die zwölf Sterne des Tier- kreises bilden am Himmel einen ,Kreis' und werden daher ihrer Xatur nach als ,Kranz' abgebildet. 2) nach Damascius davxrj cf p 17. 3) [Der Name Damkina bedeutet ,Weib der Erde'.] Z 4) Nur im Vorübergehen weise ich auf die weiteren Gleichungen Marduk — Menschensohn, Sarpänitu = Braut hin; es käme darauf an, die weiteren Parallelen zusammenzustellen und ihre Geschichte zu deuten. 5) cf den Gott Ansar des babylonischen Epos. 6) ein ähnliches Motiv in der Etana-Legende. 7) wie in der griechischen Mythologie das des Zeus. 387 Tiamat bat in ihren Kämpfen Diener und Bundesgenossen; ihre Diener 12: sind übermenschliche "Wesen (ayye?,oi); als ihre Bundesgenossen nennt 16u .die Könige der gesammten Welt1, wonach diese also Menschen sind: doch das mag jüdische Um- deutung sein1). Dazu bat Tiamat froschgestaltige Wesen zu Boten 2 . Ausser diesen Wesen der Höhe und Tiefe giebt es noch die .Übrigen von ihrem Samen'; diese wohnen weder im Himmel — sie sind den Angriffen des vom Himmel gestürzten Drachen ausgesetzt — . noch gehören sie zur Abyssus — sie sind Feinde des Drachen. An Macht sind sie den Göttern und dem Drachen unterlegen. Sind diese Wesen Menschen? oder vielleicht die Vorfahren des gegenwärtigen Menschengeschlechts? Von welchem Vater? Warum Brüder des Marduk? Die Erzählung setzt ein zu einer Zeit, wo — ausser der Abyssus — bereits der Himmel sammt den Sternen und die Erde (als Wüste) existieren. Die ,Schöpfungw besteht demnach eigentlich nur in der ,Ordnung- der Welt. Das ist eine An- schauung, die auch im AT belegt ist. Tiamat ist mit den Göttern verfeindet. An eine Scene aus ■dem Kampfe mit ihnen wird erinnert; sie hat einmal ein Drittel der Sterne mit dem Schwänze vom Himmel geworfen. Dieser Zug kann nur als ätiologischer Mythus 3) verstanden werden. Die babylonische Xaturbetrachtung findet am Himmel eine Lücke, ■deren Entstehung durch diesen Mythus erklärt werden soll: einst haben dort Sterne gestanden, aber das Chaostier hat sie 1) Ursprünglich rangen diese Wesen Ungeheuer des Festlands ge- wesen sein; so dass also der Sinn wäre, dass alle Wesen zu Wasser und Land einen ungeheuren Bund gegen die Mächte des Himmels schliessen. bis sie der Gott überwindet, cf die Parallele in cap 13 Tia- mat und Kingu. 2) Dass die Boten Tiämats grade Frösche sind, ist nicht so merk- würdig, wie es aussieht. Tiämats Sitz ist die Wassertiefe: sie sendet Boten aus auf die Erde. Dazu braucht sie also Wesen, die zugleich im Wasser und auf dem Lande leben. Frösche sind Amphibien. Man wird sich diese ,Frösche' als von einiger Grösse vorstellen müssen. 3) cf oben p 24 f. 388 heruntergeworfen. Ist vielleicht diese Lücke die Milchstrasse, die man wol als den dritten Teil des Himmels auffassen könnte? Man beachte, dass die Milchstrasse sich in zwei ,Ströme' teilt. Hat man vielleicht am Himmel noch die Spur des (fischartigen) Drachenschwanzes in der eigentümlichen Form der Milchstrasse gesehen ? Marduks Geburt erfolgt unter besonderen Verhältnissen, deren Veranlassungen uns nicht mehr deutlich sind. Tiämat weiss — wol durch ein ausgesprochenes Orakel — um die Be- stimmung des Kindes; die Himmlischen aber haben die Mutter vor den Angriffen des Drachen nicht schützen können. So steht Tiämat vor dem Weibe, um das geborene Kind zu verschlingen. Aber ein himmlisches Wesen — der Adler? in der talmudi- schen Parallelrecension J) sind es , Winde' — rettet ihn zur rechten Zeit in den Himmel. Tiämat ihm nach. Das Kind zu schützen, tritt ihm ein Heer der Himmlischen entgegen. Und Tiämat wird geworfen. So ist ihr Geschick entschieden; sie kann des Kindes nicht habhaft werden, das das Orakel zu seiner Zeit erfüllen wird. Um so wütender wendet sich das Ungetüm gegen die unschuldige Damkina, die indess vor ihm durch das Mitleid der Erde und die Hülfe des grossen Adlers an ,ihren Ort' gerettet wird. — Man sollte meinen, ,der Ort' der Damkina sei die heilige Stätte, wo sie später verehrt, und wo der My- thus erzählt wurde. — So steht Tiämat von ihr ab und be- kämpft nun — wie, wird nicht gesagt — ihre andern Söhne. Bis schliesslich die Entscheidung kommt. Als Marduk erwachsen ist, kommt er auf weissem Pferde, mit Diademen gekrönt, mit einem geheimen Namen, den er auf Gewand und Schenkel trägt, an der Spitze eines himmlischen Heeres, überwindet Tiämat2) und bindet sie im Tartarus. 1) cf oben p 200. 2) Tiämat versammelt ihr Heer und die Entscheidungsschlacht findet statt zu Anuaytdcov. Eine sichere Erklärung des Namens wagen wir einstweilen noch nicht zu geben ; doch weisen wir auf die Parallelen hin : die gefallenen Engel von Gen 6 versammeln sich auf dem Hermon Henoch 66; nach Man! sucht der .Urmensch' den Teufel zum Kampfe auf der Grenze von Lichterde und dunkeler Erde, auf dem sogenannten/ ,Kampfplatze', auf (Flügel Mani 87) ; bei den Mandäern versammeln sich. 389 Der Mythus hat also zum Inhalte Marduks Geburt. Nun glaube ich nicht, dass man alle oder auch nur viele Mythen aus meteorologischen Erscheinungen verstehen könne. Doch giebt es solche, die wirklich so erklärt werden müssen. Da nun der Schöpfungsmythus sicher von Xaturanschauungen, von der An- schauung des Sieges der Sonne und des Frühlings über Xacht und Winter ausgegangen ist, so ist dasselbe auch für den My- thus von der Geburt des Gottes zu behaupten: Ehe der Früh- ling vom Himmel auf die Erde herunterkommt, hat der Winter auf Erden sein grimmiges Regiment. Die Menschen schmachten unter seiner Herrschaft und schauen zum Himmel, ob nicht die Rettung komme; ihnen zum Tröste erzählt der Mythus, dass der Gott des Frühlings, der den Winter besiegen wird, schon ge- boren ist. Die Gottheit des Winters, die seine Bestimmung kennt, ist sein Feind und möchte ihn am liebsten verschlingen. Auch ist der Winter, gegenwärtig im Regiment, viel stärker als das schwache Kind. Aber sein Versuch, des Feindes sich zu entledigen, ist gescheitert. Wollt ihr also wissen, weshalb er so grimmig ist? Er weiss, dass er nur kurze Zeit hat. Seine Macht ist schon gebrochen, wenn mans auch noch nicht ge- wahrt; schon hat sich das Jahr zum Frühling gewandt1). Das Kind wächst im Himmel heran; die Tage werden länger, das Licht der Sonne stärker: wenn es erst erwachsen ist, kommt es die , Engel der Mangelhaftigkeit' .auf der Krone des Himmels und der Erde, auf dem Berge der Vernichtung' (Brandt Mand Schriften 89). [Der zweite Teil des Wortes. uaytdwv, ist wol, wie Jensen vermutet, mit utyudior in dem Götternamen Y«jfuiyc«$ior (cf Ehein Mus XLIX (1894), p 94), dem Gemahl der babylonischen Unterweltsgöttin Entaytyn). (= bab Ereskigal) identisch] Z. 1) Die Flucht des "Weibes ist aus der Xaturanschauung nicht zu deuten. Vielleicht hatte sie in einer älteren Recension des Mythus ihre Stelle vor der Geburt des Gottes, so dass der .Ort' auch der Geburtsort des Gottes ist. — Im Beitempel zu Babylon standen nach Diodorus Siculus2 9 die goldenen Standbilder des Zeus, der Hera und Rhea ; Rhea hat vor sich ungeheure Schlangen aus Silber. Das sind, wie es scheint, die Gestalten unserer Tradition : Weibessohn, Weib und Braut und die Schlangen ; war demnach unsere Tradition im Beltempel zu Babel loca- lisiert ? 390 herab und besiegt den alten Feind. .Xur unverzagt auf Gott vertraut, es muss doch Frühling werden-. Hierbei ist der Zug des Mythus, dass die Geburt des Gottes und der Beginn der Herrschaft Tiämats auf denselben Tag v) fallen, sicher zu deuten. Es ist der Tag des Wintersolstitiums, wann die Sonne im Zeichen des Wassermanns-) erscheint, der Anfang des Winters, zugleich der Tag, an dem die Sonne sich zum Sternbilde des Frühlings, zum Stier wendet3). Da von diesem Tage in einem Mythus gehandelt wird, so darf man postulieren, dass er ein Fest gewesen sei, das Geburts- fest Marduks, und dass der Mythus die zu dem Feste gehörige Legende darstelle; ebenso wie Xeujahr und Schöpfungsmythus. Purim und die Esthergeschichte, im alten Israel Passa und die Auszugserzählung zusammengehören 4y. Ebenso ist wahrschein- lich auch Tiämats Besiegung an einem Festtage gefeiert worden ; demnach kommen wir auf zwei babylonische Feste, ein Winter- fest, Marduks Geburt, ein Frühlingsfest, Marduks Sieg. Hiernach sind die dreiundeinhalb Zeiten zu enträtseln, das .Mass der Reife' Marduks, zugleich die Zeit der Herrschaft Tiä- mats; dh die Zeit des Winters, zugleich die Zeit des Zunehmens der Tage, von Weihnachten bis Ostern. Es sind die drei Mo- nate Tebeth, £ebat und Adar; wie der ,halbe Monat' kalendarisch 1) ,Tag' im weiteren Sinne, denn vielleicht ward der Gott in einer , Weihnacht' geboren. 2) Die Himmelszeichen .Wassermann' und , Stier" sind die Zeichen des Winters und Frühlings in der al t babylonischen Zeit. 3) Es ist derselbe Tag, den noch jetzt die christliche Kirche als Weihnachten feiert. 4) [Beachte ZA 6 228, wonach der Marduktempel Esagil in Babylon das .Haus des Tages' ist, weshalb die .Töchter von Ezida' am Winter- solstiz nach Esagil ziehen, um die ,Tage zu verlängern", während um- gekehrt am Sommersolstiz die Töchter von Esagil nach Ezida, ,dem Hause der Nacht', ziehen, um die ,Xächte zu verlängern'. Darnach ist der kürzeste Tag im Mardukcultus gefeiert worden.] Z Der Mar- duktag, auf den ich von Ap Joh 12 her geschlossen habe, wird also durch die Urkunden bezeugt. Dabei führen uns zwei Spuren (cf 339 A 1) auf dasselbe Heiligtum, den Marduktempel von Babel. Dann wäre ,die Wüste' des Mythus die grosse Wüste, die an Babylonien grenzt, der Strom der Euphrat. 391 herauskommt, muss einstweilen offen bleiben. Wurde vielleicht das Geburtsfest Marduks am löten Kislew gefeiert, oder ist der halbe Monat ein Schaltmonat von zehn Tagen, wie er im baby- lonischen Kalender am Schluss des Jahres eingesetzt wurde (nach jüdischer Rechnung der 'Adar bathra'a)? Es erfreut, zu sehen, dass wir auch die Stimmung des ba- bylonischen "Weihnachtsfestes so gut erkennen können; Weih- nachten war schon damals das Fest der Hoffnung, die nicht zu schänden wird, und des Glaubens, der grade an dem Tage, an dem der Winter, das Chaos, das Böse zu siegen scheint, die Geburt des Frühlings, des Weltordners, des Guten feiert. In diesen Zusammenhang gestellt, giebt also der Mythus guten Sinn; nach dem Massstabe, den wir au altbabylonische Mythen anlegen, ist er von gewaltiger Poesie. Ap Joh 12, das, wenn es auf jüdischem oder christlichem Boden erwachsen sein würde, nichts als wirre, wüste und — jetzt darf man es wol sagen — halbwahnsinnige Phantasmagorie enthalten würde, ist, wenn man es nur recht versteht, ein wunder- voller Mythus, der zu uns aus uralten Tagen von den ewigen Schmerzen und dem ewigen Glauben der Menschheit spricht. Dieser Mythus ist in das Judentum gedrungen. Wir fan- den ihn einmal in einer Talmudstelle J), die eine stark ver- dunkelte Parallelrecension zu Ap Joh 12 darstellt; sodann in einzelnen Xachwirkungen: in dem Ausdruck .Messiaswehen' für die Leiden der letzten Zeit, in dem Geheimnamen des Christus , Weibessohm, in den Rechnungen und Speculationen über die Zahl dreiundeinhalb, dh die vxaqol 1-dvoJr, zugleich das uivgov rrtg ri'/.r/.iag vov Xoioiov'2), iu dem Bilde des Herabwerfens der Sterne als der schrecklichsten Gotteslästerung, die dem Ende vorausgeht 3) ; schliesslich in Ap Joh 12, wo der Mythus sehr ausführlich berichtet wird. Welche religiösen Gedanken und Stimmungen hat das Judentum mit diesem Stoffe verbunden? Das Material zur Beantwortung dieser Frage bieten die in cap 12 zu den meisten 1) cf oben p 198 ff. 2) cf oben p 270 ff. 3) oben p 380 333. 392 Hauptpunkten hinzugefügten Deutungen x) ; sodann die jüdische Aneignung, in welcher der Stoff in der talmudischen Tradition erhalten ist 2), schliesslich die ,Nachklänge' und die Speculationen, die sich an solche ,Nachklänge' angeschlossen haben. Dabei hat man die Art dieser jüdischen Deutungen und Aneignungen zu beobachten, zugleich aber die Frage aufzuwerfen, warum das Judentum grade diese bestimmten Züge aus der ganzen Tradition festgehalten habe 3). Das Judentum hat sich selbst in den ,Übrigen von ihrem Samen' wiedergefunden und das durch die Glosse ,die Gottes Gebote bewahren' festgelegt. Es ist die Art der Menschen, dass sie nichts so sehr interessiert, als das, was von ihnen selber handelt. Hier haben wir also den Mittelpunkt der Deutungen überhaupt, von dem aus wir uns nach vorwärts und rückwärts orientieren müssen. Zunächst, wie denkt das Judentum über sich selbst? Die Juden werden unschuldig, obwol sie Gottes Gebote halten, von der Weltmacht Rom bekriegt4). Die Worte versetzen uns also in die Situation, die uns aus den Schriften des Judentums von den Klagepsalmen an bis zu den Apokalypsen des Esra und des Baruch so gut bekannt ist ; wir kennen die Gedanken jener Menschen: warum müssen wir un- schuldig leiden? warum verzieht der Erlöser so lange und lässt die Frommen in der Hand der Heiden? Wann wird endlich Gottes Reich kommen? Auf diese schmerzlichen Fragen hat das Judentum aus dem Mythus die tröstliche Antwort genommen. Seine Hoffnungen auf Roms Sturz und den Sieg des Chri- stus findet es in den Schilderungen des Schlusses von der 1) besprochen p 277—282. 2) cf oben p 198 ff. 3) Aus dem schon p 279 Bemerkten wiederhole ich, dass die Auf- gabe nicht die ist, den Stoff vom Standpunkt des Judentums, so gut man vermag, zu deuten, sondern vielmehr die, festzustellen, wie das Judentum tatsächlich diesen Stoff sich angeeignet hat. 4) Ich halte auch hier die chronologische Frage, welcher ,Krieg' das gewesen sei, fern und verweise nur darauf, dass der Ausdruck notfjaai 7iö).^fj.ov wol schon durch die Tradition gegeben war, also nicht auf einen besonderen Krieg bezogen zu werden braucht. 393 Überwindung des Drachen durch den göttlichen Helden. Man vergegenwärtige sich, mit welchen Stimmungen der Jude unsere Tradition lesen niusste : zuerst von dem Leiden der Unschuldigen im Schmerz und mit Zorn gegen Rom, dann aber von Roms Sturz mit freudigem Hochgefühl: man darf hoffen, denn Gott hat es verheissen 1). Soweit stimmt die Aneignung unserer Tradition mit der von cap 13 und 17 überein. Sie unterscheidet sich aber, indem sie auch einzelne Ereignisse deutet, die vor der Verfolgung durch Rom geschehen sind. Das ist zunächst die Geburt und Entraffung des Christus 2). Das Verständnis für den Sinn dieser "Deutungen hängt daran, dass diese Ereignisse vor der Verfolgung durch Rom geschehen sind. Dem Judentum, das unter der Herrschaft des fremden Volkes schmachtend, so sehnsüchtig nach dem Erlöser ausschaut, wird hier der wundervolle Trost zu teil: der Christus, den ihr zu schauen begehrt, ist schon geboren. Und er kommt sicher- lich; der Teufel vermag ihm nichts zu thun; das Kindlein ist zu Gott gerettet. In der talmudischen Tradition ist dabei der Zug deutlich festgehalten, dass die Geburt des Kindes an demselben Tage, da auch die Verfolgung durch den Feind begann 3), — dem Tag der Tempelzerstörung — geschehen ist. So hat der weltüber- windende Glaube einen schönen Ausdruck gefunden: an dem Tage, da unsere Leiden den Anfang nahmen, hat Gott auch den Christus bereitet, der uns aus allen unsern Leiden erlösen soll. Ebenso hat das Judentum durch die Deutung des Drachen- sturzes seinen Glauben gestärkt. Hier ist der Drache der Qa- tegor, der die Frommen bisher vor Gott verklagt und Gottes Zorn gegen sie entzündet hat. Jetzt aber ist der Qategor ge- 1) Eine rabbiniscke Tradition sagt, die zukünftige Erlösung werde im Monat Xisan geschehen Eisenmenger II 807 ; diese kalendarische Ansetzung ist wol aus dem Gegenstück der ägyptischen Erlösung zu erklären; cf aber auch Add Esth li, cf oben p 319. 2) Beides auch in der talmudischen Tradition. 3) Das Zusammentreffen beider Termine liegt auch Ap Joh 12 noch im Hintergrunde, wird aber dort nicht ausdrücklich gedeutet. 394 stürzt ; Gott zürnt nicht mehr. Bald wird Gott die Sonne seiner Gnade euch wieder leuchten lassen. Oder nach anderer Deutung war der Drache bisher auch im Himmel mächtig; jetzt ist er besiegt; jetzt hat Gott den Sieg und die Macht und die Herrschaft bekommen, und Christus die Gewalt. Seiner Besiegung im Himmel aber wird früher oder später auch die Niederlage auf Erden folgen. ,Er hat nur noch kurze Zeit'. Anderseits hat das Judentum wie seinen Glauben so auch seine Geduld in diese Tradition hineingedeutet. Leiden werden dem Ende vorhergehen. Der vom Himmel gestürzte Drache hat auf Erden Gewalt und führt gegen die Frommen Krieg. Als äusserstes Schrecknis dessen, was man von den letzten Zeiten zu erwarten habe, ist Dan 810 das Herabwerfen der Sterne festgehalten und als Lästerung des Himmels durch die Weltmacht gedeutet. Man hat versucht, den bitteren und jedem Menschen so schwer eingehenden Gedanken von der iSTot wendigkeit der Lei- den aus dieser Tradition zu begründen. Die der Geburt des Christus vorausgehenden Wehen , die schon in der Tradition — aus irgend welchem Grunde — be- tont waren, hat man auf die Drangsale der letzten Zeit ge- deutet 2). Der Gedankengang solcher Deutung war: wie die Schwangere, die das Kind zu sehen wünscht, die Schmerzen der Geburt mit in den Kauf nehmen muss; so auch wir, die wir Christi Geburt herbeisehnen, die Wehen des Christus 2). Eine andre Betrachtung hat sich an einen Zug des Mythus angeschlossen, der Ap Job 12 zurücktritt, an das Aufwachsen des Knaben. Der Christus ist geboren und kommt sicherlich. Aber er ist gegenwärtig ein Knabe; er braucht Zeit zum Wachsen. Diese Zeit, in der er noch nicht helfen kann, muss man eben abwarten; da hilft nichts als Geduld3). 1) Dabei ist die Geburt des Gottes — anders als in Ap Job 12 — allegorisch als die Erscheinung Gbristi verstanden. 2) Ähnliche Gedankengänge bei ähnlichem Bilde cf IV Esra 546ff. 3) Diese Speculationen finden wir dann im Christentum fortgesetzt ; wie, gehört nicht hierher. 395 Einen andern Trost bringt Ap Joh 12 12; der Vers verweist auf den Grund des grausamen Zorns des Drachen. Er zürnt so sehr, weil er nur noch geringe Zeit hat. Wem diese Ursache der Leiden bekannt ist, der wird die kurze Zeit auch noch aushalten wollen. Aber wie lange soll es noch währen? Wie lange Zeit dauern die y.aiQol i&v GA-GA, tritt vor sie hin, [den Befehl, den ich] dich [hören Hess], verkünde ihnen: ,Ansar, euer Sohn, hat mich gesandt, den Befehl seines Herzens Hess er mich hören: 15 Tiämat, unsere Mutter, hat sich gegen uns empört, eine Motte versammelnd, zornig tobend. Ihr wandten sich zu die Götter insgesammt, die Äonen, die ihr schuft, trafen ihr zur Seite. Den Tag verfluchend folgten sie Tidmat, 20 zürnend, Unheil planend, rastlos Tag und Nacht; bereit zum Kampf, tobend, rasend rotteten sie sich zusammen, begannen den Streit. Die Mutter der Tiefe, die Schöpferin des Alls, fügte hinzu siegreiche Waffe)), riesige Schlangen schaffend, -5 mit spitzen Zähnen, schonungslos beim. Angriff; mit Gift wie mit Blut füllte sie an deren Leib. Wütende Giftnattern bekleidete sie mit Grausen, stattete sie aus mit Schrecken, hoch Hess sie sie . . . flhr Aussehen möge 30 ihr Leib schwelle an, auf dass unwiderstehlich ihre Brust!' Sie schuf eine Natter, eine wütende Schlange, eine Lachamu, einen grossen Tag', einen tollen Hund, einen Skorpionmensch, ,kreisende Tage', einen Fischmenschen und einen Widder, schonungslose Waffen tragend, nicht fürchtend die Schlucht. 35 trotzigen Sinnes, unüberwindlich für den Fei ml. Dazu aber, dass sie die Elf solchermassen bildete, unter den Göttern, ihren Söhnen, soviel sie zu Häuf gebracht, erhob sie den Kingu, machte ihn gross in ihrer Mitte. ,Voranzugehen rar dem Heere, das sei deine Sendung; 1) K 3473 etc (S A Smith, Mise Texts lff). Dazu die bei Bezold. Catalogue sub K 3473 erwähnten Duplicate, für deren Benutzung wieder das oben p 402 A 4 Bemerkte gilt. 408 40 das Waffenerheben befiehl du, den Aufbruch zur Schlacht!' Erster im Kampfe, Oberster im Sieg zu sein legte sie in seine Hand und setzte ihn auf den Thron: ,Deine Formel sprach ich, erhöhte dich unter den Göttern, belehnte dich mit der Herrschaft über die Götter insgesammt ; 45 hoch erhaben sollst du sein du mein einziger Gatte, gross soll dein Name sein über [dem Erdkreis!]' Drauf gab sie ihm die Lostafeln, legte sie an seine Brust: ,Dein Gebot sei gültig, feststehe deines Mundes Geheiss." Als nunKingu erhöht war, himmlische Gottheit erlangt hatte, 50 da bestimmte sie den Göttern, ihren Söhnen, das Los: ,Euer Mundauftun soll das Feuer dämpfen, Der Erhabene von Kidmuri soll die Glut auslöschen' ! Ich entsandte Ann, aber nicht wollte er ihr begegnen, Nugimmud x) fürchtete sich und kehrte zurück. 55 Da entbot ich Marduk, den Götterberater, euren Sohn ; der Tiämat zu begegnen, trieb ihn sein Herz. Er öffnete seinen Mund und sprach zu mir: ,Wenn wirklich ich euer Rächer sein soll, Tiämat bezwingen, euch erretten, 60 so rüstet ein Mahl, macht reichlich den Losschmaus, in Ubsugina insgesammt freudig tretet ein! Mit meinem Mund, gleich euch, will ich dann entscheide)) ; nicht werde geändert, was immer ich schaffe, nicht sei rückgängig, nicht ungültig das Wort meiner Lippe." 65 So eilet und bestimmet ihm schleunigst das Los, dass er hinziehe, begegne eurem gewaltigen Feind!' Da ging GA-GA hin, vollbrachte seinen Weg, bis zuLuchmu und Lachamu, den Göttern, seinen Vätern, fiel da nieder, küsste den Boden zu ihren Füssen, 70 stand gebückt, richtete sich auf und sprach zu ihnen: ,Ansar, euer Sohn, hat mich gesandt, den Befehl seines Herzens Hess er mich hören: Tiämat, unsere Mutter, hat sich gegen uns empört, eine Rotte versammelnd, zornig tobend. 75 Ihr wandten sich zu die Götter insgesammt, die Äonen, die ihr schuft, traten ihr zur Seite. Den Tag verfluchend folgten sie Tiämat, zürnend, Unheil planend, rastlos Tag und Nacht; bereit zum Kampf, tobend, rasend 80 rotteten sie sich zusammen, begannen den Streit. Die Mutter der Tiefe, die Schöpferin des Alls, fügte hinzu siegreiche Waffen, riesige Schlangen schaffend, mit spitzen Zähnen, schonungslos beim Angriff ; 1) dli Ea. 409 mit Gift wie mit Blut füllte sie an deren Leib. 85 Wütende Giftnattern bekleidete sie mit Grausen, stattete sie aus mit Schrecken, hoch Hess sie sie . . . }Ihr Aussehen möge ihr Leib schwelle an, auf dass unwiderstehlich ihre Brust!' Sie schuf eine Natter, eine wütende Schlange, eine Lachamu, 90 einen ,grossen Tag', einen tollen Hund, einen Skorpionmenschen, ,kreisende Tage', einen Fischmenschen und einen Widder, schonungslose Waffen tragend, nicht fürchtend die Schlacht, trotzigen Sinnes, unüberwindlich für den Feind. Dazu aber, dass sie die Elf solchermassen bildete, 95 unter den Göttern, ihren Söhnen, soviel sie zu Häuf gebracht, erhob sie den Kingu, machte ihn gross in ihrer Mitte: ,Dem Heere voranzugehen, das sei deine Sendung ; das Waffenerheben befiehl' du, den Aufbruch zur Schlacht!' Erster im Kampf, Oberster im Sieg zu sein, 100 legte sie in seine Hand und setzte ihn auf den Thron: ,Deine Formel sprach ich, erhöhte dich unter den Göttern, belehnte dich mit der Herrschaft über die Götter insgesammt; hoch erhaben sollst du sein, du mein einziger Gatte, gross soll dein Name sein über [dem Erdkreis !]' 105 Drauf gab sie ihm die Lostafeln, legte sie an seine Brust : ,Dein Gebot sei gültig, feststehe deines Mundes Geheiss." Als nun Kingu erhöht war, himmlische Gottheit erlangt hatte, da bestimmte sie den Göttern, ihren Söhnen, das Los: ,Euer Mundauftun soll das Feuer dämpfen, 110 der Erhabene von Kidmuri soll die G-lut auslöschen!' Ich entsandte Anu, aber nicht wollte er ihr begegnen, Nugimmud fürchtete sich und kehrte zurück. Da entbot ich Marduk, den Götterberater, euren Sohn; der Tiämat zu begegnen, trieb ihn sein Herz. 115 Er öffnete seinen Mund und sprach zu mir: ,Wenn wirklich ich euer Rächer sein soll, Tiämat bezwingen, euch erretten, so rüstet ein Mahl, macht reichlich den Ziosschinaus, in Ubsugina insgesammt freudig tretet ein! 120 Mit meinem Mund, gleich euch, will ich dann entscheiden ; nicht werde geändert, was immer ich schaffe, nicht sei rückgängig, nicht ungültig das Wort meiner Lippe!' So eilet und bestimmet ihm schleunigst das Los, dass er hinziehe, begegne eurem gewaltigen Feind!' 125 Das hörten Luch mu und Lachamu und weh[klagten laut,] die Himmelsgötter insgesammt schluchzten schmerz flieh:/ ,Wie wahnwitzig sind die Äonen, dass sie trachten nach [Haft], nicht können wir versteh» der Tiämat [Tun.]' Gunkel, Schöpfung. 27 410 Da versammelten sich, gierigen hin f. 130 die grossen Götter allesammt, die bestimmen [das Li traten ein vor Ansar, füllten an [das Gemach], sie drängten x) sich an einander in der Versammlung [. setzten sich zu Tische, [sättigten sich] am Mahl., ßrod assen sie, mischten [Wein], i%f>mit süssem Most füllten sie [sich,] tranken Meth, stärkten [ihren] Le[ib,] gar sehr bestiegen sie ihre [Sitze,] Marduk, ihrem Rächer, das Los zu bestimmen. (Ende von Tafel HI.) Tafel IV 2). Drauf setzten sie ihn auf den fürstlichen Thronsitz, angesichts seiner Väter Hess er sich nieder als Herrscher. ,Du seist geehrt unter den grossen Göttern; dein Los ist ohne Gleichen, dein Name ist Anu. 5 Marduk, du seist geehrt unter den grossen Göttern, dein Los ist ohne Gleichen, dein Name ist Anu. Von heute ab sei gültig dein Geheiss, Erhöhen und Erniedrigen liege in deiner Hand! Fest stehe dein Wort, unverbrüchlich sei dein Gebot, i° keiner der Götter beschreite deinen Bezirk! Ausschmückung, darnach begehren die Tempel der Götter, mögen sie daran darben, an deiner Stätte sei sie reich 3). 0 Marduk, da du unser Radier sein willst, so verleihen wir dir das Königtum über das ganze All. 15 Bist du im Rat, so stehe dein Wort obenan, deine Waffe sei siegreich, sie treffe den Feind. 0 Herr, wer auf dich traut, dessen Leben schone; aber der Gott, der Böses plant, giess aus dessen Leben.' Drauf legten sie in ihre Mitte*) irgend ein Kleid, 20 zu Marduk, ihrem Erstgeborenen, sprachen sie also: ,Dein Los, o Herr, übertreffe das der Götter: Vergehen und Werden — befiehl es und es geschehe. Auf das Auftun deines Mundes vergehe das Kleid, befiehl ihm wiederum, so sei das Kleid wieder da!' 1) vgl zu innisku ahu u ahi Ez 3 13 W 85 ll. 2) vgl Bezold, Catalogue sub K. 3437. 3) vgl zur Übersetzung dieser zwei schwierigen Zeilen Belser in BSS 2 155. 4) Orig. i-na bi-ri-su-nu. 411 25 Da befahl er mit seinem Munde, and das Kleid vergieng, wiederum befahl er ihm, und das Kleid war wieder da. Da solche Macht seines Worts sahn die Götter, sehie Väter, begrüssten sie ihn freudig: ,Mardnk sei König1, schenkten ihm Scepter, Thron und Ring, 30 gaben ihm eine Waffe ohne Gleichen, den Feind zu schlagen: , Wotan! der Tiämat schneide ab das Leben, es entführe der Wind ihr Blut ins Verborgene!' So bestimmten Bei *) das Los die Götter, seine Väter, einen Heils- und Glückspfad Hessen sie ihn einschlagen. 35 Er machte fertig einen Bogen, bestimmte ihn zur Waffe, ein Sichelschwert rüstete er, befestigte es Er nahm die Gotteswaffe 2), Hess seine Rechte sie fassen, Bogen und Köcher hängte er an seine Seite. Er machte einen Blitz vor sich her, 40 dessen Inneres er füllte mit lodernder Flamme. Er machte ein Netz, das Ungetüm Tiämat zu fangen, die vier Winde stellte er hin, dass sie ja nicht entkäme, Hess Südwind, Nordwind, Ostwind, Westwind treten ati das Netz, das Geschenk seines Vaters Anu. i5 Er schuf einen Orkan 3), einen Sturm, ein Wetter, die vier, die sieben Winde, einen Wirbel, eine Windsbraut. Drauf Hess er los die Winde, die er geschaffen, alle sieben, das Ungetüm Tiämat zu verwirren, ihm 4) zu folgen. Da nahm Bei den ,Sturm', seine grosse Waffe, 50 dem unvergleichlichen Wagen, den furchtbaren, bestieg er. Er trat darauf, ein Viergespann band er daran, [Rosse], schonungslose, mutige, flugschnelle; [mit spitzen1 Zähnen, voll von Gift, [ ]...., die niederzuwerfen verstehen, 55 [zur Rechten . . .] schrecklich im Kampf, zur Linken [ / öffnend [ ] . . . . [....].. mit Grausen bekleidet, dessen Schrecken nie[d er wirft] Gerade aus zog er, vollbrachte seinen [W]eg, 60 zum Ort, wo Tiämat [. . . .}, wandte er sein Antlitz, mit der Lippe [ ] haltend, ein Giftkraut [....] mit seinem Finger fassend. 1) Hier, wie mehrfach im Folgenden, wird Marduk mit dem Namen Bei ,Herr' bezeichnet, der ursprünglich blos Beiname, später geradezu als N pr für ihn gebraucht wurde. Ebenso bei Berossus stets BfXog. 2) dh nach den Abbildungen wol der doppelte Dreizack. 3) sciru Umnu .böser Wind' ist nur Glosse zu imhulhi. 4) wahrscheinlich auf Marduk zu beziehen. 412 2m der Stunde pries man ihn *), die Götter priesen ihn, die Götter, seine Väter, priesen ihn, die Götter priesen ihn. 65 Es nahte Bei, nach dem Kampf mit Tiämat spähend, nach Kingu's, ihres Gemahls, Besiegung ausschauend. Wie der ihn erblickte, da ward verwirrt sein Vornehmen, sein Verstand ward benommen, sein Tun verworren. Als die Götter, seine Helfer, die ihm zur Seite gingen, 70 ihren Führer [verzagen] sahen, ward ihr Auge verstört. Doch Tiämat hielt [stand], wandte den Nacken nicht ab, mit ihrer Lippe .... Widersetzlichheit .... ,Es nehm[en a]uf 2) mit dir, o Bei, die Götter den Kampf, [da w]o sie versammelt sind, ist jetzt deine Stellei1 3) 75 Da [nahm] Bei den ,Sturm', seine grosse Waffe, [der] Tiämat, was sie begangen, hielt er also vor: ,[Drunten gewlaltig warst du, droben erhaben; [doch dich trieb] dein [Helrz, Streit zu beginnen, [dass die Aeonen von] ihren Vätern zu [dir abfielen;] 8o [um dich schartest du] sie, empörtest dich ge[gen uns,] [machtest den King]u4) zu de[inem] Gemahl, [übergabst] ihm6) göttliche Macht. [. auf BJöses sannest du, fden Göttjern, meinen Vätern, tatest du Bosheit an. 85 (Äo werde gefeslselt deine Schaar, gebunden deine Waffen; stelle dich! ich und du wollen mit einander kämpfen!' Tiämat, als sie solches vernahm, geriet in Bestürzung, verlor den Verstand. Es schrie auf Tiämat, ungestüm sich aufbäumend, 90 im Tiefsten durch und durch erbebte ihr Gebein. Sie sagt her eine Beschwörung, spricht aus eine Formel, die Götter der Schlacht lassen erklingen ihre Waffen. Es begegneten sich Tiämat und Marduk, der Götterberater, zum Kampf stürmten sie, nahten zur Schlacht. 95 Da spannte aus Bei sein Netz, schloss sie ein, den Orkan, der hinten stand, Hess er auf sie los. Als nun aufriss ihren Bachen Tiämat Hess er den Orkan hinein, dass sie das Maul sperren musste. Mit grimmigen Winden füllte er an ihren Leib, ioo dass die Besinnung ihr schwand, sie den Bachen weit aufriss. Er aber fasste das Sichel seh wert, stiess es ihr in den Leib, 1) oder , zuschauen' statt ,preisen'? 2) ich vermute mit-ta-[ah-hu]-ru. 3) dh gilt es jetzt für dich, deinen Mann zu stehen. 4) Schluss von gu auf Z 5420c Obv erhalten. 5) su auf K 5420c Obv erhalten. 413 zerschnitt ihr Eingeweide, zerteilte ihr Inneres; er bewältigte sie, machte ihr den Garaus, ihren Leichnam warf er hin, stellte sich darauf. — 105 So hatte er Tiämat, die Führer in, bewältigt, ihre Streitmacht zersprengt, ihre Schaar zerstreut; die Götter, ihre Helfer, die ihr zur Seite giengen, erzitterten, fürchteten sich, wandten sich rückwärts, machten sich davon, ihr Leben zu sichern, 110 [doch Banjde umschlangen sie, die unentrinnbar: so nahm er sie gefangen, zerbrach ihre Waffen, im Netze lagen sie, sassen im Garn; auch füllten sie an das Weltall mit Geheul, trugen seine Strafe, eingeschlossen im Kerker. — llbAnch die elf Geschöpfe, die sie grausig gebildet, eine Horde von Unholden, die ihr zur Seite gegangen, legte er in Fesseln, [band] ihre Hände, und ihren Widerstand [trjat er unter sich. — Und Kingn, der ge[\valtig war über] sie [alle,] 120 den beicältkjte er und tat ihm wie den [andern] Göttern. Er entriss ihm die Lostafeln, [die hiengen an] seiner [Brlust; siegelte sie mit seinem Siegel, hängte sie sich an dieBr[ust.] Nachdem er so seinen Gegner bewältigt und bezwungen, den stolzen Widersacher zu [schänden] gemacht hatte, 12bAnsar,s Sieg über den Feind gänzlich vollendet, Nugimmud's J) Absicht erreicht der streitbare Marduk, da machte er über die beivältigten Götter seine Haft fest, und kehrte zurück zu Tiämat, die er bewältigt. Es trat nieder Bei den Leib der Tiämat, 130 mit der schonungslosen 3) Waffe spaltete 3) er ihren Schädel, durchschnitt ihr die Adern ihres Blutes und Hess es vom Nordwind ins Verborgene, bringen. Das sahen seine Väter, freuten sich, frohlockten, Friedensgeschenke Hessen sie bringen für ihn. 135 Da ward Bei besänftigt, als er ihren Leichnam betrachtete, Kunstreiches zu schaffen. Er zerschlug sie wie einen . . . . 4), in zwei Teile ; 1) dh Ea's. 2) Original pa-di-e. 3) Vgl die Jagdinschr Asurbanipal's I R 7 No IX D, wo im Hin- blick auf obige Stelle natürlich auch muhhasu unatti zu lesen ist, ferner IV R2 56, 3a add: patru [sa qaqjqadu inattü ,ein Dolch, welcher den Kopf spaltet'. Vgl wahrsch hebr -r?. Zu muhhu , Gehirn' cf Meissner ZA 876. 4) Wahrsch ein Waffenname mit folg Adj. Oder ist zu lesen sahne , Zwillinge' (am Himmel)? Vgl dann dazu Jensen Kosm 65. 414 eine Hälfte nahm er, machte sie zum Himmelsdach, zog eine Schranke davor, stellte Wächter hin, 140 ihre Wasser nicht herauszulassen befahl er ihnen. Den Himmel entsprechend der untern Welt befestigte er, stellte ihn dem Ocean gegenüber, Nugimmud's1) Wohnung. Dann mass aus Bei des Oceans Bau 2), als einen Pallast gleich diesem errichtete er Esara. Den Pallast Esara, den er als Himmel baute, Hess er Anu, Bei und Ea als ihre Stadt beivohnen. (Schluss von Tafel IV.) Tafel Y 3). Er machte die Standörter für die grossen Götter, als Sterne gleich ihnen setzte er die Tierkreisgestirne 4) ein. Er bezeichnete das Jahr, brachte alle Sternbilder an, zwölf Monate mit Sternen, je dreien, setzte er ein. 5 Als er des Jahres Tage bezeichnet nach den Sternbildern, gründete er Jupiters Standort, zu bezeichnen ihre Grenze, auf dass keiner 5) fehl gehe, noch sich verirre, setzte er Bel's und Ea's Standort zugleich mit ihm 6) fest. Drauf öffnete er Tore zu beiden Seiten, 10 befestigte einen Verschluss links und rechts. in die Mitte des Himmels setzte er den Zenith. Den Mond Hess er aufstrahlen 7), unterstellte ihm die Nacht, bestimmte ihn zum Nachtkörper, die Zeit zu bezeichnen, allmonatlich bildete er ihn als Vollmond: 15 ,Beim Beginn des Monats, wann der Abend anbricht, mit den Hörnern erglänze, um den Himmel zu bezeichnen. Am siebenten Tage mach die Scheibe fhajlb, stehe senkrecht 8) am [Sa]bbath mit der [erstjen Hälfte. Wann bei [Unter ga]ng 9) der Sonne am Horizont du [aufgehst], 1) dh Ea. 2) Es ist zu lesen bi-nu-tu-us-su. Das 6* der Ausgabe hinter apsii in der vorhergehenden Zeile steht nicht im Original. 3) Vgl Bezold Catalogue sub K 3567. 4) nicht identisch mit den Tierkreiszeichen, aber in deren Nähe; vgl darüber Jensen Kosm 47 ff. 5) seil der Tage. 6) näml dem Standort des Jupiter. 7) oder: schuf er? 8) seil zur Erde bezw Sonne, dh im Meridian, in welchem der Mond im ersten und letzten Viertel bei Sonnenuntergang steht. 9) [ina Su-u]l-ma Samsi. 415 20 so stehe ihr gegenüber [am 14.] im vollsten Glänze. [Vom 151. l) [an] nähere dich der Bahn der Sonne, [am 211. x) stehe senkrecht zur Sonne zum zweitenmal. [Vom 22. an ....]... aufzusuchen ihren Weg, [am 28. zur Sonne] komm heran und halte Gericht! 25 [. .] [ .] verletzen, [. J [. .] mich. (Das Folgende ist abgebrochen; es enthielt vermutungsweise zunächst die Fortsetzung über die Schöpfung der Himmelskörper, dann wol die Schöpfung des Festlandes und des Meeres.) Tafel VI. 1 / .] . . der Götter als er hörte*). (Alles Übrige fehlt ; es enthielt vermutlich den Bericht über die Pflanzen- schöpfung, falls derselbe nicht bereits auf Tafel V gegeben war.) Tafel YII(??)3). Einst als die Götter insgesammt bildeten [die Welt], schufen [den Himmel], befestigten die Erde], hervorbrachten beseelte [Wesjen . . f. ] Vieh des Feldes, [Getier] des Feldes und Gewürm [des Feldes,] 5 /. ] • • den beseelten Wesen [. . .] [......]. und mit "Lebewesen die Stadt auffüllten,] [. . . . al]le Lebewesen, alle Creatur f. . . '. .] [ .] in meiner ganzen Familie [. . .] [da schuf] der Gott Nin-igi-azag zwei klei[ne ... [unter der Gesamjmtheü der Lebewesen machte er[sie]herr[lich] (Es folgen noch 4 Zeilenreste.) 1) Orig -kan, nicht tar. 2) erhalten als ,Custos' auf der Eückseite der Fragmente mit dem Anfang der V. Tafel. 3) Die Zugehörigkeit dieses Fragments DT 41 (veröffentlicht bei Delitzsch, Ass Lesest3 94 f) zu dem Schöpfungsepos in der Redaction ,Einst als droben' ist jedenfalls nicht sicher und erscheint auch nicht gerade als wahrscheinlich. 416 Letzte (?) Tafel1). (Anfang abgebrochen.) Gott Zi-[. . . nannten sie ihn'2) zweitens ] ,der festsetzte [. . . . / ihre Wege [, , - - J nicht werde vergessen unter den Menschen [....] 5 Gott Zi-azag 3) nannten sie ihn drittens: ,der Reinigung bewirkt, Gott des milden Hauches, Herr der Erhörung und Gnade, der hervorbringt . . und Fülle, der Überfluss schafft, der alles, was wenig, zahlreich macht, dessen milden Hauch wir atmen bei grosser Mühsal': 10 möge man aussagen, rühmen, und ihm huldigen! Gott Mir-azag zum vierten, so preise ihn die Welt! ,Herr der reinen Beschwörung, der die Toten lebendig macht, der den bewältigten Göttern Gnade erwies, das auferlegte Joch den Göttern, seinen Feinden, abnahm, 15 der an ihrer Statt die Menschen schuf, der Barmherzige, der zu beleben die Kraft besitzt': bestehen möge, nicht vergessen werde solches Wort von ihm im Munde der Schwarzköpfyen, die geschaffen seine Hände! Gott Tu-azag fünftens laute sein Zauberwort in ihrem Munde: 20 ,der durch seine reine Beschwörung ausrottet alle Bösen'. Gott Sa-zu: ,der der Götter Herz kennt, der ins Innerste blickt, der den Übeltäter nicht entrinnen lässt vor sich, der den Götterrat beruft, der ihr Herz [erfreut,] der da beugt die Unbotmäfssigen .] 25 der das Becht gelingen lässt, f. ] der die Widerspenstigkeit [ .] GottZi-si: ,der dahin fah[ren lässt den Sturmwind, . . .] ders dahinstürmen lässt das Staubgewühl / Gott Sug-kur sechstem: ,der ausrottet die [Feinde ... .7 30 der ihre Verträge ... [. / der ver[nicht]et [alle] Böfsen J (Die Fortsetzung ist abgebrochen.) 1) Veröffentlicht bei Delitzsch, Ass Lesestücke3 95 f vgl Bezold Catalogue sub K 8522. Die Zugehörigkeit zur Schöpfungsgeschichte in der Eedaction , Einst als droben' ist nicht absolut sicher. 2) nämlich Marduk. 3) Die Bedeutung dieses und der folgenden Ehrennamen des Mar- duk wird stets in den unmittelbar folgenden Versen gegeben. 417 (Eückseite dieses Fragments, zunächst einige verstümmelte Zeilen.) / .] Stern, [der am Bimmel aufstrahlt] es werde erfasst .... 5 Weil er das Ungeheuer Tichnat1) spal tete ohne zu rasten,] sei sein Name Nibiru, der da einnimmt die [Mitte . .] Den Sternen des Himmels [bestimme er] die Bahn, wie Schafe weide er die Götter insgesammt! Er bewältige Tiämat, bedränge und verkürze ihr Leben, Jo für alle künftigen Geschlechter, für alle spätesten Tage nehme er sie weg ohne . . . , bringe sie fort für alle Zeiten1 . Weil er die Erde geschaffen, das Festland gebildet, ,Herr der Länder' zum Namen gab ihm der Vater Belt die Namen der Himmelsgötter erhielt er insgesammt. 15 Das hörte Ea, da erheiterte sich sein Gemüt, dass man seinem Sohne so herrliche Namen verlieh: ,Er, wie ich selbst, Ea soll er heissen, meine bindenden Gebote insgesammt überbringe er, alle meine Befehle, er möge sie übermitteln!' 20 Nach den fünfzig Namen der grossen Götter gab man ihm fünfzig Namen, vermehrte seine Macht. Es vernehme solches der Vorsteher and /-erkunde es, der Weise, der Kundige beherzige es gleicherweise ; der Vater erzähle es dem Sohne, schärfe es ihm ein, 25 dem Hirten und Hüter2) öffne er das Ohr, dass er sich freue über den Herrn der Götter, Mardnk, dass sein Land gedeihe, er selbst wolbehalten bleibe! Beständig ist sein Wort, gültig sein Befehl, seinen Ausspruch ändert nicht irgend ein Gott. 30 Schaut er böse drein, ohne seinen Nacken zu wenden, so kommt in Zorn und Grimm kein Gott ihm gleich. Der Langmütige . . . [ ] [der] Sünde und Frevel vor sich [. ] (Schluss abgebrochen.) IL Eine zweite babylonische Recension des Tiämat-Kampfes3). Es seufzten die Städte, die Menschen [stöhnten,] Wehklage erhoben die Menschen [und jammerten.] 1) eigentlich ,die Mitte Tiamats'. 2) dh dem Könige. 3) Em 282 (gleichfalls aus der Bibliothek Asurbanipals), veröffent- Gunkel, Schöpfung. 28 418 Auf ihre Klage nicht [ward ihnen Hülfe,] auf ihr Jammern nicht [ward ihnen Beistand.] 5 ,Wer ist denn der [grosse] Drache?' ,Tiämat ist der ^grosse) Drache!' Bei hat am Himmel gezeichnet [sein Bild:] 50 Meilen seine Länge, 1 Meile [seine Breite,] 1J2 Hute sein Rachen, 1 Rute [sein .] 10 60 Ruten die Windungen *) des [grossen] Dra[chen,] 65 Ruten eines Vogels . . [. .] Im Wasser 9 Ellen misst f. ] er richtet auf seinen Schwanz [ ] Die Götter des Himmels insgesammt [ ] 15 im Himmel die Götter fallen nieder vor [dem Gotte . . . .] und des Sin Rettungsseil eiligst [ergreifen sie.] ,Wer icird hingehen, den Drachen2) [töten,] die weite Erde errett[en] und die Königsherrschaft ergreifen?' ™ , Gehe hin, Gott SUH, den Drachen töfte,] die weite Erde erre[tte] und die Königsherrschaft ergreife!' ,Du hast mich gesandt, Herr ....[....•] nicht vermag ich des Drachen [ ] 25A 7 • • • [■ ] [. .] im Wasser [.--•] ■ (Fehlen ungefähr 50 Zeilen.) [•-■■•] seinen Mund öffnete zum Gotte [.•-•] ,Lass hinabfahren Wolken, Sturm, dein Lebenssiegel an deine Stirn lege, den Drachen töfte!]' (b)Da Hess er hinabfahren Wolken, Sturm, sein Lebenssiegel an seine Stirn legte er, den Drachen flötete er,] licht von Delitzsch Abs "Worterb 390. — Die metrische Form ist weniger einheitlich, als" in dem vorhergehenden Stücke. Mit Versen zu 4 He- bungen wechseln hier solche zu 6 (vielleicht 9) Hebungen. 1) limäti y/~ lamü = rn?; cf ■r"i; cf oben p 46 A 4. 2) Hier und wiederholt im Folgenden wird das Ungeheuer durch ein Wort bezeichnet, welches wegen des polyphonen Characters der assyrischen Schrift kalbu (Hund), labbu (Löwe), aber auch rebbu gelesen werden kann. Ist letztere Lesung, was aber vorerst noch zweifelhaft bleiben muss, die richtige, so wäre rebbu (für *rahbu) das assyrische Äquivalent von am. 419 3 Jahre 3 Monate, Tag und [Nacht] floss dahin des Drachen Blut. (Es folgt die übliche Unterschrift, welche die Tafel als zur Bibliothek Asurbanipals gehörig ausweist.) III. Eine zweite babylonische Recension der Schöpfung *). yoch war das heilige2) Haus der Götter an heiligem3) Orte nicht gemacht, kein Bohr noch entsprossen, kein Baum noch geschaffen, kein Ziegel gelegt, kein Ziegelbau errichtet, kein Haus errichtet, keine Stadt gebaut, 5 keine Stadt errichtet, keine Wohnung bereitet, Nippur nicht errichtet, E-kurz) nicht gebaut, Erech nicht errichtet, E-anna 4) nicht gebaut, der Ocean nicht geschaffen, Eridu nicht gebaut, das heilige Haus der Götter, sein Bau nicht errichtet: 10 die Gesammtheit der Länder war Meer! Aber da (entstand) im Meere eine Bewegung. Eridu ward errichtet, Esagil'0) gebaut, Esagil, wo mitten im Ocean Gott Lugal-dul-azaga wohnt. Babel ward errichtet, Esagil vollendet. 15 Die Götter, die Anunnaki 6) wurden zugleich geschaffen; die heilige Stadt, wo sie gern wohnen, benannten sie herrlich. 1) Londoner Tafel 82—5—22, 1048, veröffentlicht und übersetzt von Pinches in Journ of the Roy As Soc Vol XXIII (1891), p 393—408. Vgl denselben in Transact of the 9. intern Congr of Orient Vol II p 190—198 und Hommel in Deutsche Rundschau XVII 10 (1891) p 105— 114. — Meist im gewöhnlichen babylonischen Metrum: der Vers zu 4 Hebungen, doch mit mehrfachen Abweichungen im Einzelnen. Auch die Strophenbildung erscheint hier nicht klar durchgeführt. 2) wörtlich ,reine'. 3) Bel-Tempel in Nippur. 4) Istar-Tempel in Erech. 5) sonst, so gleich in Z 14, der grosse Marduk-Tempel in Babylon, aber hier wahrscheinlich Bezeichnung eines Tempels in Eridu am persi- schen Meerbusen; daher auch die Xaherbestimniung in Z 13. 6) untergeordnete göttliche Wesen. 28* 420 Es befestigte Mardük ein Röhricht auf dem Wasser, bildete Staub1) und schüttete ihn neben dem Röhricht auf. Um die Götter an lieblicher Stätte wohnen zu lassen, 20 schuf er die Menschen; die Göttin Aruru schuf Samen der Menschen zugleich mit ihm. Tiere des Feldes, Lebewesen des Landes schuf er. Den Tigris und den Euphrat schuf er an ihren Orten, benannte ihre Namen gut 25 Schilf, Rohr und Wald schuf er. Das Grün des Feldes schuf er, die Länder, das Schilf, das Rohr, die Wildkuh mit ihrem Jungen, dem jungen Wildochs, das Mutterschaf mit seinem Jungen, dem Lamm der Hürde, Baumgärten und Wälder, 30 den Ziegenbock Drauf füllte Marduk auf zur Seite des Meeres eine Terasse, [..... J . . wie er zuvor nicht gemacht hatte, [ 7 Hess er entstehen. [ ] Bäume schuf er, 35 [Ziegelsteine] schuf er an ihrem Orte, [ .] Ziegelbauten schuf er, [Häuser errichtete er], Städte erbaide er, [Städte errichtete er], Wohnungen legte er an, [Xippur errichtete er], E-kur baute er, 40 [Erech errichtete er, E-ann]a baute er. (Fortsetzung abgebrochen.) (Der Schluss der Tafel enthält eine Beschwörungsformel.) IV. Der Adapa-Mythus 2). (Fehlen zu Anfang einige wenige Zeilen.) Der Südivind [wehte und tauchte ihn unter,] in das Haus [seines Herrn] versenkte er ihn. ,0 Südwind, [du hast] mir [angetan] all deine Tücke; 1) epiru = "fj. 2) Auf einer zusammen mit den Teil el-Amarna-Briefen gefundenen Thontafel, also aus der Mitte des zweiten Jahrtausends v Chr stammend. Veröffentlicht von Winckler Thontafelfund vonEl-Amarna 166. Übersetzt von ETHarper Beitr z Assyriologie II 420ff; vgl noch Zimmern, Sunday 421 6 den Flügel will ich dir brechen!' Sobald er das mit seinem Munde gesprochen, wurde des Südwinds Flügel gebrochen. 7 Tage wehte der Südwind nicht mehr über die Erde. Ann spricht zu seinem Boten Ilabrat: .Warum wehte der Süd wind seit 7 Tagen nicht mehr über die Erde?1 10 Sein Bote Ilabrat antwortet ihn: ,Mein Herr! Adapa, der Sohn Ea's, hat des Südwinds Flügel gebrochen'. Als Ann dieses Wort vernommen, rief er ,Hilfe.", setzte sich auf seinen Thron [...].. Ea, der den Himmel 15 ( . . . .] Hess er ihn tragen, ein Trauerkleid [. . . .] [ 1 legte er ihm an. [ ,Zu Anu,] dem Könige, musst du gehen. [Wenn du emporsteigst) zum [Himmlel [und dem Throne Anu's dich nahst,1 20 am Thore Anu's [werden Tammuz und GIS.ZLDA] stehen, werden dich erblicken ; Um wessent willen siehst du so aus, Adapa, für wen trägst du das Trauerkleid?' ,Von unserer Erde sind zwei Götter verschwunden; darum tue ich also'. , Wer sind die zweiGötter, die von der Erde ib verschwunden sind?' , Tammuz und GIS.ZLDA. Da werden sie einander anschauen und wehklagen, dann aber ein gutes Wort bei Anu einlegen und machen, dass Anu dich freundlich ansehend. Wenn du dann vor Anu trittst, wird man dir Speise des Todes reichen: 30 iss nicht davon! Wasser des Todes wird man dir reichen: trink nicht davon! Ein Kleid wird man dir reichen: das ziehe an! Öl wird man dir reichen: damit salbe dich! Den Bat, den ich dir gegeben, niissachte nicht, das Wort. das ich zu dir gesprochen, halte fest'. Da kam der Bote 35 Anu's an: , Adapa hat des Südwinds Flügel gebrochen. Lass ihn vor mich bringen'. . . . . des Himmels Hess er ihn sich lagern, zum Himmel stieg er empor. School Times (Philad) Jane 18, 1892. — Die obige Ilebersetzung hält sich hinsichtlich der Zeilentrennung an das nicht-metrisch geschriebene Original. Trotzdem der Kythmus an vielen Stellen unverkennbar ist, schien es mir doch noch zu gewagt, von der prosaischen Schreibung des Originals abzugehen, zumal auch der Text an mehreren Stellen nicht unversehrt ist. 422 Als er zum Himmel hinaufkam, dem Thore^ Anu's sich nahte, standen am Thore Anu's Tammuz und GIS.Z1.DA. 40 Als sie Adapa erblickten, riefen sie ,Hilfe!' ,Herr! Um wessentwillen siehst du so aus, Adapa, für wen trägst du das Trauerkleid?' ,Von der Erde sind zwei Götter verschwunden, darum trage ich das Trauerkleid'. ,Wer sind die zwei Götter, die von der Erde verschwunden sind?' 45 ; Tammuz und GIS.ZI.DA'. Da sahen sie einander an und wehklagten. Als drauf Adapa Anu, dem Könige, sich nahte und ihn Anu erblickte, da sprach er zu ihm: ,0, Adapa! Warum hast du des Südwinds Flügel gebrochen?' Adapa antwortet dem Anu : ,Mein Herr! 50 Für das Hatis meines Herrn fing ich mitten im Meere Fische. Das Meer war spiegelglatt. Da wehte der Südwind und tauchte mich unter, in das Haus meines Herrn versenkte er mich. Im Zorn meines Herzens [Tammuz] hbund GIS.ZI.DA legten ein gutes Wort bei Anu ein; da wandte sich sein zorniges Herz und ward besänftigt: ,Warum Hess Ea einen unreinen1) Menschen des Himmels und der Erde Innerstes schauen, machte ihn gross, verlieh ihm einen Namen? 60 w~{r aber, was können wir ihm noch verleihen? Speise des Lebens holt für ihn, dass er esse! Speise des Lebens holte man für ihn, aber er ass nicht. Wasser des Lebens holte man für ihn, aber er trank nicht. Ein Kleid holte man für ihn, er zog es an. Ol 65 holte man für ihn, damit salbte er sich. Da schaute ihn Anu an, wehklagte über ihn : ,0 Adapa, warum hast du nicht gegessen, nicht getrunken? so ivirst du auch nicht (ewiges) Leben haben. [•■••■] ,Ea, mein Herr, hat mir befohlen: iss nicht, trink nicht!' [ } ihn [zurückke]hren nach seinem Lande. (Die Schlusszeilen abgebrochen.) 1) dh , sündigen' 423 V. Die Sintflut1). Qit-napistim%) sprach darauf zu Gilgames*) also: ,Ich will dir eröffnen, Gilgames, geheime Rede, 10 v die Entscheidung der Götter will ich dir verkünden. Surippak, eine Stadt, dir wol bekannt, die am Ufer des Euphrat gelegen, diese Stadt war (schon) alt; die Götter in ihr — eine Sintflut zu senden trieb ihr Herz die grossen Götter. 15 [Es iv]ar ihr Vater Anu, ihr Berater der Kriegsheld Bei, ihr Bote Ninib, ihr Führer Ennugi. Der Herr der Weisheit, Ea, hatte mit ihnen beraten, ihre Bede erzahlte er einem Rohrhaus: ,Rohrhaus, Rohrhaus! Wand, Wand! 20 Rohrhaus höre.\ Wand vernimm! Du Mann aus Surippak, Sohn des Ubaratutu, 1) Aus der zahlreichen Literatur üher den babylonischen Sintflut- bericht (vgl dazu Bezold Literatur 172 f; derselbe Catalogue sub K 2252) seien insbesondere erwähnt die Bearbeitungen von Haupt in Schrader's EAT2 55 ff und von Jensen Kosmologie 367 ff. Dazu neuerdings, meist in ziemlich engem Anschluss an die letztgenannte Arbeit, die Über- setzungen von A Jeremias in dessen Izdubar-Ximrod (1891), p 32 ff; Win ekler Keilinschriftl Textbuch z AT (1892), p 71 ff; Muss-Arnolt in The Biblical World, Yol LU (1894), p 109 ff. — Die metrische Form des babylonischen Sintflutberichts ist, wie überhaupt in dem ganzen Gilga- mes-Epos, von dem es einen Teil bildet, nicht so streng durchgeführt, wie zB im Schüpfungsepos. Immerhin lässt sich in den weitaus meisten Fällen mit Leichtigkeit die gewöhnliche babylonische Strophe (bestehend aus 2 Versen mit je 2 Halbversen zu je 2 Hebungen) erkennen. Doch treten dazwischen auch Strophen mit 3 Versen ein (zB 146 ff) und andere Abweichungen. 2) Die Lesung ist, was den ersten Namensbestandteil betrifft, immer noch nicht ganz sicher. Hommel liest neuerdings (Proc Soc Bibl Arch 1892/93 p 243) Xtih-(napütim) = na, was aber auch noch sehr problematisch ist. 3) Dies die jetzt inschriftlich bezeugte Lesung des früher con- ventioneil Izdubar oder Gisdubar gelesenen Helden. Das schliesst in- dessen nicht aus, dass neben dieser sicher nichtsemitischen Aussprache des Namens auch noch eine semitische, etwa Namrudu, geläufig gewesen sein könnte. 424 zimmre ein Hans, baue ein Schiff, verlass deinen Besitz, denk an dein Leben! Lass deine Habe zurück und rette dein Leben, 25 bringe Lebenssamen aller Art auf das Schiff! Das Schiff, das du jetzt bauen sollst, wol berechnet seien seine Mafse, es mögen sich entsprechen seine Breite und Langseite1); in den Ocean lass es hinab!' 2) 30 Ich verstand es wol, sprach zu Ea, meinem Herrn: [Den Befe]hl, mein Herr, den du eben gegeben, will ich befolgen und ausführen ; [aber was] sage ich der Stadt, dem Volk und den Ältesten?' Ea öffnete seinen Mund und sprach, 35 sagte drauf zu mir, seinem Knechte: ,Als [Antw]ort also sprich zu ihnen: ,Es verwarf mich Bei und hasst mich, drum will ich nicht mehr wohnen in eurer Stadt, auf die Erde BeVs nicht mehr legen mein Haupt; 40ivill [hinab fahren zum Ocean, bei [Ea], meinem [Helrrn, wohnen, [ejuch wird er dann überschütten mit reichem Segen, [einer Masse] Vögel, einer Me[n]ge Fische, [ 7 Ernte. [Doch eine Zeit hat Samas bestimmt, da die Herren] der Finsternis 45 [am Abend e]uch [überschütten werden) mit verderb- lichem Regen'. Sobald [das erste Morgenrot) erschien, (Es folgen einige verstümmelte Zeilen.) (..../ brachte den Bedarf herbei, am fünften Tage entwarf ich seine Gestalt. Ringsum waren 120 Ellen hoch seine Wände, 120 Ellen war entsprechend die Breite seines Decks. eo Ich entwarf ; zeichnete es selbst; ich baute es in 6 Stockwerken, teilte es siebenmal. Sein Inneres teilte ich neun Mal. Wasser goss ich darinnen aus. Ich sah mich nach einem Ruder um, tat das Nötige hinzu. *b6 Saren Erdpech goss ich auf die Aussenseite, 1) wahrscheinlich so zu verstehen, dass der Querdurchschnitt des Schiffes ein Quadrat bilden soll. Vgl Z 58 f. 2) Z 19—29 bilden den Inhalt des Traums, den Ea dem in einem Rohrhause befindlichen ^it-napistim sendet. 425 3 Saren Asphalt [goss ich] auf die Innenseite, 3 Saren Öl brachten herbei Leute, . . . -träger. Ich behielt zurück ein Sar Öl, das die Opfer verbrauchten, 2 Saren Öl barg der Schiffer. 70 Für die Te[mpel der Götter] schlachtete ich Ochsen, tötete Widder jeden Tag. Krüge mit Sesamwein, Öl und Traubenwein, Schalen mit / wie Flusswasser. Ein Fest veranstaltete ich, wie am Neujahrstage, 75 [ ] Salbe tauchte ich meine Hand. [Am siebenten Tage] . . . war das Schiff fertig, [,..'. ] war schwierig. brachte man hin oben und unten, [ ■ . . .] zwei Drittel davon. 9,0 Mit Allem, was ich hatte, belud ich es, mit Allem, was ich hatte an Silber, belud ich es, Mit Allem, was ich hatte an Gold, belud ich es, mit Allem, was ich hatte an jeglichem Lebenssamen, belud ich es. Ich brachte auf das Schiff meine Familie und mein Gesinde, 85 Tiere des Feldes, Wild des Feldes, Werkmeister aller Art brachte ich hinauf. Eine Zeit hatte Samas festgesetzt: , Werden die Herren der Finsternis am Abend einen verderblichen Begen senden, so tritt in das Schiff und verschliess das Thor1. Jene Zeit trat ein; 90 die Herren der Finsternis sandten am Abend einen verderblichen Regen. Des Tages Aufleuchten fürchtete ich, den Tag zu schauen hatte ich Angst. Ich trat ein in das Schiff, verriegelte das Thor. Dem Lenker des Schiffes, Puzur-Bel, dem Schiffer, 95 übergab ich die Arche mitsammt ihrem Inhalt. Sobald das erste Morgenrot erschien, stieg auf vom Horizont eine schwarze Wolke. Rammän donnert mitten darinnen, Nebo und Marduk schreiten voran. 100J£!s ziehen die Boten über Berg und Tal, den Anker reisst Uragal los, es geht dahin Ninib, lässt Sturm hinter drein folgen. , Die Anunnaki erheben ihre Fackeln, durch deren Glanz sie das Land erleuchten. 10iBammäns Staubwirbel dringt bis zum Himmel, alles Helle wird in Finsternis verwandelt. 426 [. . . .] das Land wie [ ) schlug [nieder,] einen ganzen Tag der Stu[rm . . . . .] eilends blies er daher, die [Wasser stiegen] die Berge [hinan,] 110 drangen wie ein Schlachtsturm auf die Menschen ein. Nicht sieht in ehr einer den andern, nicht werden mehr erkannt die Menschen vom Himmel aus. Die Götter fürchteten sich vor der Sintflut, wichen zurück, stiegen hinauf zum Himmel Anu's, 115 die Götter, wie Kettenhunde, kauerten sie am .... Es schreit Istar wie eine Gebärende, es wehklagt die Herrin der Götter mit lauter Stimme: ,Die frühere Menschheit ist wieder zu Erde *) geworden, weil ich im Götter rat für Schlimmes stimmte, 120 und ich, im Götterrat für Schlimmes stimmend, zur Vernichtung meiner Menschen für eine Sin tflut stimmte. Werde ich je wieder Menschen zur Welt bringen wollen, wenn sie jetzt wie Fischbrut das Meer erfüllen ?' Die Götter der Anunnaki weinten mit ihr, 125 die Götter sassen gebeugt, weinend, ihre Lippen zusammengepresst [......].. 6 Tage und Nächte wütet der Sturm, die Flut, peitscht der Regen das Land. Als der siebente Tag herankam, 130 Hess nach das Wetter, die Flut, der Sturm 2), die gekämpft hatten wie ein Heer. Es ruhte das aufgewühlte Meer, der Orkan, die Sintflut hörte auf. Ich blickte auf das Meer, Hess die Stimme erschallen — aber alle Menschen waren ivieder zu Erde geworden, 135 an Stelle der Wohnstätten war alles ein Sumpf. Ich öffnete das Luftloch, das Licht fiel auf meine Wange, ich beugte mich nieder, sass weinend da, über meine Wange flössen meine Thränen. Ich schaute auf die Welt — lauter Meer! 140 Nach der 12. (Himmelsrichtung) hin tauchte Land auf, nach dem Lande Nisir trieb das Schiff. Der Berg des Landes Nisir hielt das Schiff fest und Hess es nicht los. Den ersten Tag, den zweiten Tag hielt der Berg Nisir etc. Den dritten Tag, den vierten Tag hielt der Berg Nisir etc. li5Den fünftoi, den sechsten hielt der Berg Nisir etc. Als der siebente Tag herankam: Da Hess ich eine Taube hinaus und Hess sie los. 1) wörtlich ,Lehm, Thon'. 2) Z 129 und 130 bilden im Original eine Zeile. 427 Es flog die Taube hin und her; da aber kein Buheplatz da war, kehrte sie zurück. lb0Da Hess ich eine Schwalbe hinaus und Hess sie los. Es flog die Schwalbe hin und her; da aber kein Buheplatz da war, kehrte sie zurück. Da Hess ich einen Raben hinaus und Hess ihn los. Es flog der Rabe, sah das Wasser abnehmen, 155 kam näher . . nd und krächzend, kehrte aber nicht zurück. Da Hess ich (Alles) hinaus nach den 4 Winden, brachte ein Opfer dar, machte eine Spende auf dem Giptfel des Berges. Je 7 Gefässe stellte ich auf, darein schüttete ich Calmus, Cedernholz und Räucherwerk. 160/)<> Götter rochen den Duft, die Gölter rochen den süssen Duft, die Götter scharten sich wie Fliegen um den Opferer. Als drauf die ,Hehre' x) herangekommen war, da erhob sie das köstliche Geschmeide, das Anu gefertigt ihr zu Wunsche: 165 , Ihr Götter hier! Bei meinem Halsschmuck! Nicht werde ich vergessen diese Tage, ihrer denken, sie ewig nicht vergessen! Die Götter mögen herantreten an die Spende, aber Bei trete nicht an die Spende, weil er unbesonnen die Sintflut angerichtet 170 und meine Menschen dem Verderben preisgegeben'. Als dann Bei herangekommen, wie er erblickte das Schiff, da ergrimmte Bei, ward von Zorn erfüllt über die Götter der lgigi'- ,Wer ist da davongekommen mit dem Leben? 175 Nicht sollte entrinnen ein Mensch dem Verderben !' Da öffnete Ninib seinen Mund und sprach, sagte drauf zu dem Kriegsheld Bei: ,Wer, ausser Ea, kann solches tun, kennt doch Ea jegliches Vornehmen!' 1&0Da öffnete Ea seinen Mund und sprach, sagte drauf zu dem Kriegsheld Bei: ,Ei du Kluger unter den Göttern, Kriegsheld! wie unbesonnen warst du, eine Sintflut anzurichten! Dem Sütider leg auf seine Sünde, 185 dem Frevler leg auf seinen Frevel ; aber sei nachsichtig, dass nicht (Alles) vertilgt. sei ge- duldig, dass nicht (Alles) [vernichtet werde!] Anstatt dass du anrichtest eine Sintflut, 1) dh Istar. 428 mögen Löwen kommen und unter den Menschen aufräumen! Anstatt dass du anrichtest eine Sintflut, 190 mögen Leoparden kommen und unter den Menschen aufräumen! Anstatt dass du anrichtest eine Sintflut, mag eine Hungersnot entstehen und das Land [. . . .]! Anstatt dass du anrichtest eine Sintflut, mag der Pestgott kommen und die Menschen schlachten! 195 Nicht ich habe eröffnet den Rat der grossen Götter, dem Atra-chasis l) sandte ich Träume, so hörte er von dem Bat der Götter'. Darauf fasste er einen Entschluss, es stieg Bei auf das Schiff. Er ergriff meine Hand und führte mich hinauf, 200 führte hinauf und Hess sich lehnen mein Weib an meine Seite, wandte uns einander zu, trat zwischen uns, segnete uns: ,Vordem war Cit-nayistim nur ein Mensch, jetzt sei CH-napistim und sein Weib uns Göttern gleich, wohnen soll Cit-napistim in der Ferne, an der Mündung der Ströme!' 205 Da entrückten sie mich und in der Ferne, an der Mün- dung der Ströme Hessen sie mich wohnen.' 1) dh der Sehr-Gescheite (nach Haupt The Book of Ecclesiastes 1894 p 29 dagegen: der Sehr-Fronime), ein Epitheton des Cit-napistini ; in seiner Umkehrung *Hasis-atra wahrscheinlich das Prototyp von aloov&Qos. Index (Lexicographisches ). =-"3s Götter, Engel p 66 A 7. ■p;s Job 4026, Sinn: circulum, King; ob corrumpiert ? bat jeden- falls mit yrai» Binse nicbts zu tun p 49 A 4. hl»"«? Schrecknisse, Name der Meeresungebeuer p 57 A 3. ptoM Prov 830 Wartekind; fists , Werkmeister (?) ist aus dem Lexicon zu streichen p 94 A 1. css Cbaos wie Dinri und ma etc; yua ">dbk der die Erde umgebende Ocean, babylonisch apsü (Hommel) p 46. ■ps Boden, Unterwelt p 18 A 1, p 132 A 5. i*»s verflucben, db durch Zauberwort dem Verfluchten seine eigen- tümliche Kraft entziehen; vom Menschen gebraucht ein Wunsch, von Gott eine Tat: verzaubern, im Banne halten p 59 A 2. -sä Cisterne, Unterwelt p 54 A 1, p 214 A 1. ttiana nicht = ägyptischem p-ehe-niöu (Wasserochs) , sondern ein Landtier p 64. •vo wie -s=; nicht: Grab p 132 A 8, p 214 A 1. Kia durchs Wort hervorbringen, ein in Babylonien uralter Begriff p 23 A 2. rr-a in der Verbindung ima »ns, nicht , flüchtige', sondern wahr- scheinlich , gewundene' Schlange p 36 A 4, p 47. "W von Menschen verbieten, von Gott verhindern p 59 A 2. st- zermalmen, schmählich mishandeln p 33 A 3, p 71. rwrt und ran verwechselt p 94 A 8. fflaiT ? Eotz p 140 A 1. s-jr; Hithpa ist in der Bedeutung ,in Bestürzung geraten' aus dem Lexicon zu streichen p 55 A 3. 430 \£jr, geschändet, besonders in der Verbindung a-n-Vir, ist Terminus für die unbestattete Leiche des auf der Wahlstatt gefallenen Feindes p 33 A 3; dazu gehören "~ -i~ die Leiche des gefallenen Feindes , schänden', ,geschändet werden' p 30 A 4. hbn Qal Polal durchbohrt sein, Polel durchbohren ist aus dem Lexicon zu streichen p 30 A 4. r-- ist Terminus von der Leichenstarre ; in der Bedeutung nieder- strecken' nicht mit hy p 132 A 6. asn mit dem -t-; aus ils aushauen; nicht vom Holzhauen p 30 A3, mit r,fa verwechselt p 30 A 3. hrn sich durchzwängen, nicht , durchgraben' p 140 A 1. 1? das festgesetzte Anteil, die vorher bestimmte Zeit p 102 A 1. -.—'- der kranzartig die Erde umgebende Ocean, mythologisch als gewundene Schlange vorgestellt p 46. r-'-.:~. Tierkreisbilder = assyrisch mazzaltu (y~ tw), , Standorte' der Sterne p 140 A 1. ■pö» Ort, wo etwas steht; nur im Singular p 91 A 3. pa Portion p 102 A 1. rfcis» Tiefe, nicht: Sprudel p 52 A 2. tt»a verwechselt mit r.a-s; ritte ist fälschlich rsb gelesen p 33 A 2, p 55 A 1. Die intransitive Bedeutung von sr: ist aus dem Lexicon zu streichen p 33 A 2. ta Bild, Gestalt p 140 A 1. --• Polel , aufstören', opp — s ,verzaubern', also : ,vom Zauberschlafe erwecken- ; —s und —v Zauber und Gegenzauber p 59. h'j Höhe, Summe (Klostermann) p 108 A 4. "- Unterwelt p 18 A 1, p 53 A 1. rrs imstande, bereit, beauftragt p 60 A 1. rs^ die aus dem Aase ausfliessende Flüssigkeit p 73 A 1. V?s I niedersinken und Vru II gellen sind 2 verschiedene Wurzeln p 52 A 2. r-'--"? Misthaufen (Bickell) p 102 A 1. ?;- Qal Hi Euhe schaffen, finden; nicht zugleich: ,aufschrecken' ; verwechselt mit -s; p 36 A 2, p 94 A 8. bwn Name der Götzen p 40. 431 r-3- das faulende Aas p 73 A 6. er- (sonst »Bi) Hithpa sich aufwühlen (vom Wasser) p 66 A 9: Prov 63, corrumpiert, aus dem Lexicon zu streichen p 66 A 9. ■p ,Silberbarren'(?), aus dem Lexicon zu streichen p 66 A 10. uva verwechselt mit ntsfc p 40 A 3. his» n-:r Kähne p 50 A 3. ■pi- (-;=c -753) wehen, Terminus von der ,Wirkung' des Kindes im Mutterleibe p 93 A 3; verwechselt mit -■- .umzäumen'. rsr Ho geschweigt werden p 39 A 1. bis? Polel ist Terminus von den ,Planeten' p 125. hnti Fallgrube, Xame der Unterwelt p 132 A 8. ^n» als Eigenname eines Gottes p 132 f. v--J I ebben. Terminus von der Nilebbe p 65 A 3. j-'pr II Hi angeln p 49 A 3. Var ursprünglich: die fruchttragende Erde, nicht: Erdkreis p 34 A 1. rnr Unterwelt p 53 A 3. Druck der Univ.-Buchdruckerei von E. A. Huth in Göttingen. 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